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Im Blickpunkt

Bomben gegen Erdbeben-Opfer

Inmitten der historischen Naturkatastrophe mit tausenden Todesopfern beschießt die Türkei kurdisch kontrollierte Regionen im Norden Syriens

Ein verheerendes Erdbeben hat gestern Teile Syriens und der Türkei verwüstet. In beiden Ländern zählen die Behörden bereits mehr als 5000 Todesopfer. Viele Menschen werden noch vermisst. Die Stärke des Bebens übertrifft mit einer Magnitude von etwa 7,8 sogar die Katastrophe von 1999. Damals starben im Umkreis der türkischen Millionen-Metropole Istanbul mehr als 18 000 Menschen. Das neuerliche schwere Erdbeben hält die Türkei offenbar nicht davon ab, kurdisch kontrollierte Gebiete in Nordsyrien zu bombardieren. Das meldet aktuell die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Göttingen.

Während die internationale Hilfe für die Erdbebengebiete anläuft, bombardiert die Türkei den Norden Syriens. (Foto: Voice of America/gemeinfrei)

„Gegen Mitternacht griff die Türkei das vom Beben betroffene Umland von Tal Rifaat an. In der Gegend nördlich von Aleppo haben kurdische Vertriebene aus der Region Afrin Zuflucht gefunden“, berichtet Kamal Sido, Nahost-Experte der GfbV. Und kritisiert: „Es ist skandalös, dass ein NATO-Staat eine humanitäre Katastrophe mutwillig verschlimmert. Von anderen NATO-Ländern kommt dazu kein Wort der Kritik.“ Immer wieder attackiert die Türkei den Norden des Nachbarlands. Die seit Jahren andauernde Blockade der kurdisch kontrollierten Gebiete Syriens durch die Türkei und ihre westlichen Partner verschlimmert nach Ansicht der GfbV nun die Lage in den Erdbeben-Gebieten zusätzlich.

Jahrelange Blockade

„Das gesamte medizinische Versorgungssystem lag wegen des andauernden Bürgerkriegs sowie syrischer und russischer Angriffe bereits in Trümmern. Jetzt können viele Verletzte nicht versorgt werden“, sagt Sido. „Die Versorgung der kurdischen Gebiete wurde und wird nicht nur von Assad verhindert. Besonders die Türkei hat die Grenzübergänge in die kurdischen Gebiete Nordsyriens für humanitäre Lieferungen geschlossen gehalten. Die Konsequenzen dieser jahrelangen Blockade tragen nun die traumatisierten, frierenden Menschen vor Ort.“

Aus Rücksicht auf den NATO-Partner Türkei habe die deutsche Bundesregierung keine humanitäre Hilfe an die von Kurden besiedelten Gebiete zugelassen. „In ihren Verlautbarungen zum Erdbeben verschweigen die Vertreter der deutschen Bundesregierung diese Tatsache. Nahezu alle Grenzübergänge in Nordsyrien sind unter der Kontrolle der Türkei. Sie bräuchte keinen Beschluss des UN-Sicherheitsrats, um sie zu öffnen“, erklärt Sido. „Für islamistische Kämpfer und moderne Waffen“ sei die Grenze dagegen stets geöffnet gewesen. „Jetzt müssen endlich auch humanitäre Lieferungen für Nordsyrien und für ganz Syrien durchgelassen werden.“

Bergungsarbeiten nach dem Beben in Diyarbakir im Südosten der Türkei. (Foto: Voice of America/gemeinfrei)

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