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Im Blickpunkt

Armeniens Christen in tödlicher Gefahr

Kaukasus-Konflikt spitzt sich wieder zu – Kirchliches Hilfswerk Renovabis kritisiert aserbaidschanische Angriffe und fordert Eingreifen der internationalen Gemeinschaft

Die immer wieder aufflammende Gewalt zwischen Aserbaidschan und Armenien richtet sich zunehmend gegen Christen, warnt das Osteuropa-Hilfswerk der katholischen Kirche, Renovabis. Zwar geht es bei dem Konflikt im Kern um das umstrittene Gebiet Bergkarabach, das völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehört, aber mehrheitlich von Armeniern bewohnt wird. Zuletzt war allerdings gerade das armenische Kernland von aserbaidschanischen Angriffen betroffen.

„Kulturelles Erbe gefährdet“

„Die armenische Bevölkerung und ihr kulturelles Erbe sind gefährdet“, ist Renovabis-Hauptgeschäftsführer Thomas Schwartz überzeugt. „Wir müssen aufpassen, dass Armenien mit den dort lebenden Christin­nen und Christen in ihrer bis auf das dritte Jahrhundert zurückreichen­den Apostolischen Kirche und deren kostbaren Kulturzeugnissen nicht zwischen der Türkei und Aserbaidschan aufgerieben werden“, mahnt der Renovabis-Chef. Die Türkei ist ein traditioneller Verbündeter des ebenfalls muslimischen Aserbaidschan.

Die Kathedrale des Heiligen Gregor des Erleuchters in Armeniens Hauptstadt Eriwan ist das größte Gotteshaus der Armenischen Apostolischen Kirche. (Foto: Elena Buntik/CC BY 2.0 via Wikimedia Commons)

Die christlichen Armenier sieht Pfarrer Schwartz in einer besonders schwierigen Situation: „Sie werden aus Bergkarabach vertrieben, armenisches Kulturgut wird zerstört und nun müssen sie angesichts der militärischen Eskalation um Leib und Leben fürchten.“ Nach Schwartz verliert die Menschheit mit der systematischen Zerstörung von Erinnerungsstätten und von Kirchen der unwiederbringlich bedeutende und einmalige Kulturdenkmäler. „Es schmerzt mich, dass Waffengewalt über Diplomatie und Dialog zu siegen scheint“, sagt der Geistliche angesichts des ständigen Bruches der von Russland vermittelten Waffenruhe.

Die EU ist nicht neutral

Um den Konflikt einzudämmen, bedarf es laut Renovabis dringend des Engagements der Weltgemeinschaft: Vereinte Nationen, OSZE und Europäische Union. Gerade die EU ist in dem Konflikt nach Ansicht von Kritikern aber nicht neutral. Das weiß auch der Renovabis-Chef. Angesichts des Gas-Deals mit Baku warnt er vor westlicher Doppelmoral: „Eine zunehmende Energie­abhängigkeit der EU von Aserbaidschan darf nicht dazu führen, dass die aktuelle Aggression, die Menschenrechte und drohende Zerstörung von armenischen Kulturgütern ohne Kritik bleiben.“

Vielmehr müsse die EU ihren Einfluss aus Baku nutzen, um zu Deeskalation und Befriedung beizutragen. „OSZE-Friedenstruppen könnten ein gutes Instrument sein“, meint Schwartz. Dem dürfte sich auch die EU nicht verschließen. Renovabis selbst kündigte an, den mehreren Tausend armenischen Binnenflüchtlingen helfen zu wollen. Dies sei mit Blick auf den bevorstehenden Winter und die schwierige wirtschaftliche wie soziale Situation im Land dringlich. „In den umkämpften Gebieten ist die beißende Kälte eine weitere unbarmherzige Kriegspartei“, sagt Schwartz.

Armenische Soldaten bei einer Übung in Russland 2018. Seit Wochen müssen sie sich immer wieder aserbaidschanischer Angriffe erwehren. (Foto: BoNDeX/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

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