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Weg vom Gas? – Ein teures Vergnügen

Erdgas ist mit Abstand der wichtigste Energieträger in Deutschland: Etwa die Hälfte aller Wohnungen und Häuser wird nach Angaben des Statistischen Bundesamts mit Gas beheizt. Heizöl machte demnach im vergangenen Jahr noch rund ein Viertel aus, Fernwärme etwa ein Siebtel. Alle anderen Energieträger rangieren weit darunter, insbesondere die von Teilen der Politik hochgelobten Elektro-Wärmepumpen. In nicht einmal drei Prozent der deutschen Immobilien kamen sie 2021 zum Einsatz.

Rund die Hälfte der Deutschen heizt mit Gas, nur wenige Bundesbürger nutzen bislang Wärmepumpen. (Foto: Pixabay)

Nun ist Erdgas in Verruf geraten. Klimaschützer bemängeln die in ihren Augen klimaschädliche Emissionsbilanz des fossilen Energieträgers. Experten für Heiztechnik dagegen loben die hohe Effizienz einer Gasheizung, die von anderen Heizungsarten nicht erreicht werde. Und nicht zu vergessen: Lange Zeit war Erdgas unschlagbar günstig.

Nun hat es auch wegen des Kriegs in der Ukrainen keinen guten Ruf mehr. Denn das Gas kommt zu großen Teilen aus Russland – allen Sanktionen und politischen Absichtserklärungen zum Trotz. Der russische Staatskonzern Gazprom erwies sich in den vergangenen Jahrzehnten zwar als zuverlässiger Lieferant. Der Hickhack um die in Kanada reparierte Turbine hat das Vertrauen in die russischen Lieferungen aber stark beschädigt – und damit auch jenes in den Energieträger Erdgas.

Kein Neueinbau reiner Gasheizungen ab 2024

Zahlreiche Bundesbürger dürften nun darüber nachdenken, ob sie weiter auf eine Gasheizung setzen. Erst recht, wer durch gesetzliche Regeln dazu gezwungen ist, seinen Gaskessel nach 30 Jahren auszutauschen, steht vor einer schwierigen Entscheidung. Ab 2024 soll nach dem Willen der rot-grün-gelben Bundesregierung der Neueinbau von reinen Gasheizungen nicht mehr erlaubt sein. Noch ist es möglich.

Photovoltaik soll unabhängig von Gaslieferungen machen. Zugleich funktioniert sie nur, wenn die Sonne scheint – und ist teuer. (Foto: Pixabay)

Welche Kosten auf einen Haushalt zukommen können, der sich von seiner Gasheizung verabschieden will oder muss, zeigt ein Beispiel aus dem Südwesten Deutschlands. Ein Ehepaar hat sich für sein Einfamilienhaus in Baden-Württemberg für eine Gas-Hybrid-Heizung entschieden. Das heißt: Die Hauptlast der Heizung sollen Photovoltaik und Wärmepumpe tragen. Ein Gasanschluss wird für den Notfall vorgehalten.

70.000 Euro für die neue Heizung

Das gesamte Paket schlägt aktuell mit sage und schreibe rund 70.000 Euro zu Buche – in manchen Regionen Deutschlands erhält man dafür schon ein ganzes Haus. Enthalten sind in der Summe Solarmodule fürs Dach, ein Stromspeicher für den Keller, die Wärmepumpe und die eigentliche Heizungsanlage.

Doch damit nicht genug: Der Preis bildet sogar nur den derzeitigen Stand ab. Geliefert und eingebaut wird die Anlage nämlich erst im Frühjahr oder Frühsommer 2023 – vorher sind die Geräte nicht verfügbar. Was sie bis dahin tatsächlich kosten, steht buchstäblich in den Sternen. Eine Preisgarantie gibt es nämlich nicht.

Thomas Wolf

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Neue Eskalation im Kaukasus?

Die seit rund zwei Jahren geltende Waffenruhe zwischen Aserbaidschan und Armenien im Konflikt um Bergkarabach wird offenbar zusehends brüchig. Die Konfliktparteien bestätigten neue Kämpfe in der zwischen beiden Seiten umstrittenen Region. Mehrere Armenier und mindestens ein Soldat aus Aserbaidschan seien ums Leben gekommen, heißt es.

Große Mehrheit der Bevölkerung ist orthodox

Der Konflikt um Bergkarabach ist alt: Seit mindestens einem Jahrhundert streiten christliche Armenier und muslimische Aserbaidschaner um die rund 3000 Quadratkilometer im Südosten des Kleinen Kaukasus. Aserbaidschan kann dabei auf das Völkerrecht verweisen: Bergkarabach gehört zum international anerkannten Staatsgebiet Aserbaidschans. Armenien dagegen hat die Bevölkerung auf seiner Seite: Mit großer Mehrheit ist die Region von orthodoxen Armeniern besiedelt.

Zu Sowjet-Zeiten war Bergkarabach Aserbaidschan zugeschlagen worden: Seit 1923 bildete es ein autonomes Gebiet innerhalb der muslimischen Republik. Als die Sowjetunion zerfiel, erklärte Bergkarabach 1991 sei­ne Unabhängigkeit. Der Bürgerkrieg, den die Unab­hängigkeitsbestrebungen mit sich brachten, endete 1994 mit einem Waffenstillstand. Bergkarabach verblieb dadurch zwar formell bei Aserbaidschan, war dank armeni­scher Militärhilfe aber faktisch selbstständig. Seit 2017 nennt das Land sich nach einer antiken Region offiziell „Republik Arzach“.

Zerstörungen nach einem aserbaidschanischen Angriff auf Stepanakert, die Hauptstadt der international nicht anerkannten Republik Arzach. (Foto: Yan Boechat/VOA)

2020 brach der jahrzehntealte Konflikt wieder auf: Nach ersten Gefechten ab Juli eskalierte die Lage im September vollends. Aserbaidschanische Truppen starteten eine großangelegte Offensive und konnten weite Teile des umstrittenen Territoriums unter ihre Kontrolle bringen. Rund 7000 armenische und aserbaidschanische Soldaten starben. Nach armenischen Angaben mussten rund 90.000 Zivilisten aus ihrer Heimat fliehen.

Russische Friedenstruppen

Ein unter russischer Vermittlung zustande gekommenes Abkommen beendete die Kampfhandlungen im November 2020 und regelte den Abzug des armenischen Militärs, das die „Republik Arzach“ gestützt hatte. Friedenstruppen der Russischen Föderation überwachen seither die Waffenruhe, die durch die neuen Feindseligkeiten nun wieder in Frage gestellt ist.

Frühzeitig hatte die Türkei Partei für ihre islamischen Glaubensgenossen ergriffen, die als Turkvolk den Türken traditionell nahestehen. Bereits 2016, als der Konflikt schon einmal kurz vor der Ausweitung zum Krieg stand, erklärte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan: „Wir werden Aserbaidschan bis zum Ende unterstützen.“ In dem Waffengang 2020 tat er dies tatsächlich – vor allem diplomatisch, indirekt aber auch militärisch.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan (links) mit Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew. Die beiden turksprachigen Länder sind traditionell eng verbunden. (Foto: President.az/CC BY 4.0 via Wikimedia Commons)

Von der Türkei angeworbene Söldner kamen auf Seiten der aserbaidschanischen Armee zum Einsatz. Rund 4000 Islamisten seien aus dem türkisch besetzten Afrin im Norden Syriens in die aserbaidschanische Hauptstadt Baku gebracht worden, um dann „in vorderster Linie an der armenisch-aserbaidschanischen Grenze“ eingesetzt zu werden, wurde damals vermeldet. Etwa 500 von ihnen bezahlten den Kriegseintritt mit dem Leben.

Die Söldner entstammten radikalen sunnitischen Gruppen, die zwar überwiegend der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) feindlich gegenüberstanden, sich in ihrer Auslegung des Korans aber nicht selten gar nicht so sehr vom IS unterschieden. Sogar von einem „heiligen Krieg gegen die Christen“ in Bergkarabach war die Rede. Die Islamisten sahen es offenbar als ihre Aufgabe an, in den Kaukasusdörfern die Scharia, das islamische Recht, durchzusetzen – ein Verhalten, das bereits aus kurdischen Dörfern im Norden Syriens bekannt war.

Thomas Wolf

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Amnesty: Ukraine gefährdet Zivilisten

Amnesty International wirft der Ukraine vor, im Krieg gegen Russland gegen das Völkerrecht zu verstoßen. Die Armee verschanze sich in Schulen und Krankenhäusern und operiere aus Wohngebieten heraus. Vorwürfe wie diese, wonach die Ukraine ihre eigene Zivilbevölkerung gefährde und als „menschliche Schutzschilde“ missbrauche, galten bislang im Westen als russische Propaganda. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi kritisierte den Amnesty-Bericht scharf.

Ein ukrainischer Panzer in den Straßen von Kiew. Amnesty International wirft den Streitkräften der Ukraine vor, aus Wohngebieten heraus zu operieren und dadurch die Zivilbevölkerung zu gefährden. (Foto: VoidWanderer/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Die Menschenrechtsorganisation hat eigenen Angaben zufolge zwischen April und Juni im Kriegsgebiet Untersuchungen angestellt und mit Bewohnern sowie Überlebenden russischen Beschusses gesprochen. Den Erkenntnissen zufolge haben ukrainische Streitkräfte „Zivilisten in Gefahr gebracht, indem sie in Wohngebieten, einschließlich Schulen und Krankenhäusern, Stützpunkte errichteten und Waffensysteme einsetzten“.

Vergeltungsfeuer russischer Streitkräfte

Im umkämpften Donbass sowie in den Regionen Charkiw und Mykolajiw berichteten Augenzeugen „dass das ukrainische Militär zur Zeit der Angriffe in der Nähe ihrer Häuser operierte und das Gebiet dem Vergeltungsfeuer russischer Streitkräfte aussetzte“. Ein derartiges Verhalten hat Amnesty International an zahlreichen Orten beobachtet.

Der Bericht zitiert eine Frau, deren 50-jähriger Sohn bei einem Raketenangriff südlich von Mykolajiw ums Leben kam: „Das Militär wohnte in einem Haus neben unserem Haus und mein Sohn brachte den Soldaten oft Essen. Ich bat ihn mehrmals, sich von dort fernzuhalten, weil ich um seine Sicherheit fürchtete.“ Zum Zeitpunkt des russischen Beschusses habe sich ihr Sohn vor dem Haus aufgehalten. „Er wurde auf der Stelle getötet. Sein Körper wurde in Fetzen gerissen.“

„Ein klarer Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht“

An fünf Orten konnte Amnesty aufgrund von Zeugenaussagen nachweisen, dass ukrainische Soldaten Krankenhäuser als Militärstützpunkte nutzten. In einer Stadt feuerten die Streitkräfte sogar von Stellungen in der Nähe eines Krankenhauses. In mindestens einem Fall kamen beim russischem Beschuss einer medizinischen Labors Zivilisten zu Schaden. Ukrainische Soldaten hatten dort zuvor ihre Basis eingerichtet. „Die Nutzung von Krankenhäusern für militärische Zwecke ist ein klarer Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht“, betont Amnesty.

Russischen Beschuss macht die Ukraine für die Zerstörung einer Geburtsklinik in Mariupol am 9. März verantwortlich. In anderen Fällen konnte Amnesty nachweisen, dass ukrainische Truppen das Krankenhausareal als Stützpunkt genutzt haben. (Foto: armyinform.com.ua/CC BY 4.0 via Wikimedia Commons)

Die Wohngebiete, in denen sich ukrainische Truppen aufhielten, waren nach Erkenntnissen von Amnesty meist „kilometerweit von den Frontlinien entfernt“. Zivilisten hätten also nicht gefährdet werden müssen, stellte die Menschenrechtsorganisation fest. Auch habe das ukrainische Militär es versäumt, die entsprechende Gegend zu evakuieren.

Auch die Ukraine muss das Völkerrecht respektieren

Zwar fand Amnesty nicht an jedem Ort, an dem russische Angriffe zum Tod von Zivilisten führten, Belege dafür, dass die ukrainischen Streitkräfte das Gebiet missbraucht haben könnten. Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International, sieht dennoch geradezu ein „Muster“ darin, dass die ukrainischen Streitkräfte die Zivilbevölkerung gefährden und gegen das Kriegsrecht verstoßen. Die Tatsache, dass sich die Ukraine gegen einen Angreifer verteidigt, befreie das ukrainische Militär nicht von der Verpflichtung, „das humanitäre Völkerrecht zu respektieren“, betont Callamard.

Thomas Wolf

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Terrorangriffe auf Nigerias Hauptstadt

In der nigerianischen Hauptstadt Abuja haben in den vergangenen Tagen islamistische Milizen öffentliche und militärische Einrichtungen angegriffen. Das berichtet das katholische Hilfswerk „Kirche in Not“ unter Berufung auf den katholischen Erzbischof von Abuja, Ignatius Kaigama. 

Kaigama nannte drei Übergriffe innerhalb einer Woche: Kämpfer seien in ein Gefängnis in der Nähe des Hauptstadt-Flughafens eingedrungen und hätten dabei mehrere Führer der Terrorsekte Boko Haram befreit. Bei einer Attacke auf einen Militärstützpunkt am Rande Abujas seien mehrere Soldaten getötet worden. Auch die Garde, die für die Sicherheit des Regierungsviertels und des Präsidentenpalasts verantwortlich ist, sei während einer Patrouille überfallen worden, berichtet der Erzbischof. 

Ignatius Kaigama ist katholischer Erzbischof der nigerianischen Hauptstadt-Diözese Abuja. (Foto: Kirche in Not)

Die Situation wertet er als „sehr ernst“. Die Bevölkerung befinde sich in großer Aufregung: „Abuja ist die Hauptstadt, und die sollte der sicherste Ort eines Landes sein.“ In der Vergangenheit habe es zwar Bombenanschläge gegeben, aber diese Art der Angriffe seien neu, sagt der Erzbischof: „Wir wissen nicht, woher die Angreifer kommen oder was als nächstes passiert.“ 

Zusammenhang mit den Wahlen 2023?

Die Milizen gingen sehr koordiniert vor, die Angriffe seien geplant und kein Zufall gewesen. Kaigama vermutet einen Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen 2023, bei denen der bisherige Amtsinhaber Muhammdu Buhari nicht mehr antreten darf: „Die Menschen wollen Macht, und sie tun alles, was sie können.“

Die amtierenden Volksvertreter kritisiert der Erzbischof scharf: Sie hätten die Hauptstadt verlassen und sechs Wochen Parlamentsferien ausgerufen. „Man hätte erwarten können, dass die Politiker fieberhaft nach Lösungen für die aktuellen Probleme suchen würden. Aber sie sind unmittelbar nach den Attacken gegangen!“

Es bestehe jetzt die Gefahr, dass die Regierungspartei die Gewalt und die Instabilität in der Hauptstadt und anderen Regionen des Landes als Vorwand benutze, um die Wahlen auf unbestimmte Zeit zu verschieben, befürchtet Kaigama. Die Kirche rufe die Menschen auf, sich jetzt für die Wählerlisten registrieren zu lassen und das Land „über die Wahlurne zu verändern“.

„Es gibt keine Gleichbehandlung für Christen“

Angesprochen auf die Situation der Christen in Nigeria und Berichte über eine zunehmende Verfolgung antwortet der Erzbischof vorsichtig: „Wir können das nicht generalisieren, indem wir sagen, dass Christen verfolgt werden. Auch in der Regierungspartei sind Christen vertreten. Aber Verfolgung besteht nicht nur darin, Menschen zu töten, sondern auch die Dinge zugunsten einer bestimmten Gruppe zu manipulieren.“ 

Nigerias Präsident Muhammadu Buhari (rechts) begrüßt US-Außenminister Antony Blinken in Abuja. Bei der Präsidentenwahl im kommenden Jahr darf der Muslim Buhari nicht erneut antreten. (Foto: US Department of State/Ron Przysucha)

Es handle sich vielmehr um eine „subtile Verfolgung“: „Es gibt keine Gleichbehandlung. Das Verhältnis von Christen und Muslimen in Nigeria ist 50/50, also sollte es eine gleichmäßige Verteilung der Ressourcen und Chancen geben. Die Menschen sollten sich in sensiblen politischen, wirtschaftlichen oder sicherheitsrelevanten Fragen einbezogen fühlen.“

Auch die Entscheidung der Regierungspartei, für die Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr zwei muslimische Spitzenkandidaten aufzustellen, werfe Fragen auf, sagt Kaigama: „Sie konnten im ganzen Norden Nigerias keinen einzigen Christen finden, der für das Amt des Vizepräsidenten geeignet ist?“

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Radikaler Schiit und Christenfreund

Der 48-jährige Muqtada al-Sadr ist einer der einflussreichsten religiösen Führer des Irak. Immer wieder haben Anhänger des schiitischen Predigers für Unruhe in dem Land gesorgt – auch jetzt wieder: Seit Samstag halten sie das irakische Parlament, den Repräsentantenrat, besetzt.

Muqtada al-Sadr (rechts) im Gespräch mit Irans Revolutionsführer Ali Chamenei in Teheran. (Foto: khamanei.ir/CC BY 4.0 via Wikimedia Commons)

„Sitzstreik“ – so nennen die Parlamentsbesetzer ihre Aktion, die bereits die zweite dieser Art innerhalb weniger Tage ist. Die Tagesschau berichtet, al-Sadrs Anhänger seien am Wochenende in die sogenannte Grüne Zone eingedrungen, eine rund zehn Quadratkilometer großes Gebiet im Zentrum von Bagdad. Sie beherbergt wichtigste politische Institutionen des Landes. Auch die US-Botschaft hat hier ihren Sitz.

Sie singen und tanzen

Die Grüne Zone ist durch Betonbarrieren, Mauern und Stacheldraht abgeriegelt. Die Anhänger Muqtada al-Sadrs, schreibt Anna Osius auf tagesschau.de, hätten Absperrungen niedergerissen und seien in das Parlamentsgebäude eingedrungen. Hier kampieren sie nun, singen und tanzen – und wollen nicht gehen, bis ihre Forderungen erfüllt sind.

Anlass des Sturms ist ein seit längerer Zeit schwelender Konflikt: Im vergangenen Herbst gewann al-Sadrs Bewegung die Parlamentswahl und stellt seitdem die mit Abstand größte Fraktion. Von einer parlamentarischen Mehrheit sind al-Sadr und seine Verbündeten aber deutlich entfernt – und so scheiterte die Regierungsbildung. Stattdessen deutete sich zuletzt an, dass al-Sadrs Rivalen künftig den Ministerpräsidenten stellen könnten.

Die Anhänger des Geistlichen wollen das nicht akzeptieren und fordern einen Regierungschef aus den eigenen Reihen. Einen ersten Sturm auf das Parlament beendete al-Sadr noch selbst. Nun hält er sich zurück. Seine Anhänger sind offenbar gewillt, gegen alle Widerstände auszuharren. Schon warnen Beobachter vor einer blutigen Eskalation, sollten die Sicherheitskräfte versuchen, das besetzte Parlament zu stürmen.

Widerstand gegen die USA

Nach dem Sturz des sunnitisch geprägten Regimes von Saddam Husseins durch US-Truppen 2003 setzten die Besatzer auf Unterstützer in der schiitischen Mehrheit, der rund zwei Drittel der Bevölkerung angehören. Muqtada al-Sadr, ebenfalls Schiit, rief zum gewaltsamen Widerstand gegen die USA auf, der rund fünf Jahre andauerte. As-Sadr ist Sohn des schiitischen Großajatollahs Muhammad Sadiq al-Sadr, der 1999 bei einem Anschlag mutmaßlicher Anhänger Saddam Husseins ums Leben kam.

In westlichen Medien gilt al-Sadr meist als „radikaler schiitischer Geistlicher“. Gedanklich ist da der Weg nicht weit zum militanten Islamismus und Dschihadismus. Doch weit gefehlt: Trotz mitunter radikaler Äußerungen und seiner Aufrufe zur Gewalt gegen US-Truppen und politische Gegner hat al-Sadr sich stets dem Dschihadismus in den Weg gestellt – und sich als Freund der irakischen Christen erwiesen. Selbst den Einfluss des schiitischen Iran auf die irakische Politik kritisierte er heftig.

Als der „Islamische Staat“ (IS), der aus einer sunnitischen Terrorzelle im Irak hervorgegangen war, 2014 Teile Syriens und des Nordirak eroberte, rief al-Sadr die „Friedenskompanien“ als schiitische Freiwilligenverbände ins Leben. Sie schützten schiitische und christliche Gebetsstätten gegen die IS-Terrormiliz und halfen mit, den IS im Irak zu besiegen.

Thomas Wolf

Ein Kämpfer der sogenannten Volksmobilmachung des Irak, 2014 aufgestellt zum Kampf gegen die sunnitische Terrormiliz „Islamischer Staat“. Den meist schiitischen Freiwilligenverbänden gehörten auch Muqtada al-Sadrs „Friedenskompanien“ an. (Foto: Tasnim News Agency/CC BY 4.0 via Wikimedia Commons)
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Dschihadisten in Afrika auf dem Vormarsch

Das weltweite päpstliche Hilfswerk „Kirche in Not“ zeigt sich alarmiert über die Lage in Burkina Faso. Nachdem Anfang Juli mehr als 20 Menschen in der Ortschaft Bourasso im Nordwesten des Landes von Milizen erschossen worden waren, erreichen das Hilfswerk auch aus der Diözese Fada N’Gourma im Osten von Burkina Faso besorgniserregende Nachrichten: Aufgrund der anhaltenden Terrorgefahr können zahlreiche Dörfer im Bistum kaum noch von außen erreicht werden. 

Auf Anfrage von „Kirche in Not“ teilten die Projektpartner in Fada N’Gourma mit, dass von den über 500 Städten und Dörfern auf dem Gebiet des Bistums aktuell mehr als 90 Prozent von der Außenwelt abgeschnitten seien. Raubüberfälle, Entführungen und Morde hätten so massiv zugenommen, dass die Diözese seit Anfang 2022 ihre Seelsorger aus fünf weiteren Pfarreien abberufen musste. 

Ein zerstörtes Kreuz nach einem Überfall von Islamisten auf das Studienseminar der Diözese Fada N’Gourma in Burkina Faso. (Foto: Kirche in Not)

In sieben weiteren Gemeinden seien die oft abgelegenen Außenstellen nicht mehr zu erreichen; die Straßen seien in der Kontrolle von Milizen und deshalb unpassierbar. Da auch die Telefon- und Internetverbindungen gekappt wurden, habe man keine Informationen über die dortigen Gemeindemitglieder. 

Terror richtetet sich vermehrt gegen Christen

Auslöser dieser dramatischen Situation ist der islamistische Terror, der sich seit dem Jahr 2015 in Burkina Faso immer weiter vorwärts frisst. Dem Bericht „Religionsfreiheit weltweit 2021“ von „Kirche in Not“ zufolge ist das Land zu einem der Hauptoperationsgebiete des militanten Dschihadismus in Afrika geworden. Während sich die Gewalt zu Beginn unterschiedslos gegen die gesamte Bevölkerung richtete, kommt es nach Angaben von lokalen Beobachtern seit 2019 vermehrt zu gezielten Attacken auf Christen, die etwa ein Viertel der Bevölkerung Burkina Fasos ausmachen.

Gläubige in Burkina Faso bei einem Gottesdienst. (Foto: Kirche in Not)

Der Bericht der Diözese Fada N’Gourma an „Kirche in Not“ enthält auch die Aussage eines Priesters, der das übliche Vorgehen der Terroristen schildert. Demnach eroberten Milizen Ende Februar die Stadt Tombaga im Osten der Diözese. Die Bewohner seien in der Moschee zugsammengeführt worden. Die Terroristen hätten die anwesenden Christen aufgefordert, zum Islam zu konvertieren. „Sie sagten, Isa (Name für Jesus im Islam; Anm. d. Red.) sei gekommen, aber seine Mission sei beendet. Mohammed sei sein Nachfolger“, zitiert der Bericht den Augenzeugen. Anschließend hätten die Milizen eine katholische Schule und weitere staatliche Bildungseinrichtungen in Brand gesetzt.

Freie Religionsausübung vielfach eingeschränkt

In vielen Orten der Diözese Fada N’Gourma sei es verboten, eine andere Religion als den Islam auszuüben, heißt es in dem Bericht. Mancherorts dürften zwar noch christliche Gottesdienste abgehalten werden. Diese werden aber offenbar von den lslamisten überwacht. Trotz der prekären Lage gebe es jedoch nach wie vor ein lebendiges Gemeindeleben. Vielen christlichen Bewohnern aus den abgeschnittenen Dörfern sei die Flucht gelungen. Sie haben sich demnach rund um die Ortschaft Matiakoali niedergelassen, wo Militär stationiert und es deshalb vergleichsweise sicher ist.

Weitere Informationen zur Lage in Burkina Faso finden Sie im Bericht „Religionsfreiheit weltweit 2021“ von „Kirche in Not“.

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Putin oder Biden: Wer ist hier krank?

Seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine schießen die Spekulationen wie wild ins Kraut: Wladimir Putin sei schwerkrank, habe nicht mehr lange zu leben oder sei gar schon durch einen Doppelgänger ersetzt, liest man. Im Gegensatz dazu wird der Kreml nicht müde zu betonen, Putin erfreue sich bester Gesundheit. Alles Quatsch, hieß es zuletzt sogar von der CIA. Den Gerüchten liegen offenbar eher westliches Wunschdenken und propagandistische Nadelstiche zugrunde als echte Fakten. Statt Putin rückt nun zunehmend die Gesundheit eines anderen, eines westlichen Staatschefs in den Fokus: US-Präsident Joe Biden.

Auf manchen Aufnahmen wirkt Wladimir Putin etwas aufgedunsen. Aber ist er wirklich schwer erkrankt? (Foto: Kremlin.ru via Wikimedia Commons/CC BY 4.0)

Beileibe nicht nur umstrittene Portale im Internet, die es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen, haben sich seit dem 24. Februar, dem Tag des Angriffs auf die Ukraine, auf Putins Gesundheit eingeschossen. Auch Tageszeitungen wie die Augsburger Allgemeine spekulieren über Putins vermeintliche Krankenakte. Mal leidet der Hausherr im Kreml demnach unter Parkinson, mal an Krebs im Endstadium. Einen Schlaganfall habe Putin gehabt, liest man, und erst kürzlich hieß es, ein Notarzt sei nachts in den Kreml gerufen worden. Ein angeblicher russischer Agent wird zitiert, Putin habe „nur noch zwei bis drei Jahre zu leben“. Wieder andere Quellen sprechen von einer Medikamentensucht. Immerhin noch originell ist die Behauptung, der 69-Jährige leide an den Nachwirkungen einer Corona-Infektion und sei deshalb wahnsinnig geworden.

Ein virtueller Putin?

Womöglich sind die Gerüchte sogar noch untertrieben: Putin, heißt es mitunter, lebe schon gar nicht mehr. Der Mann, der da regelmäßig im russischen Fernsehen zu sehen ist und der zu Auslandsbesuchen wie etwa kürzlich in den Iran reist, könnte ein Doppelgänger sein. Oder sind die Videos, die den Kreml-Chef zeigen, gar gefälscht? Deep-Fake-Technik könnte auf der Basis älterer Aufnahmen einen virtuellen Putin generiert haben, der seitdem seine Landsleute und die ganze Welt narrt. Sehr wahrscheinlich ist das nicht. Auch der US-amerikanische Auslandsnachrichtendienst hat die Spekulationen um Putins schwindende Gesundheit zurückgewiesen: Putin sei sogar „viel zu gesund“, sagte CIA-Direktor Wiliam Burns. Burns war von 2005 bis 2008 US-Botschafter in Moskau und hat Putin zuletzt im November persönlich getroffen.

Vielleicht treffen die Gerüchte stattdessen aber auf einen anderen Präsidenten zu, der gewissermaßen auf der gegenüberliegenden Seite der Geschichte steht: Joe Biden, seit rund anderthalb Jahren Hausherr im Weißen Haus in Washington und mittlerweile fast 80 Jahre alt. Biden ist damit der älteste amtierende US-Präsident überhaupt. Bereits im Wahlkampf hörte man von republikanischer Seite die Behauptung, Bidens geistige Fähigkeiten, die durch das Alter eingeschränkt seien, reichten nicht aus, das Amt des Präsidenten zu erfüllen. Bidens Ärzte dementierten freilich entschieden.

US-Präsident Joe Biden am Telefon. Kürzlich infizierte er sich mit Corona. Die Symptome seien „sehr milde“ gewesen, hieß es. (Foto: The White House/gemeinfrei)

Nun haben die Gerüchte neue Nahrung erhalten – zuletzt durch Bidens Corona-Infektion. Zwar hatte der vierfach geimpfte US-Präsident nach Aussage des Weißen Hauses nur „sehr milde Symptome“ – doch musste er immerhin mit Paxlovid behandelt werden. Das antivirale Mittel soll einen schweren Krankheitsverlauf verhindern. 

Joe Biden noch fit genug für eine zweite Amtszeit?

Vor allem in alternativen Medien werden hierzulande eine Reihe von Aussetzern Bidens diskutiert. Im Internet kursieren Videos, die Biden zeigen, wie er ohne äußeren Einfluss vom Rad stürzt, einem imaginären Gegenüber die Hand schüttelt oder wie er Anweisungen aus dem Teleprompter als Teil seiner Ansprache vorträgt. „Fit genug für eine weitere Amtszeit?“, fragte nun auch die Tagesschau. „Dass US-Präsident Joe Biden nicht mehr der Jüngste ist, hat man zuletzt immer wieder gemerkt“, schreibt Steffen Wurzel vom ARD-Studio Washington. „Er bewegt sich langsamer als früher, bei öffentlichen Veranstaltungen wirkt er regelmäßig unkonzentriert.“ Aufmerksamen Beobachtern mag das untertrieben erscheinen.

Eine wachsende Anzahl von US-Amerikanern fragt sich, ob ihr Präsident eine zweite Amtszeit anstreben sollte. Tagesschau.de zitiert eine Umfrage des Senders CNN, wonach sich 75 Prozent der befragten US-Amerikaner, die beim Urnengang im November 2024 demokratisch wählen wollen, einen anderen Kandidaten wünschen. Unter jüngeren Anhängern der Demokraten wollen sogar 95 Prozent jemand anderen als Biden. Auch ansonsten sind die Umfragewerte des Präsidenten im Keller. Noch stellt kein führender Politiker der Demokraten ihn in Frage. Sollte die Partei bei den Zwischenwahlen im November, bei denen die 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses sowie 35 der 100 Mitglieder des Senats bestimmt werden, verlieren, sieht die Sache womöglich schon ganz anders aus.

Thomas Wolf

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Wie teuer wird das Heizen?

Voraussichtlich ab dem 1. Oktober können Gas-Importeure ihre gestiegenen Einkaufspreise an alle Verbraucher in Deutschland weitergeben. Grundlage dafür ist Paragraf 26 des Energiesicherungsgesetzes, der per Verordnung in Kraft tritt und bis September 2024 gelten könnte. Wird Heizung bald zum Luxusgut?

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), in dessen Ressort die Gas-Importe fallen, rechnet damit, dass eine vierköpfige Familie im Jahr „sicherlich einige hundert Euro“ mehr an Heizkosten bezahlen muss. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte zuvor von rund 200 bis 300 Euro gesprochen.

Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), sagte dagegen im Gespräch mit der Rheinischen Post, die Bürger müssten sich „wohl mindestens auf eine Verdreifachung der Heizkosten bei Gas vorbereiten“. Menschen mit mittleren und geringen Einkommen müssten „dringend“ weiter entlastet werden.

Die Politik nennt als Grund für die stark gestiegenen Preise Russlands Krieg in der Ukraine und die im Zusammenhang mit den westlichen Sanktionen stehenden reduzierten Gaslieferungen aus Russland. Ein Blick auf die Preisentwicklung zeigt allerdings: Die Strom- und Heizkosten sind bereits seit Herbst 2021 deutlich erhöht. Der aktuelle Anstieg begann also schon Monate vor Russlands Angriff vom 24. Februar.

Nach Angaben des Vergleichsportals Verivox stieg der Strompreis in Deutschland bei einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 4000 Kilowattstunden allein von Januar 2021 bis Januar 2022 um rund 35 Prozent. Im April dieses Jahres lag er zwar noch höher, doch seither sind die Preise wieder etwas zurückgegangen – vielleicht auch, weil zwischenzeitlich die EEG-Umlage abgeschafft wurde.

Thomas Wolf

Wird Heizung zum Luxusgut? (Foto: Pixabay)
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Guter Journalismus – altbacken?

„Fake News“ allerorten – diesen Eindruck kann man gewinnen, wenn man mit offenen (und skeptischen!) Blicken durch das Internet geht. Ob Facebook, Twitter oder Telegram – überall werden Halbwahrheiten verbreitet oder wird schlicht gelogen. „Fake News“ sind aber keineswegs nur eine Spezialität der sozialen Medien oder des Internets im Allgemeinen. Auch vermeintlich seriöse Leitmedien sind nicht davor gefeit, einseitig zu berichten. Statt kritisch nachzufragen, übernehmen sie immer öfter einfach das, was Politiker ihnen ins Mikrofon diktieren.

Diese Seite will anders sein. Ihr Untertitel ist Programm: „Unabhängig – unbestechlich – ungelogen“. Wir sind ideologiefrei, lehnen Hass und Hetze ab und betreiben Journalismus, wie er eigentlich überall betrieben werden sollte: Seine Aufgabe ist nicht Stimmungsmache, sondern sachliche und unparteiische Information. Ein Journalist darf eine Meinung haben, aber man darf sie seinem Beitrag nicht ansehen – es sei denn, er ist mit „Kommentar“ überschrieben.

Guter Journalismus macht sich nicht mit politischen Zielen, Meinungen oder Haltungen gemein, selbst wenn sie noch so unterstützenswert erscheinen. Guter Journalismus geht in die Tiefe und betrachtet die Welt nicht nur oberflächlich. Er geht ganz nah ran und bleibt doch distanziert. Und wenn seine Themen und Inhalte wehtun, dann nicht, weil der Journalismus wehtun will – sondern weil irgendwer in Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft Mist gebaut hat.

Eine Schreibmaschine – einst unverzichtbares Arbeitszeug des Journalisten. Heute wirkt sie altbacken – wie klassischer Journalismus auch? (Foto: Pexels/Pixabay)

In der schnelllebigen Ära des Internets, in der schnelle Klicks entscheidend sind und selbst Politiker ihre Inhalte in 160 Zeichen unters Twitter-Volk bringen, in Zeiten von Corona-Pandemie, gesellschaftlicher Spaltung, wiedererwachtem Ost-West-Konflikt und zunehmender Klima- und Energiekrise mag das für manchen irgendwie altbacken wirken – aber zu Unrecht! 

„Der andere Blickwinkel“ möchte Informationen bieten, die man nicht überall findet: spannende Themen, lesenswert aufbereitet und garantiert ohne „Fake News“.

»Ich bin Journalist – ich habe keine Meinung!«

Unbekannter Reporter im Film „Der Baader Meinhof Komplex“