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Früherer DDR-Bürger: „Es war nicht alles gut“

Alexander Schlesinger ist Enkel eines Mannes, der im Widerstand gegen das Nazi-Regime stand und in der DDR eine Karriere als Politiker der Liberal-Demokratischen Partei machte. In dem sozialistischen deutschen Staat hatte die Familie deshalb einen guten Stand. Bis heute sieht Schlesinger die DDR weitgehend positiv. Im Interview aus Anlass des 35. Jahrestags des Mauerfalls blickt er nicht nur auf sein Leben im Arbeiter-und-Bauern-Staat zurück. Er zeigt auch auf, welche Gründe für den Mauerbau sprachen und wo er die DDR der heutigen Bundesrepublik überlegen sieht. Ein kritisches Gespräch mit einem kritischen Zeitgenossen.

Der Trabi, der die Mauer durchbricht: Ein bekanntes Symbol für den Mauerfall 1989. Unser Interviewpartner sieht den 9. November 1989 nicht nur positiv. (Foto: Pixabay / gemeinfrei)

Herr Schlesinger, Sie sind Cousin der früheren RBB-Intendantin und ARD-Vorsitzenden Patricia Schlesinger und haben als solcher die aktuellen Leitmedien quasi in der Familie. Sie sprechen von „Lügenmedien der BRD“. Wie kommen Sie zu dieser Bewertung und wo sehen Sie Unterschiede zu den Medien in der damaligen DDR?

Medien sind niemals frei, da die Menschen, die da tätig sind, Klasseninteressen dienen, sei es bewusst oder unbewusst. Das war zu jeder Zeit so. Und es gibt Medien, die sich gegen ein herrschendes System positionieren. Lügenmedien der BRD sind all jene, die unkritisch oder nur im engen Rahmen kritisch das BRD-Regime stützen und die beherrschte Klasse dumm halten. In der DDR war, trotz aller gegenteiliger Behauptungen, die Arbeiterklasse die herrschende Klasse, und die Medien haben dieser gedient. In der BRD ist es eben das Kapital, welches herrscht und dem sich die Medien unterordnen bzw. dessen Interessen sie vertreten.

Die Medien der DDR waren stets bemüht, dem Staatsziel, nämlich dem Aufbau des Sozialismus, mit aller Kraft zur Seite zu stehen. Ich denke, das ist nicht verwerflich, da in der DDR laut Eigendefinition eine „Diktatur des Proletariats“ – ergo: die Herrschaft einer Mehrheit über eine Minderheit – die Staatsform war. Dass die Werktätigen der DDR das nötige Klassenbewusstsein, auch und wegen der Wühlarbeit des westlichen Kapitals, niemals entwickeln konnten, ist eine Tatsache, der sich die SED auch durch ihren Rückzug aus der Regierungsverantwortung Ende 1989 gestellt hat.

Kapital manipuliert Mehrheit

Die Medien der BRD dienen einzig dem Ziel, den Weg zu bereiten, dass das Kapital bessere Verwertungsbedingungen zum Zwecke der Profitmaximierung vorfindet. Es manipuliert die Mehrheit dahingehend, jubelnd und unkritisch den Interessen der herrschenden Minderheit zu folgen und dadurch ihre ureigensten Interessen aus dem Blick zu verlieren oder gar zu leugnen. Über die Verlogenheit der BRD-Medien ein kleines Beispiel: die wahren Gründe für den Mauerbau. Es war nicht die SED, die die Gründe geschaffen hat. Sie war letztendlich als staatstragende Partei damit beauftragt, diesen Wall zu errichten.

Ein Volkspolizist und ein Angehöriger der Kampfgruppen der Arbeiterklasse sichern im August 1961 den Bau der Berliner Mauer. (Foto: Bundesarchiv / Bild 183-85701-0006 / Stöhr / CC-BY-SA 3.0 DE via Wikimedia Commons)

Ich zitiere den Historiker Professor Siegfried Prokop: „Es gab damals das Vorhaben, einen Friedensvertrag mit der DDR abzuschließen, wenn möglich durch alle vier Alliierten. Dafür hatte die Sowjetunion 1958 eine Note überreicht. Sie war auch bereit, einseitig mit der DDR einen Friedensvertrag abzuschließen. Das wäre denkbar gewesen, weil ja Japan und die westlichen Alliierten auch einen separaten Friedensvertrag abgeschlossen hatten, unter Ausklammerung der Sowjetunion.

Das hätte bedeutet, dass die DDR die volle Lufthoheit über ihr Territorium bekommen hätte. Das heißt, alle Flugzeuge, die nach West-Berlin fliegen wollten, hätten die Genehmigung der DDR gebraucht bzw. hätten auf dem Flugplatz der DDR in Berlin-Schönefeld landen müssen und wären der Kontrolle der DDR-Behörden unterworfen worden, so wie das allgemein üblich ist. Das war die Politik, die zwischen Walter Ulbricht und Nikita Chruschtschow abgesprochen war. Das galt von Juni 1961 bis Ende Juli 1961.

Geheim-Ultimatum der USA

Dann gab es da eine einseitige Veränderung. Das ist heute nicht alles vollends schlüssig vom Historiker nachzuvollziehen, weil einige dieser Akten im NATO-Bereich noch immer gesperrt sind. Es gibt genügend belegbare Hinweise, dass John McCloy als Sonderbotschafter von US-Präsident John F. Kennedy Ende Juli 1961 Nikita Chruschtschow im Urlaub am Schwarzen Meer besucht hat und dass dort Entscheidungen in eine andere Richtung fielen. Diese andere Richtung ergab sich daraus, dass offenbar ein Geheim-Ultimatum übermittelt worden ist. Über das berichtet Franz Josef Strauß in seinen Memoiren.

US-Präsident John F. Kennedy (rechts) und der sowjetische Staats- und Parteichef Nikita Chruschtschow treffen sich im Juni 1961 in Wien. Gut zwei Monate später begann der Bau der Mauer. (Foto: U. S. Department of State / John F. Kennedy Presidential Library and Museum Boston / gemeinfrei via Wikimedia Commons)

Danach sollte im Fall eines separaten Friedensvertrages und der Übertragung der Lufthoheit an die DDR eine US-amerikanische Atombombe auf ein sowjetisches Objekt in der DDR abgeworfen werden. Da hat dann Nikita Chruschtschow gesagt, das wäre zu gefährlich, es gebe jetzt nur noch die Land-Lösung. Das hieß zunächst einmal, dass in kürzester Zeit eine Abtrennung von West-Berlin vorbereitet werden musste und mit Stacheldrahtzaun erfolgte. Diese ganze Geschichte wurde Ulbricht bei der Konferenz der kommunistischen und Arbeiterparteien der sozialistischen Länder in Moskau vom 3. bis 5. August 1961 übermittelt.

Die BRD kannte die Wahrheit

Darüber gibt es einen ganz klaren Bericht des Nachrichten-Magazins ‚Der Spiegel‘ vom 29. November 1961. Das kann jeder nachlesen, obwohl es jetzt vom Westen ständig verleugnet wird. Da hat es einen Zusammenstoß zwischen Walter Ulbricht und Nikita Chruschtschow gegeben. Ulbricht war gegen eine solche Land-Lösung.“ Den BRD-Medien war die Wahrheit also von Anbeginn bekannt oder zumindest zugänglich. Trotzdem wird bis heute gejammert, und die böse SED war natürlich an allem schuld, weshalb der Sozialismus ja auch so verabscheuungswürdig ist.

Welche Rolle spielten in Ihrer Familie die Verbindung zum Widerstand gegen die Nazis einerseits und die Tatsache, dass Teile Ihrer Familie im Westen lebten, andererseits?

Mein Großvater war aufgrund seiner Aktivitäten im Widerstand gegen die politische Ordnung des „Dritten Reiches“ in der sowjetischen Besatzungszone und später in der DDR frühzeitig in verantwortungsvolle Positionen gekommen. Dadurch hatte er sicher ein überdurchschnittliches Einkommen und ich als Enkel eine wunderschöne Kindheit, die ich auch heute noch ausschließlich mit der DDR, meinen Eltern und Großeltern in Verbindung bringe. Besser wäre nicht gegangen! Auf jeden Fall waren die Großeltern und vielleicht auch indirekt meine Eltern durchaus als privilegiert anzusehen.

Alexander Schlesinger als kleiner Junge. Mit im Bild: sein Großvater Artur, NS-Gegner und DDR-Politiker, und Cousine Patricia Schlesinger, die 2022 geschasste RBB-Intendantin. (Foto: Wotan1965 / CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Interessanterweise hat die Mitwirkung im antifaschistischen Widerstand nie eine große Rolle in unserer Familie gespielt. Weder meine Eltern noch die ,,Westverwandtschaft“ haben sich jemals dazu geäußert. Auch für die Großeltern waren Erzählungen aus dieser Zeit tabu. Für mich persönlich haben sich aus diesen Dingen keinerlei Vorteile ergeben. Trotz sicher vorhandener Probleme, die sich aus der Ausreise meines Onkels in die BRD ergeben haben mögen, haben die Großeltern dessen Entscheidung mitgetragen. Gegenseitige Besuche waren jederzeit möglich.

Den Wohlstand vorführen

Die Westverwandtschaft war während der seltenen Treffen eher darauf bedacht, uns „kleinen“ DDR-Bürgern ihren Wohlstand vorzuführen und uns als etwas dümmlich und minderwertig zu behandeln. Das hat sich auch nach der Annexion der DDR nicht geändert. Diese Tatsache hängt mir doch etwas an. Wir hätten uns gegenseitig so viel erzählen können, aber der Wunsch war von der „BRD-Seite“ nicht vorhanden. Das ist im Kleinen wie im Großen so. Wer meint, „gewonnen“ zu haben, blickt auf den Gegenüber herab.

Die Vergangenheit der Großeltern war für die Westverwandtschaft ganz offensichtlich nur von Interesse, als dass man damit Geld verdienen konnte. So hat der Ehemann von Patricia, Herr Gerhard Spörl, ein durchaus lesenswertes Buch über die Großeltern geschrieben, wobei er es fertiggebracht hat, die „Ostverwandtschaft“ nicht einmal zu erwähnen. Das hat mich wirklich sehr getroffen, denn auch und gerade wir, die wir immer dichter dran waren, hätten so einige gute Gedanken einfließen lassen können. Ich bin mal so vermessen zu behaupten, hätte sich Patricia aus erster Hand über die Befindlichkeiten der ,,Ossis“ erzählen lassen, wäre sie vielleicht noch heute Vorsitzende der ARD.

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Im Blickpunkt

Brandmauer gegen Rechts ist gescheitert

Die Alternative für Deutschland ist kein ostdeutsches Phänomen mehr. Die Partei, der Kritiker „Rechtspopulismus“ bis hin zu „Rechtsextremismus“ vorwerfen, hat bei den jüngsten Wahlen in Hessen und Bayern bewiesen: Mit ihr ist auch im Westen zu rechnen. 14,6 Prozent erreichte die AfD am Sonntag bei der Landtagswahl im Freistaat. In Hessen sind es sogar 18,4 Prozent. Und damit merklich mehr als die 15 oder 16 Prozent, bei denen die Partei laut Umfragen kurz vor dem Urnengang lag.

Im Osten stärkste Kraft

Natürlich ist das noch weit entfernt von den Umfragewerten in den ost- und mitteldeutschen Ländern. Dort liegt die AfD teils bei weit über 30 Prozent. In Thüringen und Sachsen ist die Alternative mit Abstand stärkste Kraft in den Umfragen. Bayern und Hessen deuten nun an, dass das Potenzial der AfD auch im Westen längst nicht ausgeschöpft ist. Wenn die politische und die wirtschaftliche Krise, in der die Bundesrepublik steckt, anhält oder sich sogar noch verschärft, könnten immer mehr Menschen ihr Kreuz bei den „Rechtspopulisten“ um Alice Weidel und Tino Chrupalla machen.

Alice Weidel steht gemeinsam mit Tino Chrupalla an der Spitze der Alternative für Deutschland. (Foto: AfD)

Das macht die Partei für die etablierte Politik zu einer gefährlichen Konkurrenz. Zum ersten Mal seit ihrer Gründung vor gut zehn Jahren stellt die einstige „Professoren-Partei“ für viele Bürger eine echte Alternative zu CDU, SPD, Grünen und Co. dar. Wie geht die etablierte Politik mit diesem Erfolg um? Die Ausgrenzung der AfD und ihrer Wähler hat offensichtlich keinen Erfolg mehr. Die Alternative für Deutschland wird mittlerweile selbst von Menschen gewählt, die die Partei für rechtsextrem halten. Zugespitzt gesagt also: Die „Brandmauer“ gegen Rechts ist gescheitert.

Trotzdem fällt der etablierten Politik offenbar nichts wirklich Neues ein. Kanzler Olaf Scholz, dessen SPD in Hessen und Bayern historisch schlechte Ergebnisse eingefahren hat, ruft nach dem Erfolg der AfD dazu auf, die Demokratie zu verteidigen. „Die Stimmen, die auf eine rechtspopulistische Partei in Deutschland entfallen sind, müssen uns besorgen“, sagte Scholz zum Abschluss der deutsch-französischen Kabinettsklausur in Hamburg. Auch die Grünen in Bayern, mit 14,4 Prozent hinter der AfD und damit nur auf dem vierten Platz gelandet, fordern einen „Notfallplan für die Demokratie“.

Erinnerung an die DDR

Die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung soll keine öffentlichen Gelder mehr bekommen, hört man. Und Alt-Bundespräsident Joachim Gauck plädiert für ein breites Bündnis gegen die AfD, das Kritiker an die einstige Nationale Front der DDR erinnert. Man müsse der Alternative für Deutschland das klare Signal aussenden, dass sie niemals an die Macht kommen werde, sagte Gauck dem „Stern“. Sollte die AfD nach den Landtagswahlen im kommenden Jahr im Osten Deutschlands vorne liegen, müssten sich „alle demokratischen Parteien“ zusammentun: „von der CDU bis zur Linken“.

Ex-Bundespräsident Joachim Gauck. Er fordert ein breites Bündnis gegen die AfD: von der CDU bis zur Linkspartei. (Foto: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) hat offensichtlich nichts gelernt. Er nennt die AfD eine „Nazipartei“. Er könne jeden Wähler, der mit der Politik der Ampel-Koalition oder der CDU unzufrieden ist, „nur warnen, diese Menschen zu wählen, diese Partei zu wählen“, sagte Wüst gestern. Björn Höcke, die der als Merkel-nah geltende CDU-Politiker als prägende Figur der Partei begreift, dürfe als „Faschist“ und als „Nazi“ bezeichnet werden. „Wenn die prägende Figur einer Partei ein Nazi ist, ist es eine Nazipartei“, sagte Wüst. „Mit denen geht gar nichts.“

AfD verächtlich machen

In einem Offenen Brief zum Ausgang der Wahlen in Bayern und Hessen, den Karin Zimmermann an die „Damen und Herren Politiker*innen“ der „Altparteien“ geschrieben hat, liest man: Die Wahlergebnisse „und die anschließend durch Ihre Honoratioren erfolgten Äußerungen“ zeigten, „dass Sie noch immer nicht verstanden haben, dass die von Ihnen seit zehn Jahren von Merkel begonnene Politik der Ausgrenzung, Verächtlichmachung, Kriminalisierung der AfD nicht zu dem beabsichtigten Ziel führt, sondern das Gegenteil bewirkt.“ Jenes Ziel sieht die Autorin in der möglichst vollständigen Eliminierung der unliebsamen Partei.

„Nehmen Sie zur Kenntnis, dass es im politischen Spektrum nicht nur linke und mittlere, sondern auch rechtsorientierte Auffassungen geben muss und geben wird“, schreibt Zimmermann. Und weist auf den elementaren Unterschied zwischen rechtsradikal und rechtsextrem hin, der im politisch-medialen Diskurs meist unbeachtet bleibt. „Über den Begriff des Extremismus besteht oft Unklarheit. Zu Unrecht wird er häufig mit Radikalismus gleichgesetzt“, heißt es vom Bundesamt für Verfassungsschutz.

Ein Aufmarsch von Rechtsextremisten in München. Der Unterschied zu Rechten oder Rechtsradikalen ist elementar. (Foto: Rufus46/CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

„Rechtsextremisten lehnen die freiheitliche demokratische Grundordnung ab und wollen – auch unter Anwendung von Gewalt – ein autoritäres oder gar totalitäres staatliches System errichten“, definiert die Bundeszentrale für politische Bildung. Dagegen haben radikale politische Auffassungen „in unserer pluralistischen Gesellschaftsordnung ihren legitimen Platz“. Wer radikale Vorstellungen umsetzen will, „muss nicht befürchten, dass er vom Verfassungsschutz beobachtet wird; jedenfalls nicht, solange er die Grundprinzipien unserer Verfassungsordnung anerkennt“.

Fairness für die AfD

Der Bürger, meint Zimmermann, beginne zu merken, dass Äußerungen gegen die AfD reines Politiker-Geschwätz ohne Inhalt sind. Eine inhaltliche Auseinandersetzung finde nicht statt. Statt immer nur laut dazwischen zu schreien, wenn ein AfD-Vertreter im Bundestag spricht, sollte der politische Gegner besser einmal das Grundsatzprogramm der AfD lesen, fordert Zimmermann. „Jede Wette: Die meisten von Ihnen haben das bisher nicht getan.“ Weiter fordert sie: „Begegnen Sie der AfD mit Fairness. Die AfD ist eine von vielen Bürgern demokratisch gewählte Partei.“ Wahlergebnisse als freie Willensbekundungen des Souveräns, heißt es in dem Offenen Brief weiter, müssten respektiert werden.

„Wenn Sie nicht bemerken, dass ihre bisherige Politik gegenüber der AfD falsch ist und nachhaltig geändert werden muss, wird sich die jetzt sichtbare Entwicklung fortsetzen“, vermutet die Autorin. Dies dauere so lange an, bis die Politiker der etablierten Parteien verstanden haben, dass sie es sind, die sich ändern müssen, „um nicht im Abseits zu landen“.

Thomas Wolf

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Klima-Ideologie vor Glaubwürdigkeit

Erwartungsgemäß hat der Bundestag mit der Mehrheit der Ampel-Koalition das umstrittene Gebäudeenergiegesetz beschlossen. Für das Vorhaben stimmten 399 Abgeordnete. 275 Parlamentarier votierten dagegen, fünf enthielten sich. Das vom Volksmund als Heizungsgesetz bezeichnete Gesetzeswerk zielt darauf ab, die traditionellen Öl- und Gasheizungen, die in Deutschland in mehr als 70 Prozent aller Privathaushalte zum Einsatz kommen, schrittweise durch andere Heizungsarten zu ersetzen. Solche nämlich, die nach Ansicht der Regierung klimafreundlicher sind.

Kältemittel umweltschädlich

Vor allem sind das Wärmepumpen. Ob die aber dem Klima wirklich zuträglicher sind, ist umstritten. Lässt man die grüne Ideologie-Brille einmal beiseite, so bleibt eine Heizungsart, die nicht nur das Vielfache einer klassischen Öl- oder Gasheizung kostet, sondern deren Lebensdauer auch merklich darunter liegt. Für Wohngebäude ohne Fußboden-Heizung ist sie eigentlich nicht das Mittel der Wahl. Manche Kritiker berechnen sogar einen höheren Ausstoß von Klima-Gasen als bei Öl und Gas. Ganz davon abgesehen, dass die in Wärmepumpen verwendeten Kältemittel in vielen Fällen umweltschädlich sind.

Gilt Politik und Medien als klimafreundliche Heizungsform: eine Wärmepumpe. Aber ist das zutreffend? (Foto: gemeinfrei)

Aufzuhalten wird das Gesetz wohl dennoch nicht sein. Wohl noch diesen Monat muss es zwar den Bundesrat passieren. Doch das ist kaum mehr eine Formalie. Selbst wenn die Länderkammer Einspruch einlegen sollte, ist das Gebäudeenergiegesetz damit nicht gescheitert. Vielmehr kann der Bundestag den Einspruch des Bundesrats mit der Mehrheit der Ampel-Koalitionäre zurückweisen. Und genau das wird er im Fall des Falles auch tun. Das Gesetz gilt nämlich als nicht zustimmungspflichtig.

Sozial ausbalanciert?

Das GEG sei sozial ausbalanciert, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) heute im Bundestag noch einmal. Keiner wird zurückgelassen“, hieß es bereits zuvor mantra-artig aus der Ampel-Koalition, seit Befürchtungen laut wurden, die Klimapolitik der Regierung würde die Bürger in den Ruin treiben. „Wir haben uns fest vorgenommen, dass wir sicherstellen, dass alle unterstützt werden, die Unterstützung brauchen“, betonte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) noch Ende August in einem Interview mit dem MDR mit Blick auf das geplante dritte Energie-Entlastungspaket.

„Wir gucken genau auf die Situation von Familien, von Rentnerinnen und Rentnern, von Studierenden“, versicherte der Kanzler in dem Interview. „Wir werden auch dafür sorgen, dass diejenigen, die verdienen, aber trotzdem rechnen müssen, auch steuerlich entlastet werden.“ Die Zweifel der Bürger aber blieben. Und ebenso die Angst um die eigene Existenz im Angesicht der erwartbaren hohen Energiekosten. Wirklich transparent sind die Energie-Gesetze auch nach zahlreichen Nachbesserungen nicht, die die massive Kritik nach sich zog. Und kostengünstiger wird es für die Bürger schon mal gar nicht.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat versprochen, die Bürger finanziell zu entlasten. (Foto: European Parliament / CC BY 2.0 via Wikimedia Commons)

Denn die Umrüstung auf erneuerbare Energien kostet. Das geben die Politiker unumwunden zu. Die Entlastung der Bürger hält sich entgegen aller Beschwichtigungen und Versprechungen aber in Grenzen. Oder wird sogar auf unbestimmte Zeit verschoben. Das Klimageld zum Beispiel, das die Regierung als sozialen Ausgleich für steigende CO2-Preise versprochen hat. Dieser Wortbruch erzürnt nicht nur Sozialorganisationen oder das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Auch die Klimaschützer von den „Fridays for Future“ fordern eine umgehende Einführung des in Aussicht gestellten Klimageldes. Vergeblich! Dabei soll schon 2024 der CO2-Preis um ein Drittel steigen.

Historische Vertrauens-Krise

DIW-Präsident Marcel Fratzscher warnt, die größte Gefahr für den Klimaschutz sei fehlende Akzeptanz. Ganz abgesehen davon droht der Regierung ein weiterer fataler Glaubwürdigkeits-Verlust. Noch dazu in einer Zeit, in der die Koalition ohnehin in einer historischen Vertrauens-Krise steckt. Oder geht es am Ende gar nicht um soziale Ausgewogenheit? Oder um Glaubwürdigkeit? Sondern schlicht darum, die Bürger zu gängeln. Und einer Ideologie zu unterwerfen, die trotz aller Kompromisse im Heizungsgesetz noch immer die Diskussionen um den Klimaschutz prägt.

Anna Steinkamp

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CSD: Kein Beispiel für Offenheit und Toleranz

Sogenannte Christopher Street Days gibt es mittlerweile an vielen Orten und in allen Teilen des Landes. Die bunte Party-Kundgebung von Schwulen, Lesben und Sympathisanten erinnert an den 28. Juni 1969. Der damalige Aufstand in der New Yorker Christopher Street, der sich gegen die Stürmung der Schwulenbar „Stonewall Inn“ durch die Polizei richtete, gilt als Geburtsstunde der modernen Homosexuellen-Bewegung. Sie richtete sich gegen Polizeigewalt und gegen jede Form der Diskriminierung. Seither hat die Bewegung sich weiterentwickelt. Sie wirbt für Offenheit, Toleranz und eine Vielfalt der Meinungen. Keine Ausgrenzung, kein Schubladendenken. Aber wird die Bewegung dem eigenen Anspruch überhaupt gerecht? Der CSD in Rostock lässt Zweifel aufkommen.

Freizügig und politisch

Schwule, Lesben und zunehmend auch Transsexuelle und Transgender feiern beim Christopher Street Day äußerst freizügig. Und zunehmend politisch. Ob Prideweek oder Pridemonth – der CSD ist mittlerweile derart politisch, dass man als Beobachter manchmal nicht mehr so genau weiß, worum es den Veranstaltern wirklich geht. Fast jede größere Partei, Behörden und eine Vielzahl an Bundes-, Landes- und Kommunalpolitikern nehmen das Thema Diversität und bunte Vielfalt für sich ein und nutzen es. Oft medienwirksam für die eigene Selbstdarstellung. Man will schließlich besonders tolerant und demokratisch erscheinen.

Das Logo des Christopher Street Day in Rostock zeigt das Wappentier der Hansestadt, einen Greifen, in den Regenbogen-Farben der „queeren“ Homo- und Transsexuellen-Bewegung. (Foto: CSD Rostock e.V.)

Wie auch an anderen Orten steht der Christopher Street Day in Rostock gleichfalls unter wechselnden Mottos. 2018 etwa war er mit „Akzeptanz beginnt im Kopf. Kein Schritt zurück!“ überschrieben. 2016 mit „Echte Liebe – Echte Vielfalt – Echte Akzeptanz – Echt für Alle“. 2010 hieß es „Kopf frei für Artikel 3“. Gemeint war Artikel 3 des Grundgesetzes. „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“, heißt es darin.

Grundrechte respektieren

Eben dieser Artikel reicht dem Verein CSD Rostock e.V., der den Christopher Street Day in der Hansestadt veranstaltet, als Basis des gesellschaftlichen Zusammenlebens nicht aus. Er soll um eine Kernforderung der Homosexuellen-Bewegung in Deutschland ergänzt werden: um das Merkmal der „sexuellen Orientierung“. Diese Forderung kann man nun unterstützen oder ablehnen. In jedem Fall wirkt sie nur dann ehrlich und aufrichtig, wenn die in Artikel 3 bereits enthaltenen Grundrechte respektiert werden und Anwendung finden. Auch im Rahmen des CSD. Und genau da hapert es gewaltig. Zumindest in Rostock.

Der Christopher Street Day in Rostock wird seit 2002 von einem Trägerverein verantwortet. (Foto: Burghard Mannhöfer/www.queer-kopf.de)

Nimmt man ernst, was der CSD-Verein öffentlich vertritt, ist es jedem erlaubt, den Christopher Street Day zu feiern und daran teilzunehmen. Natürlich vorausgesetzt, die Person ist friedlich und fügt niemandem einen Schaden zu. So wie Ralph Z. (vollständiger Name ist der Redaktion bekannt). Der Rostocker Bürger ist ein friedlicher Zeitgenosse, musikalisch, kulturell interessiert – und selbst schwul. Kein Wunder also, dass er am diesjährigen CSD in der Hansestadt teilnehmen wollte. Mitte Juli fand der statt. Doch Z. sollte nicht teilnehmen dürfen. Weil er sich ehrenamtlich politisch engagiert. Für die „falsche“ Sache.

Demo für den Weltfrieden

Der studierte Musikwissenschaftler und Pianist begleitet und kommentiert jeden Montag die Friedensdemonstration in seiner Heimatstadt. Während der Corona-Pandemie nahm er an Kundgebungen gegen die umstrittenen politischen Maßnahmen teil. In Zeiten des Ukraine-Kriegs demonstriert er nicht für die Lieferung westlicher Waffen für Kiew. Er demonstriert für den Weltfrieden. Dabei äußert er sich kritisch zu politischen Entscheidungen und Entscheidern. Das ist vollkommen legal und vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Auch Grundgesetz-Artikel 3, der dem CSD Rostock ja so wichtig ist, sagt eindeutig: Wegen seiner politischen Anschauungen darf niemand benachteiligt werden.

Die Realität beim Christopher Street Day in Rostock sieht anders aus. Herr Z. wurde der Zugang zum Festgelände verwehrt. Er wurde am Eingang von einem Ordner aufgehalten. Dieser sagte, er müsse erst prüfen, ob Z. auf das Gelände darf. Die Nachfrage bei den Rostocker CSD-Verantwortlichen ergab: kein Zutritt für Z.! „Sie können sich ja denken, wie die Entscheidung ausgefallen ist“, beschied der Ordner. Wie kann das sein? Warum wurde Ralph Z. als schwuler Mann vom CSD ausgeschlossen?

Rostocks Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger (Die Linke) sitzt im Vorstand des Vereins CSD Rostock. Zum Ausschluss des Friedensaktivisten Ralph Z. äußert sie sich nicht. (Foto: Screenshot www.eva-kroeger.de/zur-person)

Das wollte auch Z. selbst wissen. Und stellte per E-Mail eine entsprechende Anfrage an den CSD-Verein Rostock, die Rostocker Bürgerschaft und an die Oberbürgermeisterin der Hansestadt, Eva-Maria Kröger (Die Linke). Kröger ist als Vorstandsmitglied des CSD-Vereins tätig und kann somit als für dessen Entscheidungen mitverantwortlich betrachtet werden. Bis heute hat Z. keine Antwort erhalten. Niemand derjenigen, die öffentlich Demokratie, Meinungsfreiheit und Toleranz propagieren, hat sich zu diesem diskriminierenden Vorfall geäußert. Auch den lokalen Zeitungen ist das skandalöse Verhalten keine Schlagzeile wert. Unter ihnen ist übrigens die Ostsee-Zeitung, die zur Madsack Verlagsgesellschaft gehört. Deren größter Gesellschafter ist – die SPD.

„Das hatten wir schon mal“

Wie ehrlich ist also der CSD? Und wie ernst ist es der Politik in diesem Land mit Toleranz, Meinungsfreiheit und Demokratie? Sie propagieren das eine und leben das andere! Gerade im Osten dieses Landes sagt man sich: „Das hatten wir schon mal.“ Hier reagiert man sensibel auf die Einschränkung demokratischer Rechte. Ein Unterschied zu damals ist bei genauer Betrachtung heute kaum mehr vorhanden. Nur einer vielleicht: In der DDR war bekannt, was man sich erlauben durfte und was nicht. Es wurde nicht versucht, unterdrückte Rechte unter dem Deckmantel des Gutmenschentums als Demokratie zu verkaufen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier – hier auf dem offiziellen Presseporträt – warnt vor Demokratie-Feinden in Deutschland. Kritiker werfen ihm vor, es seien vielmehr er und die Bundesregierung, die die Demokratie einschränken. (Foto: Bundesregierung/Steffen Kugler)

Was in Rostock passiert ist, passt ins Bild, das die deutsche Politik-Elite derzeit abgibt. Der Bundespräsident nutzt den 75. Jahrestag des Beginns der Grundgesetz-Beratungen, um vor angeblichen Feinden der Demokratie in der Gesellschaft zu warnen. Man solle sich gegen sie wehren, fordert er. „Eine Verfassung, gerade unser Grundgesetz, verträgt harte und härteste Auseinandersetzung“, sagte Frank-Walter Steinmeier beim Festakt auf der Chiemsee-Insel Herrenchiemsee. „Verfassungsfeinde jedoch kann die Verfassung nicht integrieren – und wir dürfen die Gefahr, die von ihnen ausgeht, nicht ignorieren.“ Eine Demokratie müsse wehrhaft sein gegenüber ihren Feinden. „Niemals wieder sollen demokratische Freiheitsrechte missbraucht werden, um Freiheit und Demokratie abzuschaffen.“

Verächter der Demokratie

Ja, die Verächter der Demokratie müssen in die Schranken gewiesen werden – begründet, konsequent, nachhaltig. Aber wir alle sollten uns fragen: Wer sind diese Verächter der Demokratie, die in ihrem Handeln das Grundgesetz missachten? Wer unterdrückt Meinungen und diskriminiert Andersdenkende? Wer schränkt Freiheiten willkürlich ein? Wie sang einst Reinhard Mey so trefflich? „Sei wachsam und fall nicht auf sie rein …“

Jens Scheyko

Reinhard Mey warnte in seinem Lied „Sei wachsam“ (1996) vor Politikern, die die Menschen belügen, das Grundgesetz aufweichen und das Land in militärische Auseinandersetzungen ziehen. (Foto: Sven-Sebastian Sajak/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Der Autor ist ist Immobilienfachwirt und hat als Geschäftsführer ein kommunales Wohnungsunternehmen geführt. Weil er sich gegen Fehlentscheidungen des politischen Establishments seiner Region stellte, verlor er seine Position, seine berufliche Erfüllung und am Ende auch seine Gesundheit. Die Information über offensichtliches Unrecht in Politik und Gesellschaft ist ihm ein außerordentliches Bedürfnis.

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Attacken auf Christen auch im Westen

Christen gehören weltweit zu den am häufigsten in ihren Grund- und Menschenrechten eingeschränkten Menschen. Sie werden attackiert, diffamiert und diskriminiert. In zahlreichen Staaten ist die Religionsfreiheit nicht mehr als ein Lippenbekenntnis. Wenn überhaupt. Das geht aus dem Bericht „Religionsfreiheit weltweit“ des katholischen Hilfswerks „Kirche in Not“ hervor. Eine Untersuchung der katholischen Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche bestätigt die Ergebnisse. Selbst in westlichen Ländern, wo die Glaubens- und Gewissensfreiheit Verfassungsrang haben, fällt es Christen zunehmend schwer, ihre religiösen Überzeugungen öffentlich und ungehemmt zu vertreten.

Verachtet und angegriffen

Beispiel: Flüchtlingsheime. Hier zeigte sich insbesondere auf dem Höhepunkt der sogenannten Flüchtlingskrise ab 2015, dass Christen oft Asylsuchende zweiter Klasse waren. Von ihren muslimischen Heim-Genossen wurden sie teils verachtet und ausgegrenzt und mitunter sogar angegriffen. Für die nahöstliche Religions-Gemeinschaft der Jesiden gilt dasselbe. Der Terror, den diese Menschen in ihrer Heimat erlebten – er verfolgte sie bis nach Deutschland. Hinzu kommt, dass deutsche Behörden vor allem bei erst kürzlich zum Christentum konvertierten Flüchtlingen oft pauschal davon ausgehen, dass der Übertritt nur erfolgte, um die Chancen zu verbessern, bleiben zu dürfen.

Felix Nmecha (rechts) im Duell mit Jérôme Onguéné beim Champions-League-Spiel des VfL Wolfsburg gegen den FC Salzburg. (Foto: Werner100359/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Zweites Beispiel: Fußball-Nationalspieler Felix Nmecha. Der Sohn einer deutschen Mutter und eines nigerianischen Vaters kann ohne Übertreibung zu Deutschlands besten Fußballern gezählt werden. Auch wenn das angesichts der anhaltenden Erfolgs-Flaute beim DFB-Team nicht übertrieben viel aussagen mag. Im März spielte der 22-Jährige erstmals im Trikot der A-Nationalmannschaft. Seither berücksichtigte ihn Bundestrainer Hansi Flick nicht mehr. Warum? Offenbar passt er nicht so recht ins bunte Bild der DFB-Auswahl. Nmecha ist überzeugter Christ. Im Internet macht er daraus keinen Hehl. Mitunter teilt er auch Beiträge, die die Gender-Ideologie kritisieren. Damit gilt man heutzutage schnell als trans-feindlich.

Das kostete Nmecha beinahe den Wechsel vom VfL Wolfsburg zu Fast-Meister Borussia Dortmund. Als die ersten Transfer-Gerüchte aufkamen, protestierte eine Fan-Initiative heftig. Nmecha passe nicht zu einem toleranten und offenen Club wie dem BVB, hieß es. Am Ende war den Verantwortlichen im Verein die Spielstärke des Mittelfeld-Mannes offenbar wichtiger als politische Bedenken. Am Montag unterschrieb der Jungstar bei den Dortmundern einen bis 2028 gültigen Vertrag. Nmecha, beeilten sich Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und BVB-Präsident Reinhold Lunow zu versichern, habe sie überzeugt, dass er „kein transphobes oder homophobes Gedankengut“ in sich trage. Er respektiere und liebe alle Menschen „unabhängig von ihrer Hautfarbe, Religion oder sexuellen Orientierung“.

Mit dem Tod bedroht

Wenn nun schon im christlich geprägten Westen Christen nicht sicher sind. Ihre Meinung nicht frei äußern können, ohne sich rechtfertigen oder erklären zu müssen. Wenn sie mitunter sogar um Leib und Leben fürchten müssen – um wie viel schwieriger muss dann erst das Leben als Christ in Ländern sein, für die Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht einmal ein Lippenbekenntnis ist? Totalitäre Staaten wie Nordkorea, das bei der weltweiten Rangfolge fehlender Religionsfreiheit von „Kirche in Not“ stets Spitzenplätze belegt. Oder muslimische Länder wie Pakistan. Dort kommt es immer wieder zu Übergriffen auf Christen. Ein Blasphemiegesetz bedroht Nicht-Muslime, denen vorgeworfen wird, den Islam, seinen Stifter Mohammed oder den Koran herabzuwürdigen, mit Haft und sogar mit Tod.

Bei den Ausschreitungen im indischen Bundesstaat Manipur zerstörte Fahrzeuge einer kirchlichen Einrichtung. (Foto: © Kirche in Not)

Zu den Sorgenkindern in Sachen Religionsfreiheit zählt zunehmend auch Indien. Seit Anfang Mai halten nach Angaben von „Kirche in Not“ im ostindischen Bundesstaat Manipur Ausschreitungen gegen religiöse Minderheiten an. Das Hilfswerk vermutet dahinter einen Plan, den hinduistischen Teil der Bevölkerung im Vorfeld der kommenden Parlamentswahlen auf Kurs der Regierungspartei BJP zu bringen und die Bevölkerung zu spalten. Dies vermutet ein katholischer Bischof, der aus Sicherheitsgründen namentlich nicht genannt werden möchte. „Im April 2024 wird in Indien gewählt, und so wollen die Hindu-Nationalisten die Menschen vorher terrorisieren. Sie werden Christen und Muslime unter Druck setzen und wollen dadurch die Hindus für sich gewinnen“, sagt er.

Weit über 100 Tote

Der Bundesstaat Manipur grenzt an Myanmar. Immer wieder kommt es dort zu Spannungen zwischen der mehrheitlich hinduistischen Volksgruppe der Meitei und den christlichen Kuki und Naga. Letztere werden laut „Kirche in Not“ von der Regierung als „geschützter Stamm“ anerkannt. Das bringe bestimmte Privilegien mit sich. Landbesitz zum Beispiel. Die Meitei fordern diese Privilegien nun ebenfalls für sich ein. Nach Demonstrationen Anfang Mai brachen schwere Unruhen aus. Die Zahl der Toten soll unbestätigten Angaben zufolge mittlerweile bei weit über 100 liegen. Nach Angaben der indischen Erzdiözese Imphal sind bereits mehr als eine halbe Million Menschen geflohen. 

Niedergebrannt und verwüstet wurde dieses katholische Gemeindezentrum im ostindischen Erzbistum Imphal. (Foto: © Kirche in Not)

Behörden und Medien sprechen von einem rein ethnischen Konflikt. Der Gesprächspartner von „Kirche in Not“ betont jedoch, die Ausschreitungen seien mittlerweile zu einem interreligiösen Problem geworden. „Der eigentliche Grund für den Konflikt ist die Größe der christlichen Bevölkerung. Die Hindus sind der Meinung, dass es ihnen erlaubt sein sollte, Land zu besitzen, das den Christen gehört.“ Rund 250 Kirchen wurden nach Angaben des Bistums Imphal zerstört. Auch Gotteshäuser der christlichen Minderheit unter den Meitei. „Das ist ein starkes Indiz dafür, dass es hier nicht nur um Land geht“, sagt der Bischof.

Thomas Wolf

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Im Blickpunkt

Das ungesühnte Massaker von Sivas

Am 2. Juli 1993, vor genau 30 Jahren, starben bei einem mutmaßlich islamistisch motivierten Brandanschlag im türkischen Sivas 37 Menschen. Die weitaus meisten Opfer waren Aleviten. In der Türkei gehören dieser muslimischen Glaubensgemeinschaft Schätzungen zufolge gut 15 Prozent der Bevölkerung an. Bis heute ist das Verbrechen in der zentralanatolischen Stadt ungesühnt. Weder juristisch noch politisch wurde es jemals aufgearbeitet. Das kritisiert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Göttingen scharf. Und mahnt zugleich ein Ende der Unterdrückung der alevitischen Gemeinschaft an. Auch im jüngsten Wahlkampf habe es wieder massive Hetze gegen Aleviten gegeben. 

Täter auf freiem Fuß

Der Brandanschlag von 1993 traf das Hotel Madımak. 35 der Opfer waren nach Angaben der GfbV alevitischer Herkunft, bei zwei weiteren handelte es sich um Angestellte des Hotels. „Viele der Täter sind bis heute auf freiem Fuß“, kritisieren die Göttinger Menschenrechtler. „Neun von ihnen sollen inzwischen in Deutschland leben, einige die deutsche Staatsbürgerschaft haben.“ In der Bundesrepublik leben den Angaben zufolge etwa eine Million Aleviten. In der Türkei seien sie seit Jahrzehnten Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt. „Es gab immer wieder Pogrome“, heißt es von der GfbV. Allein in der Region Dersim starben 1938 etwa 70.000 Aleviten bei Übergriffen. Die Göttinger Gesellschaft rückt diese Taten in die Nähe eines Genozids. Der Grund für den Hass? Viele sunnitische Muslime betrachten ihre alevitischen Glaubensgeschwister als Häretiker.

Bei einer Demonstration in Hannover zeigen Aleviten ein Plakat mit den Porträts von 33 Künstlern, die 1993 bei dem Brandanschlag in Sivas starben. (Foto: Bernd Schwabe in Hannover/CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Dem Anschlag war ein alevitisches Kulturfestival zu Ehren des alevitischen Dichters Pir Sultan Abdal vorausgegangen, der im Jahr 1550 gestorben sein soll. Zuverlässige historische Überlieferungen zu seinem Leben existieren allerdings nicht. Bei dem Festival erklärte dem Internet-Lexikon Wikipedia zufolge der Schriftsteller Aziz Nesin, er halte einen Teil der türkischen Bevölkerung für „feige und dumm“, da sie nicht den Mut hätten, für die Demokratie einzutreten. Dies soll konservative Sunniten derart provoziert haben, dass sich am 2. Juli eine aufgewühlte Menschenmenge vor jenem Hotel Madımak versammelte. Dort wohnten Aziz Nesin und andere Teilnehmer des Festivals. Die nach Schätzungen bis zu 20.000 Sunniten kamen teils direkt von ihrem Freitagsgebet.

Kein Hotel mehr

Aus der Masse der wütend protestierenden Menschen flogen Brandsätze gegen das Hotel. Das Gebäude soll im Wesentlichen aus Holz gebaut gewesen sein. So breitete sich das Feuer rasend schnell aus. Weil die wütende Menschenmenge vor dem Hotel die Fluchtwege blockierte, gelangten die Eingeschlossenen nicht ins Freie. Und verbrannten. Aziz Nesin, dem der Anschlag womöglich in erster Linie galt, überlebte mit nur leichten Verletzungen. Der Tatort ist heute kein Hotel mehr. Das Gebäude wird als Kulturzentrum genutzt. Auch eine Gedenkstätte für die Opfer des Anschlags befindet sich dort. Aleviten fordern immer wieder, aus dem Kulturzentrum ein „Friedens-Museum“ zu machen. Bislang vergebens.

Das wiederhergerichtete Hotel Madımak in Sivas. (Foto: gemeinfrei)

Ebenfalls nicht erfolgreich sind alevitische Verbände mit ihrer Forderung nach einer unabhängigen Aufklärung des Anschlags. „Abgesehen von Schauprozessen gegen Einzelne ist nichts passiert“, sagt GfbV-Nahostexperte Kamal Sido. Die meisten Täter seien auf freiem Fuß. Zu den Hintermänner, „auf deren Hetze die Verbrechen zurückgehen“, zählt Sido auch den heutigen türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Sie hätten sich weder entschuldigt noch daraus gelernt. „Im Gegenteil: Während des letzten Wahlkampfs haben Erdoğan und seine Anhänger in vielfältiger Form massiv gegen die alevitische Minderheit gehetzt.“ Wirklich überraschend ist das nicht: Erdoğans Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu ist selbst Alevit. 

Nicht aufgearbeitet

Wäre das Verbrechen von Sivas politisch aufgearbeitet worden, meint Kamal Sido, hätte es im Wahlkampf weniger Hetze gegen Aleviten gegeben. „Es ist unerträglich, dass Menschen in der Türkei immer noch Angst haben, sich zu ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit zu bekennen und offen darüber zu sprechen“, kritisiet Sido. „Eine alevitische, kurdische, armenische, jesidische, christliche oder jüdische Herkunft ist kein Verbrechen. Ein Verbrechen ist es, jemanden wegen seiner Abstammung, seiner Sprache, seines Glaubens oder seiner politischen Überzeugung zu benachteiligen oder zu verfolgen.“ Diesen Grundsatz müsse auch die Türkei respektieren.

Thomas Wolf

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Ostdeutsche: Diffamiert und missverstanden

Rund die Hälfte der Menschen in Ost- und Mitteldeutschland stimmt rechtsextremen Positionen zu. Gut sieben Prozent haben sogar ein „geschlossen rechtsextremes Weltbild“. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Universität Leipzig. In einzelnen Regionen ist der Wert noch deutlich höher. In Sachsen-Anhalt etwa beträgt er mehr als elf Prozent. Frühere Untersuchungen geben teils weit niedrigere Zahlen an. Die federführend von dem gleichen Forscher-Team durchgeführte Studie „Autoritäre Dynamiken in unsicheren Zeiten“ aus dem vergangenen Jahr 2022 etwa nennt für die neuen Bundesländer gerade einmal 2,1 Prozent Rechtsextreme.

Rechtsextreme im Westen

Laut jener Untersuchung im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung und der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung liegt der Anteil der Menschen mit „geschlossen rechtsextremem Weltbild“ im Westen der Bundesrepublik bei 2,9 Prozent. Also sogar höher als in Ost- und Mitteldeutschland! Zugleich stellt die Studie einen anhaltend abnehmenden Trend fest. Rechtsextremistische Ansichten gehen also seit Jahren zurück. Grundsätzlich gilt das auch für den deutschen Osten. Auch wenn die Wissenschaftler hier über die Jahre teils „deutliche Schwankungen“ feststellten: von 8,0 Prozent 2002 über 15,8 im Jahr 2012 bis hin zu den 2,1 Prozent 2022.

Ein Aufmarsch von echten Rechtsextremisten in München. (Foto: Rufus46/CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Bei Detailfragen unterscheiden sich Ost und West oft nur unwesentlich. Auffällig ist allerdings, dass die Zustimmung zur „Demokratie, wie sie in der Verfassung festgelegt ist“ 2022 in Ost- und Mitteldeutschland mit über 90 Prozent sogar mehr als zehn Prozentpunkte höher lag als in der alten Bundesrepublik. Dort waren nur rund 79 Prozent mit dem demokratischen System zufrieden. Bei der Frage nach der Zustimmung zur „Demokratie, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland funktioniert“ lagen sowohl Ost als auch West zwischen 50 und 60 Prozent.

Sinnloses Engagement

Und nun also die aktuelle Studie des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts der Uni Leipzig. Mehr als sieben Prozent mit „geschlossen rechtsextremem Weltbild“. Dazu bewertet nicht einmal die Hälfte der befragten Ost- und Mitteldeutschen den Zustand der Demokratie hierzulande als positiv. Fast zwei Drittel halten es sogar für sinnlos, sich politisch zu engagieren. Gut drei Viertel gehen davon aus, ohnehin keinen Einfluss darauf zu haben, „was die Regierung tut“. Hinzu kommt die Schlussfolgerung, einzelnen rechtsextremen Positionen hänge rund die Hälfte der Menschen an. Etwa dem Wunsch nach einer „starken Partei“, die die „Volksgemeinschaft“ verkörpere.

Handelt es sich um echte neue Erkenntnisse der Leipziger Wissenschaftler? Hat die rechtsextremistische Einstellung zwischen Rügen und Erzgebirge wirklich so kurzfristig und so deutlich zugenommen? Innerhalb eines Jahres. Oder hat sich lediglich die Methodik der Forscher geändert? Zur Erinnerung: Die Werte für das rechtsextremistische Weltbild schwanken von Untersuchung zu Untersuchung und sind damit nur eingeschränkt deutbar. Allein die Frage, wann eine Aussage rechtsextrem ist, dürfte keineswegs allgemeingültig zu beantworten sein. Erst recht nicht in Zeiten, in denen laut Verfassungsschutz bereits das Bekenntnis zu einem ethno-kulturell verstandenen deutschen Volk als extremistisch gilt.

Mauer in den Köpfen

Und noch eine Möglichkeit besteht. Die Wissenschaftler, die an der aktuellen Studie beteiligt waren, stammen entweder aus den alten Bundesländern oder sind in einem Alter, dass sie mit Sicherheit nicht in der DDR, sondern gesamtdeutsch sozialisiert sind. Und das wiederum heißt im Wesentlichen: westdeutsch. Projizierten sie also lediglich ihre eigenen Vorurteile über ihre ost- und mitteldeutschen Landsleute in die Studie hinein? Böse Vorurteile wie jenes von „Dunkeldeutschland“? Die Mauer in den Köpfen – sie ist zwar kleiner geworden, aber auch mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung noch immer präsent.

Springer-Chef Mathias Döpfner (Zweiter von links) im Juni 2019 neben Verlegerin Friede Springer und dem früheren BILD-Herausgeber Kai Diekmann auf dem Dach der US-Botschaft in Berlin. Rechts im Bild: der später geschasste BILD-Chefredakteur Julian Reichelt. (Foto: United States Department of State/gemeinfrei)

„Die Ossis sind entweder Kommunisten oder Faschisten. Dazwischen tun sie es nicht. Eklig.“ Dieses Pauschal-Urteil stammt von Mathias Döpfner. Es zeigt beispielhaft und anschaulich, welche Vorurteile gegen Ost- und Mitteldeutsche in westdeutschen Köpfen noch vorherrschen. Der milliardenschwere Chef des Springer-Verlags schrieb dergleichen in einer internen Nachricht, aus der die „Zeit“ zitierte. Nach massivem Protest in Politik und Medien musste Döpfner sich entschuldigen. Für die Masse der Medien und Politiker war die Sache damit erledigt. Wohlgemerkt: Medien und Politiker, die in ihrer großen Mehrheit westdeutsch geprägt sind.

Gleiches gilt für nahezu alle Bereiche des öffentlichen Lebens. Nur 1,7 Prozent der Spitzenpositionen in Wissenschaft, Verwaltung, Jurisprudenz und Wirtschaft sind mit Menschen aus den neuen Bundesländern besetzt. Dies rechnet der Leipziger Germanist Dirk Oschmann in seinem Buch „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“ vor. Ost- und Mitteldeutschland sind demnach massiv unterrepräsentiert. Dass dadurch ein Ungleichgewicht in der Darstellung und Wahrnehmung der Menschen im „Osten“ entsteht, dürfte kaum überraschen. Womöglich spricht dergleichen auch aus der jüngsten Leipziger Rechtsextremismus-Studie.

„Natürlich ein Nazi …“

Ein Sturm zieht seit Jahren über Millionen Ost- und Mitteldeutsche. „Fremdenfeindlich, chauvinistisch und natürlich ein Nazi“ sei der „Ossi“, treibt Oschmann die Angriffe auf die Spitze. Er selbst ist Jahrgang 1967 und stammt aus Thüringen. Die DDR hat er als Kind einer Arbeiterfamilie aus dem Bezirk Erfurt miterlebt. Ab 1986 studierte er an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Oschmann ist also selbst „Ossi“ und weiß daher, wovon er spricht und schreibt. Apropos „Ossi“: Er ist dem Buch zufolge nichts als eine Erfindung von Westdeutschen, um sich von ihren ungeliebten Landsleuten aus der früheren DDR abzugrenzen.

Ja, es gibt „Nazis“ in Ost- und Mitteldeutschland. Rechtsextreme, die Demokratie und Menschenrechte ablehnen. Es gibt sie auch in Bayern, Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen. Aber sie sind hier wie da weit davon entfernt, die Gesellschaft zu prägen. Denn nicht alles, was Politik, Medien oder „Antifa“-Aktivisten als rechts oder gar rechtsextrem bezeichnen, ist tatsächlich braun angehaucht. Die Wahl der nationalkonservativen AfD? – Demokratisches Recht. Die Ablehnung von Waffenlieferungen in Kriegsgebiete? – Pazifismus. Kritik an der Energie- und Klimaschutz-Politik der rot-grün-gelben Ampel-Koalition? – Meinungsfreiheit. Und wer Gender-Ideologie und Minderheiten-Politik zurückweist? – Der orientiert sich schlicht an biologischen Fakten.

1989 sind Mauer und Grenzanlagen gefallen, die Ost und West jahrzehntelang teilten. Die Mauer in den Köpfen aber besteht weiter. (Foto: RIA Novosti archive/image #428452/Boris Babanov/CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Wer das Klischee von „Dunkeldeutschland“ dennoch weiterträgt, der tut seinen Landsleuten Unrecht. Der will die Menschen in Mittel- und Ostdeutschland womöglich missverstehen. Oder sogar verletzen. Und er hat offensichtlich kein Interesse, den Bruch zu heilen, der mehr als 30 Jahre nach dem Mauerfall noch immer durch das Land geht. Ein Graben, den die „Doppelmoral und Heuchelei“ des Westens speist, wie Oschmann es ausdrückt. Dabei könnte das wiedervereinigte Deutschland den Graben leicht zuschütten. Wenn West und Ost besser aufeinander hören und voneinander lernen. Und wenn die Diffamierung der „Ossis“ endlich aufhört.

Frank Brettemer

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„Einheitsfront“ ohne Alternative

Der ARD-DeutschlandTrend ist so etwas wie das Flaggschiff der Meinungsumfragen hierzulande. Entsprechend groß ist die Aufmerksamkeit, die die Ergebnisse der repräsentativen Befragung erhalten. „Wäre am kommenden Sonntag Bundestagswahl, würde die Union laut Umfrage-Ergebnissen des aktuellen DeutschlandTrends für das ARD-Morgenmagazin klar stärkste Fraktion“, liest man bei der Tagesschau. „Sie könnte ihr Ergebnis von vor drei Wochen mit 29 Prozent halten.“ Die vielleicht bedeutendste Meldung kommt direkt im Anschluss. Die AfD würde demnach „mit 19 Prozent den höchsten jemals im ARD-DeutschlandTrend ermittelten Wert für diese Partei erreichen“.

SPD auf dem dritten Platz

Die AfD überholt damit auch in der ARD-Umfrage erstmals die Sozialdemokraten. Sie ist damit die aktuell zweitstärkste politische Kraft in Deutschland. „Die SPD würde von der AfD auf den dritten Platz verdrängt werden und bekäme 17 Prozent der Stimmen“, schreibt die Tagesschau. Das ist ein Prozentpunkt weniger als bei der vorigen Umfrage. Die Grünen kämen auf 15 Prozent. Die FDP würde einen Prozentpunkt verlieren und auf sechs Prozent kommen. Für die Linkspartei würden sich unverändert vier Prozent der Wähler entscheiden. Damit bliebe ihr ein Einzug in den Bundestag höchstwahrscheinlich verwehrt.

Der ARD-DeutschlandTrend sieht die AfD erstmals als zweitstärkste politische Kraft in Deutschland. (Foto: DAB)

Ja, die Alternative für Deutschland ist auf einem Höhepunkt ihrer Beliebtheit. Nicht nur bei der ARD-Umfrage. Andere Institute sehen die Partei sogar bereits bei 20 Prozent. Und das bei noch nicht einmal ausgeschöpftem Wähler-Potenzial. Die Zustimmungswerte könnten in den kommenden Wochen und Monaten also noch einmal deutlich ansteigen. Vielleicht auf fast 30 Prozent. Betrachtet man nur die neuen Bundesländer (außer Berlin), liegt die AfD bereits jetzt bei 32 Prozent. Der Grund für den Höhenflug liegt nach nahezu einhelliger Meinung von Beobachtern an der weitverbreiteten deutlichen Ablehnung der rot-grün-gelben Regierungspolitik. An Energiewende und Klimaschutz, am Selbstbestimmungsgesetz und der Gender-Politik, an den Russland-Sanktionen und und den Waffenlieferungen an die Ukraine.

Massive Angriffe

Je weiter die Umfrage-Werte der AfD nach oben klettern, desto massiver werden die Angriffe des politischen Gegners. Rechtsextrem sei die Alternative für Deutschland, heißt es nun fast einhellig von Regierung und Leitmedien. Zuvor hatte man sich oft noch mit der Beschreibung „rechtspopulistisch“ begnügt. Selbst die Union beteiligt sich am parteiübergreifenden Kampf gegen die Alternative. Der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz nennt die AfD sogar „faschistisch“. Dabei hatten CDU und CSU zumindest bis zum Beginn der Ära Angela Merkel noch selbst vielen jener konservativen Strömungen bei sich eine Heimat geboten, die heute die Alternative für Deutschland vertritt.

Auch der Verfassungsschutz zeigt zunehmendes Engagement gegen die AfD. So sehr, dass mancher Beobachter der Behörde bereits Parteilichkeit vorwirft. Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang, selbst CDU-Mitglied, sagte kürzlich in einem ZDF-Interview: „Nicht allein der Verfassungsschutz ist dafür zuständig, die Umfragewerte der AfD zu senken.“ Er habe dazu auch keinerlei Möglichkeit, aber „wir können die Bevölkerung wachrütteln, Politiker wachrütteln“. Haldenwangs Vorgänger Hans-Georg Maaßen hatte ein Vorgehen seiner Behörde gegen die AfD noch abgelehnt. Er sei kein „Konkurrenzschutz“ für die großen Parteien.

Thomas Haldenwang ist CDU-Mitglied und Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Nach Ansicht von Verfassungsrechtlern hat er durch seine jüngsten Aussagen zur AfD seine Kompetenzen überschritten. (Foto: Christliches Medienmagazin pro/CC BY 2.0 via Wikimedia Commons)

Auch Verfassungsrechtler Volker Boehme-Neßler sieht in Haldenwangs Äußerungen eine „eindeutige Grenzüberschreitung“. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz überschreite seine Kompetenzen ganz klar, sagte Boehme-Neßler der BILD-Zeitung. Wenn der Verfassungsschutz aus politischen Gründen agiere, sei das verfassungswidrig. Der Geheimdienst dürfe sich „von der Politik nicht instrumentalisieren lassen“, sei „keiner politischen Richtung verpflichtet“ und müsse „seinen Aufgaben im gesamten politischen Spektrum nachkommen“, machte Boehme-Neßler deutlich.

AfD an der Regierung?

Der Kampf gegen die AfD – er wird offenbar mit Verbissenheit geführt. Und bisweilen auch mit Anzeichen von Verzweiflung. So warf der beim ZDF als „Satiriker“ beschäftigte Jan Böhmermann seiner ARD-Kollegin Sandra Maischberger AfD-Nähe vor. Maischbergers Vergehen? Sie hatte AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla in ihre Sendung eingeladen. „Sandra Maischberger lädt Nazis in ihre Talkshow ein, damit Nazis nach der Machtergreifung Sandra Maischberger auch ihre Talkshow einladen“, echauffierte sich Böhmermann bei Twitter. Beobachter mutmaßten daraufhin, der Moderator des „ZDF Magazin Royale“ gehe ernsthaft von einer baldigen Regierungsübernahme der AfD aus.

ZDF-Satiriker Jan Böhmermann ist umstritten. Eine Twitter-Nachricht, in der er AfD-Sprecher Tino Chrupalla als „Nazi“ bezeichnete, deutet an, dass Böhmermann von einer baldigen Regierungsübernahme der AfD ausgeht. (Foto: Superbass/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Davon ist Deutschland aber weit entfernt. Etwas anders ist die Situation im thüringischen Kreis Sonneberg. Dort könnte am Sonntag der erste Landrat der AfD gewählt werden. Beim ersten Wahlgang erreichte Robert Sesselmann rund 47 Prozent der Stimmen. Erfolgreichster Konkurrent war CDU-Mann Jürgen Köpper mit rund 35 Prozent, gegen den Sesselmann nun in der Stichwahl antritt. Um den bundesweit ersten AfD-Landrat zu verhindern, stellen sich alle wesentlichen politischen Kräfte hinter Köpper.

Parallel dazu sieht sich Sesselmann kurz vor dem Urnengang mit Ermittlungen des politischen Staatsschutzes konfrontiert. Bei einem Wortgefecht soll er einen Wahlhelfer der CDU verbal attackiert und ihn bedroht haben. Der Mann habe sich zuvor an Plakaten der AfD zu schaffen gemacht, heißt es von Sesselmann. Die Polizei sprach von einem „möglicherweise strafrechtlich relevanten Sachverhalt“. Derweil ließ die Staatsanwaltschaft Mühlhausen das Privathaus von Thüringens AfD-Chef Björn Höcke durchsuchen. Die Behörde ermittelt zwar nicht gegen ihn, sondern gegen seinen minderjährigen Sohn. Wegen Waffenbesitzes. Für Anhänger der AfD kommen solche Meldungen nicht zufällig. Sie vermuten dahinter ein System. Ein Kartell der Altparteien wolle damit dem politischen Gegner schaden.

„Alle gegen die AfD“

Dem ARD-DeutschlandTrend zufolge trifft diese Strategie des „Alle gegen die AfD“ auf Zustimmung. „Um AfD-Kandidaten bei Stichwahlen für Bürgermeister- oder Landratsämter zu verhindern, haben sich zuletzt die übrigen Parteien häufiger zusammengetan und eine Wahlempfehlung für Gegenkandidaten ausgesprochen. Dieses Vorgehen hält etwa jeder zweite Bürger (52 Prozent) für richtig“, heißt es bei der Tagesschau. Immerhin 35 Prozent lehnt dieses Vorgehen allerdings ab. Auch in Mittel- und Ostdeutschland, also in den Hochburgen der Nationalkonservativen, sprechen sich 47 Prozent der Befragten für einen gemeinsamen Kampf gegen die AfD aus. Rund 40 Prozent sind allerdings klar gegen ein solches Modell einer Art „Einheitsfront“ wie zu DDR-Zeiten. Und damit deutlich mehr als im Westen.

In der DDR bildeten Block-Parteien und Massenorganisationen die „Nationale Front“. (Foto: Bundesarchiv / Bild 183-S88622 / Igel / CC-BY-SA 3.0 DE via Wikimedia Commons)

Auffällig ist, dass die 35- bis 49-Jährigen ein Zusammenwirken der Parteien gegen die AfD sogar bundesweit mehrheitlich ablehnen. Genau in dieser mittleren Altersgruppe genießt die AfD ihre größten Zustimmungswerte. Ohnehin ist die Frage, ob die Strategie der etablierten Parteien auf Dauer aufgeht. Bei der Wahl des Oberbürgermeisters in Schwerin am vorigen Wochenende gewann SPD-Kandidat Rico Badenschier mit mehr als zwei Dritteln der Stimmen deutlich gegen AfD-Herausforderer Leif-Erik Holm. Am Sonntag in Sonneberg dürfte es für die Etablierten schon bedeutend enger werden.

Thomas Wolf

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Ehrentage der Eltern unter Beschuss

In einer Zeit, in der Kinder als schlimme „Klimasünder“ gelten, haben es Mutter- und Vatertag nicht einfach. Zunehmend geraten die einstigen Ehrentage der Eltern unter Beschuss. Durchaus nicht nur seitens säkularer Kreise, die Familie und Nachwuchs per se kritisch gegenüberstehen. Etwa Klimaschutz-Aktivisten der „Letzten Generation“, die sich sterilisieren lassen, weil sie keine Kinder bekommen möchten. Kinder, lassen sich die Aktivisten in einer umstrittenen Studie vorrechnen, seien schließlich eine schwere Hypothek auf die Zukunft. In ihrem Leben, heißt es, werden sie und ihre eigenen Kinder für den Ausstoß von durchschnittlich fast 60 Tonnen Kohlendioxid-Äquivalent verantwortlich sein. Pro Jahr. Also besser kein Nachwuchs – so die fragwürdige Logik der selbsternannten Weltretter.

Deko mit Blümchen und Herzen ist zum Muttertag recht beliebt. Mit selbstgebastelten Geschenken machen Kinder ihren Mamas eine Freude. (Foto: Pixabay)

Neuerdings steht der Muttertag auch aus Kreisen der Gesellschaft heraus unter Beschuss, in deren Welt- und Familienbild Kinder bislang eine zentrale Rolle gespielt haben. Aus der Kirche. „Seid fruchtbar und mehret euch“, liest man bereits im Buch Genesis, dem ersten Buch des biblischen Alten Testaments. Über die Jahrtausende hinweg war dieser Bibelvers Juden wie Christen gleichermaßen Auftrag und Anliegen. Das ist offenbar für immer mehr Theologen und Mitarbeiter des organisierten Protestantismus und Katholizismus in Deutschland nicht mehr der Fall.

Geschlechterübergreifender „Elterntag“

Maren Bienert etwa, Professorin für evangelische Theologie in Hildesheim, möchte den Muttertag am liebsten durch einen geschlechterübergreifenden „Elterntag“ ersetzen. Dieser solle Männer, Frauen, „queere“ und „nonbinäre“ Menschen, die familiäre Verantwortung übernehmen, gleichermaßen würdigen. „Damit würden gleich mehrere Familienkonstellationen aufgewertet und Menschen sichtbar gemacht, die für Kinder Eltern sind und familiale Verantwortung übernehmen“, sagt die evangelische Theologin, die ein fächerübergreifendes Forschungsprojekt zu Sexual- und familienethischen Fragen plant.

Eine katholische Kita in Hessen will keine Mutter- und Vatertags-Geschenke mehr gemeinsam mit den Kindern basteln. Begründung: Die „Konstellation Mutter Vater Kind/er“ sei nicht mehr die Norm. Es gebe auch Familien ohne Vater. (Foto: Pixabay)

In Hessen ist derweil eine katholische Kindertagesstätte in die Schlagzeilen geraten. Ein Schreiben teilt den Eltern der Kita-Kinder mit, dass man in einer „gemeinsamen Teamsitzung“ beschlossen habe, ab diesem Jahr zum Vater- und zum Muttertag keine Geschenke mehr mit den Kindern gestalten werde. „In der heutigen Zeit“, heißt es zur Begründung, „in der die Diversität einen immer höheren Stellenwert erhält, möchten wir diese vorleben und keinen Menschen ausschließen.“ Auch würden zum Mutter- und Vatertag „stereotypische Geschenke angefertigt, wie z. B. Blumen für die Mutter oder Werkzeug für den Vater“.

Dies sei vielleicht eine tolle Geste, schließe aber „einen Teil der Gesellschaft aus und ist nicht individuell für alle Menschen“. Die ideologische Krönung des Schreibens liest sich so: „Außerdem ist die Konstellation Mutter Vater Kind/er nicht mehr die Norm in heutigen Familien.“ Ein Vatertags-Geschenk „ohne Vater in der Familie“ sei „nicht nur ohne Wert, sondern kann die Identität eines Kindes in Frage stellen. Um allen Menschen gerecht zu werden, müssten wir mit jedem einzelnen Kind ein individuelles Geschenk anfertigen.“

„Danke für ihren Megaeinsatz“

Im Internet löste der Brief massive Proteste aus. Der CDU-Bundestagsabgeordnete und frühere Bundesvorsitzender der Jungen Union, Tilman Kuban, twitterte: „Dem Wahnsinn sind keine Grenzen mehr gesetzt… Irgendwie find ich es ziemlich cool, wenn man Kindern beibringt seiner Mutter einfach mal Danke zu sagen für ihren Megaeinsatz Tag für Tag!“ Weil er das Schreiben der Kita zunächst veröffentlicht hatte, ohne die Adresse zu schwärzen, warf die hessische SPD ihm vor, die Kita „an den Pranger gestellt“ und „zum Shitstorm-Ziel“ gemacht zu haben. Auch Ruprecht Polenz, ehemals Generalsekretär der CDU, kritisierte Kuban und sprach von „kulturkämpferischem Eifer“.

Ein Tweet des CDU-Abgeordneten Tilman Kuban machte das Schreiben der hessischen Kita bekannt. (Foto: Olaf Kosinsky/CC BY-SA 3.0 DE via Wikimedia Commons)

Ob eine Vandalismus-Tat im Zusammenhang mit dem Brief steht, ist unklar. In einer Gartenhütte auf dem Kita-Gelände wurde jedenfalls nach Angaben der Polizei eine Scheibe eingeschlagen. In einer zweiten Hütte wurde die Tür aufgebrochen. Es entstand ein Sachschaden von geschätzt rund 800 Euro. Das katholische Bistum Fulda, in dessen Zuständigkeit die Kita fällt, sprach von „Irritationen und Missverständnissen“, die durch das Schreiben entstanden seien. Die Kita habe weiterhin ein katholisches Profil und werde sich für das christliche Familienbild einsetzen. Andere Lebensmodelle würden jedoch nicht ausgeschlossen.

„Schule queer denken“

Zwar nicht am Muttertag, aber immerhin nur zwei Tage danach (und zwei Tage vor dem Vatertag) veranstaltet Baden-Württemberg einen „LSBTTIQ+-Aktionstag“ in allen Schulen des Landes. Anlass ist der „Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie“. Für die Aktion werden den Schulen nach Informationen des Bündnisses „Demo für alle“ Materialien und Projektideen zur Verfügung gestellt. Hintergrund sei die „Daueraufgabe“ des grün geführten Kultusministeriums, „Schule queer denken“ zu wollen. „Die Schule wird inzwischen schamlos als Ideologen-Schmiede und zur Sexualisierung der zur Anwesenheit verpflichteten Schüler missbraucht“, kommentiert Bündnis-Sprecherin Hedwig vom Beverfoerde. „Mit aller Macht will man offensichtlich Kindern ihr natürliches Verständnis für die Familie austreiben.“

Erfunden hat den Muttertag die US-Amerikanerin Anna Marie Jarvis (1864-1948). Sie wollte damit ihrer eigenen Mutter und ihrem sozialen Engagement ein Denkmal setzen. Am zweiten Mai-Sonntag 1908 ehrte die methodistische Kirche sie erstmals mit einem Gottesdienst. Seit 1914 ist der Muttertag in den USA nationaler Feiertag. In Deutschland wird er seit 100 Jahren begangen. Der zunehmenden Kommerzialisierung des Muttertags durch den Handel stand Jarvis kritisch gegenüber. Kurz vor ihrem Tod 1948 erzählte sie einem Journalisten, sie bedauere, den Tag ins Leben gerufen zu haben.

Kinder in Wladiwostok basteln Dekoration für den Internationalen Frauentag am 8. März. In Russland der er bis heute einen großen Stellenwert. (Foto: RIA Novosti archive/image #591523/Vitaliy Ankov/CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

In der DDR beging man statt des Muttertags den Internationalen Frauentag am 8. März. Ähnlich wie in anderen damals sozialistischen Staaten. Bis heute hat der Tag in Russland einen hohen Stellenwert. Der Muttertag ist in dem Land hingegen erst seit 1998 von Bedeutung, erklärt Nina Popova, die von der südrussischen Region Krasnodar aus die Telegram-Kanäle „Politik für Blondinen“ und „DRN Deutsch-Russische Nachrichten“ betreibt. Anders als in Deutschland oder den USA findet er jedoch am letzten Sonntag im November statt. Ebenfalls anders: Zum Muttertag gratuliere man den Müttern meist nur. „Geschenke“, erläutert Popova, „gibt es eher am 8. März.“ Für alle Frauen. „Am 8. März braucht man nur weiblich zu sein“, sagt die 40-Jährige und schmunzelt. Für Vertreter der politischen Korrektheit im Westen klingt das fast schon reaktionär.

Thomas Wolf

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Wenn der Heilige Geist auf den Zeitgeist trifft

Die Kernkompetenz der christlichen Kirchen liegt in der Glaubenslehre. Seit 2000 Jahren vermitteln Priester, Geistliche und Seelsorger den Glauben an Jesus Christus. In ihm sehen Milliarden Christen auf der ganzen Welt den Sohn Gottes. Und selbst wer ihn nur als außergewöhnlichen Menschen begreift, der erkennt doch in seiner Botschaft mitunter eine heilbringende Lehre zum Wohl der Menschheit. Eine Botschaft des Friedens und der Versöhnung. Seit geraumer Zeit steht diese Lehre nicht mehr allein. Statt sich auf den Glauben zu fokussieren, betätigt sich die Kirche zunehmend tagespolitisch. Kritiker sprechen von einer Anbiederung an den „woken“ Zeitgeist.

Welcher Geist herrscht in den christlichen Kirchen des Jahres 2023? Ist es noch der Heilige Geist der Glaubenslehre – oder doch eher der „woke“ Zeitgeist? (Foto: Pixabay)

Dass Bischöfe und Priester Umwelt- und Naturschutz propagieren, dürfte für die meisten noch nachvollziehbar sein. Der Auftrag zur „Bewahrung der Schöpfung“ geht direkt aus der Bibel hervor. Dazu gehört auch der Appell, schonend mit den natürlichen Ressourcen umzugehen. Wenn der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, die Deutschen angesichts der Energiekrise zum Verzicht aufruft und sich so den Appellen der Mächtigen anschließt, hat dieses Plädoyer für manchen Gläubigen aber einen schalen Beigeschmack. Die Kirche als Lautsprecher der Regierung: Das trifft auf Widerspruch im „Volk Gottes“.

Klima-Aktivismus und Waffen

Erst recht aber, wenn sich evangelische Kirchenführer mit den radikalen Klima-Aktivisten der „Letzten Generation“ gemein machen, ist für viele Christen eine Grenze des Zumutbaren erreicht. Die Aktionen seien „berechtigter gewaltloser ziviler Ungehorsam“, hört man. Doch damit nicht genug. Auch die Unterstützung von Waffen-Lieferungen an die Ukraine trifft unter zahlreichen Gläubigen auf Unverständnis. Der Aufruf zum Frieden, zur Gewaltlosigkeit ist schließlich als eine der Hauptforderungen Jesu überliefert. Und wenn der Synodale Weg, der Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland, nun faktisch Transsexualität als normal akzeptiert, wenn Bistümer eine „queer-sensible“ Seelsorge einführen, verstehen viele die Welt nicht mehr. In ihrer Betonung der Zweigeschlechtlichkeit des Menschen gehen Bibel und Biologie nämlich Hand in Hand.

Politisch korrekt gibt sich auch die Freisinger Bischofskonferenz, das gemeinsame Gremium der katholischen Bischöfe in Bayern. In ihrer jüngsten Vollversammlung betonte sie, „ein klares Zeichen gegen Rechtsextremismus, Populismus und menschenverachtende Einstellungen“ gesetzt zu haben. Durch ein „Kompetenzzentrum für Demokratie und Menschenwürde“ (KDM). „Die radikale und extreme Rechte“, liest man in der Pressemitteilung der Bischöfe, habe sich die Krisen des vergangenen Jahres zunutze gemacht. Vor allem die in Folge des „russischen Angriffskriegs“ auf die Ukraine „stark gestiegenen Energiepreise und Lebenshaltungskosten“.

„Seltsame moderne Strömungen“

Der Kirchenkampf gegen Rechts treibt mitunter merkwürdige Blüten. Dann nämlich, wenn selbst Kernthesen der christlichen Verkündigung der hohen Geistlichkeit als populistisch und extremistisch gelten. Einen Ordenspriester, der in seiner Predigt zum Weihnachtsfest die biblische Botschaft gegen den Zeitgeist verteidigte, stellte seine eigene Abtei an den Pranger. Der Benediktiner-Pater Joachim Wernersbach hatte es gewagt, von „seltsamen modernen Strömungen“ zu sprechen. „Von Gender und Transgender, von Transhumanismus und reproduktiver Gesundheit, von Wokeness und LGBTIQ, von Diversität und Identität, von multiplen Geschlechtern und Geschlechtsumwandlungen.“ Seinen Kritikern gilt der Pater damit als homophob.

Die Regenbogen-Fahne ist eines der Symbole für die Homo- und Transsexuellen-Bewegung. Historisch war der Regenbogen dagegen ein Zeichen des Bundes zwischen Gott und den Menschen. (Foto: Pixabay)

Ganz offensichtlich zieht der Benediktiner den Heiligen Geist dem Zeitgeist vor. „Schon die Begriffe, meine Lieben, sind absolut befremdlich“, predigte Wernersbach im sächsischen Wittichenau. „Sie haben alle eines gemeinsam: Es fehlt ihnen an Schönheit, es fehlt ihnen an Stimmigkeit und es fehlt ihnen an Natürlichkeit! Es fehlt einfach der Wohlklang. Sie sind sperrig und bringen unsere Seele, unser Innerstes einfach nicht zum Schwingen. Sie sind nicht im Einklang, nicht in Harmonie mit der unvorstellbar schönen göttlichen Ordnung.“ Demgegenüber betonte Wernersbach die biblisch begründete „Heiligkeit der Familie“.

Lebensschutz extrem rechts?

Bei der Freisinger Bischofskonferenz fällt dies wohl unter das in de Abschlusserklärung scharf kritisierte „Agieren der radikalen Rechten in kirchlichen Kreisen“. Als extrem rechts gilt Politikern und Medien auch der Schutz des Lebens. Nicht selten ausgerechnet jenen, die in Corona-Zeiten die rigiden Einschränkungen der Grund- und Freiheitsrechte mit dem Schutz des Lebens begründeten. Zunehmend sieht das offenbar auch die kirchliche Obrigkeit so. Der Schutz ungeborener Babys vor Abtreibung ist eine Sache für die AfD. Und die steht für viele Bischöfe zu weit rechts. So schlossen die Verantwortlichen des für Juni geplanten Evangelischen Kirchentags Organisationen wie die „Aktion Lebensrecht für Alle“ (ALfA) von dem Glaubenstreffen aus.

Jedes Leben ist lebenswert – davon sind christliche Abtreibungsgegner überzeugt. Wer sich für ungeborene Babys einsetzt, gilt mittlerweile als extrem rechts. (Foto: Pixabay)

„Der Schutz des menschlichen Lebens in allen Phasen seiner Existenz ist nicht nur Pflicht und Aufgabe aller Christen, sondern auch des Staats“, betont ALfA-Vorsitzende Cornelia Kaminski. „Nicht umsonst hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach erklärt, dass bereits dem ungeborenen Leben Würde und Schutz zukommt. Insofern ist es höchst verwunderlich, dass die Leitung des Evangelischen Kirchentags beschlossen hat, ausgerechnet die ehrenamtlichen Organisationen vom Evangelischen Kirchentag auszuschließen, die sich genau dieser Aufgabe verschrieben haben und ihr unter hohem persönlichem Einsatz nachgehen.“

„Nicht nachvollziehbar“

Der Ausschluss erfolgte ohne Begründung. Und obwohl die ALfA laut Kaminski stets mit einem Stand auf dem Kirchentag präsent war und es nie zu Problemen gekommen war. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum Funktionäre der evangelische Kirche, die ja stets betont, dass Dialogbereitschaft und Toleranz Fundamente ihres öffentlichen Handelns sind, nicht bereit sind, dies auch im Umgang mit ausgerechnet den Gruppen zu zeigen, die sich in besonderer Weise um die Schwächsten in unserer Gesellschaft bemühen.“ Mit Aktivisten der „Letzten Generation“ und der LGBT-Community hätten die Verantwortlichen auf dem Kirchentag vermutlich weniger Probleme.

Thomas Wolf

Die „Aktion Lebensrecht für Alle“ hat auf ihrer Webseite eine Petition gestartet, mit der sie gegen das Vorhaben protestieren will, den Lebensschutz vom Evangelischen Kirchentag zu verbannen. Und gegen einen ähnlichen Versuch, dies auch bei der Messe „didacta“ zu erreichen. Die Unterschriftenliste soll dem Kirchentag in Fulda sowie der Leitung der „didacta“ vorgelegt werden.