Kategorien
Kommentar

Polen wurde bereits entschädigt

Nachdem das Thema bereits länger im Raum schwebte, werden nun in Warschau Nägel mit Köpfen gemacht: Die Republik Polen fordert offiziell von der Bundesrepublik Deutschland 1,3 Billionen Euro Wiedergutmachung für das, was das Deutsche Reich Polen im Zweiten Weltkrieg angetan hat. Berlin lehnt die Reparationen ab – aus gutem Grund.

Einen hohen Blutzoll gefordert

Polen war lange Zeit zwischen seinen Nachbarn aufgeteilt und hatte es erst nach dem Ersten Weltkrieg geschafft, wieder einen eigenen Staat zu erhalten. Dieser währte aber nicht lange. Das polnische Staatsgebiet wurde 1939 als Interessenssphäre zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion aufgeteilt. Teile sollten dem Reich einverleibt, das verbliebene Rest-Polen fortan als Reservoir billiger Arbeitskräfte dienen. Krieg und Besatzung forderten einen hohen Blutzoll. Diese Zeit ist somit zu einem Trauma geworden, das Polen bis heute prägt.

Polens Hauptstadt Warschau wurde im Zweiten Weltkrieg zu großen Teilen zerstört. Die Schäden, die das Land erlitt, beziffert die Regierung auf rund 1,3 Billionen Euro – und fordert diese als Reparationen von Deutschland. (Foto: M.Świerczyński/gemeinfrei)

Sind vor diesem Hintergrund die polnischen Forderungen aber gerechtfertigt? Dass Polen in den 1950er Jahren auf Reparationen verzichtet hatte und dies mehrfach bekräftigte, lässt sich noch damit erklären, dass Polen bis zur Wende 1990 kein gänzlich freier Staat war, sondern ein Satellitenstaat der Sowjetunion. Unlogisch ist aber, dass Polen keine Forderungen an Russland stellt – schließlich hatte die Sowjetunion damals für Polens Verzicht eigene Reparationen versprochen, die aber nie erfolgt sind. Und nicht zu vergessen: Die Sowjetunion war als Bündnispartner des Deutschen Reichs am Angriff auf Polen beteiligt gewesen.

„Ostdeutschland“ von Polen annektiert

Eine wichtige Tatsache wird bei der Diskussion stets ignoriert: Polen wurde bereits entschädigt – nicht mit Geld, aber mit Land. Ein Drittel des deutschen Staatsgebietes, nämlich das Gebiet östlich der Oder und Neiße, lange Zeit noch als „Ostdeutschland“ bezeichnet, ging nach dem Zweiten Weltkrieg an Polen! Dieses verwaltete es de jure zwar nur, de facto wurde das Gebiet aber annektiert und die deutsche Bevölkerung weitgehend vertrieben: aus Hinterpommern, dem Osten Brandenburgs, aus Schlesien und dem südlichen Ostpreußen. Ganz zu schweigen davon, dass zuvor bereits vieles von dort nach Zentralpolen geschafft wurde.

Erst 1990 wurde im Zwei-plus-Vier-Vertrag geregelt, dass die Ostgebiete nicht mehr Teil des deutschen Staatsgebiets sind. Es stellt sich daher die Frage, ob Polen mit deren Inbesitznahme nicht bereits eine ausreichende Reparation erfahren hat. Bedenken sollte man dabei auch, dass Polen seit seinem EU-Beitritt 2004 viel Geld
bekommen hat. 2020 etwa hat es 13,2 Mrd. Euro erhalten und ist damit der mit deutlichem Abstand größte Nettoempfänger in der EU. Deutschland hat hingegen als größter Nettozahler im selben Jahr 15,5 Milliarden gegeben. Somit hat Polen bereits viel Geld aus der Bundesrepublik bekommen und wird es auch weiter erhalten.

Der deutsche Geldbeutel sitzt locker

Wozu also will Polen Reparationen haben, wenn es jedes Jahr schon große Summen aus Deutschland erhält? Grundsätzlich verdenken kann man es Polen freilich verdenken, wenn es versucht, von seinem Nachbarn noch mehr Geld herauszuschlagen. Es dürfte nur allzu bekannt sein, wie locker der Bundesrepublik der Geldbeutel sitzt. So zahlt Deutschland etwa Kindergeld für im Ausland lebende Kinder, von denen man nicht einmal sicher weiß, ob es sie wirklich gibt, und illegal ins Land gekommene Menschen können ohne eine Gegenleistung sogleich eine üppige Sozialhilfe einstreichen.

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. Seine Regierung hält die Hand auf. (Foto: Gov.pl/CC BY 3.0 PL via Wikimedia Commons)

Wenn deutsches Geld für jedermann zu haben ist – weshalb sollte dann Polen nicht auch seine Hand aufhalten? Auffällig ist, dass das Thema gerade jetzt aufkommt. Das dürfte einen Grund haben: Polen wählt im kommenden Jahr sein Parlament neu. Die rechte Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hofft wohl darauf, die nach wie vor starke antideutsche Stimmung im Land für ihren Wahlkampf zu nutzen. Derzeit sieht es nämlich so aus, als ob sie deutliche Verluste erleiden wird und es zum Erstarken der Opposition kommt.

Unter dem Strich zeigen die polnischen Forderungen, dass das deutsch-polnische Verhältnis auch fast 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs angespannt ist. Anders als zu anderen einstigen Kriegsgegnern hat sich kein wirklich freundschaftliches Verhältnis zu Polen entwickelt. Dass sich daran etwas ändert, falls Deutschland die geforderte Summe doch zahlen sollte, ist nicht anzunehmen. Auf eine „Freundschaft“, die sich auf Druck und Geld gründet, sollte man doch lieber ganz verzichten.

Lukas Böhme

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.