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Wahlkampf-Getöse und Sozialtourismus

Wer in den vergangenen Tagen die Nachrichten verfolgt hat, wird sich vielleicht gewundert haben. Von bekannten Politikern kommen plötzlich Töne, die man vorher so nicht gehört hat. Vor ein paar Tagen erst sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD), die Migrationszahlen in Deutschland seien zu hoch geworden. So könne es nicht weitergehen. Zuvor war wochenlang zu hören, dass jeder willkommen sei. „Wir haben Platz!“, lautete die Parole ungeachtet des zunehmenden Kampfs auf dem Wohnungsmarkt. Nun musste sich CDU-Chef Friedrich Merz entschuldigen. Er hatte Ukrainern in Deutschland Sozialmissbrauch vorgeworfen.

Ausgebuchte Flixbusse

Hinweise darauf, dass Merz mit seiner Kritik richtig lag, gibt es zuhauf. Man denke an Berichte über ausgebuchte Flixbusse von Kiew nach Berlin und zurück oder Wucher bei Mieten durch Landsleute. Darüber sprechen wollte das politische Berlin nicht. Passen doch Ukrainer, die zwischen Deutschland und dem Kriegsgebiet pendeln, nicht ins vorherrschende Bild. Alles, was mit der Ukraine zu tun hat, muss positiv gesehen werden, um nicht der Propaganda des Kreml Vorschub zu leisten. Soweit die Logik der Politik. Ukrainer, die vom Krieg gar nicht betroffen sind, sondern nur Geld abgreifen wollen, sind da mehr als unbequem.

Ausgebuchte Flixbusse von und nach Kiew deuten darauf hin, dass Friedrich Merz mit seinem Vorwurf des Sozialtourismus nicht falsch lag. (Foto: Lupus in Saxonia/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Sind die Merz-Äußerungen nun erste Anzeichen für einen Umschwung in Teilen der Union? Beginnen die Christdemokraten zu zweifeln, ob der bisherige Weg bei Zuwanderung und Asyl der richtige ist? Als Oppositionspartei kann die Union manche Dinge aus anderer Warte betrachten. Auch die im Wesentlichen von den Grünen geprägte Energiepolitik. Sie ist bereits krachend gescheitert. Viele Deutsche fürchten sich vor kalten Wohnungen im Winter. Da liegt es nahe, auch die anderen Betätigungsfelder der Grünen kritischer in Augenschein zu nehmen.

2015: eine einzigartige Zäsur

Die Grünen sind die größten Befürworter der Zuwanderung nach Deutschland. Ihre Positionen konnten sie bis in der Mitte der Gesellschaft verankern. Die verfehlte Zuwanderungspolitik der vergangenen Jahre aber geht auf das Konto der Regierung von Angela Merkel! 16 Jahre regierte die Union das Land. In dieser Zeit hat sich das Asylproblem drastisch verschärft. Das Jahr 2015 stellt eine einzigartige Zäsur dar. Nie zuvor kamen unkontrolliert so viele Menschen in die Bundesrepublik. Dies und der Familiennachzug haben das Land verändert. Die Folgen sind heute in vielen Städten und zunehmend auch im ländlichen Umkreis wahrnehmbar.

CDU-Chef Friedrich Merz beim Kongress der Europäischen Volkspartei in Rotterdam. (Foto: European People’s Party/CC BY 2.0 via Wikimedia Commons)

Auch nach Amtsantritt der Ampelkoalition tat die Merz-Union in Sachen Zuwanderung wenig. Dass jetzt der Chef einer Partei, die zu den Verursachern der Krise zu zählen ist, den über Jahre gutgeheißenen Kurs kritisiert, ist verdächtig. Es liegt der Verdacht nahe, dass dahinter keine Überzeugung steckt, sondern Kalkül. Mit den jüngsten Wahlen in Schweden und Italien sind in zwei westlichen Ländern konservative Kräfte auf dem Vormarsch. Beides Länder übrigens, die sichtliche Probleme mit der Zuwanderung aus Afrika und dem Nahen Osten haben.

Keine Hochburg der AfD

Nun steht am 9. Oktober die Landtagswahl in Niedersachsen an. Die AfD kann Umfragen zufolge mit einem Stimmenzuwachs rechnen. Durchaus bemerkenswert, da Niedersachsen gerade keine Hochburg der Partei darstellt. In diesem Kontext ist Merz’ Pendler-Kritik wohl zu sehen. Man gibt vor, in Sachen Zuwanderung einen harten Kurs zu fahren, damit weniger Wähler ihr Kreuz bei der AfD machen. Beim Wähler verfängt diese Taktik allerdings bislang nicht. Prognosen sehen die Union als größten Verlierer der Wahl. Die Christdemokraten könnten bis zu fünf Prozent verlieren.

Der Niedersächsische Landtag wird am 9. Oktober neu gewählt. Die AfD könnte ihren Stimmenanteil merklich verbessern. Friedrich Merz’ CDU droht ein Debakel. (Foto: Tim Rademacher/CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Vor anstehenden Wahlen hauen CDU und CSU gerne mal auf den Tisch. Man hört dann mitunter Aussagen, die einer regelrechten Kehrtwende gleichkommen. Besonders beliebt: das Thema „Leitkultur“. Nach der Wahl verschwindet es schnell wieder in der Versenkung. Ein Meister hierbei war Horst Seehofer. Als Innenminister unter Angela Merkel profilierte er sich mit der Schaffung des „Heimatministeriums“. Dies bestärkte die Hoffnung, die Union würde sich auf ihre konservativen Wurzeln besinnen. ass dergleichen nicht geschah, dürfte viele traditionelle CDU-Anhänger enttäuscht haben.

Konservative Wähler zurückgewinnen

Dass nun gerade Friedrich Merz den Sozialmissbrauch durch Ukrainer anprangert, passt ins Schema. Merz gilt als Vertreter des konservativen Flügels der CDU. Er stehe für eine andere Politik innerhalb der Union, heißt es. Merz hätte somit das Potenzial, konservative Wähler für die Christdemokraten zurückzugewinnen. Dass seine jüngsten Äußerungen aber mehr sind als Wahlkampf-Getöse, ist unwahrscheinlich. Immerhin hat er sich ja bereits für seine Äußerung entschuldigt.

Hätte Merz das, was er sagte, ernst gemeint – er hätte keinen Grund zurückzurudern. So aber ist davon auszugehen, dass es sich bei der Debatte um das bekannte Täuschungsmanöver der Union handelt. Vor den Wahlen kräftig „rechts zu blinken“, dann aber doch nach „links abzubiegen“. Echte Opposition sieht anders aus.

Lukas Böhme

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Wasser predigen und Wein trinken?

Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann rät den Deutschen, sich mit dem Waschhandschuh zu waschen statt zu duschen. Auch Strom- und Energiespartipps von dem offenbar völlig überforderten Wirtschaftsminister Robert Habeck haben im Internet traurige Berühmtheit erlangt. Von vielen Bundesbürgern werden sie angesichts einer Krise, die zum Gutteil von der Regierung selbstverschuldet ist, zu Recht als Hohn begriffen. Nun ruft auch die Kirche in Gestalt des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz die Deutschen zum Verzicht auf.

Bischof Georg Bätzing (Mitte), der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, bei einem Gottesdienst. (Foto: Christian Pulfrich/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

„Gerade wir hier im reichen Norden und Westen müssen zu einem anderen Lebensstil finden“, sagte der Limburger Bischof Georg Bätzing bei der Eröffnung der Herbstvollversammlung der Bischofskonferenz in Fulda. „Der kommende Herbst und Winter wird da aufgrund der Energiekrise ein realistisches Übungsfeld werden. Werden wir es durch Konsumverzicht und gelebte soziale Verantwortung schaffen, als Gesellschaft zusammenzuhalten, füreinander zu sorgen und nicht denen das Feld zu überlassen, die mutwillig Spaltungen provozieren und es darauf anlegen, unsere Demokratie zu destabilisieren?“

Kein „Weiter so!“

Wer insgeheim denke, man werde schon irgendwie ohne große Einschnitte im eigenen Wohlstand über die Runden kommen, der irre sich. Ein einfaches „Weiter so!“ sei höchst gefährlich. Zu lange schon sei die Begrenztheit der Erde verbissen ignoriert worden. „Wenn wir so weitermachen wie bisher, werden wir keine Zukunft haben“, warnte Bätzing. Das mag im Kern nicht mal falsch sein, klingt aber nicht anders als die Horrorszenarien der „Fridays for Future“ und anderer Weltuntergangs-Propheten. Und angesichts der Energiekrise ist es gleich doppelt problematisch.

Gerade die Kirche sollte vorsichtig sein mit solchen Ratschlägen. Seit Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten werfen ihr Kritiker vor, sie horte Reichtum. Tatsächlich dürfte die Institution Kirche zu den größten Grundbesitzern in Deutschland gehören. Schnell ist da der Vorwurf zur Stelle, die Kirche predige Wasser und trinke selbst Wein. Und das nicht einmal zu Unrecht! Auch wenn die Immobilien der Bistümer natürlich häufig jahrhundertealte Gotteshäuser und soziale Einrichtungen sind.

Den Mantel geteilt

Ermahnungen, die letztlich nur die „Tipps“ der Regierenden nachbeten, sind fehl am Platze. Sie verschärfen die gesellschaftliche Spaltung und liefern keine Lösung für die Krise. Bätzing und seine Amtskollegen sollten sich vielmehr darauf besinnen, was die irdische Kernkompetenz von Kirche ist: tatkräftige Hilfe und Solidarität für Menschen in Not. Durchaus auch unter Einsatz eigener Mittel. Der heilige Martin hat dem Bettler vor den Toren der Stadt im tiefsten Winter schließlich auch nicht gesagt, er müsse halt den Gürtel enger schnallen. Sondern er teilte seinen Mantel mit ihm, sodass er nicht erfrieren musste.

Statt nutzloser Ermahnungen ein Zeichen gelebter Nächstenliebe: Der heilige Martin von Tours teilt den Mantel mit einem Bettler. (Foto: Gebhard Fugel/gemeinfrei)

Die Kirchenführer sollten auch nicht vergessen, wofür jener Mann steht, der die Kirche vor 2000 Jahren begründet hat: Jesus Christus. Der Mann aus Nazareth wuchs in der Familie eines erfolgreichen Zimmermanns auf und gehörte damit bestimmt nicht zu den Ärmsten. Als Prediger war er stets unangepasst, ließ sich nicht den Mund verbieten und ergriff mutig Partei für die Schwachen und Unterdrückten. Damit machte er sich die Mächtigen seiner Zeit zum Feind – statt ihnen nach dem Maul zu reden.

Den Regierenden Paroli bieten

Das sage nicht nur ich – das sagt auch einer, der sich damit auskennt: Benediktinerpater Notker Wolf. Für ihn ist Jesus Christus das beste Beispiel für einen Menschen, der sich gegen die politische Korrektheit auflehnt. Und den Regierenden Paroli bietet. Die Kirche des Jahres 2022 könnte sich mehr als nur ein Scheibchen davon abschneiden.

Thomas Wolf

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Europa vor dem Rechtsruck?

In Italien ist es mit den jüngsten Wahlen zu einer sichtlichen Machtverschiebung hin zum rechten Lager gekommen. Es sieht ganz danach aus, dass es zu einer Koalition zwischen den Fratelli d’Italia, der Lega sowie der Forza Italia kommt. Die 45-jährige Giorgia Meloni dürfte neue Ministerpräsidentin werden. Steht Europa nun vor einem gewaltigen Rechtsruck?

Rückkehr des Faschismus?

Der politisch-mediale Wirbel ist nun groß – erst recht, weil bei der Reichstagswahl in Schweden, einem traditionell sozialdemokratisch geprägten Land, ebenfalls das konservative Lager punkten konnte. Etablierte Medien malen bereits düstere Zeiten für Europa an die Wand. Schon vor der Wahl wurde eine mögliche Koalition unter Führung der Fratelli d’Italia als die rechteste Regierung seit dem „Duce“ Benito Mussolini bezeichnet. Nach der Wahl wird nun gar gemutmaßt, mit Meloni kehre der Faschismus zurück.

Giorgia Meloni dürfte neue Ministerpräsidentin Italiens werden. Ihr Bündnis errang bei den Wahlen die absolute Mehrheit im Parlament. (Foto: Vox España/CC0)

Das sind jedoch sehr populistische Vergleiche. Der Wahlsieg in Italien hat seinen Ursprung darin, dass viele Italiener mit der Entwicklung der Europäischen Union in den vergangenen Jahren unzufrieden sind. Vor allem die anhaltende massive Einwanderung aus Afrika und dem Nahen Osten empfinden viele Italiener als Bedrohung für ihre Lebensart. Gab es doch auch in Italien Fälle aggressiver Migranten wie etwa kürzlich den Vorfall am Gardasee, wo ein größerer Mob junger Afrikaner auftrat und den Ort als ihr Territorium deklarierte.

Ein linker Kampfbegriff

Grundsätzlich sollte man vorsichtig sein, von „Faschismus“ zu sprechen. Der Begriff ist zu einem linken Kampfbegriff verkommen, den man gerne einsetzt, obwohl die damit bezeichneten Personen und Gruppen selten zentrale Merkmale eben dessen erfüllen. So steht im Faschismus grundsätzlich der Staat über allem und Gewalt wird als legitimes politisches Mittel betrachtet. Man denke an all die paramilitärischen Organisationen, die in den 1920er Jahren aufkamen: die Schwarzhemden in Italien, die Sturmabteilung in Deutschland oder die Legion Erzengel Michael in Rumänien. Von solchen Zuständen ist Italien weit entfernt!

Heutigen Parteien, die mehr nationale Selbstbestimmung fordern und der derzeitigen Migrationspolitik einen Riegel vorschieben wollen, eine Nähe zum Faschismus zu unterstellen, ist ein durchschaubares Manöver. Dabei gibt es in Europa tatsächlich Entwicklungen, die man als faschistisch bezeichnen könnte. Oder die dem Faschismus zumindest nahe stehen. So kommt es etwa im EU-Mitgliedsland Kroatien seit den 1990er Jahren zunehmend zur Verherrlichung der Ustascha. Bis in die Mitte der Gesellschaft hinein! Die Ustascha kollaborierte im Zweiten Weltkrieg mit den Nazis. Ihre Anhänger verübten zahlreichen Verbrechen.

Ein Soldat der kroatischen Ustascha im Jahr 1942. (Foto: Landesarchiv Baden-Württemberg/Fotograf: Willy Pragher/CC BY 3.0 DE via Wikimedia Commons)
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Polen wurde bereits entschädigt

Nachdem das Thema bereits länger im Raum schwebte, werden nun in Warschau Nägel mit Köpfen gemacht: Die Republik Polen fordert offiziell von der Bundesrepublik Deutschland 1,3 Billionen Euro Wiedergutmachung für das, was das Deutsche Reich Polen im Zweiten Weltkrieg angetan hat. Berlin lehnt die Reparationen ab – aus gutem Grund.

Einen hohen Blutzoll gefordert

Polen war lange Zeit zwischen seinen Nachbarn aufgeteilt und hatte es erst nach dem Ersten Weltkrieg geschafft, wieder einen eigenen Staat zu erhalten. Dieser währte aber nicht lange. Das polnische Staatsgebiet wurde 1939 als Interessenssphäre zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion aufgeteilt. Teile sollten dem Reich einverleibt, das verbliebene Rest-Polen fortan als Reservoir billiger Arbeitskräfte dienen. Krieg und Besatzung forderten einen hohen Blutzoll. Diese Zeit ist somit zu einem Trauma geworden, das Polen bis heute prägt.

Polens Hauptstadt Warschau wurde im Zweiten Weltkrieg zu großen Teilen zerstört. Die Schäden, die das Land erlitt, beziffert die Regierung auf rund 1,3 Billionen Euro – und fordert diese als Reparationen von Deutschland. (Foto: M.Świerczyński/gemeinfrei)

Sind vor diesem Hintergrund die polnischen Forderungen aber gerechtfertigt? Dass Polen in den 1950er Jahren auf Reparationen verzichtet hatte und dies mehrfach bekräftigte, lässt sich noch damit erklären, dass Polen bis zur Wende 1990 kein gänzlich freier Staat war, sondern ein Satellitenstaat der Sowjetunion. Unlogisch ist aber, dass Polen keine Forderungen an Russland stellt – schließlich hatte die Sowjetunion damals für Polens Verzicht eigene Reparationen versprochen, die aber nie erfolgt sind. Und nicht zu vergessen: Die Sowjetunion war als Bündnispartner des Deutschen Reichs am Angriff auf Polen beteiligt gewesen.

„Ostdeutschland“ von Polen annektiert

Eine wichtige Tatsache wird bei der Diskussion stets ignoriert: Polen wurde bereits entschädigt – nicht mit Geld, aber mit Land. Ein Drittel des deutschen Staatsgebietes, nämlich das Gebiet östlich der Oder und Neiße, lange Zeit noch als „Ostdeutschland“ bezeichnet, ging nach dem Zweiten Weltkrieg an Polen! Dieses verwaltete es de jure zwar nur, de facto wurde das Gebiet aber annektiert und die deutsche Bevölkerung weitgehend vertrieben: aus Hinterpommern, dem Osten Brandenburgs, aus Schlesien und dem südlichen Ostpreußen. Ganz zu schweigen davon, dass zuvor bereits vieles von dort nach Zentralpolen geschafft wurde.

Erst 1990 wurde im Zwei-plus-Vier-Vertrag geregelt, dass die Ostgebiete nicht mehr Teil des deutschen Staatsgebiets sind. Es stellt sich daher die Frage, ob Polen mit deren Inbesitznahme nicht bereits eine ausreichende Reparation erfahren hat. Bedenken sollte man dabei auch, dass Polen seit seinem EU-Beitritt 2004 viel Geld
bekommen hat. 2020 etwa hat es 13,2 Mrd. Euro erhalten und ist damit der mit deutlichem Abstand größte Nettoempfänger in der EU. Deutschland hat hingegen als größter Nettozahler im selben Jahr 15,5 Milliarden gegeben. Somit hat Polen bereits viel Geld aus der Bundesrepublik bekommen und wird es auch weiter erhalten.

Der deutsche Geldbeutel sitzt locker

Wozu also will Polen Reparationen haben, wenn es jedes Jahr schon große Summen aus Deutschland erhält? Grundsätzlich verdenken kann man es Polen freilich verdenken, wenn es versucht, von seinem Nachbarn noch mehr Geld herauszuschlagen. Es dürfte nur allzu bekannt sein, wie locker der Bundesrepublik der Geldbeutel sitzt. So zahlt Deutschland etwa Kindergeld für im Ausland lebende Kinder, von denen man nicht einmal sicher weiß, ob es sie wirklich gibt, und illegal ins Land gekommene Menschen können ohne eine Gegenleistung sogleich eine üppige Sozialhilfe einstreichen.

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. Seine Regierung hält die Hand auf. (Foto: Gov.pl/CC BY 3.0 PL via Wikimedia Commons)

Wenn deutsches Geld für jedermann zu haben ist – weshalb sollte dann Polen nicht auch seine Hand aufhalten? Auffällig ist, dass das Thema gerade jetzt aufkommt. Das dürfte einen Grund haben: Polen wählt im kommenden Jahr sein Parlament neu. Die rechte Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hofft wohl darauf, die nach wie vor starke antideutsche Stimmung im Land für ihren Wahlkampf zu nutzen. Derzeit sieht es nämlich so aus, als ob sie deutliche Verluste erleiden wird und es zum Erstarken der Opposition kommt.

Unter dem Strich zeigen die polnischen Forderungen, dass das deutsch-polnische Verhältnis auch fast 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs angespannt ist. Anders als zu anderen einstigen Kriegsgegnern hat sich kein wirklich freundschaftliches Verhältnis zu Polen entwickelt. Dass sich daran etwas ändert, falls Deutschland die geforderte Summe doch zahlen sollte, ist nicht anzunehmen. Auf eine „Freundschaft“, die sich auf Druck und Geld gründet, sollte man doch lieber ganz verzichten.

Lukas Böhme

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Die Lösung ist einfach: Nord Stream 2

Nord Stream 1 ist dicht. Weil bei einer routinemäßigen Inspektion der letzten verbliebenen Turbine in der Kompressorstation Protowaja ein Ölleck gefunden wurde, halten die russischen Behörden einen sicheren Betrieb der Erdgas-Leitung für unmöglich. Deutsche Politiker sehen in dem Lieferstopp ein politisches Manöver. Sie hatten allerdings bereits für die letzte Pipeline-Wartung im Juli prognostiziert, dass Russland den Hahn nicht wieder aufdrehen würde. Damals lagen sie falsch.

Reparatur liegt wegen der Sanktionen auf Eis

Jetzt also ist der Lieferstopp doch eingetreten. Er werde bis zur Reparatur der Turbine andauern, hat der russische Staatskonzern Gazprom verkündet. Eine Reparatur aber dürfte angesichts der westlichen Sanktionen gegen Russland erst einmal auf Eis liegen. Auch jene Turbine, deren Wartung in Kanada zum Politikum geriet, wartet noch immer in Deutschland auf den Weitertransport gen Russland. Gazprom möchte sie nicht zurücknehmen – man befürchtet, damit gegen die Sanktionen zu verstoßen, sich also letztlich im Westen strafbar zu machen.

Damals herrschte noch Eintracht zwischen Ost und West: Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Russlands Präsident Dmitri Medwedew bei der Eröffnung der Pipeline Nord Stream 1 am 8. November 2011. (Foro: Kremlin.ru/CC BY 3.0 via Wikimedia Commons)

Das kann die Bundesregierung noch so sehr als vorgeschoben bezeichnen – Fakt ist, dass Russland damit die westlichen Sanktionen in Richtung ihrer Urheber umlenkt. Hier aber treffen sie nicht die Regierenden und die Unterstützer ihrer Sanktionspolitik. Hier treffen sie die einfachen Bürger. Von Tag zu Tag sind die potenziellen Folgen der verfehlten Politik besser zu überblicken: Vielen Menschen, auch aus der Mittelschicht, drohen angesichts extrem steigender Energiepreise und der damit einhergehenden massiven Probleme für den Industriestandort Deutschland Arbeitslosigkeit und Armut.

Preis-Explosion bei Erdgas

Die deutschen Gasspeicher sind zwar mittlerweile zu gut 85 Prozent gefüllt – und damit deutlich voller als vor genau einem Jahr. Über einen kalten Winter aber werden sie das Land wohl nicht retten, befürchten Experten. Entsprechend reagieren die Märkte: Seit Freitag stieg der Preis des Terminkontrakts TTF für niederländisches Erdgas um rund 35 Prozent – eine regelrechte Explosion. Tagesschau.de zufolge gilt der TTF-Kontrakt als Richtschnur für das europäische Preisniveau.

Das neuerliche Entlastungspaket, das die Bundesregierung schnürte und gestern der Öffentlichkeit präsentierte, nimmt sich angesichts des Preisschocks wie ein laues Lüftchen aus – bestenfalls. Nun sollen zwar auch Rentner die einmalige Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro erhalten. Davon wird jedoch kaum etwas übrig bleiben angesichts einer Erdgasumlage, die jeden Haushalt mehrere hundert Euro kosten wird. Der reguläre Preisanstieg, der bereits 2021 einsetzte, ist da noch gar nicht berücksichtigt.

Benzin und Diesel auf Rekordhoch

Allein der Wegfall des befristeten Tankrabatts verteuert Benzin- und Diesel-Kraftstoff auf ein Rekordhoch. Für viele Menschen in Deutschland wird Mobilität – einst als Zeichen der Freiheit gefeiert – zunehmend zum Luxusgut. Dass die Bundesregierung nun die Umsatzsteuer auf den gesamten Gasverbrauch auf sieben Prozent reduzieren will, muss für die Bürger der Bundesrepublik wie Hohn klingen angesichts einer Preisspirale, die seit Monaten nur eine Richtung kennt: steil nach oben.

Rund 5000 Reserve-Stahlröhren für die Gas-Pipeline Nord Stream 2 liegen im Hafen von Neu-Mukran auf Rügen. Die Pipeline ist fertiggestellt und könnte jederzeit in Betrieb genommen werden – wenn es politisch gewünscht ist. (Foto: Josef Streichholz/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Dabei ist die Lösung denkbar einfach und naheliegend: Die fertiggestellte, aber aus politischen Gründen – nicht zuletzt auf Druck der USA – nicht in Betrieb genommene Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 könnte ihren fehler- und wartungsanfälligen älteren Bruder Nord Stream 1 komplett ersetzen. Russisches Erdgas könnte wieder ungehindert nach Deutschland gelangen – wenn es denn politisch gewollt ist. Selbst eine Art befristete „Notzulassung“ für die Pipeline wäre denkbar – bei den umstrittenen neuartigen Corona-Impfstoffen hatte man mit einer „bedingten Zulassung“ schließlich auch kein Problem.

Will man dem eigenen Land bewusst schaden?

Sanktionen aber, die das eigene Volk ähnlich stark oder sogar noch stärker treffen als das Zielland, haben keinerlei Berechtigung. Wer sie trotzdem gegen alle Widerstände aufrecht erhält, ist entweder dumm oder kurzsichtig – oder er will dem eigenen Land bewusst schaden.

Thomas Wolf

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Keine Indianer, keine Russen, kein Rosenkranz

Noch nehmen die Menschen die politisch korrekte „Cancel Culture“ nicht widerstandslos hin. Noch wehren sie sich gegen die zunehmende Beschneidung ihres Denkkorridors, gegen die Ausweitung dessen, was vermeintlich „unsagbar“ ist. Selbst aus Leitmedien kommt noch Widerstand. Nur eine Minderheit unterstützt hierzulande jene Ideologen, die unter wohlklingenden, aber letztlich zur reinen Floskel degradierten Schlagworten wie Antirassismus und Gleichberechtigung die Meinungsfreiheit von Andersdenkenden einschränken, etablierte Begriffe mit einem Tabu belegen, Konzerte abbrechen oder Bücher verbieten.

Gebetskette für Rechtsextremisten?

Dennoch greift die „Cancel Culture“ immer weiter um sich. In den USA steht mittlerweile sogar der Rosenkranz, die christliche Gebetskette, zur Debatte: Er werde von stark rechtsgerichteten Katholiken als politisches Symbol verstanden und von militanten Christen im Kampf gegen die Homo- und Transsexuellen-Bewegung verwendet, heißt es. Die politische Korrektheit in den USA, die weit über die Rosenkranz-Diskussion hinausgeht, ist selbst Spiegel-Autor René Pfister zu viel. Der Büroleiter des Nachrichtenmagazins in Washington warnt in seinem neuen Buch „Ein falsches Wort“ vor einer linken Verbots-Ideologie, die in Amerika offenbar immer weiter um sich greift.

Eine blonde junge Frau mit indianischem Kopfschmuck: Nach Ansicht von Anhängern der „Cancel Culture“ ist das „kulturelle Aneignung“ und abzulehnen. (Foto: Pixabay)

In Deutschland war es zuletzt vor allem Apachen-Häuptling Winnetou, Karl Mays bekannteste literarische Schöpfung, der an den Marterpfahl der politischen Korrektheit gefesselt wurde. Kritiker möchten ihn am liebsten in die ewigen Jagdgründe verbannen. Von der ARD hieß es, im Fernsehen würden künftig keine Winnetou-Filme mehr gezeigt. Und beim ZDF sähe man es gerne, wenn die Zuschauer das „I-Wort“ (also Indianer) nicht mehr verwenden würden. Man möchte fragen: Wie viel Feuerwasser wird in den Senderzentralen eigentlich getrunken?

Das Kriegsbeil hat offenbar auch Lars Distelhorst ausgegraben, Sozialwissenschaftler an der Fachhochschule Clara Hoffbauer in Potsdam. In einem Interview, das die Portale GMX und Web.de verbreiten, erinnert er sich, als Kind auf dem Schulhof Cowboy und Indianer gespielt zu haben. Aus seiner heutigen Sicht ist das „kulturelle Aneignung“ – und damit komplett abzulehnen. „Im Prinzip haben wir Genozid gespielt“, legt Distelhorst noch einen drauf.

Unpopuläre Entscheidung des Ravensburger-Verlags

Die Friedenspfeife schlägt der Potsdamer Wissenschaftler aus. Karl Mays Winnetou-Geschichten seien „eine ideologische Folie, um die Kolonisierung des amerikanischen Kontinents nett und kuschelig darzustellen“, meint Distelhorst. Daher begrüße er, dass der Ravensburger-Verlag seine Bücher zum aktuellen Kinofilm „Der junge Häuptling Winnetou“ aus dem Sortiment genommen hat. „Der Verlag macht sich die Mühe, noch einmal nachzudenken und zu sortieren. Er trifft eine unpopuläre Entscheidung, bei der er auch bleibt, mit dem Argument, dass die Bücher ein Zerrbild von indigenem Leben in den USA darbieten. Das sollte man Kindern in der Art und Weise nicht mehr unterjubeln.“

Russischer Zupfkuchen hat zwar sehr wahrscheinlich nichts mit Russland zu tun. Umbenennen wollte ihn eine Bäckerei im deutschen Südwesten dennoch. (Foto: AlexBackt/www.alex-backt.de/CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

So sehr unter Beschuss der „Cancel Culture“ wie Amerikas Ureinwohner steht derzeit wohl nur Russland. Seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine steht alles Russische zur Disposition. Im badischen Ortenaukreis benannte eine Bäckerei ihren Russischen Zupfkuchen um – obwohl der mit Russland wohl überhaupt nichts zu tun hat. Die Süßspeise sollte einfach nur Zupfkuchen heißen – die Umbenennung war als Zeichen der Solidarität mit der Ukraine gedacht. Nach heftigen Protesten ruderte die Bäckerei-Kette zwar zurück – da hatte der Zupfkuchen seine politische Unschuld aber bereits verloren.

Wie lange ist Russisch Brot noch sicher?

Ebenfalls aus Solidarität mit der Ukraine benannte die Einzelhandelskette Edeka ihr „Ice Snack Sandwich Moskauer Art“ in „Ice Snack Sandwich Kiewer Art“ um – zumindest vorläufig. Der Softdrink-Produzent Schweppes änderte den Namen seiner Limonade „Russian Wild Berry“. Russische Wildbeeren – das klang womöglich zu sehr nach russischem Bären. Jetzt heißt das süße Getränk „Original Wild Berry“. Wie lange das Russisch Brot wohl noch sicher ist? Auch der Moscow Mule steht derzeit noch in vielen Cocktail-Karten.

Russisch Brot darf noch so heißen. Andere „russische“ Produkte wurden dagegen bereits umbenannt. (Foto: Rainer Zenz/CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Komiker Dieter Hallervorden, im Kampf gegen Gender-Unsinn und Sprachverhunzung stets an vorderster Front der Kritiker zu finden, hat auch zur „Cancel Culture“ und ihrer Agitation gegen „kulturelle Aneignung“ eine klare Meinung. „Ich glaube, wir leben in einer Art von Empfindsamkeitskult, bei dem uns andere Leute vorschreiben wollen, mit welchem Slalom wir angebliche Fettnäpfchen in Zukunft zu umrunden haben“, sagt der 86-Jährige – und nennt das schlicht „Bevormundung“.

Didi: Über „Cancel Culture“ köstlich amüsieren

Würde man der Argumentation der „Cancel Culture“ folgen, müsse eigentlich auch Goethes „Faust“ verboten werden, meint der Berliner Komiker, der in der Vergangenheit als „Didi“ bekannt wurde. „Die Art, wie Faust sich an das Gretchen ranmacht, ist ja nicht nur nicht zeitgemäß, sondern geradezu frauenfeindlich.“ Oder Walt Disney: Donald Duck und andere sprechende Enten – „tut man da einer bestimmten Tiergattung nicht bitter unrecht?“. Er könne nur jedem empfehlen, das Thema nicht ernst zu nehmen und sich „köstlich darüber zu amüsieren“.

„Didi“ hat Recht: Die „Cancel Culture“ ist lachhaft, geradezu lächerlich. Ernst nehmen sollte man sie dennoch – und keinesfalls unterschätzen. Sie ist eine höchst gefährliche Ideologie, erst recht, weil sie im Mantel von Antirassismus und Gleichberechtigung daherkommt. Trotz all der schönen Worte und hehren Ziele, die sie vorgibt zu vertreten, ist die „Cancel Culture“ im Kern einfach nur eines: antidemokratisch, freiheitsfeindlich und totalitär.

Thomas Wolf

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Baerbocks Rücktritt ist längst überfällig

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat deutlich gemacht: Deutschland wird die Ukraine weiter unterstützen und die Sanktionen gegen Russland aufrecht erhalten – auch gegen alle Widerstände hierzulande. „Wenn ich den Menschen in der Ukraine das Versprechen gegeben habe, ‚Wir stehen an eurer Seite – so lange, wie ihr uns braucht‘, dann will ich das auch einhalten – egal, was meine deutschen Wähler denken“, sagte Baerbock bei der Konferenz „Forum 2000“ in Prag.

„Egal, was meine deutschen Wähler denken“ – der Nebensatz hat Sprengkraft, denn er offenbart Baerbocks völlig verqueres Politikverständnis. Die meisten deutschen Medien ignorierten den Satz zunächst oder versuchten, ihn zu relativieren. Aus der Welt schaffen ließ er sich nicht mehr – und mit ihm der Skandal um eine deutsche Außenministerin, die ihren Amtseid offenbar nicht verstanden hat. Bei Twitter trendet nun #BaerbockRuecktritt.

Transatlantische Pflichterfüllung

Tatsächlich ist der Amtsverzicht der Grünen-Politikerin längst überfällig. Die offensichtliche Missachtung und damit Herabwürdigung des Wählerwillens ist nur eine von mehreren Entgleisungen der 41-Jährigen, deren politische Agenda ganz offensichtlich deutlich mehr von transatlantischer Pflichterfüllung geprägt ist statt davon, die Interessen des deutschen Volkes zu vertreten.

Schon die Berufung der US-Amerikanerin und langjährigen Greenpeace-Funktionärin Jennifer Morgan zur Staatssekretärin im Außenministerium hätte Warnung genug sein müssen, welches Amtsverständnis Baerbock mitbringt. Mit Morgan ist eine Klimaaktivistin und Lobbyistin ersten Ranges in leitender Position ins Auswärtige Amt eingezogen – noch dazu eine, deren US-Staatsangehörigkeit dies eigentlich ausgeschlossen hätte. Nicht aber für Annalena Baerbock. Morgans Einbürgerung im Rekordtempo spricht Bände.

Greenpeace-Funktionärin Jennifer Morgan wurde im Eiltempo deutsche Staatsbürgerin. (Foto: Kuhlmann/MSC/CC BY 3.0 DE via Wikimedia Commons)

Auch die Zugangsvoraussetzungen zum diplomatischen Dienst sollen aufgeweicht werden. Die Befürchtung, dass für Baerbock Ideologie und politische Angepasstheit vor Befähigung kommen, ist naheliegend. Naheliegend ist auch, dass die grüne Hausherrin im Außenministerium damit zwar bestimmte Partikularinteressen vertritt – aber nicht die Interessen Deutschlands, denen sie als Ministerin verpflichtet ist.

Baerbock beschädigt ihr Amt

Dass Kritiker nun mahnen, Baerbock möge sich an ihren Amtseid erinnern, in welchem sie sich verpflichtet hat, dem Wohle des deutschen Volkes zu dienen und Schaden von ihm zu abzuwenden, ist nachvollziehbar. Es genügt aber nicht. Annalena Baerbock beschädigt ihr Amt und sie beschädigt Deutschland. Hätte sie ihren politischen Anstand nicht verloren, würde sie zurücktreten. Nötig wäre es.

Thomas Wolf

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Sowjetische Ehrenmäler entfernen?

Im lettischen Riga ist ein sowjetisches Ehrenmal abgerissen worden. 80 Meter hoch ragte der Beton-Obelisk in den Himmel, der an die Befreiung Lettlands von deutscher Besatzung im Zweiten Weltkrieg erinnerte. Es war nicht das erste Mal, dass das Baltikum Hand an eine sowjetische Erinnerungsstätte legte: Auch in Estland wurde jüngst ein Sowjet-Denkmal demontiert. Damit soll auch die sichtbare Erinnerung daran beseitigt werden, dass die baltischen Länder jahrzehntelang gegen ihren Willen Teil der kommunistischen Sowjetunion waren.

Das ist durchaus verständlich – man muss immer bedenken, dass diese Denkmäler vor allem als Zeichen der Erniedrigung gedacht waren: Sie wurden errichtet, um der Bevölkerung deutlich zu sagen, wer der Herr im Haus ist. Dass die kleinen baltischen Staaten seit ihrer Unabhängigkeit lieber das neugewonnenes Selbstbewusstsein statt früherer Schmach betonen möchten, ist nachvollziehbar. Dass sie damit auch ein womöglich verheerendes Signal an die russische Minderheit im eigenen Land senden, steht auf einem anderen Blatt.

Mit Propaganda-Parolen beschmiert

Nun gibt es sowjetische Ehrenmäler auch in Deutschland, und auch hier hat mancher seit der russischen Invasion in der Ukraine die Frage gestellt, ob es nicht sinnvoll wäre, auch diese zu entfernen. Das gigantische, vor Pathos strotzende Ehrenmal im Berliner Stadtteil Treptow wurde gar bereits mit Farbe und Propaganda-Parolen beschmiert. Auch das Ehrenmal in Berlin wurde letztlich in dieser Form gebaut, um die Deutschen zu demütigen: um sie daran zu erinnern, dass sie den Krieg verloren hatten und ein besetztes Land waren – angewandte Kriegspsychologie.

Der riesige Soldat mit Schwert und Mädchen im Arm, der ein Hakenkreuz zertritt, ist im sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow nicht zu übersehen. (Foto: Toniklemm/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Ist eine solche Erinnerung 30 Jahre nach der Wiedervereinigung noch sinnvoll? Im Fall von Deutschland geht es allerdings nicht rein um eine militärische Niederlage, sondern auch um die damit verbundene Beseitigung der NS-Diktatur. Die Entfernung eines Denkmals zum Sieg über das Dritte Reich würde also gewaltiges Konfliktpotenzial mit sich bringen. Wer sich dafür ausspricht, muss sich letztlich den Vorwurf gefallen lassen, die braune Zeit von 1933 bis 1945 zu verharmlosen.

Allerdings muss man auch bedenken, dass die Sowjetunion kein Unschuldslamm war. Sie war sowohl an Einmarsch in Polen als auch dessen Aufteilung als Kriegsbeute beteiligt – hat sich also auch an Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt. Sowjetische Soldaten haben zudem schwere Kriegsverbrechen begangen, man denke etwa an die große Zahl von vergewaltigten deutschen Frauen und Mädchen. Auch die brutal niedergeschlagenen Aufstände in Osteuropa nach dem Krieg soll man nicht vergessen. Ob man solch ein System durch monumentale Denkmäler verherrlichen muss, ist eine berechtigte Frage.

Schlichte deutsche Soldatenfriedhöfe

Grundsätzlich wäre vielleicht zu überlegen, ob nicht ein schlichteres Mahnmal sinnvoller wäre. Eines, das nicht die Rote Armee verherrlicht, sondern daran erinnert, wie viele sowjetische Soldaten bei der Schlacht um Berlin und allgemein im Krieg gefallen sind. Keine Verherrlichung, keine Anklage – nur die Tatsachen genannt, das Schicksal der Soldaten betont. Die äußerst schlicht gehaltenen deutschen Soldatenfriedhöfe, die – auch und gerade in Russland – an die Gefallenen in deutscher Unif0rm erinnern, könnten hier Vorbild sein.

Aber: Treptow und Co. sind geschichtliche Denkmäler. Sie zu entfernen, würde bedeuten, einen Teil der Geschichte einfach wegzuräumen – und damit vergessen zu machen. Deutschland hat 1945 den Krieg verloren, Niederlage und Besatzung haben alles danach Entstandene in hohem Maße geprägt, sind Teil der deutschen Identität geworden. Gerade in Zeiten, wo bereitwillig überall Denkmäler vom Sockel gestürzt werden, weil sie nicht mehr als „politisch korrekt“ gelten, wo eine regelrechte „damnatio memoriae“ betrieben wird, sollte man sehr vorsichtig sein. Wo ein Denkmal entfernt wird, findet sich rasch ein weiteres, das plötzlich als ebenfalls anstößig gilt – ein wahrer Domino-Effekt.

Lukas Böhme

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Wo Kretschmer Recht hat, hat er Recht

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) stand auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie an vorderster Linie derer, denen Mindestabstand, Maskenpflicht oder Impfkampagne nicht weit genug gehen konnten. Eine allgemeine Impfpflicht hatte er zuvor noch kategorisch ausgeschlossen – dann konnte sie gar nicht schnell genug kommen. Kurz: Kretschmer war fest eingereiht in die mediale und politische Einheitsfront, deren Lösung für die Krise in immer neuen Beschränkungen der persönlichen Freiheit lag.

Unabsehbare Folgen der Sanktionspolitik

Ganz anders im Ukraine-Konflikt. Hier ist der Sachse Kretschmer einer der wenigen hochrangigen Politiker, die aus der Phalanx der nahezu kritiklosen Unterstützung des westlichen Anti-Russland-Kurses ausscheren. Schon mehrfach warnte er vor den unabsehbaren Folgen der aktuellen Sanktions- und Energiepolitik der Bundesregierung. Der Krieg in der Ukraine müsse „eingefroren“ und auf dem Verhandlungsweg beendet werden, fordert der 47-Jährige. Auch gestern wieder im ZDF-Talk mit Markus Lanz.

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer will den Ukraine-Krieg auf dem Verhandlungsweg beenden. Unter den hochrangigen Politikern seiner Partei steht der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende damit ziemlich allein da. (Foto: Sandro Halank/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

„Wir müssen endlich zugeben, dass wir in den nächsten fünf Jahren nicht auf russisches Gas verzichten können“, sagt Kretschmer. „Und wenn das so ist, dann müssen wir endlich die richtigen Konsequenzen ziehen.“ Die politische Debatte über Sinn und Unsinn der Sanktionen müsse breiter geführt werden. „Wenn man jeden Konflikt zum Eigenen macht“, fügt Kretschmer völlig zutreffend hinzu, „dann ist das der Untergang.“ Auch innerhalb der CDU steht der gebürtige Görlitzer damit einigermaßen isoliert da. Umso höher sind ihm seine klaren Worte anzurechnen.

Ob Kretschmer die westlichen Sanktionen nun in Frage stellt, weil er „sein Wahlvolk nicht verlieren möchte“, wie es Nadine Lindner vom Deutschlandradio ausdrückt, weil er im Wettstreit mit der in Sachsen besonders starken AfD punkten will oder einfach, weil ihm als gebürtigem Mitteldeutschen die Menschen in Mittel- und Ostdeutschland am Herzen liegen, die besonders unter den Folgen der verfehlten Energiepolitik leiden werden, sei dahingestellt. Man kann ihm jedenfalls kaum deutlich genug für seine Haltung danken.

Verhandlungen mit Russland sind alternativlos

So kritisch der Ausdruck der Alternativlosigkeit seit seiner gefühlt inflationären Benutzung in der Ära von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu betrachten ist – hier ist er zutreffend. Verhandlungen mit Russland sind alternativlos! So kritisch man die russische Invasion auch sehen kann oder sogar muss (das tut auch Kretschmer!), so solidarisch man mit der angegriffenen Ukraine auch ist, so sehr man Wladimir Putins Politik ablehnt – es gibt keine Alternative zu Verhandlungen mit Russland.

Russische Soldaten im Osten der Ukraine. Ein Ende ihrer „Spezialoperation“ ist derzeit nicht absehbar. (Foto: Mil.ru/CC BY 4.0 via Wikimedia Commons)

Die Ukraine hat zuletzt wieder deutlich gemacht, dass sie keinerlei Kompromisse einzugehen bereit ist. Das mag verständlich sein, wenn man bedenkt, dass aus völkerrechtlicher Sicht die Ukraine das angegriffene Land ist. Eine Lösung der Krise bringt solch eine harte Haltung aber nicht näher. Im Gegenteil: In Osteuropa droht ein jahrelanger, womöglich jahrzehntelanger Waffengang – am Leben erhalten durch westliche Panzer, westliche Gewehre und westliche Munition.

Regierung nutzt Konflikt für ihre Energiewende

Schon jetzt steigen Gas- und Strompreise in Deutschland immer weiter an. Die Bundesregierung, die den neuen Ost-West-Konflikt geschickt zur Beschleunigung ihrer Energiewende nutzt, nimmt in Kauf, dass für große Teile der deutschen Bevölkerung Mobilität, Energie und Elektrizität zu Luxusgütern werden. Alle Maßnahmen, die bislang beschlossen oder diskutiert wurden, um die Bürger zu entlasten, sind meist nicht mehr als wirkungslose Tropfen auf den heißen Stein.

Russland steckt die westlichen Sanktionen derweil zwar nicht einfach weg, kommt aber offenbar doch erstaunlich gut damit klar. Zum militärischen Rückzug aus der Ukraine jedenfalls können sie Russland auch nach sechs Monaten ganz offensichtlich nicht zwingen. Man muss sich daher nicht sonderlich weit aus dem Fenster lehnen, um ein Scheitern der Sanktionen festzustellen. Die Politiker, die dafür verantwortlich sind, sollten die Größe haben, dieses Scheitern einzugestehen und auf den alternativlosen Pfad der Vernunft zurückzukehren. Noch ist es nicht zu spät.

Thomas Wolf

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Winnetou – jetzt erst recht!

Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, bis sich die „Cancel Culture“ auf der Deutschen liebsten Indianer einschießen würde: auf Winnetou. Was lange zu befürchten war, ist jetzt eingetreten: Der renommierte Buch- und Spiele-Verlag Ravensburger nimmt zwei Bücher zum aktuellen Kinofilm „Der junge Häuptling Winnetou“ aus dem Programm.

Vor einer kleinen, lautstarken Minderheit eingeknickt

Auf Instagram heißt es vom Verlag, man habe „die vielen negativen Rückmeldungen“ zu den Büchern verfolgt und entschieden, die Auslieferung der Titel zu stoppen. Auf gut Deutsch: Man ist vor dem Protest einer zwar kleinen, aber lautstarken Minderheit eingeknickt.

„Wir danken Euch für Eure Kritik“, liest man bei Instagram weiter. „Euer Feedback hat uns deutlich gezeigt, dass wir mit den Winnetou-Titeln die Gefühle anderer verletzt haben. Das war nie unsere Absicht und das ist auch nicht mit unseren Ravensburger Werten zu vereinbaren. Wir entschuldigen uns dafür ausdrücklich.“ Tiefer könnte der Kniefall vor dem virtuellen Mob kaum sein.

Ist Winnetou – hier ein Bild von den Karl-May-Festspielen in Bad Segeberg – rassistisch? Der Ravensburger-Verlag jedenfalls hat zwei Winnetou-Bücher zurückgezogen, weil sie angeblich „die Gefühle anderer verletzt“ haben. (Foto: Hinnerk11/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Auf der Verlagsseite sind die Produkte nicht mehr zu finden. Beim Internethändler Amazon sind das Buch zum Film und die Ausgabe für Erstleser zwar noch gelistet – noch dazu als „Bestseller“ gekennzeichnet –, aber nicht mehr erhältlich. Bei buecher.de ist immerhin das Erstlesebuch aktuell noch bestellbar. Welche Veröffentlichungen ein großer Verlag tätigt, entscheiden in Deutschland mittlerweile also nicht mehr Marktanalysen. Es entscheidet der Pöbel. Unfassbar!

Winnetou: Ein gutes Stück deutsches Kulturgut

Wer die Winnetou-Geschichten für rassistisch hält, der hat sie entweder nicht gelesen oder nicht verstanden – oder er will sie bewusst falsch verstehen. Vielleicht geht es dem „politisch korrekten“ Internet-Mob aber auch um etwas ganz anderes: Winnetou ist ein gutes Stück deutsches Kulturgut – soll es womöglich unter dem Vorwand des Kampfes gegen (vermeintlichen!) Rassismus selbst „gecancelt“, also vernichtet werden?

Generationen von deutschsprachigen Lesern haben über Karl Mays Romane vom tapferen Apachen-Häuptling und seinen Freunden die Kultur und Lebensweise der amerikanischen Ureinwohner nicht nur kennen-, sondern auch schätzen gelernt. Erfolgreicher als durch Karl Mays Bücher und die darauf basierenden Bühnenadaptionen, Filme oder Hörspiele lassen sich Vorurteile kaum abbauen.

Winnetou-Erfinder Karl May (links) mit seinem Illustrator Sascha Schneider im Jahr 1904. (Foto: Karl-May-Gesellschaft/gemeinfrei)

Über alle politischen Systeme hinweg diente Winnetou der Vermittlung eines positiven Indianerbildes: Ob im Kaiserreich, der Weimarer Republik oder im Nationalsozialismus – stets standen die Leser auf Seiten der Indianer und verfolgten gebannt ihren Kampf um ihre angestammten Rechte und gegen die Unterdrückung durch die eindringenden „Bleichgesichter“. Auch in der DDR, die ihre eigenen Indianer-Geschichten hofierte und ideologische Vorbehalte gegenüber May hegte, blieb Winnetou letztlich siegreich.

Ausgerechnet in der Bundesrepublik des Jahres 2022 landet der edle Häuptling nun auf dem „Index“ der politischen Korrektheit – allen Normen des Grundgesetzes, die derlei Verbotskultur doch gerade verhindern sollten, zum Trotz. Ich jedenfalls greife nun erst recht wieder zum Winnetou-Buch oder lege eine alte DVD ein und genieße die Abenteuer von Pierre Brice und Lex Barker. Bei mir werden der Apache und sein weißer Blutsbruder Old Shatterhand garantiert nicht „gecancelt“.

Thomas Wolf