Die Religions- und Weltanschauungsfreiheit gehört zu den Menschenrechten, die in der Charta der Vereinten Nationen und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert sind. Anlässlich des heutigen UN-Gedenktags für die Opfer religiöser Gewalt erinnern Hilfswerke wie „Kirche in Not“ und die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) daran, dass die freie Religionsausübung in vielen Weltgegenden unmöglich ist. Oft, aber nicht immer sind es islamisch geprägte Staaten, die das Menschenrecht systematisch brechen.
„Die Gewalt gegen Gläubige ist weltweit auf dem Vormarsch. Täter werden nicht verfolgt und die Opfer werden von den Staaten nicht geschützt. Zum Teil sind die Opfer von glaubensbedingter und antireligiöser Verfolgung systematischer staatlicher und juristischer Unterdrückung ausgesetzt“, kritisiert Martin Lessenthin, Vorstandssprecher der IGFM in Frankfurt. In totalitär regierten Staaten wie China oder Nordkorea werden Gläubige, die sich einer staatlichen Anleitung und Registrierung widersetzen, nach Ansicht der IGFM als Gefahr für die Machthaber angesehen und mit juristischen, geheimdienstlichen, polizeilichen und erzieherischen Maßnahmen drangsaliert.
„Christen leben praktisch in Ghettos“
Bei „Kirche in Not“ sorgt man sich aktuell insbesondere um die Christen in der afrikanischen Sahelzone, erklärte Thomas Heine-Geldern, Geschäftsführender Präsident des katholischen Hilfswerks. „Man muss nicht ermordet werden, um Opfer religiöser Gewalt zu sein. Es reicht schon, wenn Grundrechte eingeschränkt werden. Christen in Mali, Niger, Nigeria und Burkina Faso, um nur einige Länder zu nennen, leben praktisch in Ghettos oder üben ihren Glauben im Verborgenen aus.“
Das Hilfswerk, das nach eigenen Angaben in 140 Ländern bedrängten und notleidenden Christen beisteht, stellt auch in anderen Weltregionen eine zunehmende Verfolgung und Diskriminierung fest. Diese reicht von blutiger Feindseligkeit bis hin zur Diskriminierung von Christen und ihren Überzeugungen. „Kirche in Not“ weist in diesem Zusammenhang auf mehrere „besorgniserregende Entwicklungen“ hin.
So bleibe eine internationale Reaktion auf den dschihadistischen Terror in Afrika weitestgehend aus. Trotz des rasanten Anwachsens militanter Islamistengruppen in den Ländern südlich der Sahara würden die Betroffenen religiös motivierter Gewalt in Afrika allzu oft vergessen, kritisiert das Hilfswerk. In Burkina Faso etwa im Südosten des Schwarzen Kontinents befinden sich demnach rund 80 Prozent des Landes in der Hand radikaler Islamisten. Dies habe „verheerende Folgen“ für das Wachstum und die Entwicklung. Nigeria, das bevölkerungsreichste Land Afrikas, erlebe derzeit sogar eine Gewaltspirale nie dagewesenen Ausmaßes.
Zwangsverheiratung und Zwangskonversion
Viele der Betroffenen religiöser Gewalt, stellt „Kirche in Not“ fest, müssen aus ihrer Heimat fliehen. Allein in den afrikanischen Staaten, in denen schwere religiöse Verfolgung herrscht, beträgt die Zahl der Vertriebenen nach Angaben des Hilfswerks mehr als 15 Millionen. Bei der Schätzung stützt sich die Organisation auf die Angaben lokaler Projektpartner und die Angaben internationaler Beobachter, etwa das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen. Immer häufiger gehe die Gewalt gegen religiöse Minderheiten mit sexueller Gewalt einher. In Ländern wie Pakistan, Ägypten und Nigeria bedeutet dies: Zwangsverheiratung und -konversion sowie sexuelle Ausbeutung.
Einen alarmierenden Anstieg von religionsfeindlichen Angriffen stellt „Kirche in Not“ aber nicht nur in islamisch geprägten Ländern fest – sondern auch in Lateinamerika: Besonders schlimm sei das Lage aktuell in Nicaragua, wo die katholische Kirche in den vergangenen vier Jahren über 190 Anschläge und gewaltsame Attacken erlitten habe. „Dort geht die Aggression gegen die Kirche und ihre Gläubigen von höchster politischer Stelle aus“, heißt es von dem Hilfswerk. In Ländern wie Mexiko, Kolumbien, Argentinien und Chile versuchten extremistische Gruppierungen, die freie Meinungsäußerung von Glaubensgemeinschaften einzuschränken und Kirchenvertreter zum Schweigen zu bringen.
Europa will Religionen zum Schweigen bringen
Eine Gefahr für die Religionsfreiheit sieht „Kirche in Not“ auch im Erstarken aggressiver säkularer Ideologien in Europa. Hier stoße man auf Versuche, traditionelle religiöse Ansichten zu kriminalisieren – etwa beim Lebensschutz oder beim christlichen Menschen- und Familienbild. Papst Franziskus habe dies 2016 in einer Predigt zugespitzt als „höfliche Verfolgung“ beschrieben. Er verstehe darunter den Versuch, Religionen „zum Schweigen zu bringen und auf die Verborgenheit des Gewissens jedes Einzelnen zu beschränken oder sie ins Randdasein des geschlossenen, eingefriedeten Raums der Kirchen, Synagogen oder Moscheen zu verbannen“.