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Im Blickpunkt

„Viele haben zum ersten Mal demonstriert“

Nach dem Ende der Corona-Pandemie bleibt die Erinnerung an ein Notstands-Regime, das es in dieser Form nie zuvor gegeben hat – Im Interview spricht ein Demo-Teilnehmer über den Straßen-Protest gegen die teils rigiden Maßnahmen

Es kommt also auf viele Menschen an und auf jeden Einzelnen?

Ja, jeder Einzelne kann Vorbild sein. Die Idee muss aber Schule machen. Georg Thiel verweigerte etwa das Zahlen der GEZ und sprach damit vielen Menschen aus der Seele. Weil er das nur als Einzelperson verweigerte, konnten sich Behörde und Staatsanwaltschaft voll auf seine Person konzentrieren. Würde jeder, der mit der Höhe der Gebühren, dem Inhalt oder diesem System an sich unzufrieden ist, genauso handeln, wäre die Verfolgung schon schwieriger.

Andere Menschen verweigern mittlerweile Steuerzahlungen, Abgaben und Weiteres und markieren so ihren Protest. Ich habe etwa auch Menschen kennengelernt, die ihre Kinder vor der Testpflicht in der Schule bewahrt haben und bis vor Gericht gezogen sind. Diese Menschen erzählten, dass sehr viele über diese Maßnahmen schimpften, bei einem Sammelprotest aber nicht mitmachen wollten. Beide Seiten sind zwar verständlich, aber trotzdem sollte man sich eigentlich organisieren.

Es komme beim Protest auf „jeden Einzelnen“ an, meint Markus, nicht nur bei Demonstrationen. (Foto: Gerddanigel/CC BY 3.0 via Wikimedia Commons)

Warum machen viele Menschen nicht mit, obwohl sie den Protest grundsätzlich unterstützen?

Wer Familie hat, überlegt zweimal und sagt schnell: „Das geht doch nicht.“ Oder: „Das traut man sich doch nicht.“ Ich selbst bin mit Sicherheit kein Vorbild und kein Kämpfer. Der Mensch hat Angst vor Konsequenzen und – wenn es ernst wird – mit diesen Konsequenzen alleine zu sein. Hier fehlt das Vertrauen, sich aufeinander verlassen zu können. Das weiß man in der Politik – man kennt ja den Spruch: „Bestrafe einen, erziehe hunderte.“

Deshalb ist es wichtig, sich im Voraus zusammenzuschließen. Organisatoren, die etwa auch Umzüge organisieren, schufen auch Mittel und Wege, um etwa Einzelpersonen bei den Bußgeldern bei Maskenverstößen zu helfen, mit ihnen zum Gerichtsprozess zu gehen oder mit Anwälten zu vernetzen. Den Mut, sich gleich gegen Gesetze aufzulehnen, hat nicht jeder. Ein erster Schritt ist es aber sicher, sich über den Stand der Dinge zu informieren und bei kleinen Dingen anzufangen.

Die da wären?

Ein ganz kleiner Schritt ist es, Menschen, die sich verweigern, zu stärken. Statt unbeteiligt zu sagen: „Na, wenn er sich traut und keine Angst vor dem Bußgeld hat.“ Oder: „Wenn er sich die Zeit nehmen kann.“ In einem weiteren Schritt kann man zum Beispiel mitmachen, wenn jemand die Maske nicht trägt. In ostdeutschen Städten kann man selbstverständlich ohne Mund-Nasen-Schutz in Tram oder Bus einsteigen, ohne dass jemand sich beschwert. In Zwickau hat dieser zivile Ungehorsam dazu geführt, dass die Busfahrer dazu angehalten wurden, die Verstöße einfach zu ignorieren. Vergleiche mit maskenfreien Ländern und weitere Studien haben die Wirksamkeit ja endgültig widerlegt.

Gegen die Bargeldabschaffung und das Drängen zum digitalen Bezahlen kann man versuchen, ausschließlich Bargeld zu nutzen und Unternehmen, die das ermöglichen, zu bevorzugen. Gegen die Schließung von Bankfilialen könnte es helfen, wenn man konsequent per Papiervordruck Überweisungen tätigt und gemeinsam Beschwerde einlegt, wenn das nicht geht. Wichtig wäre auch der Verzicht auf Konzerne wie Amazon, PayPal, Google. Wenn man damit anfängt, merkt man, wie weit hier Zwänge schon fortgeschritten sind. Schwierigkeiten sieht man beispielsweise bei der Anschaffung eines Smartphones, das ohne Google funktioniert. Es ist auch schwer, von solchen Geräten wieder wegzukommen.

Markus befürchtet eine Abschaffung des Bargelds und will sich dem digitalen Bezahlen widersetzen. (Foto: Nic McPhee from Morris/Minnesota/CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons)

Letztlich gibt es auch hier ähnliche Methoden der Konditionierung. Kann man überall nur mit PayPal bezahlen, eröffnet man mit Bauchschmerzen eben ein Konto und gewöhnt sich an das einfache Bezahlen. Für jede App braucht man ein Google-Konto. Oder auf einem neuen PC gleich beim ersten Hochfahren eines von Microsoft. Kommunizieren Arbeitgeber, Freunde oder Bekannte nur per WhatsApp oder Facebook, legt man sich ein Konto an, um dazuzugehören und mitreden zu können. Der soziale Druck bringt einen dazu – nicht zuletzt wurde auch bei der Impfung mit dieser Methode gespielt. All das sind Probleme, bei denen auch ich zu lange zugesehen und mitgemacht habe. Die Bequemlichkeit betäubt und lockt und stiehlt Freiheit.

Wie muss es weitergehen?

Unmut aktiv zu bekunden, muss Gewohnheit werden. Nicht nur gegen Corona-Maßnahmen, sondern gegen alles, bei dem man Bauchschmerzen bekommt. Menschen müssen wieder miteinander reden, die Passivität verlieren, sich zusammenschließen und sich organisieren. Und nicht wegschauen, wenn andere in den Fokus geraten. Die Frau, die in meiner Stadt die Umzüge organisiert, meinte in ihrer Begrüßungsrede einmal: „Hätten alle Pflegekräfte sich auf die Seite der Ungeimpften gestellt und betont: „Wir brauchen alle Kräfte, es kann nicht sein, dass man Menschen ausschließt“, wäre die einrichtungsbezogene Pflicht zur Spritze längst Geschichte. Stattdessen hieß es eher: ‚Der normale Betrieb ist gefährdet, weil sich Menschen nicht spritzen lassen.‘“

Es wäre gut gewesen, sich zusammenzuschließen, zum Betriebsrat oder der Gewerkschaft zu gehen und vehement Beistand einzufordern. Im Zweifelsfall hätte man vielleicht selbst eine Gruppe gründen können, sich beraten lassen und gemeinsam dem Arbeitgeber angekündigt, wo die rote Linie verläuft. Was passiert, wenn plötzlich 20 Kräfte fehlen? Wie will der Arbeitgeber das ausgleichen? Oft verhindern Ängste und mangelndes Vertrauen oder kleinere Differenzen untereinander solche Zusammenschlüsse. Vielleicht muss man sich den Spruch zu Herzen nehmen: „Alle sagen: Das geht nicht. Und dann kam einer und hat es einfach gemacht.“

Viele Menschen fürchten die Konsequenzen, haben Sie gesagt. Wie reagieren Menschen in Ihrem Umfeld, wenn Sie wissen, dass sie bei der Demo mitlaufen?

Es wissen nur Vertraute. Der Kontakt zu vielen Menschen ist vorher schon abgekühlt. Die würden die Nase rümpfen und abwinken. Eine Freundin und ein Freund wollen nicht mitlaufen, weil sie Angst haben, dass der Arbeitgeber sie „Rechten“ zuordnen könnte. Ich habe in meiner Stadt noch keinen gesehen, der das offen bekundet. Nur Linksradikale, die verbal aggressiver sind als die Demonstranten. Mich macht es traurig, dass die Demonstranten der „Fridays for Future“ offen über ihren Aktivismus sprechen können, während wir das verheimlichen müssen. Ein schlechtes Gefühl habe ich beim Mitlaufen schon hin und wieder, etwa dass ich fotografiert werde und mein Arbeitgeber davon erfährt. 

Greta Thunberg begründete durch ihren „Schulstreik für das Klima“ die internationale Bewegung „Fridays for Future“. (Foto: Markus Schweizer/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Was ist jetzt wichtig?

Die Menschen müssen sich vorbereiten, dass keine guten Zeiten kommen. Und sich jeder wappnen und gleichzeitig zusammenhalten gegen die sich verschärfenden Probleme. Bei der Vernetzung fiel auf, wie sehr die Menschen zu Einzelkämpfern geworden sind, wie schwer man Vertrauen schafft und wie unterschiedlich Beweggründe, Veränderungswünsche und Ansatzpunkte sind. Das war anfangs schwer zu vereinen. Man soll sich nicht gegenseitig entmutigen mit dieser Hoffnungslosigkei. Oder Schwarzmalerei wie: „Das war erst der Anfang. Jetzt kommt die Armut, dann die Enteignung, die Hungersnot und dann kriegt jeder seinen Chip. Und dann ist das Ende nah. Es kommen furchtbare Zeiten! Du wirst schon sehen!“

Man muss den Spagat schaffen, über Ängste zu sprechen, aber weder in Naivität noch in Lähmung zu verfallen. Und anderen, die damit besser umgehen können, keine Angst machen. Und selbst aktiv werden und einander schätzen. Für jede Idee und jeden Einsatz Mut machen. Wünschenswert und notwendig wäre natürlich, dass man immer mehr Menschen erreicht, die dann ihrerseits aktiv werden, sodass allmählich eine Veränderung von oben nach unten geschieht.

Interview: Felicitas Nowak

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