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Unterstützt Deutschland Al-Qaida-Ableger?

Nachdem die islamistische Miliz „Haiʾat Tahrir asch-Scham“ (HTS) die Kontrolle über die vor allem von Kurden besiedelte syrische Region Afrin übernommen hat, richtet die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) einen dringenden Appell an den Bundestag. Das Parlament müsse die Bundesregierung per Beschluss zwingen, ihre Unterstützung für islamistische Gruppen, die von der Türkei kontrolliert werden, zu überprüfen. Die HTS ist der inoffizielle Nachfolger der dschihadistischen Al-Nusra-Front. Damit ist das „Komitee zur Befreiung der Levante“ nichts anderes als der syrische Ableger des Terrornetzwerks Al-Qaida.

Die Flagge der Dschihadisten-Miliz HTS zeigt das islamische Glaubensbekenntnis. (Foto: gemeinfrei)

„Die von der deutschen Bundesregierung als gemäßigt eingestuften islamistischen Gruppen, die vorher die Kontrolle hatten, haben keinen Widerstand geleistet“, betont Kamal Sido, Nahostexperte der GfbV. „Einige haben der HTS sogar Gefolgschaft geschworen. Im Kampf gegen den sogenannten ‚Islamischen Staat‘ haben kurdische und andere Gruppen die Hauptlast getragen“, erinnert Sido. Die protürkischen islamistischen Gruppen seien nur daran interessiert, sich auf Kosten der lokalen Bevölkerung zu bereichern oder diese zu vertreiben. Ideologisch unterscheiden sie sich kaum vom „Islamischen Staat“.

Unter Erdoğans Kontrolle

Die deutsche Bundesregierung, insbesondere das Auswärtige Amt, unterstützt seit Jahren die sogenannte „Nationalkoalition syrischer Revolutions- und Oppositionskräfte“. Sie gilt als politischer Arm der islamistischen Milizen und stehe schon lange unter der vollständigen Kontrolle Recep Tayyip Erdoğans. „In Afrin sowie in anderen von der Türkei besetzten Gebieten Nordsyriens morden, vergewaltigen und terrorisieren diese Milizen die kurdische, assyrisch/aramäische, armenische, christliche, jesidische und alewitische Bevölkerung. Vor allem Frauen leiden unter den islamistischen Besatzern“, berichtet Sido.

„Erdogans Behauptungen, die Milizen würden in den von der Türkei besetzten Gebieten Nordsyriens für ‚Schutz und Sicherheit‘ sorgen, sind nur leeres Gerede. Für die Zivilbevölkerung kommen diese Gebiete tatsächlich einer Hölle gleich.“ Die deutsche Politik, kritisiert der GfbV-Experte, habe regelrecht Angst vor Erdogan. „Solange sie vor ihm einknickt, kann sie nicht von wertegeleiteter Außenpolitik sprechen. Sie schadet dem Ansehen Deutschlands weltweit“, meint Sido.

Kämpfer der Al-Nusra-Front in der syrischen Stadt Idlib 2015. Al-Nusra war einst der offizielle Al-Qaida-Ableger in Syrien. Seit 2017 bildet die umbenannte Front den Kern der HTS-Miliz. (Foto: Halab Today TV/CC BY 3.0 via Wikimedia Commons)
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Wenn in Köln der Muezzin ruft

Womöglich schon an diesem Freitag könnte vom Minarett der Großmoschee im Kölner Stadtteil Ehrenfeld zum ersten Mal der muslimische Gebetsruf erschallen. Die Stadt am Rhein hatte vor einem Jahr ein entsprechendes Modellprojekt ausgerufen. Demnach können Moscheegemeinden auf Antrag einen Muezzin einsetzen, um ihre Gläubigen zusammenzurufen. Zur Bedingung machte die Stadt eine begrenzte Lautstärke und eine maximale Dauer des Gebetsrufs von fünf Minuten.

„Allahu akbar“ in Uniform: Ein muslimischer US-Soldat beim Gebetsruf. (Foto: Lance Cpl. Derrick K. Irions/gemeinfrei)

Der Vorstoß stammt von der parteilosen Oberbürgermeisterin Henriette Reker – und ist äußerst umstritten. Dass der Ruf des Muezzin in Deutschland so selbstverständlich zu hören sein sollte wie Kirchenglocken, lehnten in einer Civey-Umfrage rund drei Viertel der Befragten ab. Knapp zwei Drittel waren sogar der Meinung, der Gebetsruf solle „auf keinen Fall“ auf ähnliche Weise zu hören sein wie christliche Glocken. Nun sorgen sich nicht nur viele Kölner, dass das „Allahu akbar“ bald schon zum normalen Ton gehören könnte. In mehreren deutschen Städten ist der öffentliche Gebetsruf bereits Alltag.

Eine Machtdemonstration

Islamismus-Experte und Buchautor Ahmad Mansour sieht im Muezzin-Ruf eine „Machtdemonstration des politischen Islam“. Für OB Reker ist die Genehmigung dagegen ein Zeichen von Toleranz und Religionsfreiheit. Der Islam sei seit vielen Jahren ein fester Bestandteil der deutschen Gesellschaft. „Wenn wir in unserer Stadt neben dem Kirchengeläut auch den Ruf des Muezzins hören, zeigt das, dass in Köln Vielfalt geschätzt und gelebt wird“, meint Reker. Dass der Gebetsruf nun ausgerechnet vom Minarett der umstrittenen Ditib-Moschee erklingt, stört Reker nicht.

Die Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld ist ein Projekt der Ditib, die dem türkischen Staat nahesteht. (Foto: © Raimond Spekking/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Ditib als Träger der Moscheegemeinde in Ehrenfeld ist eng mit der staatlichen Religionsbehörde der Türkei verbunden und gilt als verlängerter Arm des islamisch-konservativen türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Deutschland. Die Eröffnung der Moschee vor vier Jahren geriet zum Triumphzug für Erdogan, der zu diesem Zweck nach Ehrenfeld gekommen war. Der Stadtteil im Nordwesten Kölns ist dicht besiedelt und hat einen hohen, für Kölner Verhältnisse aber nur durchschnittlichen Anteil an Migranten. Knapp jeder Zehnte Ehrenfelder ist türkischer Abstammung.

Offensive Glaubensbekundung

„Ich bezeuge, dass es keinen Gott gibt außer Allah. Ich bezeuge, dass Mohammed Allahs Gesandter ist“, ruft der Muezzin beim Gebetsruf vom Minarett. Dabei handelt es sich um eine deutlich offensivere Glaubensbekundung als es das Glockengeläut jemals sein könnte. Der Kölner Stadtverwaltung um Henriette Reker bereitet dies dennoch keine Kopfschmerzen. Ganz anders übrigens als der Kölner Dom: Der sollte nach Plänen, die im Frühjahr für Entsetzen sorgten und mittlerweile umgesetzt sind, aus dem Logo der Stadt verschwinden.

Der Kölner Dom mit der Hohenzollernbrücke. Die Stadt hat den Verweis auf das bedeutende Gotteshaus aus ihrem Logo entfernt. (Foto: Thomas Wolf/www.foto-tw.de/ CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Ausgerechnet das Weltkulturerbe Kölner Dom, der wohl bedeutendste Kirchenbau Deutschlands, ist Rekers Behörde ein Dorn im Auge. Das Logo, das auf rotem Grund zwei stilisierte Domspitzen zeigt, war vor rund 20 Jahren eingeführt worden. Laut einer Marktanalyse der Stadtverwaltung werde es heutzutage als „altbacken, sperrig, emotions­los und von oben herab“ empfunden und symbolisiere keine „lebenswerte, hochattraktive Metropole“. Als solche sieht Köln sich offenbar.

Islamisierung Europas

Einst wurde der Kölner Dom als deutsches Nationalsymbol gefeiert. Heute gilt er seiner Heimatstadt als altbacken und unattraktiv. Der Muezzin-Ruf dagegen, die offensive Werbung für den Islam, gehört für Reker und Co. dazu. Diese Schützenhilfe durch die Politik könnte fatale Folgen haben, befürchtet Islam-Experte Ahmad Mansour: „Die Konservativen fühlen sich bestätigt, sehen dies als einen wichtigen Schritt hin zur Islamisierung Europas und werden immer mehr fordern.“

Thomas Wolf

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Ein ungeklärter Tod und verbrannte Kopftücher

Der Tod einer 22-Jährigen, die wegen angeblich „unislamischer“ Kleidung in Gewahrsam der iranischen Sittenpolizei geraten war, hat in der Islamischen Republik Massenproteste ausgelöst. Frauen schneiden sich öffentlich ihre Haare ab oder verbrennen ihr Kopftuch, das sie als Zeichen der Unterdrückung begreifen. Der klerikal-konservative Präsident Ebrahim Raisi kündigte auf Druck der Straße an, den Tod der jungen Frau untersuchen zu lassen. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Göttingen kritisiert derweil eine auffällige Leerstelle in der Berichterstattung vieler Medien.

„Frau Amini war Kurdin“

„Bei aller berechtigten Empörung über Mahsa Aminis Tod wird ihre nationale Identität verschwiegen“, erklärt Dr. Kamal Sido, Nahostexperte der GfbV. „Frau Amini war Kurdin. Ihren kurdischen Vornamen Jina durfte sie im Iran nicht tragen. Neben der offensichtlich frauenverachtenden Kleiderordnung wurde die junge Frau wie Millionen andere auch als Kurdin von iranischen Behörden unterdrückt.“ Mahsa Amini, heißt es aus dem Iran, sei an einer Hirnblutung gestorben, nachdem Polizisten ihr auf den Kopf geschlagen hatten. Offiziell ist ihr Tod als Folge von Herzversagen und eines epileptischen Anfalls eingetreten.

Das Todesopfer Mahsa Amini auf einer Aufnahme, die in den sozialen Netzwerken im Internet kursiert. (Foto: Twitter)

Bereits nach der Geburt sollen iranische Behörden den Wunsch der Eltern von Jina Mahsa Amini abgelehnt haben, ihrer Tochter den kurdischen Namen „Jina“ zu geben. Das Kind wurde dann unter dem Namen „Mahsa“ registriert, ist aber mit dem kurdischen Namen „Jina“ (Leben) aufgewachsen. „Viele bezeichnen es als Trauerspiel, dass die junge Frau auch nach ihrem gewaltsamen Tod in den Medien als ‚Masha‘ bezeichnet wird. Denn dieser Name wurde ihr von denselben Behörden aufgezwungen, die jetzt für ihren Tod verantwortlich sind“, sagt Sido.

Mindestens vier Tote

Nach Bekanntgabe ihres Todes riefen kurdische Parteien im Iran zu Protesten auf. Die Sicherheitskräfte setzen Tränengas, Wasserwerfer, Knüppel und Schrotmunition ein. In einigen Ortschaften soll die Polizei mit scharfer Munition geschossen haben. „Unsere kurdischen Quellen berichten von mindestens vier Toten und 200 Verletzten allein in Ost-Kurdistan“, sagt Sido. Vor allem Frauen solidarisieren sich mit Jina Mahsa Amini. Auf der Straße rufen sie Parolen wie: „Tod dem Despoten, egal ob Schah oder Führer!“ Gemeint sind der von den USA installierte und 1979 gestürzte Schah und der jetzige Religionsführer Ayatollah Ali Chamenei. 

Irans klerikal-konservativer Präsident Ebrahim Raisi. (Foto: Duma.gov.ru/CC BY 4.0 via Wikimedia Commons)

„Ost-Kurdistan“ nennen die Kurden ihre Siedlungsgebiete im Westen der Islamischen Republik. Von etwa 85 Millionen Menschen im Iran sind nach Angaben der GfbV etwa elf Millionen Kurden. Sie stellen nicht nur in der Provinz Kurdistan die Mehrheit, sondern auch in einigen anderen Regionen. Dem Herrschaftssystem der schiitischen Mullahs bringen sie großes Misstrauen entgegen. Die Mullahs hatten den verschiedenen Volksgruppen des Landes Demokratie und Autonomie versprochen. Das Versprechen wurde jedoch nie eingelöst.