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Im Blickpunkt

Eines dürfte klar sein: Es war Sabotage

Die Lecks an den Pipelines Nord Stream 1 und 2 gehen wohl auf Anschläge zurück – Wer hat die Erdgas-Leitungen zerstört?

Es hat nur wenige Stunden gedauert, bis kaum noch ein ernsthafter Zweifel bestand: Die Lecks an den beiden Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 gehen auf Sabotage zurück. Von „Zerstörungen, die an einem Tag gleichzeitig“ an drei Stellen entstanden, berichtet die Betreibergesellschaft. Bereits gestern war ein zunächst unerklärlicher Druckabfall in Nord Stream 2 festgestellt worden. In der Nacht folgte Nord Stream 1.

Da fällt es schwer, von einem reinen Zufall auszugehen, von einem Naturereignis oder dergleichen. Zumal derartige Schäden in dieser Häufung noch nie an einer Pipeline festgestellt wurden. „Immer wieder fällt das Wort Sabotage“, titelt tagesschau.de. Auch die Bundesregierung soll sich ersten Medienberichten zufolge dieser Schlussfolgerung anschließen. Eine offizielle Stellungnahme gab es aber zunächst nicht. „An Spekulationen beteiligen wir uns nicht“, hieß es aus dem Bundeswirtschaftsministerium.

„Aus gutem deutschen Stahl“

Wer könnte hinter einem solchen Anschlag auf die beiden deutsch-russischen Erdgas-Leitungen stecken? Sicherheitsbehörden gehen von einem staatlichen Akteur aus. Die Deutung liegt nahe. Um die unterseeisch verlaufenden Pipelines so schwer zu beschädigen, sind ein enormer Aufwand, technisches Wissen und die nötigen Gerätschaften erforderlich. Experten gehen von Spezialkräften wie Marinetauchern aus. Vielleicht war sogar ein U-Boot beteiligt. Ein privater Tauchausflug, um die Leitungen „aus massivem und gutem deutschen Stahl“ (Jürgen Trittin) nahe der dänischen Insel Bornholm zu zerstören, scheidet offensichtlich aus.

Experten vermuten, dass an dem Anschlag auf Nord Stream 1 und 2 Marinetaucher oder sogar ein U-Boot beteiligt waren. (Foto: Pixabay)

Die Frage, die nun gestellt werden muss, lautet: „Cui bono?“ – Wem nützt es? Polen brachte sogleich den Kreml ins Spiel: Eine russische Provokation könne hinter den Lecks stehen. „Leider verfolgt unser östlicher Nachbar ständig eine aggressive Politik“, wird Polens stellvertrender Außenminister Marcin Przydacz zitiert. „Wenn er zu einer aggressiven militärischen Politik in der Ukraine fähig ist, ist es offensichtlich, dass keine Provokationen ausgeschlossen werden können, auch nicht in den Abschnitten, die in Westeuropa liegen.“ Aber ist das wahrscheinlich?

Russland will weiter liefern

Russland hat stets betont, Deutschland ungeachtet des neuen Ost-West-Konflikts weiter Erdgas liefern zu wollen. Zwar steht Nord Stream 1 seit Wochen still, weil die russischen Behörden wegen des Öllecks in einer Kompressorstation einen sicheren Betrieb nicht mehr für möglich halten. Mehrfach skizzierte der Kreml, wie eine Lösung aussehen könnte: Die Bundesregierung müsste Nord Stream 2 die Betriebserlaubnis erteilen. Selbst wenn eine baldige Inbetriebnahme unwahrscheinlich war – eine Zerstörung wäre kontraproduktiv. Ein dauerhafter Stopp der Energielieferungen schadet Russland ebenso sehr wie Deutschland.

Ein Fährschiff auf der Ostsee. Die Behörden haben wegen des Gasaustritts aus den beiden Pipelines Nord Stream 1 und 2 eine Sperrzone eingerichtet. (Foto: Pixabay)

Die Verantwortlichen für den Anschlag dürften also wahrscheinlich woanders zu suchen sein. Möglich wären Polen, die Ukraine und die USA. Alle drei Staaten haben ein Interesse daran, dass die beiden Pipelines außer Betrieb gehen. Polen und die Ukraine, weil die Nord-Stream-Leitungen ihr Staatsgebiet umgehen und ihnen daher Durchleitungsentgelte entgehen. Die Vereinigten Staaten, weil sie Deutschland zum Kauf ihres teuren Flüssiggases drängen wollen. Dazu kommt nach Ansicht von US-Kritikern ein knallhartes geopolitisches Interesse: Washington torpediert die traditionell guten Beziehungen zwischen Deutschland und Russland, um die eigene Machtstellung nicht zu gefährden.

Wer auch immer letztlich seine Marinetaucher oder Sabotage-U-Boote Richtung Bornholm schickte: Er hat sein Ziel erreicht. Das deutsch-russische Projekt Nord Stream liegt komplett still. Für wie lange, ist noch nicht absehbar.

Thomas Wolf

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