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Europa vor dem Rechtsruck?

In Italien hat das rechte Parteienbündnis um Giorgia Meloni die Wahl gewonnen – Was das für Deutschland und Europa bedeuten könnte

Nicht zuletzt steht auch die derzeitige Regierung in Kiew der faschistischen Vergangenheit nahe: Stepan Bandera, zentrale Figur des ukrainischen Nationalismus und (zeitweilig) NS-Kollaborateur, wird als Volksheld verehrt. Immer wieder entdeckt man bei ukrainischen Soldaten Nazi-Symbole. Ein Beispiel ist die Wolfsangel. Sie wird zwar auch als Gemeindewappen, Forstzeichen oder bei der Bundeswehr verwendet. In die Geschichte eingegangen ist sie jedoch als Zeichen von NS-Organisationen und SS-Einheiten. Bis vor kurzem war die Wolfsangel auf dem Verbandsabzeichen des Asow-Regiments abgebildet, dem Russland eine große Nähe zum Faschismus vorwirft.

Asow-Kämpfer halten im Juli 2014 bei Mariupol im umkämpften Donbass Zivilisten fest. (Foto: Carl Ridderstråle/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Was bedeutet nun die Wahl in Italien für Deutschland? In Deutschland sieht die nationalkonservative Opposition ein Zeichen des Aufbruchs. Bisher hatte man eher sehnsüchtig nach Osteuropa geblickt. Nun sind ähnliche Entwicklungen auch im Westen sichtbar. Hier erhofft man sich, dass dies der Beginn für einen dauerhaften Wandel ist und dass dies auch für Deutschland entsprechende Veränderungen bringen könnte.

Ein Land mit vielen Problemen

Allerdings muss sich erst zeigen, ob sich eine rechte Regierung in Italien behaupten kann. Wenn sich nämlich nach der Wahl nicht rasch Erfolge einstellen, könnte der Effekt bald verpuffen. Italien ist zudem ein Land mit vielen Problemen. Vor allem das Nord-Süd-Gefälle stellt eine Belastung dar. Die sozialen Probleme werden auch von einer Regierung unter Führung Melonis nicht zwingend gelöst werden. Auch die Fünf-Sterne-Bewegung, die 2018 über 30 Prozent erreichte, konnte dauerhaft wenig bewirken. Die Koalition mit der Lega währte nicht lange.

Für Deutschland selbst wird die Wahl zunächst einmal wenig Positives bringen. Die EU mit ihrem Sitz in Brüssel wird von EU-Skeptikern sowie EU-Gegern als verlängerter Arm Berlins betrachtet. Deutschland verkörpert für solche Parteien all das, was man selbst ablehnt. Da sich das offizielle Deutschland entrüstet über das Wahlergebnis äußerte, ist erst einmal davon auszugehen, dass das deutsch-italienische Verhältnis sehr eisig sein wird. Die Verachtung für die EU und damit für Deutschland als tatsächliches oder nur angenommenes Herz dürfte ansteigen.

Südtirol gehört seit 1919 zu Italien. Wirklich akzeptiert ist das bis heute von zahlreichen Südtirolern nicht. (Foto: Llorenzi/CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Zudem sollte man in Deutschland noch den Blick auf etwas richten, was bislang zu selten geschieht: das weiterhin bestehende Problem Südtirols. Das kleine Gebiet im Norden Italiens wurde 1919 gegen den Willen der Bevölkerung von Österreich abgetrennt. Die bairischsprachigen Südtiroler, die dort die Mehrheit der Bevölkerung stellen, gelten offiziell als deutsche Minderheit. Viele sehnen sich danach, wieder zu Österreich zu kommen, mit Nord- und Osttirol wiedervereint zu werden.

Südtirol hat nicht vergessen

Unter den Faschisten wurde das Gebiet italienisiert. Der Schulunterricht auf Deutsch war verboten. All dies hat man in Südtirol bis heute nicht vergessen. Ein nun erstarkender italienischer Nationalismus dürfte daher unter deutschen Südtirolern keine Freudenstürme auslösen. Groß ist die Sorge, dass am bisherigen Autonomiestatus gerüttelt werden könnte. Das wäre für die deutsche sowie die wesentlich kleinere ladinische Volksgruppe ein schwerer Schlag.

Unterm Strich zeigt die Wahl: In Europa zeichnet sich ein gewisser Wandel ab – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Der Urnengang ist weder der Beginn einer Befreiung Europas noch der Auftakt zu dessen Niedergang. Sondern eine Reaktion auf eine lange Reihe von Missständen im gemeinsamen europäischen Haus.

Lukas Böhme

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