Die Invasion traf vielerorts nur auf geringen Widerstand. Und mit Antritt der neuen pro-sowjetischen Regierung unter Babrak Karmal schien es, als könnten Stabilität und Ordnung in Afghanistan bald wieder hergestellt sein. Stattdessen verschärfte sich der Widerstand islamistischer Kreise. Im ganzen Land wehrten sich radikal-muslimische Mudschahedin unter ihren „Warlords“ gegen die Besatzer. Und fanden zunehmend Unterstützer im Westen. Immer mehr NATO-Waffen sickerten über geheime Kanäle nach Afghanistan und machten die muslimischen Extremisten für die afghanische Armee und die Sowjets zu einem ebenbürtigen Gegner.
Auf die Partisanen-Taktik, die Kriegsverbrechen und den Terror der US-gestützten Islamisten reagierte die Sowjetunion ihrerseits mit brutaler Gewalt. Zehntausende Soldaten und noch deutlich mehr Zivilisten kamen ums Leben. Immer mehr junge sowjetische Soldaten mussten an den Hindukusch entsandt werden. Auch wesentliche finanzielle Ressourcen flossen in die Militäroperation, die Kreml-Chef Leonid Breschnew eigentlich gar nicht wollte. Und die nur eine kurze Unternehmung zur Stabilisierung des Landes hätte sein sollen. Am Ende dauerte sie zehn Jahre. Und scheiterte – bis heute mit massiven Folgen für Afghanistan.
Für Krisenzeiten nicht gerüstet
Dadurch kamen die Unzulänglichkeiten des sozialistischen Systems der Planwirtschaft voll zum Tragen. Das System ist nicht darauf ausgelegt, Profite zu erwirtschaften. Maximierung des Gewinns ist etwas für „böse“ Kapitalisten. Dadurch konnten Sowjetunion, DDR und Co. zwar die Dinge des Alltags günstig bereitstellen. Wasser und Strom, Wohnung, Grundnahrungsmittel. Alles andere galt hingegen fast schon als Luxus-Produkt und war deutlich teurer als im kapitalistischen Westen. Selbst Kaffee war nahezu unerschwinglich. Und vor allem: Für Krisenzeiten war der Sozialismus nicht gerüstet.
Die kleine DDR etwa war in den 1970er Jahren zehntstärkste Wirtschaftsmacht der Welt und nach der Sowjetunion der große Wirtschaftsmotor des Ostblocks. Mit der Eskalation des Kriegs in Afghanistan rutschte das gesamte sowjetisch-geführte System zusehends in die Krise. Und hatte keine nennenswerten Rücklagen, um sie einzudämmen. Die Geschäfte der DDR mit der Sowjetunion gingen zurück, mit dem Westen konnten sie wegen der Frontstellung im Kalten Krieg nicht in ausreichendem Maß stattfinden. Somit fehlten dringend benötigte Devisen.
Als der Mangel bei den Menschen in der DDR ankam, wuchs die Unzufriedenheit sprunghaft an. Erst recht, als Bürgerrechtler nachweisen konnten, dass die politische Führung die Wahlergebnisse frisiert. Daher gingen immer mehr Menschen auf die Straße und forderten demokratische Mitbestimmung. Die Verantwortlichen in der SED hatten keine Antworten, die das Volk beruhigen konnten. Und hielten stur an ihrem verkrusteten System fest. Aus der wirtschaftlichen Krise war eine tiefgreifende politische Krise geworden. Sie führte im Herbst 1989 zum Mauerfall. Letztlich auch eine Folge der Waffenlieferungen des Westens an die Mudschahedin.
Vergebliches Gegensteuern
Während die alternde Führungsriege der DDR um Staats- und Parteichef Erich Honecker keinerlei Bereitschaft zu Reformen erkennen ließ, versuchte die Sowjetunion gegenzusteuern. Nach dem Amtsantritt von Michail Gorbatschow als Generalsekretär der KPdSU 1985 sollte unter den Schlagworten Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung) das sowjetische System liberalisiert werden. Doch die Reformen kamen zu spät. Oder sie gingen nicht weit genug. Oder sie beschleunigten den Niedergang – je nachdem, wen man fragt.
In jedem Fall konnte sich die Sowjetunion unter Gorbatschow nicht behaupten. Somit hatte der Westen gewonnen und konnte sein politisches und militärisches System in den folgenden Jahren bis an die Grenze Russlands ausdehnen. Sein ideologischer Gegner lag am Boden und war praktisch vernichtet. Ist es das, was Sigmar Gabriel jetzt, 35 Jahre nach dem Ende des (ersten) Kalten Kriegs, mit Russland wiederholen will?
Thomas Wolf