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Im Blickpunkt

Die DDR – eine patriotische Alternative?

An diesem Freitag würde die DDR ihren 73. Geburtstag feiern. Wenn sie nicht 1990 kurz vor ihrem wichtigsten Feiertag, dem Tag der Republik, in der Bundesrepublik aufgegangen wäre. In diesen Tagen der Energie- und Wirtschaftskrise, da die Bundesbürger die Deutsche Einheit als Misserfolg ansehen, erscheint die DDR zunehmend als passable Alternative zur kriselnden BRD. Geordnete Verhältnisse und eine vergleichsweise ausgeprägte soziale Sicherheit können punkten, wenn um einen herum alles in Scherben fällt. Ja, der zweite deutsche Staat gilt zunehmend als Alternative zur BRD. Durchaus auch für Patrioten, denen die Bundesrepublik mitunter als antideutsch gilt. Aber ist die DDR wirklich als Alternative geeignet?

Zum letzten Mal Geburtstag feierte die DDR am 7. Oktober 1989. Eine Ehrenparade der Nationalen Volksarmee leitete die Feierlichkeiten ein. Auf der Ehrentribüne: SED-Chef Erich Honecker und Sowjet-Reformer Michail Gorbatschow. Nicht einmal ein Jahr später war der sozialistische deutsche Staat Geschichte. (Foto: Bundesarchiv/Bild 183-1989-1007-402/Klaus Franke/CC BY-SA 3.0 DE via Wikimedia Commons)

Tatsächlich kennzeichnete die DDR ein ausgeprägter Patriotismus, den man als „Wessi“ gemeinhin überhaupt nicht mit dem herrschenden linken System verbindet. In der DDR aber bedeutete links nicht antideutsch, nicht unpatriotisch. Mit Vaterlandsliebe konnte man hier sehr wohl etwas anfangen – anders als ein aus dem Westen stammender grüner Bundesminister der Gegenwart. Bis zuletzt stieß man in dem „sozialistischen Staat deutscher Nation“ aufs Vaterland an. So nannte die DDR sich in ihrer Verfassung von 1968. Und auch die bewaffneten Organe wurden bis zur Wende ganz selbstverständlich aufs Vaterland vereidigt. All dies geschah zu einer Zeit, als im Westen viele schon längst nichts mehr von Patriotismus und Nationalgefühl wissen wollten.

Distanzierung von der Bundesrepublik

Wilhelm Pieck, der erste und einzige Präsident der DDR, sagte bei seinem Amtsantritt am 10. Oktober 1949, er werde sich „stets als Sachverwalter der Interessen des ganzen deutschen Volkes betrachten“. Damals verstand sich die neugegründete Republik als politisches System für ganz Deutschland. „Wir haben bewusst darauf verzichtet, für das Linsengericht knechtender Dollarkredite die nationale Zukunft Deutschlands und die Freiheit des deutschen Volkes zu verkaufen“, distanzierte sich Pieck von der Bundesrepublik, die in jenen Jahren am Tropf der USA hing.

„Unsere Brüder und Schwestern leben dort unter dem entwürdigenden Druck eines der deutschen Bevölkerung von den westlichen Besatzungsmächten aufgezwungenen Besatzungsstatus. Deutschland wurde gespalten und die wertvollsten Industriegebiete einem Sonderregime der Ausbeutung und Ausplünderung unterworfen.“ Mit Hilfe des Besatzungsstatus solle die Besetzung Westdeutschlands verewigt werden. Dies würdige einen „Teil unseres Vaterlandes zu einer Kolonie des amerikanischen Imperialismus“ herab.

DDR will die Wiedervereinigung

Ziel der DDR war damals die Wiedervereinigung. „Niemals wird die Spaltung Deutschlands, die Verewigung der militärischen Besetzung Westdeutschlands durch das Besatzungsstatut, die Losreißung des Ruhrgebietes aus dem deutschen Wirtschaftskörper von der Deutschen Demokratischen Republik anerkannt werden“, betonte Pieck. „Und nicht eher werden wir ruhen, bis die widerrechtlich von Deutschland losgerissenen und dem Besatzungsstatut unterworfenen Teile Deutschlands mit dem deutschen Kerngebiet, mit der Deutschen Demokratischen Republik in einem einheitlichen demokratischen Deutschland vereinigt sind.“

Die Gründungsfeier der DDR am 7. Oktober 1949. Wenige Tage später wählten die Abgeordneten Wilhelm Pieck, den Vorsitzenden der SED, zum ersten Präsidenten der Republik. (Foto: Bundesarchiv/Bild 183-W1126-312/Kolbe/CC BY-SA 3.0 DE via Wikimedia Commons)

Auch BRD-Oppositionsführer Kurt Schumacher (SPD), selbst glühender Antikommunist, sah im ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer einen „Kanzler der Alliierten“. Später stellten auch die Sozialdemokraten die Westbindung der Bundesrepublik nicht mehr in Frage. So konnten sich US-amerikanische Musik, Kultur und Lebensart ungehindert ausbreiten. Anders in der DDR: Der britische Buchautor Gideon Defoe definiert den zweiten deutschen Staat geradezu über seine deutschsprachige Musik. „Der Osten, das war: (…) die gesetzliche Verpflichtung, Popsongs auf Deutsch zu singen“, schreibt er in seinem „Atlas der ausgestorbenen Länder“.

Rock und Pop auf Deutsch

Inhaltlich ist das zwar nicht ganz zutreffend, denn gesungen wurde teils durchaus auf Englisch oder Französisch. Richtig ist aber, dass die weitaus meisten Stücke im Bereich Rock und Pop in deutscher Sprache erklangen. Das hat ganz offensichtlich den unschätzbaren Vorteil, dass die Zuhörer die Botschaft der Musiker gleich verstehen. Im Westen dagegen blieb deutschsprachige Popmusik bis ins 21. Jahrhundert hinein meist eine Randerscheinung. Zumindest, wenn man von einzelnen erfolgreichen Musikern oder der Neuen Deutschen Welle der 1980er Jahre absieht.

Frank Schöbel zählte zu den erfolgreichsten Musikern der DDR. Das Bild zeigt ihn bei einer Autogrammstunde mit Kindern 1980 in Berlin. (Foto: Bundesarchiv/Bild 183-W0115-047/Hartmut Reiche/CC BY-SA 3.0 DE via Wikimedia Commons)
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Kommentar

Europa vor dem Rechtsruck?

In Italien ist es mit den jüngsten Wahlen zu einer sichtlichen Machtverschiebung hin zum rechten Lager gekommen. Es sieht ganz danach aus, dass es zu einer Koalition zwischen den Fratelli d’Italia, der Lega sowie der Forza Italia kommt. Die 45-jährige Giorgia Meloni dürfte neue Ministerpräsidentin werden. Steht Europa nun vor einem gewaltigen Rechtsruck?

Rückkehr des Faschismus?

Der politisch-mediale Wirbel ist nun groß – erst recht, weil bei der Reichstagswahl in Schweden, einem traditionell sozialdemokratisch geprägten Land, ebenfalls das konservative Lager punkten konnte. Etablierte Medien malen bereits düstere Zeiten für Europa an die Wand. Schon vor der Wahl wurde eine mögliche Koalition unter Führung der Fratelli d’Italia als die rechteste Regierung seit dem „Duce“ Benito Mussolini bezeichnet. Nach der Wahl wird nun gar gemutmaßt, mit Meloni kehre der Faschismus zurück.

Giorgia Meloni dürfte neue Ministerpräsidentin Italiens werden. Ihr Bündnis errang bei den Wahlen die absolute Mehrheit im Parlament. (Foto: Vox España/CC0)

Das sind jedoch sehr populistische Vergleiche. Der Wahlsieg in Italien hat seinen Ursprung darin, dass viele Italiener mit der Entwicklung der Europäischen Union in den vergangenen Jahren unzufrieden sind. Vor allem die anhaltende massive Einwanderung aus Afrika und dem Nahen Osten empfinden viele Italiener als Bedrohung für ihre Lebensart. Gab es doch auch in Italien Fälle aggressiver Migranten wie etwa kürzlich den Vorfall am Gardasee, wo ein größerer Mob junger Afrikaner auftrat und den Ort als ihr Territorium deklarierte.

Ein linker Kampfbegriff

Grundsätzlich sollte man vorsichtig sein, von „Faschismus“ zu sprechen. Der Begriff ist zu einem linken Kampfbegriff verkommen, den man gerne einsetzt, obwohl die damit bezeichneten Personen und Gruppen selten zentrale Merkmale eben dessen erfüllen. So steht im Faschismus grundsätzlich der Staat über allem und Gewalt wird als legitimes politisches Mittel betrachtet. Man denke an all die paramilitärischen Organisationen, die in den 1920er Jahren aufkamen: die Schwarzhemden in Italien, die Sturmabteilung in Deutschland oder die Legion Erzengel Michael in Rumänien. Von solchen Zuständen ist Italien weit entfernt!

Heutigen Parteien, die mehr nationale Selbstbestimmung fordern und der derzeitigen Migrationspolitik einen Riegel vorschieben wollen, eine Nähe zum Faschismus zu unterstellen, ist ein durchschaubares Manöver. Dabei gibt es in Europa tatsächlich Entwicklungen, die man als faschistisch bezeichnen könnte. Oder die dem Faschismus zumindest nahe stehen. So kommt es etwa im EU-Mitgliedsland Kroatien seit den 1990er Jahren zunehmend zur Verherrlichung der Ustascha. Bis in die Mitte der Gesellschaft hinein! Die Ustascha kollaborierte im Zweiten Weltkrieg mit den Nazis. Ihre Anhänger verübten zahlreichen Verbrechen.

Ein Soldat der kroatischen Ustascha im Jahr 1942. (Foto: Landesarchiv Baden-Württemberg/Fotograf: Willy Pragher/CC BY 3.0 DE via Wikimedia Commons)
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Medienkritik

Ein Mönch gegen „Cancel Culture“

Notker Wolf ist kein Revolutionär, aber auch keiner, der sich den Mund verbieten lässt. Der ehemalige Erzabt der bayerischen Benediktinerabtei St. Ottilien steht zu dem, was er denkt. Und er denkt nicht selten kritisch: über den Zustand der Kirche, aber auch über Politik und Gesellschaft. Auch zur „Cancel Culture“, die mittlerweile selbst die Kirche erreicht, hat er eine klare Meinung. Und er scheut sich nicht, diese zu äußern. In seinem neuen Buch „Warum lassen wir uns verrückt machen?“ nimmt er Stellung zu Indianer-Verboten, Corona-Ängsten und politisch korrekten Straßenumbenennungen.

Der Benediktiner Notker Wolf wendet sich klar gegen politisch korrekte Verbote und Zensur. (Foto: Simon Pi/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Ein zentraler Begriff seines Buchs ist Angst: Der Kirchenmann warnt davor, sich von Ängsten beherrschen zu lassen. „Wen die Angst befällt, den macht sie schwach, sie selbst aber ist mächtig“, schreibt Wolf. Denn wo die Ängstlichen den Ton angeben, werde Angst zur Tugend. „Dann werden die Furchtsamen zu Helden und die Furchtlosen zu Verrätern.“ Wohin das führen kann, hat die Corona-Pandemie gezeigt: Die Menschen igelten sich auf Anweisung der Regierung ein, kappten ihre sozialen Kontakte und sahen in jedem Gegenüber eine potenziell todbringende Virenschleuder. Manche handeln so bis heute.

Angst vor Berührungen

Insbesondere die Angst vor Berührungen machen dem Benediktiner Wolf Sorgen. Keineswegs nur in Bezug auf Corona, sondern auch hinsichtlich des Umgangs mit anderen Kulturen. „Mehr als jede Berührung stört mich der Verfolgungswahn von Leuten, die hinter jeder Straßenecke einen Ausländerfeind vermuten und in jedem Mitmenschen eine Gefahr für meine Gesundheit erblicken“, schreibt der ehemalige Erzabt, der zu den bekanntesten Vertretern der Kirche in Deutschland zählen dürfte.

Wolf befasst sich mit einer Vielzahl an Schauplätzen, auf denen die politische Korrektheit derzeit ihr Unwesen treibt. Ob es nun Straßen sind, deren Namen (scheinbar) nicht mehr in die Zeit passen, Denkmäler, Formulierungen und Ausdrücke in Kinderbüchern oder der (wie Wolf es nennt) „Tanz um das Goldene Kalb der Minderheiten und Identitäten“ – der Benediktiner steht der wachsenden Zahl an Feldzügen, die eine kleine, aber lautstarke Minderheit gegen Sprache und Kultur führt, äußerst kritisch gegenüber.

Abweichende Meinung bekämpfen

Streitfragen zu lösen, indem man etwas verbietet, verbannt oder anderweitig unsichtbar macht, lehnt Wolf ab. Und macht ein Grundübel der grassierenden „Cancel Culture“ deutlich: Sie will abweichende Meinungen gar nicht hören, sondern bekämpfen. Dahinter stecke, meint der Ordensmann, die Angst vor einem Konflikt mit anderen Menschen, also auch eine Berührungsangst. Letztlich wird hier aus Angst davor, im Umgang mit fremden Kulturen oder Minderheiten Fehler zu machen, die Meinungsfreiheit eingeschränkt.

Jesus treibt die Händler aus dem Tempel – auch ein Zeichen des Kampfes gegen den Zeitgeist vor 2000 Jahren. (Foto: Distant Shores Media/Sweet Publishing/CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Nun ist Notker Wolf kein Politiker, sondern Kirchenmann. Und als solcher darf in seiner Argumentation jener nicht fehlen, auf den die Kirche sich seit 2000 Jahren beruft: Jesus Christus. Ihn führt Wolf als Paradebeispiel eines furchtlosen und politisch unkorrekten Menschen an. Obwohl er sich dadurch mächtige Feinde machte, habe sich Jesus nicht vom „Dämon der Ängstlichkeit“ einschüchtern lassen und dem Zeitgeist stets mutig getrotzt. „Er könnte auch uns Heutigen einiges zu sagen haben“, schreibt der Benediktiner. 

Scheinheiliges Moraldiktat

Notker Wolf hat ein Buch vorgelegt, das für einen auf Ausgleich bedachten Kirchenmann überraschend deutlich ausfällt. Das mutig Stellung bezieht und klar aufzeigt: Probleme bewältigt man nicht mit Panik, Furcht und Berührungsangst – oder gar mit Zensur und Verboten. „Warum lassen wir uns verrückt machen?“ ist unbedingt lesenswert, weil es die politische Korrektheit aus ungewöhnlicher Perspektive attackiert. Und weil es das scheinheilige Moral- und Meinungsdiktat unserer Zeit schonungslos aufdeckt.

Anna Steinkamp

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Im Blickpunkt

Wenn Indoktrination im Kindergarten beginnt

Winnetou ist rassistisch, amerikanische Ureinwohner dürfen nicht mehr Indianer heißen, Rastalocken auf europäischen Köpfen sind „kulturelle Aneignung“ – politische Korrektheit, Diversität und „Cancel Culture“ greifen in Politik und Medien immer weiter um sich. Gerade die Kirche stand bislang nicht im Verdacht, solcherlei Indoktrination Vorschub zu leisten. Ein Beispiel aus einer katholischen Kita in Nordrhein-Westfalen zeigt, wie die „Cancel Culture“ auch im kirchlichen Bereich einzieht.

Rassistische Inhalte

„Demokratie wächst zwischen den Zeilen“ ist die Pressemitteilung überschrieben, mit der die Caritas im katholischen Bistum Münster von der Kindertagesstätte St. Martin in Marienfeld bei Gütersloh berichtet. Die kirchliche Einrichtung prüfe, heißt es, Kinderbücher kritisch auf rassistische Inhalte und fördere Diversität. Kita-Leiterin Susanne Richter Gomes möchte die Kindergeschichten in ihrer Kita vielfältiger machen. Diskriminierung solle keinen Raum haben. Manche Bücher hat sie deshalb bereits aussortiert. In anderen Fällen ändert sie Märchen spontan ab: „Heute liebt der Prinz einen Prinzen“, wird Richter Gomes zitiert.

Susanne Richter Gomes (links) und Freddy Jäschke (rechts) sortierten rund 40 Kinderbücher aus, die sie als diskriminierend empfinden. (Foto: Juliane Büker/Caritas Bistum Münster)

„Astrid Lindgren hätte das Buch heute bestimmt anders geschrieben“, sagt die Kita-Leiterin über die „Erzählungen“ der schwedischen Erfolgsautorin. Dazu verbreitet die Caritas Münster ein Foto, das Richter Gomes mit Lindgrens „Erzählungen“ zeigt. Auf dem Buchdeckel prangt ein Klebezettel in Grellrosa mit traurigem Smiley darauf. Auch „Als die Raben noch bunt waren“ von Edith Schreiber-Wicke und Carola Holland, das kleinen Kindern Toleranz vermitteln soll, fiel der Zensur der Kita-Leitung zum Opfer. Auf dem Foto hält es Richter Gomes’ Kollegin Freddy Jäschke in die Kamera.

40 Bücher aussortiert

Rund 40 Bücher hat das Team von St. Martin aussortiert, die nun nicht mehr im Bücherregal der Kita stehen. „Diskriminierende Bezeichnungen“ würden darin verwendet, glaubt die Leiterin der katholischen Einrichtung. Die vermeintliche Notwendigkeit, kritisch über die Inhalte von Kinderbüchern nachzudenken, hat Richter Gomes der Pressemitteilung zufolge ausgerechnet ein Kurs beim Caritasverband für das Bistum Münster vermittelt. Dort ließ die Kita-Leiterin sich bis Mai zur „Demokratieförderin“ ausbilden. Kritiker dürften fragen: Hat da womöglich jemand nicht verstanden, was Demokratie bedeutet?

Kindergartenkinder lieben es, Geschichten vorgelesen zu bekommen. Astrid Lindgrens „Erzählungen“ dürfen es in der Kita St. Martin in Marienfeld nicht mehr sein. (Foto: Juliane Büker/Caritas Bistum Münster)

„Hier habe ich das Rüstzeug bekommen, um mich selbstbewusst gegen Ungerechtigkeit einzusetzen“, sagt Richter Gomes über den Caritas-Kurs. Ungerechtigkeit, die sie auch in Kinderbüchern zu erkennen glaubt. Ihre politisch korrekte Säuberungsaktion setzte Richter Gomes offenbar gegen einigen Widerstand in der Kita durch. Zumindest deutet das die Pressemitteilung der Caritas zwischen den Zeilen an: Ihre „Kolleginnen brauchten zum Teil etwas Zeit, um mit der Projektidee warm zu werden, um Unsicherheiten beizulegen“, heißt es da nämlich.

Märchen mit schwulen Prinzen

Kriterien zum Aussortieren von Büchern seien neben angeblich diskriminierender Sprache auch Rollenbilder, die Richter Gomes und Co. für veraltet halten. „Wenn in Büchern nur der Vater arbeiten geht und die Mutter zu Hause bleibt, sind wir auf dem falschen Weg“, meint die Pädagogin. Neue Bücher schafft Richter Gomes mit den Kindern gemeinsam an, sagt sie. Für passend erachtet sie Geschichten, in denen der Vater die Erziehung mit übernimmt oder ein Kind im Rollstuhl selbstverständlich am Leben teilnehme. Und Märchen mit schwulen Prinzen, mag man hinzufügen, passen offenbar auch gut.

Das Zensurprojekt, mit dem Richter Gomes bei ihrer Kollegin Freddy Jäschke offene Türen eingerannt hat, richtete sich bislang vornehmlich gegen missliebige Kinderbücher. Und es ist längst nicht abgeschlossen, macht die Pressemitteilung der Caritas Münster deutlich: Wenn vermeintliche Diskriminierung und angeblicher Rassismus erst einmal aus den Bücherregalen entfernt sind und „Pluralität“ eingezogen ist, wird Richter Gomes sich dem nächsten Zensurziel widmen – Kinderliedern.

Thomas Wolf

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Medienkritik

Weniger Splatter, dafür mehr Zeitgeist

Ob weiblicher Donnergott Thor, dunkelhäutige oder ostasiatisch aussehende britische Adlige im 16. Jahrhundert oder lesbische Titelheldinnen – kaum ein größeres Filmprojekt, das beim Publikum erfolgreich sein will, kommt noch ohne Diversität und Quoten-Erfüllung aus. Selbst wenn es inhaltlich noch so wenig Sinn ergibt. Keine noch so kleine Minderheit bleibt außen vor, hat man den Eindruck. Die siebenteilige Horrorreihe „Wrong Turn“ zeigt, wie sehr der Zeitgeist auch kleinere Produktionen beeinflusst.

Eine positive Überraschung

„Wrong Turn“, also das Original von 2003, war als Schauerfilm eine sehr positive Überraschung. Inhaltlich wurde zwar das Rad nicht neu erfunden, dennoch war der Film unterhaltsam und spannend. Gezeigt wurde, wie eine Gruppe Menschen in einem abgelegenen Waldgebiet in West Virginia eine falsche Abzweigung, also den namengebenden „wrong turn“, nimmt und nach einer Autopanne brutal von degenerierten und kannibalisch veranlagten Hinterwäldlern gejagt wird.

Eine einsame Hütte im Wald, weitab von der Zivilisation – das ist ein beliebtes Setting im Horrorfilm: auch in „Wrong Turn“ von 2003. (Foto: Pixabay)

Nach zwei Fortsetzungen 2007 und 2009 folgte mit dem vierten und fünften Teil ein Reboot der Reihe – das heißt, es wurde eine Hintergrundgeschichte erzählt, die dem bisher Bekannten widersprach. 2014 kam es mit „Wrong Turn 6: Last Resort“ zu einem zweiten Reboot. Nachdem es einige Jahre ruhig um die Reihe gewesen war, folgte 2021 eine weitere Fortsetzung, die nun schlicht „Wrong Turn“ (wie auch der Originalfilm) betitelt wurde. Es liegt somit erneut ein Reboot vor, der bereits dritte. Anders als der Titel vermuten lässt, handelt es sich nicht um eine Neuverfilmung des Originals. Es wird vielmehr eine gänzlich neue Geschichte erzählt.

Neuer Ort und neue Handlung

Diese bricht deutlich mit den Vorgängern. „Wrong Turn“ gehörte dem berüchtigten Splatter- Genre an, das heißt, man bekam neben nervenaufreibende Hetzjagden viel Blut zu sehen. Manche Ermordungen waren dabei sehr drastisch in Szene gesetzt und nichts für schwache Nerven. Da sah man etwa schon mal, wie eine Axt einen Schädel spaltete oder Gedärme aus dem Leib gerissen wurden.

Das ist nun Vergangenheit. Die Kannibalen wurden gestrichen, stattdessen stoßen die in den Appalachen bei einer Wanderung vom Weg abgekommenen Protagonisten auf einen nur „The Foundation“ genannten Kult, der abgewandt von der Gesellschaft in einer Waldsiedlung auf einem Hügel lebt. Auch die Gewalt wurde deutlich verringert, sodass der jüngste Teil der „Wrong Turn“-Reihe nun mehr eine Mischung aus Thriller und Schauerfilm darstellt. Damit wurden aber die bisherigen Merkmale der Reihe aufgegeben.

Ob man dies als „Verrat“ an der Reihe oder kreativen Neuanfang sieht, darf dabei jeder für sich selbst beantworten. Zumindest hatten die Macher den Mut, etwas Neues zu machen, und nicht den x-ten Aufguss desselben Themas vorzulegen. Weitaus schwerer als die veränderte Ausgangslage wirkt sich nun aber aus, dass der Film deutlich den derzeitigen Zeitgeist abbildet und politische Botschaften enthält.

„Diversität“ vom Reißbrett

So haben wir es bei den Hauptdarstellern mit einem sogenannten „interracial couple“ zu tun: Jen ist eine junge weiße Frau und blond, ihr Freund Darius ist Schwarzer – eine vor allem in der Werbung häufig anzutreffende Verbindung. An einer Stelle, wo man die beiden im Bett liegen sieht, träumt Darius davon, dass er in einer Welt leben möchte, wo nur die Leistung des Einzelnen zählt und nicht die Hautfarbe. Der Bezug zu gegenwärtigen, wiederholt durch die Medien gegangene Themen ist ersichtlich.

Begleitet werden Jen und Darius von zwei weiteren Pärchen: Das eine ist weiß und heterosexuell, das andere hingegen schwul und stellt eine weitere Mischbeziehung dar – der eine Partner sieht nahöstlich aus, der andere ostasiatisch. Eine im heutigen Amerika sicher eher selten anzutreffende Verbindung, die auch im Film nicht weiter erläutert wird. Hier sieht man deutlich, dass die Macher offenbar unbedingt möglichst viel sogenannte „Diversität“ im Film unterbringen wollten.

Der Reboot von „Wrong Turn“ enthält viel Regenbogen und „Diversität“. (Foto: Pixabay)

Allerdings ist das, was man in „Wrong Turn“ sieht, nicht das reale Amerika der Gegenwart, sondern ein Wunschbild. Die gezeigte Gruppe wirkt dabei einfach nicht authentisch. Man merkt sichtlich, dass sie auf dem Reißbrett der politischen Korrektheit gestaltet worden ist. Die Wahrscheinlichkeit, einer solch bunten Truppe tatsächlich irgendwo über den Weg zu laufen, dürfte wohl eher gering sein. Dabei waren bereits die früheren „Wrong Turn“-Teile ethnisch vielfältig ausgefallen, aber dort wirkte es eben noch glaubhaft, man dachte nicht groß darüber nach.

Gefahr aus den Wäldern – und der Vergangenheit

Die Handlung des jüngsten Teils wurde nun von West Virginia ins benachbarte Virginia verlagert. Das wirkt zunächst nebensächlich, hat aber durchaus seine Bedeutung. Unsere diversen Helden bewegen sich nämlich außerhalb der Wälder auch in einem gefährlichen, wenn nicht sogar für sie noch viel gefährlicheren Gebiet: So gelangt man anfangs in eine Kleinstadt, in der noch deutlich die Vergangenheit zu spüren ist – der Geist der Südstaaten.

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Kommentar

Keine Indianer, keine Russen, kein Rosenkranz

Noch nehmen die Menschen die politisch korrekte „Cancel Culture“ nicht widerstandslos hin. Noch wehren sie sich gegen die zunehmende Beschneidung ihres Denkkorridors, gegen die Ausweitung dessen, was vermeintlich „unsagbar“ ist. Selbst aus Leitmedien kommt noch Widerstand. Nur eine Minderheit unterstützt hierzulande jene Ideologen, die unter wohlklingenden, aber letztlich zur reinen Floskel degradierten Schlagworten wie Antirassismus und Gleichberechtigung die Meinungsfreiheit von Andersdenkenden einschränken, etablierte Begriffe mit einem Tabu belegen, Konzerte abbrechen oder Bücher verbieten.

Gebetskette für Rechtsextremisten?

Dennoch greift die „Cancel Culture“ immer weiter um sich. In den USA steht mittlerweile sogar der Rosenkranz, die christliche Gebetskette, zur Debatte: Er werde von stark rechtsgerichteten Katholiken als politisches Symbol verstanden und von militanten Christen im Kampf gegen die Homo- und Transsexuellen-Bewegung verwendet, heißt es. Die politische Korrektheit in den USA, die weit über die Rosenkranz-Diskussion hinausgeht, ist selbst Spiegel-Autor René Pfister zu viel. Der Büroleiter des Nachrichtenmagazins in Washington warnt in seinem neuen Buch „Ein falsches Wort“ vor einer linken Verbots-Ideologie, die in Amerika offenbar immer weiter um sich greift.

Eine blonde junge Frau mit indianischem Kopfschmuck: Nach Ansicht von Anhängern der „Cancel Culture“ ist das „kulturelle Aneignung“ und abzulehnen. (Foto: Pixabay)

In Deutschland war es zuletzt vor allem Apachen-Häuptling Winnetou, Karl Mays bekannteste literarische Schöpfung, der an den Marterpfahl der politischen Korrektheit gefesselt wurde. Kritiker möchten ihn am liebsten in die ewigen Jagdgründe verbannen. Von der ARD hieß es, im Fernsehen würden künftig keine Winnetou-Filme mehr gezeigt. Und beim ZDF sähe man es gerne, wenn die Zuschauer das „I-Wort“ (also Indianer) nicht mehr verwenden würden. Man möchte fragen: Wie viel Feuerwasser wird in den Senderzentralen eigentlich getrunken?

Das Kriegsbeil hat offenbar auch Lars Distelhorst ausgegraben, Sozialwissenschaftler an der Fachhochschule Clara Hoffbauer in Potsdam. In einem Interview, das die Portale GMX und Web.de verbreiten, erinnert er sich, als Kind auf dem Schulhof Cowboy und Indianer gespielt zu haben. Aus seiner heutigen Sicht ist das „kulturelle Aneignung“ – und damit komplett abzulehnen. „Im Prinzip haben wir Genozid gespielt“, legt Distelhorst noch einen drauf.

Unpopuläre Entscheidung des Ravensburger-Verlags

Die Friedenspfeife schlägt der Potsdamer Wissenschaftler aus. Karl Mays Winnetou-Geschichten seien „eine ideologische Folie, um die Kolonisierung des amerikanischen Kontinents nett und kuschelig darzustellen“, meint Distelhorst. Daher begrüße er, dass der Ravensburger-Verlag seine Bücher zum aktuellen Kinofilm „Der junge Häuptling Winnetou“ aus dem Sortiment genommen hat. „Der Verlag macht sich die Mühe, noch einmal nachzudenken und zu sortieren. Er trifft eine unpopuläre Entscheidung, bei der er auch bleibt, mit dem Argument, dass die Bücher ein Zerrbild von indigenem Leben in den USA darbieten. Das sollte man Kindern in der Art und Weise nicht mehr unterjubeln.“

Russischer Zupfkuchen hat zwar sehr wahrscheinlich nichts mit Russland zu tun. Umbenennen wollte ihn eine Bäckerei im deutschen Südwesten dennoch. (Foto: AlexBackt/www.alex-backt.de/CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

So sehr unter Beschuss der „Cancel Culture“ wie Amerikas Ureinwohner steht derzeit wohl nur Russland. Seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine steht alles Russische zur Disposition. Im badischen Ortenaukreis benannte eine Bäckerei ihren Russischen Zupfkuchen um – obwohl der mit Russland wohl überhaupt nichts zu tun hat. Die Süßspeise sollte einfach nur Zupfkuchen heißen – die Umbenennung war als Zeichen der Solidarität mit der Ukraine gedacht. Nach heftigen Protesten ruderte die Bäckerei-Kette zwar zurück – da hatte der Zupfkuchen seine politische Unschuld aber bereits verloren.

Wie lange ist Russisch Brot noch sicher?

Ebenfalls aus Solidarität mit der Ukraine benannte die Einzelhandelskette Edeka ihr „Ice Snack Sandwich Moskauer Art“ in „Ice Snack Sandwich Kiewer Art“ um – zumindest vorläufig. Der Softdrink-Produzent Schweppes änderte den Namen seiner Limonade „Russian Wild Berry“. Russische Wildbeeren – das klang womöglich zu sehr nach russischem Bären. Jetzt heißt das süße Getränk „Original Wild Berry“. Wie lange das Russisch Brot wohl noch sicher ist? Auch der Moscow Mule steht derzeit noch in vielen Cocktail-Karten.

Russisch Brot darf noch so heißen. Andere „russische“ Produkte wurden dagegen bereits umbenannt. (Foto: Rainer Zenz/CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Komiker Dieter Hallervorden, im Kampf gegen Gender-Unsinn und Sprachverhunzung stets an vorderster Front der Kritiker zu finden, hat auch zur „Cancel Culture“ und ihrer Agitation gegen „kulturelle Aneignung“ eine klare Meinung. „Ich glaube, wir leben in einer Art von Empfindsamkeitskult, bei dem uns andere Leute vorschreiben wollen, mit welchem Slalom wir angebliche Fettnäpfchen in Zukunft zu umrunden haben“, sagt der 86-Jährige – und nennt das schlicht „Bevormundung“.

Didi: Über „Cancel Culture“ köstlich amüsieren

Würde man der Argumentation der „Cancel Culture“ folgen, müsse eigentlich auch Goethes „Faust“ verboten werden, meint der Berliner Komiker, der in der Vergangenheit als „Didi“ bekannt wurde. „Die Art, wie Faust sich an das Gretchen ranmacht, ist ja nicht nur nicht zeitgemäß, sondern geradezu frauenfeindlich.“ Oder Walt Disney: Donald Duck und andere sprechende Enten – „tut man da einer bestimmten Tiergattung nicht bitter unrecht?“. Er könne nur jedem empfehlen, das Thema nicht ernst zu nehmen und sich „köstlich darüber zu amüsieren“.

„Didi“ hat Recht: Die „Cancel Culture“ ist lachhaft, geradezu lächerlich. Ernst nehmen sollte man sie dennoch – und keinesfalls unterschätzen. Sie ist eine höchst gefährliche Ideologie, erst recht, weil sie im Mantel von Antirassismus und Gleichberechtigung daherkommt. Trotz all der schönen Worte und hehren Ziele, die sie vorgibt zu vertreten, ist die „Cancel Culture“ im Kern einfach nur eines: antidemokratisch, freiheitsfeindlich und totalitär.

Thomas Wolf

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Kommentar

Winnetou – jetzt erst recht!

Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, bis sich die „Cancel Culture“ auf der Deutschen liebsten Indianer einschießen würde: auf Winnetou. Was lange zu befürchten war, ist jetzt eingetreten: Der renommierte Buch- und Spiele-Verlag Ravensburger nimmt zwei Bücher zum aktuellen Kinofilm „Der junge Häuptling Winnetou“ aus dem Programm.

Vor einer kleinen, lautstarken Minderheit eingeknickt

Auf Instagram heißt es vom Verlag, man habe „die vielen negativen Rückmeldungen“ zu den Büchern verfolgt und entschieden, die Auslieferung der Titel zu stoppen. Auf gut Deutsch: Man ist vor dem Protest einer zwar kleinen, aber lautstarken Minderheit eingeknickt.

„Wir danken Euch für Eure Kritik“, liest man bei Instagram weiter. „Euer Feedback hat uns deutlich gezeigt, dass wir mit den Winnetou-Titeln die Gefühle anderer verletzt haben. Das war nie unsere Absicht und das ist auch nicht mit unseren Ravensburger Werten zu vereinbaren. Wir entschuldigen uns dafür ausdrücklich.“ Tiefer könnte der Kniefall vor dem virtuellen Mob kaum sein.

Ist Winnetou – hier ein Bild von den Karl-May-Festspielen in Bad Segeberg – rassistisch? Der Ravensburger-Verlag jedenfalls hat zwei Winnetou-Bücher zurückgezogen, weil sie angeblich „die Gefühle anderer verletzt“ haben. (Foto: Hinnerk11/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Auf der Verlagsseite sind die Produkte nicht mehr zu finden. Beim Internethändler Amazon sind das Buch zum Film und die Ausgabe für Erstleser zwar noch gelistet – noch dazu als „Bestseller“ gekennzeichnet –, aber nicht mehr erhältlich. Bei buecher.de ist immerhin das Erstlesebuch aktuell noch bestellbar. Welche Veröffentlichungen ein großer Verlag tätigt, entscheiden in Deutschland mittlerweile also nicht mehr Marktanalysen. Es entscheidet der Pöbel. Unfassbar!

Winnetou: Ein gutes Stück deutsches Kulturgut

Wer die Winnetou-Geschichten für rassistisch hält, der hat sie entweder nicht gelesen oder nicht verstanden – oder er will sie bewusst falsch verstehen. Vielleicht geht es dem „politisch korrekten“ Internet-Mob aber auch um etwas ganz anderes: Winnetou ist ein gutes Stück deutsches Kulturgut – soll es womöglich unter dem Vorwand des Kampfes gegen (vermeintlichen!) Rassismus selbst „gecancelt“, also vernichtet werden?

Generationen von deutschsprachigen Lesern haben über Karl Mays Romane vom tapferen Apachen-Häuptling und seinen Freunden die Kultur und Lebensweise der amerikanischen Ureinwohner nicht nur kennen-, sondern auch schätzen gelernt. Erfolgreicher als durch Karl Mays Bücher und die darauf basierenden Bühnenadaptionen, Filme oder Hörspiele lassen sich Vorurteile kaum abbauen.

Winnetou-Erfinder Karl May (links) mit seinem Illustrator Sascha Schneider im Jahr 1904. (Foto: Karl-May-Gesellschaft/gemeinfrei)

Über alle politischen Systeme hinweg diente Winnetou der Vermittlung eines positiven Indianerbildes: Ob im Kaiserreich, der Weimarer Republik oder im Nationalsozialismus – stets standen die Leser auf Seiten der Indianer und verfolgten gebannt ihren Kampf um ihre angestammten Rechte und gegen die Unterdrückung durch die eindringenden „Bleichgesichter“. Auch in der DDR, die ihre eigenen Indianer-Geschichten hofierte und ideologische Vorbehalte gegenüber May hegte, blieb Winnetou letztlich siegreich.

Ausgerechnet in der Bundesrepublik des Jahres 2022 landet der edle Häuptling nun auf dem „Index“ der politischen Korrektheit – allen Normen des Grundgesetzes, die derlei Verbotskultur doch gerade verhindern sollten, zum Trotz. Ich jedenfalls greife nun erst recht wieder zum Winnetou-Buch oder lege eine alte DVD ein und genieße die Abenteuer von Pierre Brice und Lex Barker. Bei mir werden der Apache und sein weißer Blutsbruder Old Shatterhand garantiert nicht „gecancelt“.

Thomas Wolf

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Im Blickpunkt

Feldzug gegen die Religionsfreiheit

Die Religions- und Weltanschauungsfreiheit gehört zu den Menschenrechten, die in der Charta der Vereinten Nationen und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert sind. Anlässlich des heutigen UN-Gedenktags für die Opfer religiöser Gewalt erinnern Hilfswerke wie „Kirche in Not“ und die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) daran, dass die freie Religionsausübung in vielen Weltgegenden unmöglich ist. Oft, aber nicht immer sind es islamisch geprägte Staaten, die das Menschenrecht systematisch brechen.

Christen in Burkina Faso beim Gebet. Viele Gläubige in Afrika können ihre Religion nur im Verborgenen leben. (Foto: Kirche in Not)

„Die Gewalt gegen Gläubige ist weltweit auf dem Vormarsch. Täter werden nicht verfolgt und die Opfer werden von den Staaten nicht geschützt. Zum Teil sind die Opfer von glaubensbedingter und antireligiöser Verfolgung systematischer staatlicher und juristischer Unterdrückung ausgesetzt“, kritisiert Martin Lessenthin, Vorstandssprecher der IGFM in Frankfurt. In totalitär regierten Staaten wie China oder Nordkorea werden Gläubige, die sich einer staatlichen Anleitung und Registrierung widersetzen, nach Ansicht der IGFM als Gefahr für die Machthaber angesehen und mit juristischen, geheimdienstlichen, polizeilichen und erzieherischen Maßnahmen drangsaliert.

„Christen leben praktisch in Ghettos“

Bei „Kirche in Not“ sorgt man sich aktuell insbesondere um die Christen in der afrikanischen Sahelzone, erklärte Thomas Heine-Geldern, Geschäftsführender Präsident des katholischen Hilfswerks. „Man muss nicht ermordet werden, um Opfer religiöser Gewalt zu sein. Es reicht schon, wenn Grundrechte eingeschränkt werden. Christen in Mali, Niger, Nigeria und Burkina Faso, um nur einige Länder zu nennen, leben praktisch in Ghettos oder üben ihren Glauben im Verborgenen aus.“

Das Hilfswerk, das nach eigenen Angaben in 140 Ländern bedrängten und notleidenden Christen beisteht, stellt auch in anderen Weltregionen eine zunehmende Verfolgung und Diskriminierung fest. Diese reicht von blutiger Feindseligkeit bis hin zur Diskriminierung von Christen und ihren Überzeugungen. „Kirche in Not“ weist in diesem Zusammenhang auf mehrere „besorgniserregende Entwicklungen“ hin.

Thomas Heine-Geldern ist Geschäftsführender Präsident des katholischen Hilfswerks „Kirche in Not“. (Foto: Kirche in Not)

So bleibe eine internationale Reaktion auf den dschihadistischen Terror in Afrika weitestgehend aus. Trotz des rasanten Anwachsens militanter Islamistengruppen in den Ländern südlich der Sahara würden die Betroffenen religiös motivierter Gewalt in Afrika allzu oft vergessen, kritisiert das Hilfswerk. In Burkina Faso etwa im Südosten des Schwarzen Kontinents befinden sich demnach rund 80 Prozent des Landes in der Hand radikaler Islamisten. Dies habe „verheerende Folgen“ für das Wachstum und die Entwicklung. Nigeria, das bevölkerungsreichste Land Afrikas, erlebe derzeit sogar eine Gewaltspirale nie dagewesenen Ausmaßes.

Zwangsverheiratung und Zwangskonversion

Viele der Betroffenen religiöser Gewalt, stellt „Kirche in Not“ fest, müssen aus ihrer Heimat fliehen. Allein in den afrikanischen Staaten, in denen schwere religiöse Verfolgung herrscht, beträgt die Zahl der Vertriebenen nach Angaben des Hilfswerks mehr als 15 Millionen. Bei der Schätzung stützt sich die Organisation auf die Angaben lokaler Projektpartner und die Angaben internationaler Beobachter, etwa das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen. Immer häufiger gehe die Gewalt gegen religiöse Minderheiten mit sexueller Gewalt einher. In Ländern wie Pakistan, Ägypten und Nigeria bedeutet dies: Zwangsverheiratung und -konversion sowie sexuelle Ausbeutung.

Einen alarmierenden Anstieg von religionsfeindlichen Angriffen stellt „Kirche in Not“ aber nicht nur in islamisch geprägten Ländern fest – sondern auch in Lateinamerika: Besonders schlimm sei das Lage aktuell in Nicaragua, wo die katholische Kirche in den vergangenen vier Jahren über 190 Anschläge und gewaltsame Attacken erlitten habe. „Dort geht die Aggression gegen die Kirche und ihre Gläubigen von höchster politischer Stelle aus“, heißt es von dem Hilfswerk. In Ländern wie Mexiko, Kolumbien, Argentinien und Chile versuchten extremistische Gruppierungen, die freie Meinungsäußerung von Glaubensgemeinschaften einzuschränken und Kirchenvertreter zum Schweigen zu bringen.

Europa will Religionen zum Schweigen bringen

Eine Gefahr für die Religionsfreiheit sieht „Kirche in Not“ auch im Erstarken aggressiver säkularer Ideologien in Europa. Hier stoße man auf Versuche, traditionelle religiöse Ansichten zu kriminalisieren – etwa beim Lebensschutz oder beim christlichen Menschen- und Familienbild. Papst Franziskus habe dies 2016 in einer Predigt zugespitzt als „höfliche Verfolgung“ beschrieben. Er verstehe darunter den Versuch, Religionen „zum Schweigen zu bringen und auf die Verborgenheit des Gewissens jedes Einzelnen zu beschränken oder sie ins Randdasein des geschlossenen, eingefriedeten Raums der Kirchen, Synagogen oder Moscheen zu verbannen“.

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Verdiente Sprachpanscherin 2022

Ulrike Lembke, Professorin für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien an der Berliner Humboldt-Universität und Richterin am Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, ist Sprachpanscher des Jahres 2022. Das gab heute der Verein Deutsche Sprache in Dortmund bekannt. Rund 38 Prozent der Vereinsmitglieder stimmten für Lembke. Die Entscheidung ist zu begrüßen, zeigt sie doch eine klare Ablehnung der ideologischen Gendersprache, für die Lembke steht.

Das Hauptgebäude der Berliner Humboldt-Universität. An ihr lehrt “Sprachpanscherin“ Ulrike Lembke. (Foto: Christian Wolf/www.c-w-design.de/CC BY-SA 3.0 DE via Wikimedia Commons)

Im einem Gefälligkeitsgutachten für die Stadt Hannover, die damit die von ihr propagierte Gendersprache stützen wollte, hatte die Berliner Professorin im Dezember 2021 nicht nur das rechtschreibwidrige sogenannte Gendersternchen gerechtfertigt und für dessen Nutzung plädiert. Die Anrede „Sehr geehrte Damen und Herren“ erklärte sie allen Ernstes für verfassungswidrig – weil diese nicht alle Geschlechter berücksichtige. Dass es biologisch nur zwei Geschlechter gibt, ist Lembke offenbar gleichgültig. Ohnehin geht es Ihresgleichen nicht um Fakten, sondern um Ideologie. Die Auszeichnung des Vereins Deutsche Sprache, die Lembkes Angriff auf die deutsche Sprache würdigt, hat die Hochschullehrerin jedenfalls redlich verdient.

Die Entscheidung der Vereinsmitglieder ist erstaunlich deutlich ausgefallen und macht Hoffnung, dass im Einsatz gegen die ideologischen Verwirrungen der Gender-Bewegten noch nicht aller Tage Abend ist. Umso mehr, als es alle Nominierten verdient hätten, als Sprachpanscher ausgezeichnet zu werden: Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der englische Begriffe wie „Tracing App“ oder „Repurposing studies“ liebt, ebenso wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), dessen Image-Kampagne den deutschen Südwesten als „The Länd“ eher wie einen US-amerikanischen Bundesstaat denn wie ein deutsches Bundesland erscheinen lässt. Auch die Firma Kienbaum Consultants International, die zwar in Köln sitzt, aber bevorzugt englisch redet, und Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn (parteilos), dessen Stadt Stellenausschreibungen stets in weiblicher Form verfasst, hätten würdige Sprachpanscher abgegeben.

Thomas Wolf