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Kommentar

Töten wie im Videospiel

Es dürfte schwer sein, im Westen jemanden zu finden, der aufrichtig um Aiman al-Sawahiri trauern würde. Der langjährige Stellvertreter von Osama bin Laden und seit dessen Tod 2011 Führer des islamistischen Terrornetzwerks al-Qaida kam am Sonntag bei einem US-Drohnenangriff im afghanischen Kabul ums Leben.

Aiman al-Sawahiri (rechts) neben Osama bin Laden kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001. (Foto: Hamid Mir/CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Für die Vereinigten Staaten war Sawahiri der meistgesuchte Terrorist der Welt. Auf der Fahndungsliste des FBI stand er an oberster Stelle. Er ist mitverantwortlich für die Anschläge auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania 1998, stand Osama bin Laden bei der Planung der Angriffe auf das World Trade Center und das Pentagon am 11. September 2001 zur Seite und lenkte den Terrorkrieg der al-Qaida im Irak, in Syrien oder in Somalia.

Keine Trauer um den Terror-Führer

Aiman al-Sawahiri hat buchstäblich Blut an den Händen. Zigtausende starben bei Attacken, die er entweder geplant, geleitet oder ideologisch vorbereitet hat. Nein, echte Trauer um den Führer der al-Qaida verbietet sich. Mittel und Wege aber, die zu seinem Tod geführt haben, kann man durchaus kritisch sehen.

Als 2011 Osama bin Laden in Abbottabad von US-Elitesoldaten erschossen wurde, verfolgten Präsident Barack Obama und der damalige Vizepräsident Joe Biden gebannt das Geschehen, das auf Bildschirmen live ins Weiße Haus übertragen wurde. Vor Ort im Osten Pakistans waren immerhin noch amerikanische Einheiten im Einsatz, die ihre Befehle ausführten.

US-Präsident Barack Obama und Vizepräsident Joe Biden (ganz links) verfolgen gebannt die Militäraktion, die 2011 zum Tod Osama bin Ladens führte. (Foto: Pete Souza/White House/gemeinfrei)

Anders bei Aiman al-Sawahiri: Er fiel einem Luftschlag der CIA zum Opfer, liest man. Eine Drohne des US-Auslandsnachrichtendienstes tötete Sawahiri demnach durch „präzisen“ Raketenbeschuss. Mit anderen Worten: Krieg und Menschenjagd wie im Videospiel – nicht mehr nur für die politischen Entscheider in Washington, sondern auch für die ausführenden Hände am Steuerknüppel der Drohne.

Der Drohnenkrieg spricht jedem Rechtsstaat Hohn

Der Drohnenkrieg der USA, der insbesondere während der Präsidentschaft von Barack Obama enorm ausgeweitet wurde und im Fall Sawahiri gewiss nicht den Falschen trifft, rührt an den Grundfesten des Rechts: Er verletzt die nationale Souveränität des betroffenen Landes (hier: Afghanistan) und spricht jedem Rechtsstaat Hohn. Auch wenn nahezu jedes Gericht der Welt Sawahiri schuldig sprechen würde – ein faires Verfahren hätte selbst ein Terrorist und Massenmörder wie er verdient.

Auch Israel tritt mit außergesetzlichen Tötungen von vermeintlichen palästinensischen Terroristen, Hisbollah-Kämpfern oder iranischen Offiziellen immer wieder den Rechtsstaat mit Füßen. Wer aber wollte die Grenze ziehen, bis zu der ein Raketenbeschuss oder Bombenangriff gerade noch erlaubt ist? Nein, das Töten am Bildschirm mag im Videospiel erlaubt sein. In der Politik hat es nichts verloren. Und schon gar nicht sollte es mit dem Friedensnobelpreis gewürdigt werden – wie 2009 geschehen bei Barack Obama.

Thomas Wolf

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