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Im Blickpunkt

Weihnachten: Mehr als nur ein kirchliches Fest

Heiligabend und der 25. Dezember sind deutsches Kulturgut – Auch der „Arbeiter- und Bauernstaat“ DDR besann sich auf das alte Brauchtum

Christen stellen heute in Deutschland nur noch rund die Hälfte der Bevölkerung. Zumindest wenn man die Statistik der Kirchensteuer-Zahler zugrunde legt. Tatsächlich mag die Zahl derjenigen, die sich im weitesten Sinn als Christen oder als christlich geprägte Deutsche sehen, deutlich höher liegen. Besonders niedrig ist die Zahl der offiziellen Protestanten und Katholiken jedenfalls in den neuen Bundesländern, also auf dem Gebiet der einstigen DDR, die von Staats wegen als atheistisch galt. Gerade hier ist mitunter das weihnachtliche Brauchtum aber besonders lebendig. Wie kommt das?

Adventskalender mit Plattenbauten

In der DDR, hört man, habe es das christliche Weihnachtsfest besonders schwer gehabt. Die Staats- und Parteiführung habe alles unternommen, das Christentum an den gesellschaftlichen Rand zu drängen und den christlichen Einfluss auf die Feiertage zu minimieren. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Offenbar gab es tatsächlich eine Phase, in der das Christkind und sogar der säkulare Weihnachtsmann durch das russische „Väterchen Frost“ der befreundeten Sowjetunion ersetzt werden sollten. Die auch in der DDR üblichen Adventskalender zeigten Plattenbauten oder Winterlandschaften. Eine „Jahresendprämie“ ersetzte das „Weihnachtsgeld“.

Russlands Weihnachtsmann ist „Väterchen Frost“, hier auf einer Darstellung von Iwan Bilibin (um 1932). Häufig wird er von der Schneejungfrau Snegurotschka begleitet. (Foto: gemeinfrei)

Die weihnachtskritische Phase endete aber schnell wieder. Die Staatsführung erkannte den Wert des alten Brauchtums. Deutsches Kulturerbe wurde nämlich stets großgeschrieben im Arbeiter- und Bauernstaat. So konnte schon bald wieder „Frohe Weihnachten“ gewünscht werden. Die häufig zitierte „Jahresendflügelfigur“ gehört wohl ins Reich der Märchen. Die angeblich offizielle DDR-Bezeichnung für einen Engel dürfte nicht mehr sein als eine Satire auf das Bürokraten-Deutsch der Staatsoberen. Einen historischen Beleg für eine tatsächliche Benutzung des Wortes konnte jedenfalls bislang niemand beibringen.

Christliches unterm DDR-Weihnachtsbaum

An Heiligabend saßen die Familien zusammen und sangen die alten deutschen Weihnachtslieder. In West und Ost gleichermaßen. Ganz unabhängig von der konfessionellen oder der religiösen Prägung. Immer wieder presste der Staats-Monopolist „VEB Deutsche Schallplatten“ christliche Weihnachtsmusik in Vinyl. DDR-Stars wie Gaby Rückert durften „Unterm Weihnachtsbaum“ vom Christkind singen. Und kirchliche Chöre gaben traditionelle Weisen zum Besten, während Frank Schöbel auf „Weihnachten in Familie“ machte. Mancher SED-Genosse ließ es sich nicht einmal nehmen, an Heiligabend in den Gottesdienst zu gehen, erinnert sich der evangelische Pfarrer Reinhard Holmer.

Das Cover der DDR-Schallplatte „Unterm Weihnachtsbaum“ gab sich ganz traditionell. Nicht einmal kitschige Engel durften fehlen. (Foto: Wolf)

„Christliche Motivation der Weihnachtsbräuche wurde z.T. bereits im 19. Jh. entweder durch Betonung vorchristlicher Herkunft oder allgemeine Auslegung (Fest des Lichtes) relativiert; bei dem um 1850 üblich werdenden Weihnachtsmann fehlt sie überhaupt“, heißt es in einem DDR-Lexikon von 1977. Und weiter: „Verbürgerlichung und Kommerzialisierung der Weihnachtsbräuche in der kapitalistischen Gesellschaft machten die gesellschaftlichen Widersprüche besonders deutlich. Versuche der Besitzenden, sie durch wohltätige Weihnachtsbräuche zu überspielen, fanden beim Proletariat häufig entschiedene Ablehnung. In der sozialistischen Gesellschaft erhalten sich Weihnachtsbräuche, die mit Jahresabschlußfeiern, Kinder- und Familienfesten verbunden sind.“

Kommerzialisierung der Weihnacht

Dass gerade die säkular-atheistische DDR die Kommerzialisierung und damit auch Entchristlichung des weihnachtlichen Brauchtums kritisiert, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denselben Vorwurf erheben nämlich seit Jahren auch Kulturwissenschaftler und Vertreter der Kirchen. Angesichts etwa von Lebkuchen, die bereits am Ende des Sommers in den Regalen stehen, dürften sie damit nicht ganz falsch liegen.

Thomas Wolf

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