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Im Blickpunkt

Die DDR – eine patriotische Alternative?

Im real existierenden Sozialismus standen Vaterlandsliebe und Nationalgefühl hoch im Kurs – Das SED-System berief sich auf die „fortschrittlichen Aspekte“ der deutschen Geschichte

An diesem Freitag würde die DDR ihren 73. Geburtstag feiern. Wenn sie nicht 1990 kurz vor ihrem wichtigsten Feiertag, dem Tag der Republik, in der Bundesrepublik aufgegangen wäre. In diesen Tagen der Energie- und Wirtschaftskrise, da die Bundesbürger die Deutsche Einheit als Misserfolg ansehen, erscheint die DDR zunehmend als passable Alternative zur kriselnden BRD. Geordnete Verhältnisse und eine vergleichsweise ausgeprägte soziale Sicherheit können punkten, wenn um einen herum alles in Scherben fällt. Ja, der zweite deutsche Staat gilt zunehmend als Alternative zur BRD. Durchaus auch für Patrioten, denen die Bundesrepublik mitunter als antideutsch gilt. Aber ist die DDR wirklich als Alternative geeignet?

Zum letzten Mal Geburtstag feierte die DDR am 7. Oktober 1989. Eine Ehrenparade der Nationalen Volksarmee leitete die Feierlichkeiten ein. Auf der Ehrentribüne: SED-Chef Erich Honecker und Sowjet-Reformer Michail Gorbatschow. Nicht einmal ein Jahr später war der sozialistische deutsche Staat Geschichte. (Foto: Bundesarchiv/Bild 183-1989-1007-402/Klaus Franke/CC BY-SA 3.0 DE via Wikimedia Commons)

Tatsächlich kennzeichnete die DDR ein ausgeprägter Patriotismus, den man als „Wessi“ gemeinhin überhaupt nicht mit dem herrschenden linken System verbindet. In der DDR aber bedeutete links nicht antideutsch, nicht unpatriotisch. Mit Vaterlandsliebe konnte man hier sehr wohl etwas anfangen – anders als ein aus dem Westen stammender grüner Bundesminister der Gegenwart. Bis zuletzt stieß man in dem „sozialistischen Staat deutscher Nation“ aufs Vaterland an. So nannte die DDR sich in ihrer Verfassung von 1968. Und auch die bewaffneten Organe wurden bis zur Wende ganz selbstverständlich aufs Vaterland vereidigt. All dies geschah zu einer Zeit, als im Westen viele schon längst nichts mehr von Patriotismus und Nationalgefühl wissen wollten.

Distanzierung von der Bundesrepublik

Wilhelm Pieck, der erste und einzige Präsident der DDR, sagte bei seinem Amtsantritt am 10. Oktober 1949, er werde sich „stets als Sachverwalter der Interessen des ganzen deutschen Volkes betrachten“. Damals verstand sich die neugegründete Republik als politisches System für ganz Deutschland. „Wir haben bewusst darauf verzichtet, für das Linsengericht knechtender Dollarkredite die nationale Zukunft Deutschlands und die Freiheit des deutschen Volkes zu verkaufen“, distanzierte sich Pieck von der Bundesrepublik, die in jenen Jahren am Tropf der USA hing.

„Unsere Brüder und Schwestern leben dort unter dem entwürdigenden Druck eines der deutschen Bevölkerung von den westlichen Besatzungsmächten aufgezwungenen Besatzungsstatus. Deutschland wurde gespalten und die wertvollsten Industriegebiete einem Sonderregime der Ausbeutung und Ausplünderung unterworfen.“ Mit Hilfe des Besatzungsstatus solle die Besetzung Westdeutschlands verewigt werden. Dies würdige einen „Teil unseres Vaterlandes zu einer Kolonie des amerikanischen Imperialismus“ herab.

DDR will die Wiedervereinigung

Ziel der DDR war damals die Wiedervereinigung. „Niemals wird die Spaltung Deutschlands, die Verewigung der militärischen Besetzung Westdeutschlands durch das Besatzungsstatut, die Losreißung des Ruhrgebietes aus dem deutschen Wirtschaftskörper von der Deutschen Demokratischen Republik anerkannt werden“, betonte Pieck. „Und nicht eher werden wir ruhen, bis die widerrechtlich von Deutschland losgerissenen und dem Besatzungsstatut unterworfenen Teile Deutschlands mit dem deutschen Kerngebiet, mit der Deutschen Demokratischen Republik in einem einheitlichen demokratischen Deutschland vereinigt sind.“

Die Gründungsfeier der DDR am 7. Oktober 1949. Wenige Tage später wählten die Abgeordneten Wilhelm Pieck, den Vorsitzenden der SED, zum ersten Präsidenten der Republik. (Foto: Bundesarchiv/Bild 183-W1126-312/Kolbe/CC BY-SA 3.0 DE via Wikimedia Commons)

Auch BRD-Oppositionsführer Kurt Schumacher (SPD), selbst glühender Antikommunist, sah im ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer einen „Kanzler der Alliierten“. Später stellten auch die Sozialdemokraten die Westbindung der Bundesrepublik nicht mehr in Frage. So konnten sich US-amerikanische Musik, Kultur und Lebensart ungehindert ausbreiten. Anders in der DDR: Der britische Buchautor Gideon Defoe definiert den zweiten deutschen Staat geradezu über seine deutschsprachige Musik. „Der Osten, das war: (…) die gesetzliche Verpflichtung, Popsongs auf Deutsch zu singen“, schreibt er in seinem „Atlas der ausgestorbenen Länder“.

Rock und Pop auf Deutsch

Inhaltlich ist das zwar nicht ganz zutreffend, denn gesungen wurde teils durchaus auf Englisch oder Französisch. Richtig ist aber, dass die weitaus meisten Stücke im Bereich Rock und Pop in deutscher Sprache erklangen. Das hat ganz offensichtlich den unschätzbaren Vorteil, dass die Zuhörer die Botschaft der Musiker gleich verstehen. Im Westen dagegen blieb deutschsprachige Popmusik bis ins 21. Jahrhundert hinein meist eine Randerscheinung. Zumindest, wenn man von einzelnen erfolgreichen Musikern oder der Neuen Deutschen Welle der 1980er Jahre absieht.

Frank Schöbel zählte zu den erfolgreichsten Musikern der DDR. Das Bild zeigt ihn bei einer Autogrammstunde mit Kindern 1980 in Berlin. (Foto: Bundesarchiv/Bild 183-W0115-047/Hartmut Reiche/CC BY-SA 3.0 DE via Wikimedia Commons)

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