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Zwangskonversion in Erdoğans Auftrag?

Radikale Muslime im Norden Syriens zwingen religiöse Minderheiten zum Übertritt zum Islam – Gesellschaft für bedrohte Völker kritisiert Bundesregierung scharf

Islamistische Milizen, die im Auftrag der Türkei die kurdische Region Afrin im Norden Syriens kontrollieren, zwingen Angehörige religiöser Minderheiten zum Übertritt zum Islam. Das meldet die Göttinger Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). Die Zwangsislamisierung unter anderem der jesidischen Minderheit sei seit der völkerrechtswidrigen Besetzung der Region vor fünf Jahren Gang und Gäbe. Ein neuerlicher großflächiger Einmarsch türkischer Truppen schien zuletzt immer wieder möglich.

„Nur noch sunnitische Muslime“

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan wolle, „dass im syrischen Grenzgebiet zur Türkei nur noch sunnitische Muslime leben dürfen. Gläubige anderer Religionen und Angehörige der kurdischen Minderheit hat er weitgehend vertreiben lassen“,sagt Kamal Sido, Nahostexperte der GfbV. „Wer nicht fliehen wollte, ist seitdem einer gewaltsamen Islamisierungskampagne ausgesetzt. Nicht-Muslime werden mit dem Tod bedroht, wenn sie nicht konvertieren wollen.“

Jesidische Männer mit traditionellem Schnurrbart. Die Existenz der Minderheit im Norden Syriens ist bedroht. (Foto: Bestoun94/CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

In einem Video, dessen Echtheit die GfbV verifiziert hat, ist ein syrischer Geistlicher zu sehen, der zwei Männer auffordert, einzeln das islamische Glaubensbekenntnis zu nachzusprechen. Der Geistliche ist Mitglied einer jener protürkischen Gruppen, die Afrin im Auftrag der Türkei kontrollieren. Die beiden Opfer sind nach Angaben der GfbV Jesiden aus dem Dorf Qibar, fünf Kilometer nordöstlich der Stadt Afrin.

Islam oder Tod

„Nach unseren Informationen wurden die beiden Jesiden in den vergangenen Jahren immer wieder erpresst und mit dem Tod bedroht. Nun wurden sie vor die Wahl gestellt: Islam oder Tod“, berichtet Sido. „Für die Islamisten ist das Jesidentum keine ‚Buchreligion‘. Nach einer radikalen Auslegung des Korans bleib ihnen daher nur die Wahl zwischen Konversion oder Tod.“ Nur Juden und Christen akzeptieren die Islamisten als „Buchreligionen“. Sie dürfen ihren Glauben unauffällig leben, müssen aber Schutzgelder zahlen. Jesiden hingegen genießt keinerlei Schutz.

Das Auswärtige Amt in Berlin unterstützt die „Nationale Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte“. Deren Milizen sind an Zwangskonversionen zum Islam beteiligt, kritisiert die Gesellschaft für bedrohte Völker. (Foto: Manfred Brückels/CC BY-SA 2.0 DE via Wikimedia Commons)

In diesem Zusammenhang wiederholt die Gesellschaft für bedrohte Völker ihre Forderung an die Bundesregierung, die politische, diplomatische und vor allem finanzielle Unterstützung der Islamisten in Afrin und ganz Syrien einzustellen. Die Milizen sind nach Angaben der GfbV der bewaffnete Arm der protürkischen syrischen Oppositionsgruppe „Nationale Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte“. Diese Gruppe wird vom Auswärtigen Amt unterstützt

Mörderischer Feldzug

„Spätestens seit der Anerkennung des Völkermords an den Jesiden durch den Deutschen Bundestag hätte das Auswärtige Amt in Berlin seine Unterstützung für die Islamisten einstellen müssen. Denn der von Erdoğan angestachelte mörderische Feldzug des sogenannten ‚Islamischen Staates‘ begann 2013 in Afrin, wo islamistische Milizen die ersten jesidischen Dörfer angriffen“, erinnert Sido.

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