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Im Blickpunkt

Waffenhilfe statt Lebensschutz?

Der Ukraine-Krieg und die Forderung nach militärischer Unterstützung aus dem Westen stellen die christlichen Kirchen in Deutschland vor ein ethisch-moralisches Dilemma

Benjamin Krysmann, Pressesprecher des Erzbistums Paderborn, verweist auf unsere Anfrage hin auf kontroverse Diskussionen. „Grundsätzlich stellen Waffenlieferungen in Kriegsgebiete dieser Welt ein ernstes Problem und eine noch größere Herausforderung für die Weltgemeinschaft dar. Ethische Fragestellungen und moralische Urteile können pauschal nicht getroffen werden“, betonte Krysmann. Georg Bätzing, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, habe mehrfach differenziert Stellung bezogen. „Bischof Bätzing erklärte unter anderem, dass es die Aufgabe aller Christen sei, stets Frieden zu suchen und zu unterstützen. Dankbar erwähnte er die Gruppen in der Kirche, die unermüdlich mahnen, dass Waffen Gewalt zunächst verschärfen können statt zu lindern.“

Bischof Georg Bätzing (Mitte), der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, bei einem Gottesdienst. (Foto: Christian Pulfrich/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Am Ende bleibe ein Dilemma, sagt Krysmann. Die Kirche ringe sich keineswegs leichtfertig dazu durch, „die Position zu vertreten, dass bei ungerechtfertigten Angriffen und Aggressionen als Ultima Ratio Unterstützung manchmal auch durch Waffenlieferungen legitim sein“ könne. „Das hat auch die Leitung des Erzbistums vor Augen, wenn sie Krieg, Gewalt und Hass verurteilt und die hoffnungsreiche Botschaft des Evangeliums dagegenstellt. Die schwierigen Diskussionen, aber vor allem auch das schier unerträgliche Leid so vieler Menschen sind leider immer noch nicht zu Ende. Wo das alles endet, weiß wohl niemand vorherzusagen. Was bleiben und im Glauben hoffentlich von Gott nicht unerhört bleiben wird, sind die Gebete der Menschen um Frieden und Gerechtigkeit.“

Kardinal Marx: „Bin kein Pazifist“

Für den Münchner Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, sind Waffenlieferungen an die Ukraine „das kleinere Übel“. In einem Interview sagte der Kardinal, der lange als Vertrauter des Papstes galt: „Ich selbst bin kein Pazifist und sehe keinen besseren Weg, den Angegriffenen zu helfen.“ Zugleich nimmt Marx aber all jene in Schutz, die Waffenlieferungen aus pazifistischer Überzeugung heraus ablehnen: „Auch mit unseren Waffen werden Menschen umgebracht. Ich finde es schlecht, dass Pazifisten mittlerweile als Dummköpfe runtergemacht werden“, sagte der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz.

Der Würzburger Bischof Franz Jung unterstützt Waffenlieferungen an die Ukraine – solange das Land eine Chance sieht, den Kampf für sich zu entscheiden. (Foto: Klaus Landry/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Noch deutlicher positioniert sich der Würzburger Bischof Franz Jung. „Die Ukraine wurde völkerrechtswidrig von Russland mit einem Angriffskrieg überzogen. Dabei sind die Machtverhältnisse äußerst ungleich verteilt“, heißt es in seiner Stellungnahme, die unserem Portal vorliegt. „Solange die Regierung und die militärische Führung des Landes eine Chance sieht, den Kampf für sich zu entscheiden, die Besetzung des Landes abzuwehren und noch größeren Schaden abzuwenden, und entschlossen ist, nach Abwägung der ihnen zu Gebote stehenden Möglichkeiten und der zu kalkulierenden Gewinne und Verluste diesen Kampf weiter zu führen und dafür dann um Unterstützung bittet, sollte diese Unterstützung gewährt werden. Dabei muss die Bundesregierung entscheiden, in welchem Umfang und mit welchen Mitteln sie auf dieses Hilfeersuchen antwortet.“ 

Eskalation stoppen

Der katholische Theologe Clemens Ronnefeldt sieht derlei kirchliche Hinwendung zu militärischer Logik kritisch. „Ich fand es erschreckend, mit welchem Maße die katholische Bischofskonferenz und die EKD die Waffenlieferungen durchgewinkt haben“, sagte er der Zeitschrift „Publik-Forum“. Die russische Invasion will Ronnefeldt keineswegs rechtfertigen. Ihm geht es darum, eine weitere Eskalation zu stoppen. „Die Umsetzung der Forderung der ukrainischen Regierung nach vollständiger militärischer Rückeroberung von Krim und Donbass würde zu einem Blutbad führen und kann in den Dritten Weltkrieg münden“, warnte er. Das gelte es zu verhindern – auch durch klare Worte an Kiew.

Thomas Wolf

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