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Im Blickpunkt

Worum es beim Ukraine-Krieg wirklich geht

Buchautor Thomas Mayer stellt das gängige westliche Narrativ in Frage: USA trieben Kiew in den Konflikt gegen Moskau, um Russland zu schwächen und zu destabilisieren

Die ukrainische Regierung startete 2014 den Krieg und schickte Panzer und Bomben gegen die Bevölkerung in der Ostukraine. Dieser Krieg im Donbass dauerte acht lange Jahre. Nachdem Russland 2022 ein militärisches Beistandsabkommen mit diesen Republiken abgeschlossen hat, erhöhte die ukrainische Armee sogar den Beschuss der Republiken mit Granaten, anstatt aufzuhören. So wurde Russland gezwungen, seiner Beistandsverpflichtung nachzukommen und militärisch einzugreifen. Die ukrainische Regierung hat Russland gezielt zum Kriegseintritt gedrängt. Im Buch ist das ausführlich dargelegt.

Mitarbeiter der OSZE-Beobachtermission überwachen im Frühjahr 2015 im Osten der Ukraine die Bewegung schwerer Waffen. Die Eskalation des Konflikts konnte die Mission nicht verhindern. (Foto: OSCE Special Monitoring Mission to Ukraine / CC BY 2.0)

Eine zweite zentrale Strategie der Kriegspropaganda ist, den Willen der Menschen auf der Krim und der Ostukraine systematisch zu verschweigen und zu missachten. Die Menschen auf der Krim wollten niemals zur Ukraine gehören und es gab mehrere Volksabstimmungen für eine Unabhängigkeit der Krim von der Ukraine und für einen Anschluss an Russland. Die erste Volksabstimmung auf der Krim fand Anfang 1991 statt, als es die Ukraine als eigenständigen Staat noch gar nicht gab. Obwohl die Abspaltung der Krim 2014 eine völkerrechtlich zulässige Sezession war, verwendet die westliche Kriegspropaganda ausschließlich die Formulierung „Annexion der Krim durch Russland“.

„Das ist Rassismus pur“

Wie die Menschen der Krim und der Ostukraine denken und fühlen und was sie in demokratischen Entscheidungen beschlossen haben, taucht in den westlichen Leitmedien nicht auf, denn das würde den Feindbildaufbau stören. Deshalb weiß im Westen auch fast niemand, dass die Ukraine die russische Sprache, die von etwa 30 Prozent der Einwohner gesprochen wird, per Gesetz im öffentlichen Raum verboten hat. Ich habe dieses Gesetz im Buch ausführlich dargestellt und erläutert. Das ist Rassismus pur. Es ist klar, dass sich die russisch-sprechenden Ostukrainer dagegen wehrten. Damit hat die ukrainische Regierung die staatliche und gesellschaftliche Einheit der Ukraine selbst zerstört. 

Eine dritte große Unwahrheit ist die ständig wiederholte Behauptung, dass die Ukraine den Krieg gegen Russland gewinnen könne, obwohl Russland zehnmal größer ist. Das war von Anfang an völlig unlogisch, aber es war notwendig, um die Kriegsbegeisterung und die Opferbereitschaft hoch zu halten. Ansonsten wurden in den letzten zwei Jahren die bekannten zehn Prinzipien der Kriegspropaganda von den westlichen Regierungen und den Mainstream-Medien bedient. Das Lehrbuch der Kriegspropaganda wurde genau eingehalten.

Gepanzerte Fahrzeuge der pro-russischen Separatisten bei Donezk im Mai 2015. (Foto: Mstyslav Chernov / CC BY-SA 4.0)

Wie unterscheiden Sie bei Ihrer Recherche zwischen glaubwürdigen Quellen und solchen, die Sie für unglaubwürdig erachten?

Ich habe mir selbst diese Frage immer wieder gestellt und immer nur Quellen verwendet, die mir unzweifelhaft erschienen. Zum Beispiel Gesetze, Regierungsbeschlüsse, Berichte von westlichen Institutionen, unbestrittene historische Tatsachen und Aussagen von ukrainischen und westlichen Politikern. Außerdem habe ich mir immer die Originalquellen angesehen und einen Vorgang von verschiedenen Seiten beleuchtet.

Rundes Gesamtbild

Russische Quellen habe ich nur verwendet, um russische Regierungspositionen oder gesellschaftliche Diskussionen in Russland darzustellen. Für mich war wichtig, bei einer Fragestellung immer so lange zu recherchieren, bis sich ein rundes Gesamtbild ergab, ohne größere offene Verständnislücken.

Beim Kosovo-Krieg 1999 war es so, dass während der NATO-Luftschläge kaum Platz für objektive Beiträge in den Medien war. Nach Ende der Kämpfe kamen schnell auch im medialen Mainstream Zweifel an westlichen Darstellungen – etwa bei der Vorgeschichte. Wie lange muss man im Ukraine-Konflikt warten, bis ein realistisches Bild des Konflikts entsteht? 

Wenn man genau hinsieht und die Dinge durchdenkt, kann man sehr schnell ein realistisches Bild bekommen. Für konkrete Details des aktuellen Kriegsgeschehens fehlen natürlich die überprüfbaren Informationen. Deshalb habe ich darüber auch kaum geschrieben.

Ein Ende des Krieges in der Ukraine ist derzeit nicht absehbar. Was erwarten Sie: Wie wird er enden?

Irgendwann wird die ukrainische Armee zusammenbrechen, weil ihr die Soldaten ausgehen, die Waffenlieferungen aus den NATO-Staaten nachlassen und weil der ukrainische Staat schon lange faktisch pleite ist. Ich könnte mir vorstellen, dass dann noch weitere Regionen der Südostukraine nach Volksabstimmungen der Russischen Föderation beitreten. Die übriggebliebene Westukraine wird militärisch neutral bleiben müssen und über Jahrzehnte am Tropf der EU hängen. Aber der Hass und die Traumatisierungen, die durch den Krieg erzeugt wurden, werden noch Generationen nachwirken. Das aufzulösen ist eine Herkulesaufgabe.

Friedensvorschlag von Putin

Sehen Sie eine Chancen, den Konflikt auf irgendeine Weise friedlich zu lösen?

Der russische Präsident Putin hat im 14. Juni 2024 einen Friedensvorschlag gemacht. Voraussetzungen für Friedensverhandlungen seien nach seinen Worten, dass die Ukraine die Soldaten aus den vier ostukrainischen Regionen, die per Volksabstimmung zu Russland übergetreten waren, abzieht. Diese vier Regionen werden – nach dem Willen der dortigen Bevölkerung – in der Russischen Föderation bleiben.

Russlands Präsident Wladimir Putin beim Besuch in Vietnam im Juni 2024. Im selben Monate stellte er seinen Vorschlag einer Waffenruhe für die Ukraine vor. (Foto: Kremlin.ru / CC BY 4.0)

Putin will keinen eingefrorenen Konflikt, sondern eine umfängliche Friedenslösung inklusive Vereinbarungen mit der NATO. Als Basis sollen die Einigungen der Friedensverhandlungen von Istanbul aus dem April 2022 genommen werden. Diese sehen vor, dass die Ukraine neutral bleibt, nicht der NATO beitritt und weitgehend entwaffnet wird. Die Istanbul-Verhandlungen wurden 2022 auf Druck der NATO-Staaten von der Ukraine abgebrochen. Dadurch ging der schreckliche Krieg und das Leiden weiter und die Situation hat sich für die Ukraine verschlechtert.

Das ist aber doch nicht realistisch, oder?

Der neue Vorschlag von Putin wurde von den NATO-Staaten und der ukrainischen Regierung zurückgewiesen. Russland müsse besiegt werden, hieß es. Gleichzeitig reden einige westliche Politiker davon, dass NATO-Soldaten in der Ukraine eingesetzt werden sollen. So geht die Eskalation weiter. Solange die westlichen Regierungen nicht von Frieden reden, sehe ich leider keine großen Chancen für eine Friedenslösung anstelle eines militärischen Zusammenbruchs der Ukraine. 

Interview: Thomas Wolf

Thomas Mayers Buch „Wahrheitssuche im Ukraine-Krieg – Um was es wirklich geht“ ist gedruckt (ISBN 978-3-89060-863-1) und als E-Book (ISBN 978-3-89060-483-1) erschienen und kostet 28 Euro (E-Book: 19,99 Euro).

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