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Fußball-WM der Heuchelei

Wer an Fußball-Weltmeisterschaften denkt, denkt an sommerliche Stadien, begeisterte Fans, „Public Viewing“ auf sonnenbeschienenen Fanmeilen und eine deutsche Mannschaft, die ihr Bestes gibt, den Titel zu erringen. Dass die Nationalelf mittlerweile nicht mehr zu den Favoriten zählt, ist für Sportfreunde nichts Neues. Dass die WM aber im Herbst und Winter stattfindet – das ist durchaus ungewohnt. Ausgerechnet in der Advents- und Weihnachtszeit, wenn Millionen Menschen sich auf das bedeutendste Fest des Jahres vorbereiten! Wirkliche WM-Stimmung will da nicht aufkommen. Noch dazu gehen nun ab morgen die 32 qualifizierten Teams in Katar auf Pokaljagd, in einem autoritären Wüstenstaat am Persischen Golf. Umstrittener könnte der WM-Gastgeber kaum sein.

Nicht der einzige Kritikpunkt

Das mediale Interesse gilt seit Wochen dem strengen Verbot homosexueller Handlungen in dem islamischen Emirat. Als sei das der einzige Kritikpunkt! Er ist es keineswegs. Allein beim Bau der Fußball-Stadien sollen Schätzungen zufolge Tausende Gastarbeiter gestorben sein. Die Arbeitsbedingungen gelten als verheerend. Doch damit nicht genug: In dem sunnitisch-wahhabitischen Emirat, das im Verdacht steht, den radikalen Islamismus zu fördern, sind Frauen und Andersgläubige weiterhin Benachteiligungen und Diskriminierung ausgesetzt. Christliche Symbole etwa sind in der Öffentlichkeit faktisch verboten.

Das Lusail-Stadion in Katar. In der größten WM-Arena soll am 18. Dezember das Finale der Fußball-Weltmeisterschaft stattfinden. (Foto: AFL Architects on Vimeo.com/CC BY 3.0 via Wikimedia Commons)

Die politisch-mediale Kritik, die Katar nicht nur aus Deutschland entgegenschlägt, ist daher verständlich. Trotz der Einengung auf das Thema Homosexualität – die politische Korrektheit lässt grüßen. Katar hat allerdings auch kaum fußballerische Traditionen und ist als Ausrichter eines solchen Großturniers daher denkbar ungeeignet. Erst recht, wenn es aufgrund der Temperaturen in der arabischen Wüste in die kalte Jahreszeit verlegt werden muss. Abgesehen davon bekam Katar die WM womöglich nur zugesprochen, weil zuvor reichlich Schmiergelder ans Exekutivkomitee des Weltverbands FIFA geflossen waren. 

Doppelmoral der Bundesregierung

Bei aller berechtigten Kritik an Katar – das offizielle Deutschland sollte sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Wenn Katars Außenminister der Bundesregierung eine ordentliche Portion Doppelmoral bescheinigt, hat er damit nämlich völlig Recht. Die deutsche Kritik an Katar ist hochgradig heuchlerisch. SPD-Innenministerin Nancy Faeser macht das Land wegen seiner Homosexuellen-Gesetze nieder. Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck dagegen hofiert es als Energiepartner. Über Jahrzehnte lieferte Russland zuverlässig Erdgas nach Deutschland. Seit dem Ukraine-Krieg ist das politisch nicht mehr gewollt. Nun soll Katar einspringen. Um von Russland loszukommen, ist der Politik jedes Mittel recht. Auch wenn dabei die Menschenrechte auf der Strecke bleiben.

„Fanhansa“ mit politisch korrekter Botschaft. (Foto: Timo Ackermann/Lufthansa Group)

Zurück zur WM. Ob die deutsche Nationalmannschaft länger als bis zum Ende der Gruppenphase durchhält? Millionen Deutschen ist das ziemlich egal. Selbst eingefleischten Fans. Für viele haben die Auftritte der DFB-Auswahl ihren Reiz verloren. 2006 beim „Sommermärchen“ im eigenen Land war gefühlt die ganze Republik ein schwarz-rot-goldenes Fahnenmeer. Längst gilt beim DFB, der sich für kaum einen Auswuchs der politischen Korrektheit zu schade ist, die Regenbogenfahne der Homo- und Transsexuellen-Bewegung mehr als die deutschen Farben.

Kein sportlicher Ehrgeiz

Ohnehin geht man bei der Nationalelf offenbar selbst nicht von einem Erfolg bei der WM aus. Die Lufthansa-Maschine, mit der der Kader um Bundestrainer Hansi Flick Richtung Katar gestartet ist, trägt durch seine Aufschrift politischen Wunschvorstellungen weit mehr Rechnung als dem sportlichen Ehrgeiz der Spieler. Sofern der überhaupt vorhanden ist. Die Lackierung des Airbus A330 zeigt elf Figuren, von denen sechs mit dem DFB-Trikot bekleidet sind. Offenbar Spieler und Fans. Fünf der Figuren sind dunkelhäutig – und damit klar überrepräsentiert. Zumindest, wenn man die deutsche Bevölkerung zugrundelegt. Dazu liest man „Diversity wins“ auf der Maschine: Vielfalt gewinnt.

Wenn aber eine vermeintliche Vielfalt gewinnen soll – wie kann dann die deutsche Nationalmannschaft siegen? Will sie gar nicht gewinnen? Reicht es ihr, ein Zeichen der politischen Korrektheit zu setzen? Es wäre ihr zuzutrauen. Vermutlich ist sie zur Zeit zu mehr auch gar nicht in der Lage.

Frank Brettemer

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