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Im Blickpunkt

Die Demokratie: kein Import aus den USA

Eine Sternstunde der Geschichte: Die Revolution von 1848/49 zeigt, dass sich die Deutschen in Sachen Freiheit und Volkssouveränität nicht von jenseits des Atlantiks belehren lassen mussten

Ganz in den Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold war das Plenum der Frankfurter Nationalversammlung geschmückt. (Foto: gemeinfrei)

Am 18. Mai 1848 trat in der Frankfurter Paulskirche die Nationalversammlung zusammen. Das erste frei gewählte deutsche Parlament. Sie erarbeitete eine rechtsstaatliche Verfassung und bestimmte die ersten gesamtdeutschen Regierungen. Zugleich zeigte sich an ihr, was die deutsche Revolution von 1848 etwa von der Französischen Revolution von 1789 unterschied. Die Deutschen begannen keinen blutigen Feldzug gegen Andersdenkende. Sie schickten keine Fürsten aufs Schafott. Nein, sie diskutierten. Und stritten. Über die beste Staatsform, das künftige Reichsoberhaupt, die politischen Grundpfeiler des neuen Staates. Und ob der österreichische Vielvölkerstaat der Habsburger Teil des deutschen Nationalstaates sein sollte.

Gegen die Neuordnung

Die fehlende Einigkeit der radikaldemokratischen, liberalen und konservativen Abgeordneten machte es den Fürsten leicht, erneut Position gegen die demokratische Neuordnung zu beziehen. Als die Nationalversammlung Preußen-König Friedrich Wilhelm am 28. März 1849 mit Beschluss der Reichsverfassung zum Kaiser eines demokratisch verfassten Deutschen Reichs wählte, lehnte dieser die Krone ab. Ihr hafte „der Ludergeruch der Revolution“ an, meinte der Monarch. Und leitete damit den Anfang vom Ende der Revolution ein. Der preußische Landtag stimmte der neuen Reichsverfassung zwar zu, Friedrich-Wilhelm aber lehnte sie ab. Auch Österreich, Bayern, Hannover und Sachsen erkannten die Verfassung nicht an. Am Ende trieb Militär die Abgeordneten der Nationalversammlung auseinander.

Eine Debatte in der Frankfurter Nationalversammlung. (Foto: gemeinfrei)

Die Revolution von 1848 habe als Orkan begonnen, der die Fürstenthrone wanken ließ, doch sie habe als resignierter Hauch geendet, schrieb einst Heinrich Heine. Vor allem in Baden wankten die Throne. Gleich dreimal erhoben sich hier radikale Demokraten gegen den Adel und versuchten, ihren Traum von der Republik umzusetzen. Der Jurist Friedrich Hecker zog im April 1848 von Konstanz aus mit mehreren hundert Bewaffneten durch den Schwarzwald in Richtung der Residenzstadt Karlsruhe. Badische und hessische Bundestruppen zerschlugen den „Heckerzug“ bereits nach rund zwei Wochen bei Kandern in Südbaden.

Traum der deutschen Republik

Hecker floh nach seiner Niederlage nach Amerika. Als die Revolution endgültig gescheitert war, wurden die USA für mehrere Zehntausend Deutsche zur neuen Heimat. Während des Bürgerkriegs zwischen den Nord- und den Südstaaten 1861 bis 1865 dienten viele in der US-Armee und trugen so zum Sieg der „Union“ unter Führung Abraham Lincolns bei. In Deutschland wurde Hecker als Held gefeiert. „Wenn die Leute fragen, lebt der Hecker noch? Könnt ihr ihnen sagen: Ja, er lebet noch“, hieß es in einem Revolutionslied. „Er hängt an keinem Baume, er hängt an keinem Strick. Er hängt nur an dem Traume der deutschen Republik.“

Ein Schriftzug am Balkon des Alten Rathauses in Lörrach erinnert an den Struve-Putsch von 1848. (Foto: Wladyslaw/CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Der zweite badische Aufstand ging von Heckers Mitstreiter Gustav Struve aus. Er rief am 21. September 1848 in Lörrach nahe der Schweizer Grenze die „Deutsche Republik“ aus. Struves Tat war eine Reaktion auf Nachrichten aus Frankfurt, wo radikale Demokraten einen Putsch gegen die Nationalversammlung versucht hatten. Unter dem Motto „Wohlstand, Bildung und Freiheit für alle“ stellte Struve ein Regierungsprogramm zusammen. Seine kleine Freischar unterlag allerdings bereits drei Tage später der badischen Armee. Struve wurde festgenommen und wegen versuchten Hochverrats verurteilt.

Revolutionäre Regierung

Ein dritter Aufstand ging vom badischen Militär aus. Er dürfte der aussichtsreichste Versuch gewesen sein, die Monarchie dauerhaft zu beenden. Am 9. Mai 1849 meuterten in der Bundesfestung Rastatt südlich von Karlsruhe badische Soldaten und stellten sich auf die Seite des Volkes, das die Anerkennung der Reichsverfassung forderte. In Freiburg verbrüderten sich Truppenteile mit den Republikanern. Nachdem auch in Karlsruhe Soldaten meuterten, floh Großherzog Leopold nach Koblenz. Eine provisorische revolutionäre Regierung übernahm die Macht.

Durch Johann Philipp Becker ließen die neuen Machthaber eine Volkswehr aufbauen, die den befürchteten Ansturm des Feindes zurückschlagen sollte. Parallel dazu wählten die Badener eine eigene verfassunggebende Versammlung. Der Abwehrkampf der badischen Revolutionäre gegen hessische und preußische Truppen war zunächst von Erfolg gekrönt. Sehr bald aber wendete sich das Kriegsglück. Der Fall der Festung Rastatt am 23. Juli 1849 besiegelte das Ende der Revolution. Badisch-preußische Standgerichte verurteilten 27 Revolutionäre zum Tode.

„Revolutionsgeneral“ Johann Philipp Becker war eigentlich Oberst. Das Bild zeigt ihn auf dem Titelblatt einer Veröffentlichung des Militärverlags der DDR. (Foto: privat)

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