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Ein ungeklärter Tod und verbrannte Kopftücher

Eine junge Kurdin starb im Iran mutmaßlich durch Polizeigewalt – Jetzt erlebt die Islamische Republik eine Welle neuer Massenproteste

Der Tod einer 22-Jährigen, die wegen angeblich „unislamischer“ Kleidung in Gewahrsam der iranischen Sittenpolizei geraten war, hat in der Islamischen Republik Massenproteste ausgelöst. Frauen schneiden sich öffentlich ihre Haare ab oder verbrennen ihr Kopftuch, das sie als Zeichen der Unterdrückung begreifen. Der klerikal-konservative Präsident Ebrahim Raisi kündigte auf Druck der Straße an, den Tod der jungen Frau untersuchen zu lassen. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Göttingen kritisiert derweil eine auffällige Leerstelle in der Berichterstattung vieler Medien.

„Frau Amini war Kurdin“

„Bei aller berechtigten Empörung über Mahsa Aminis Tod wird ihre nationale Identität verschwiegen“, erklärt Dr. Kamal Sido, Nahostexperte der GfbV. „Frau Amini war Kurdin. Ihren kurdischen Vornamen Jina durfte sie im Iran nicht tragen. Neben der offensichtlich frauenverachtenden Kleiderordnung wurde die junge Frau wie Millionen andere auch als Kurdin von iranischen Behörden unterdrückt.“ Mahsa Amini, heißt es aus dem Iran, sei an einer Hirnblutung gestorben, nachdem Polizisten ihr auf den Kopf geschlagen hatten. Offiziell ist ihr Tod als Folge von Herzversagen und eines epileptischen Anfalls eingetreten.

Das Todesopfer Mahsa Amini auf einer Aufnahme, die in den sozialen Netzwerken im Internet kursiert. (Foto: Twitter)

Bereits nach der Geburt sollen iranische Behörden den Wunsch der Eltern von Jina Mahsa Amini abgelehnt haben, ihrer Tochter den kurdischen Namen „Jina“ zu geben. Das Kind wurde dann unter dem Namen „Mahsa“ registriert, ist aber mit dem kurdischen Namen „Jina“ (Leben) aufgewachsen. „Viele bezeichnen es als Trauerspiel, dass die junge Frau auch nach ihrem gewaltsamen Tod in den Medien als ‚Masha‘ bezeichnet wird. Denn dieser Name wurde ihr von denselben Behörden aufgezwungen, die jetzt für ihren Tod verantwortlich sind“, sagt Sido.

Mindestens vier Tote

Nach Bekanntgabe ihres Todes riefen kurdische Parteien im Iran zu Protesten auf. Die Sicherheitskräfte setzen Tränengas, Wasserwerfer, Knüppel und Schrotmunition ein. In einigen Ortschaften soll die Polizei mit scharfer Munition geschossen haben. „Unsere kurdischen Quellen berichten von mindestens vier Toten und 200 Verletzten allein in Ost-Kurdistan“, sagt Sido. Vor allem Frauen solidarisieren sich mit Jina Mahsa Amini. Auf der Straße rufen sie Parolen wie: „Tod dem Despoten, egal ob Schah oder Führer!“ Gemeint sind der von den USA installierte und 1979 gestürzte Schah und der jetzige Religionsführer Ayatollah Ali Chamenei. 

Irans klerikal-konservativer Präsident Ebrahim Raisi. (Foto: Duma.gov.ru/CC BY 4.0 via Wikimedia Commons)

„Ost-Kurdistan“ nennen die Kurden ihre Siedlungsgebiete im Westen der Islamischen Republik. Von etwa 85 Millionen Menschen im Iran sind nach Angaben der GfbV etwa elf Millionen Kurden. Sie stellen nicht nur in der Provinz Kurdistan die Mehrheit, sondern auch in einigen anderen Regionen. Dem Herrschaftssystem der schiitischen Mullahs bringen sie großes Misstrauen entgegen. Die Mullahs hatten den verschiedenen Volksgruppen des Landes Demokratie und Autonomie versprochen. Das Versprechen wurde jedoch nie eingelöst.

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