Durch die westlichen Sanktionen ist ein Direktflug nach Moskau oder St. Petersburg nicht mehr möglich. Wie bist Du an Dein Ziel gekommen?
Ja, das stimmt. Aber wie wir wissen, finden die Menschen stets eine Lücke, um Verbote zu umgehen. So ist es auch mit dem Reisen nach Russland. Oft hörte ich die Frage, ob man überhaupt nach Russland kommt. Natürlich! Es gibt Fernreisebusse, die eine Direktverbindung nach Kaliningrad anbieten und auch regelmäßig fahren. Ich nahm für meine erste Reise im Januar 2024 die Variante der Zugreise: nach Berlin mit dem ICE und weiter mit einem polnischen Zug bis Danzig.
Leider erwischte mich der Streik der Deutschen Bahn kalt. Kurz entschlossen fuhr ich mit dem Auto bis Danzig, stellte das Auto im Parkhaus ab. Weiter ging es mit einem Linienbus, der vier- bis sechsmal täglich von Danzig nach Kaliningrad verkehrt. Vom Kaliningrader Flughafen nimmt man dann den Airbus 321 nach Moskau oder St. Petersburg.
Das Kerosin verpufft
Diese Flugzeuge müssen wegen der Sanktionen einen Umweg von 500 Kilometern fliegen. Was da an Kerosin verpufft! Die Russen nehmen das gelassen. Ab Moskau geht es dann weiter ins Landesinnere per Flug, Bahn, Bus oder Schiff.

Was denkst Du über die westlichen Sanktionen?
Sanktionen sind Wirtschaftskrieg gegen andere Nationen. Das lehne ich persönlich ab! Auch wir im Ostblock waren 40 Jahre mit Sanktionen belegt. Trotzdem hatte die DDR eine starke Wirtschaft, mit der Sowjetunion als sicherem Energie- und Rohstofflieferanten im Hintergrund, um die westlichen Länder mit unseren qualitativ hochwertigen Produkten gegen Devisen zu versorgen. Für den Quelle-Versand etwa, für Henkel, Salamander, IKEA. Auch Fleisch, Schokolade, Bonbons, Feinstrumpfhosen!
Kuba quält man seit 60 Jahren mit Sanktionen. Abscheulich! In Russland aber wirken keine Sanktionen! Die Wirtschaft wächst enorm. Die Geschäfte sind sehr gut sortiert, voller und vielfältiger mit Waren gefüllt als im Westen. Viele italienische Textilhersteller finden sich in den Kaufhäusern. So auch westliche Technik von Bose, Jura, Loewe, Bang & Olufsen – um nur ein paar zu nennen. Von 100 Biersorten in den Regalen sind 80 Sorten aus Deutschland!
Keine Graffiti, kein Müll
Die Sauberkeit überall fasziniert mich. Es gibt keine Graffiti, keine überlaufenden Mülleimer, keinen Müll in der Öffentlichkeit, keine beschmierten Häuser, Bänke, Spielplätze, Parks, Brücken und Verkehrsmittel. Es gibt so viel Anderes: in der Architektur, die künstlerisch aufwendige Deko in den Geschäften, die Gestaltung der U-Bahn, Züge zu besonderen Anlässen und Feiertagen. Schön gekleidete und gepflegte Menschen! Ich fühle mich in Russland stark an die DDR erinnert.
Es gibt in Russland vor allem Licht, Wärme, helle Straßen und Übergänge und Sicherheit! In den Kirchen ist es im Winter so warm, dass man ohne Jacke dort sitzt. Es gibt warmen Tee – kostenlos!
Wo hat es Dir in Russland am besten gefallen?
Moskau. Es ist eine Wahnsinns-Stadt mit toller Infrastruktur, alter und schöner moderner Architektur. Alles verbindet ein super öffentliches Verkehrsnetz für 70 Cent je Fahrt! Das U-Bahn-Netz hat uns in den Bann gezogen. Wir sind den ersten U-Bahn-Ring abgefahren und haben Bahnhöfe besichtigt, die unter Denkmalschutz stehen, und Bahnhöfe mit so viel Licht und Kronleuchtern, als ginge man in die Oper.
Beeindruckende Kreml-Mauer

Auf dem Roten Platz zu stehen, den man nur aus dem Fernsehen kennt, ist ein besonderer Moment. Da steht man, dreht sich tatsächlich um 360 Grad, um alles zu erfassen. Beeindruckend ist die Kreml-Mauer mit ihren vielen Türmen, von denen der Spasski-Turm mit seinem beleuchteten roten Stern aus Rubinglas der imposanteste ist. Seine Uhr mit einem Glockenpiel brachte Zar Peter I. von einer Hollandreise mit. Sie läuft bis heute!
Schaut man auf die Kreml-Mauer, hat man im Rücken das 130-jährige Kaufhaus GUM. Eine einzige Pracht – innen wie außen! Mit 75.000 Quadratmetern war es nach der alten Konzeption das größte Warenhaus Europas. Ein Ort zum Treffen, Schauen, Staunen, Genießen, Verweilen, Einkaufen und Fotografieren.
Ein schönes Fotomotiv
Beeindruckend ist natürlich eines der Wahrzeichen Moskaus: die Basilius-Kathedrale, die seit 1990 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört und am südlichen Ende des Roten Platzes steht. Man kann diese Kirche besichtigen. Und sie ist immer wieder ein schönes Fotomotiv.
St. Petersburg ist die andere Hauptstadt Russlands und ebenfalls wunderschön!

Wie waren bei Deinen Reisen die Kontakte zu den Menschen vor Ort?
Vielmals wurden wir erstaunt gefragt: Kommen Sie aus Deutschland? Es waren mehrfach junge Menschen, Studentinnen, die die an der Uni Deutsch lernten. Sie fragten uns auch, wieso wir nach Russland kommen, wo es jetzt doch so schwierig ist. Ich konnte immer antworten: „Ich bin mit Russland groß geworden und liebe das Land und seine Menschen.“ In jedem Fall bedankten sie sich bei uns, dass wir nach Russland kommen. Die jungen Menschen schwärmen von Deutschland und möchten es auch gern bereisen.
Durch meine erste Reise nach Kaliningrad lernte ich Sergei kennen, unseren Reiseführer während der Stadtrundfahrt. Er bereiste mit mir den Geburtsort meines Vaters in Ragnit/Tilsit und erzählte mir, dass er in Beelitz-Heilstätten beim Potsdam geboren wurde und acht Jahre in Güstrow aufgewachsen ist. Er war 2019 letztmalig in Deutschland und vermisst es, nicht mehr nach Deutschland reisen zu können. Ich bin nun seine Verbindung nach Deutschland.
Wünsche für Deutschland
Meinen Bildband über Güstrow zu Weihnachten las er bis über Mitternacht hinaus und erkannte viele Orte seiner Kindheit wieder. Da ich aus dem Land Brandenburg komme und auch familiäre Kontakte in Güstrow zu Hause sind, kann ich Sergei über Beelitz und Güstrow auf dem Laufenden halten. Er ist Heimatforscher. Und auf meine Frage, was er sich aus Deutschland wünscht, kam die Antwort: „Die Unversehrtheit der Stadt Güstrow und Deutschlands.“
Meine Kontakte in Russland wachsen mit jeder Reise. Mein Schulrussisch ist noch gut abrufbar. Das Lesen und Schreiben in Russisch funktioniert noch, aber das Sprechen fällt mir schwer. Doch es wird besser! Ich belege einen Online-Russisch-Kurs.
Was denken die Menschen in Deiner Umgebung über Deine Russland-Reisen?
In meinem persönlichen Umfeld gibt es überwiegend Zustimmung, Dankbarkeit und Neugierde. Dankbarkeit darüber, dass wir es tun! Es gibt auch Begegnungen, wo sofort die „Märchen des Mainstreams der letzten 6o Jahre“ aus den Mündern plappern. Da stehe ich drüber, denn sie können es nicht besser wissen. Reisen bildet, denke ich dann. Oder: Weltanschauung durch Welt anschauen.
Vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Was wünschst Du Dir in diesen Tagen in Bezug auf die deutsch-russischen Beziehungen?
Dass Deutschland endlich souverän wird und Frieden in Europa einzieht! Dass die Amerikaner Europa verlassen und diese 200-jährige Hegemonie endlich beendet wird! Die Völker sollen souverän und in friedlicher Koexistenz leben, Handel treiben, Kultur, Wissenschaft und Medizin-Erkenntnisse austauschen. Zum Wohle der Menschheit! Russland und Deutschland gehören zusammen, so wie alle anderen Länder Europas. Von Lissabon bis Wladiwostok!
Interview: Thomas Wolf
