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Im Blickpunkt

Ein „Palazzo Prozzo“ für Olaf Scholz?

Schon jetzt soll er 777 Millionen Euro kosten: Die geplante Erweiterung des Bundeskanzleramts in Berlin und der Umgang mit dem umstrittenen Bau erinnern fatal an den einstigen Palast der Republik

Als „Erichs Lampenladen“ verspottete der Volksmund einst den 2008 abgerissenen Palast der Republik in Berlin. Als Sitz der DDR-Volkskammer war er so etwas wie das Reichstagsgebäude für die heutige Bundesrepublik. Da das Parlament im SED-Staat aber kaum mehr als ein Abnick-Gremium war, erlangte er größere Bedeutung als gesellschaftliches und mediales Zentrum. Im Palast der Republik traten Künstler auf, fanden Großkonzerte, Fernsehshows und Parteitage statt. Auch Restaurants, Bars und eine Bowlingbahn beherbergte der „Palazzo Prozzo“, wie man das modernistische Protz-Gebäude aus Glas, Stahlbeton und viel Asbest auch nannte. Dieser Tage macht ein neuer „Palazzo Prozzo“ Schlagzeilen. Wieder in Berlin. Die Rede ist vom neuen Bundeskanzleramt.

Der Palast der Republik, das gesellschaftliche Zentrum der DDR, galt dem Volksmund als „Erichs Lampenladen“ oder „Palazzo Prozzo“. (Foto: Lutz Schramm aus Potsdam/www.lutzschramm.de/CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons)

Für (Stand heute) 777 Millionen soll der ohnehin schon riesige Kanzlerbau, der 2001 nach vierjähriger Bauzeit fertiggestellt und vom damaligen SPD-Kanzler Gerhard Schröder bezogen wurde, eine Erweiterung erfahren. Es sei zu klein, heißt es zur Begründung von der Bundesregierung. Dabei kann das Gebäude bereits als größte Regierungszentrale der westlichen Welt gelten. Die Nutzfläche findet man im Internet mit gut 25.000 Quadratmetern angegeben. Die Brutto-Grundfläche beträgt sogar über 60.000 Quadratmeter. Das entspricht einem Vielfachen der Fläche des Weißen Hauses in Washington!

400 neue Büros

Der geplante Erweiterungsbau würde den bisherigen Kanzlerpark jenseits der Spree mit dem bestehenden Gebäudekomplex verbinden. Dadurch würde sich die Fläche des Kanzleramts noch einmal ungefähr verdoppeln, liest man. Von 400 Büros, die dort entstehen sollen, ist bei der Bundesregierung die Rede. „Seit das Kanzleramtsgebäude im Jahr 2001 erstmals bezogen wurde, sind weitere Aufgaben hinzugekommen“, heißt es zur Begründung für den Erweiterungsbau, „darunter Themen wie Pandemie, Energiepolitik, Finanzkrise, Ukrainekrieg, die Bekämpfung von Cyberkriminalität und Digitalisierung.“

Das erweiterte Bundeskanzleramt wird sich nach Fertigstellung über rund 600 Meter erstrecken. Bereits jetzt ist es die größte Regierungszentrale der westlichen Welt. (Foto: Schultes Frank Architekten via bundeskanzler.de)

Die Zahl der Beschäftigten habe sich seit 2001 auf derzeit 750 erhöht. Da der ursprüngliche Bau, den CDU-Kanzler Helmut Kohl in den 1990er Jahren beauftragt hatte, „für maximal 460 Arbeitsplätze ausgelegt war“, habe man mehr als 200 Mitarbeiter auf andere Gebäude verteilen müssen. „Ziel des Erweiterungsbaus ist es, alle Beschäftigten wieder zusammenzuführen“ – und das auch noch möglichst klimaneutral. Zum Vergleich: Unter dem ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer arbeiteten überhaupt nur rund 150 Beamte und Angestellte im damals Bonner Kanzleramt.

Monumentales „Band des Bundes“

Der Erweiterungsbau wurde noch unter der Ägide von Angela Merkel beschlossen, die in ihrer Amtszeit die Zahl der Mitarbeiter deutlich aufgestockt hatte. In den Genuss einer Nutzung wird womöglich nicht einmal Nachfolger Olaf Scholz kommen. Schließlich ist mit einer Fertigstellung nicht vor 2027 zu rechnen. Das Bundeskanzleramt gehört als westlichstes Teilstück zum sogenannten „Band des Bundes“. Diese Aneinanderreihung von monumentalen staatlichen Bürogebäuden soll symbolisch Ost und West zusammenführen. An etwa derselben Stelle planten einst die Nazis ihre „Halle des Volkes“ als Teil der (erst nach dem Krieg so bezeichneten) „Welthauptstadt Germania“.

Das „Band des Bundes“ mit Kanzleramt (links) und Paul-Löbe-Haus und Blick zum Berliner Fernsehturm. (Foto: Torinberl/CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Politiker wie Wirtschaftsminister Robert Habeck, der gleichfalls grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg Winfried Kretschmann oder Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) geben dem Volk Tipps, wie es Wasser sparen oder den durch die erzwungene Abkehr von russischem Erdgas drohenden kalten Winter überstehen kann. Viele Bürger sehen in solchen Ratschlägen nichts als den Hohn einer wohlhabenden Politiker-Kaste, die sich von den Sorgen und Nöten der Menschen längst weit entfernt hat. Manch einer sieht sich gar an die letzte Phase der DDR erinnert. Und an ihren „Palazzo Prozzo“, wohin die SED-Führung noch zur Feier des Sozialismus lud, während ihr System draußen bereits am Kollabieren war.

Rapide Teuerung

Schon jetzt ist der Kanzlerbau mit fast 800 Millionen Euro veranschlagt. Dass es bei dieser ohnehin schon großen Summe bleiben wird, ist angesichts der rapide zunehmenden Teuerung nahezu ausgeschlossen. Wenn die Bundesregierung dennoch an dem Protzbau aus Stahlbeton und Glas festhält, sendet dies für viele ein verheerendes Signal aus: Für Angelas und Olafs „Palazzo Prozzo“ ist Geld genug da – aber das Volk soll besser einen zweiten Pullover überziehen. Wenn es nicht frieren will.

Thomas Wolf

Eine Tanzveranstaltung im Palast der Republik. Gefeiert wurde in dem protzigen Glaspalast auch noch, als die DDR bereits zerbröckelte. (Foto: Bundesarchiv/Bild 183-R0706-417/Jürgen Sindermann/CC BY-SA 3.0 DE via Wikimedia Commons)

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