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Im Blickpunkt

Als die Wehrmacht ins Weltall vorstieß

Die „Vergeltungswaffe“ V2 steht am Beginn des Raumfahrt-Zeitalters – US-Mondlandung wäre ohne deutsche Forschung in Peenemünde kaum möglich gewesen

Der 3. Oktober ist nicht nur der Tag der Deutschen Einheit, sondern auch der Tag, der am Beginn des Raumfahrt-Zeitalters steht. Am 3. Oktober 1942 erhob sich von der Heeresversuchsanstalt Peenemünde auf Usedom ein Aggregat 4 in den Himmel. Fast 90 Kilometer stieg die Rakete auf, die später als „Vergeltungswaffe“ V2 unrühmliche Geschichte schreiben sollte. Sie erreichte damit eine Höhe, die nach US-Definition zum Weltraum gehört. Der Wehrmacht gelang der erste Weltraumflug!

Ein Aggregat 4 beim Start. Die erste Großrakete der Welt war zugleich das erste Objekt, das Menschen in den Weltraum brachten. Später wurde sie als „Vergeltungswaffe“ V2 bekannt. (Foto: Bundesarchiv/Bild 146-1978-Anh.026-01/CC-BY-SA 3.0 DE via Wikimedia Commons)

Mehrere Tausend „Vergeltungswaffen“ feuerten die deutschen Truppen in der letzten Phase des Zweiten Weltkriegs auf die Alliierten ab. Die meisten davon trafen Großbritannien und die Front im Westen. Tausende Menschen kamen bei den Angriffen ums Leben. Unzählige KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter fielen den teils katastrophalen Bedingungen bei der Produktion der ersten Großraketen der Welt zum Opfer.

Erster erfolgreicher Start

Nicht alle Starts eines Aggregat 4 dienten jedoch militärischen Zielen. Über Jahre hoben vom Gelände der Heeresversuchsanstalt Peenemünde im Nordwesten der Ostsee-Insel Usedom immer wieder Raketen zu Testzwecken ab. Darunter war jenes A4 vom 3. Oktober 1942. Es war der vierte Startversuch überhaupt – und der erste, der erfolgreich war.

Walter Dornberger, der militärische Leiter der Versuchsanstalt, erinnerte sich später, dass er Tränen in den Augen hatte. „Aus dem Wald fuhr der helleuchtende Körper der Rakete senkrecht in die Höhe. Unvergesslich und unvergleichlich ist das Bild, das sich mir bot. Der von der Sonne grell angestrahlte Raketenkörper stieg höher und höher“, schrieb er in seinem Buch „V2 – Der Schuß ins Weltall“.

Ein neues Zeitalter

„Wir haben bewiesen, dass der Raketenantrieb für die Raumfahrt brauchbar ist“, machte Dornberger am Abend nach dem Start gegenüber seinen Mitarbeitern deutlich. „Neben Erde, Wasser und Luft wird nunmehr auch der unendlich leere Raum Schauplatz kommenden, Kontinente verbindenden Verkehrs werden und als solcher politische Bedeutung erlangen können. Dieser 3. Oktober 1942 ist der erste Tag eines Zeitalters neuer Verkehrstechnik, dem der Raumschifffahrt.“

In Peenemünde erinnert heute das Historisch-Technische Museum an die Pioniertaten deutscher Raketenwissenschaftler. (Foto: HTM Archiv/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Später erst wurde die sogenannte Kármán-Linie als Grenze zum Weltraum international festgelegt. Sie verläuft in Höhe von 100 Kilometern über der Erdoberfläche. Demnach hätte der erste erfolgreiche A4-Start am 3. Oktober 1942 nur die oberen Randbereiche der Atmosphäre erreicht. Das erste Objekt, das Menschen in den Weltraum brachten, wäre dann eine A4-Rakete gewesen, die den Namen MW 18012 trug.

Epochales Ereignis

Am 18. Juni 1944 stieg das Geschoss – ebenfalls ein Aggregat 4 – von der Greifswalder Oie in den Himmel auf. Nach dem Start erreichte die Rakete eine Höhe von 127 Kilometern in den Himmel – deutlich über der Kármán-Linie. Zwei Tage später erreichte MW 18014 sogar 175 Kilometer. Ungeachtet der Höhe begriffen Dornberger und seine Kollegen aber den Erststart des A4 als epochaleres Ereignis. Auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt sieht im 3. Oktober 1942 den Beginn des Raumfahrtzeitalters.

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