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Medienkritik

Wenn die Leinwand Wahlkampf macht

Filme porträtieren die politische Rechte als (angebliche) Gefahr für das friedliche Zusammenleben der Volksgruppen – Dänischer Politthriller „Danmarks sønner“ weder originell noch spannend

Diese tatsächlichen Probleme werden nur in Nordahls Reden aufgegriffen, so etwa die Vergewaltigungen. Es sind aber nur Behauptungen, zu denen der Zuschauer ohnehin eine kritische Distanz haben wird. Zumindest sieht man nichts von dem, was Nordahl anspricht, auch vor der Kamera. Damit existiert es auch nicht.

Während im Film Dänen Zuwanderer angreifen, sieht die Wirklichkeit oft anders aus. Vor allem hellhaarige Frauen und Mädchen (Symbolbild) sind im Norden Anfeindungen und Übergriffen durch Muslime ausgesetzt. Auch in Deutschland ist das keine Seltenheit. (Foto: Pixabay)

Der Film verzichtet fast vollständig auf Alltagseindrücke. Somit weiß man weder, wie sich Zuwanderer im Alltag fühlen, noch wie die Stimmung unter den Dänen ist. Wie das Leben in einem politisch stärker nach rechts kippenden Dänemark aussieht, wird nicht gezeigt. Wenn dann mal ein wenig Alltag angedeutet wird, dann
ausschließlich der der Zuwanderer, aber auch nur in den eigenen vier Wänden. Eine Szene, wo sich Malik beim Einkaufen bedroht fühlt, hätte Potenzial, verläuft sich aber im Leeren.

Keine Gewissensbisse

Kritische Distanz zum Geschehen wird keine aufgebaut. Als Zakarias mit einigen Gleichgesinnten etwa eine Veranstaltung der „Söhne Dänemarks“ überfällt, wird dies nicht weiter kommentiert. –Immerhin ist dies ein brutaler Überfall mit Körperverletzung. Zakarias zeigt auch keinerlei Gewissensbisse. So stellt sich beim Betrachter ein verheerendes Bild ein: dass es irgendwie schon gerechtfertigt sein wird, wenn Zuwanderer Gewalt anwenden. Dass am Ende ein Beamter mit Zuwanderungsgeschichte auf einen Politiker schießt, ist ebenfalls kritisch zu sehen.

Was soll damit ausgesagt werden? Die Rechtspopulisten vergiften die Stimmung und sind damit Schuld daran, wenn Zuwanderer mit Säure übergossen werden und sich die Opfer schließlich nicht mehr anders zu helfen wissen? Hier geht es um Selbstjustiz – ein vor allem in Deutschland heikles Thema, was schon zur Indizierung mancher Filme (etwa „Mad Max“ oder „Death Wish“) führte, hier nun aber bedenkenlos erscheint.

Der Kopenhagener Stadtteil Nørrebro: Während etwa der Kultfilm „Die Olsenbande“ von 1968 eine Momentaufnahme der damals noch bürgerlichen Umgebung bietet, macht er inzwischen immer wieder durch Gewalt von Zuwanderern von sich reden. (Foto: Leif Jørgensen/CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Einen bitteren Geschmack hinterlässt zudem der Umstand, dass Malik deutliche Hinweise darauf hat, dass die Söhne Dänemarks bald mit „Säuberungen“ anfangen wollen, was aber von den Behörden ignoriert wird. Es heißt, man müsse erst konkrete Beweise haben, um handeln zu können. Später soll die Beobachtung dann ganz eingestellt werden, weil angesichts der Wahlen lieber Islamisten beobachtet werden sollen. Malik protestiert, wird aber zurechtgewiesen.

Handelt es sich hierbei um die altbekannte Verschwörungstheorie, dass in westlichen Ländern die Polizei solchen Hinweisen nicht nachgeht und somit Rechtsextreme mehr oder weniger schützt?
Es wirkt leider so. Dazu passt, dass Malik alte Aufnahmen entdeckt, die belegen, dass Nordahl als scheinbar gemäßigter Rechter früher in extremistischen Gruppen tätig war. Sein Vorgesetzter schaut sich die Aufnahme an und meint dann dass er da nichts sehen kann. Der Zuschauer dagegen erkennt das Gesicht sehr wohl.

Wahlkampf auf der Leinwand

Dass der Film ausgerechnet 2019 veröffentlicht wurde, erscheint hierbei auch nicht wie ein Zufall: Im selben Jahr fanden nämlich die Wahlen zum dänischen Parlament statt. Diese waren am 7. Mai 2019 und „Danmarks sønner“ kam – welch Zufall! – am 11. April heraus. Genau einen Monat vor den Wahlen läuft also ein Film an, in dem gezeigt wird, was geschehen könnte, wenn eine rechte Partei an die Macht käme: Hass und Gewalt, vielleicht sogar Bürgerkrieg. Damit ist der Film ohne Frage auch Teil des Wahlkampfs gewesen.

„Mehr Dänemark, weniger EU“: Wahlwerbung der Dänischen Volkspartei 2016. Der Film dürfte vor allem gegen die damals noch erfolgreiche Partei gerichtet sein. (Foto: News Oresund/CC BY 2.0 via Wikimedia Commons)

Die Wahlen brachten für Dänemarks politische Rechte eine herbe Niederlage. Hatte die Dänische Volkspartei, mit FPÖ und AfD vergleichbar, 2015 noch 21,1 Prozent der Stimmen erhalten, sank sie nun auf 8,7 Prozent. Man sollte grundsätzlich die Macht der Bilder auf der Leinwand nicht unterschätzen, denn viele Menschen können zwischen gezeigter Fiktion und der Wirklichkeit nicht immer unterscheiden. Natürlich weiß man, dass das im Film gezeigte nicht echt ist, aber man geht davon aus, dass ein Funken der Thematik selbst wahr sein wird. Eine im Film gezeigte Gefahr für die Gesellschaft kann dann als tatsächliche Gefahr in der Wirklichkeit wahrgenommen werden.

Hetze statt Chancengleichheit

„Danmarks sønner“ reiht sich in Darstellung ein, die stets auf das Gleiche hinauslaufen: Erfolge rechter Parteien bedeuten nichts Gutes, sie erzeugen eine giftige Stimmung und führen zu Gewalt gegen Minderheiten. Gemäßigte rechte Parteien sind demnach eine Illusion – ihre Vertreter sind nichts anderes als Fanatiker, die es nur schaffen, ihre unmenschlichen Ziele besser zu verbergen. Der konservativen Rechten sprechen solche Darstellungen grundsätzlich die Daseinsberechtigung ab. Von den Grundsätzen einer freien Demokratie ist das weit entfernt. Statt Chancengleichheit Hetze – und im Fall von „Danmarks sønner“ nicht mal gut gemachte Hetze.

Amelie Reinecke

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