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Wenn der Heilige Geist auf den Zeitgeist trifft

Die Kernkompetenz der christlichen Kirchen liegt in der Glaubenslehre. Seit 2000 Jahren vermitteln Priester, Geistliche und Seelsorger den Glauben an Jesus Christus. In ihm sehen Milliarden Christen auf der ganzen Welt den Sohn Gottes. Und selbst wer ihn nur als außergewöhnlichen Menschen begreift, der erkennt doch in seiner Botschaft mitunter eine heilbringende Lehre zum Wohl der Menschheit. Eine Botschaft des Friedens und der Versöhnung. Seit geraumer Zeit steht diese Lehre nicht mehr allein. Statt sich auf den Glauben zu fokussieren, betätigt sich die Kirche zunehmend tagespolitisch. Kritiker sprechen von einer Anbiederung an den „woken“ Zeitgeist.

Welcher Geist herrscht in den christlichen Kirchen des Jahres 2023? Ist es noch der Heilige Geist der Glaubenslehre – oder doch eher der „woke“ Zeitgeist? (Foto: Pixabay)

Dass Bischöfe und Priester Umwelt- und Naturschutz propagieren, dürfte für die meisten noch nachvollziehbar sein. Der Auftrag zur „Bewahrung der Schöpfung“ geht direkt aus der Bibel hervor. Dazu gehört auch der Appell, schonend mit den natürlichen Ressourcen umzugehen. Wenn der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, die Deutschen angesichts der Energiekrise zum Verzicht aufruft und sich so den Appellen der Mächtigen anschließt, hat dieses Plädoyer für manchen Gläubigen aber einen schalen Beigeschmack. Die Kirche als Lautsprecher der Regierung: Das trifft auf Widerspruch im „Volk Gottes“.

Klima-Aktivismus und Waffen

Erst recht aber, wenn sich evangelische Kirchenführer mit den radikalen Klima-Aktivisten der „Letzten Generation“ gemein machen, ist für viele Christen eine Grenze des Zumutbaren erreicht. Die Aktionen seien „berechtigter gewaltloser ziviler Ungehorsam“, hört man. Doch damit nicht genug. Auch die Unterstützung von Waffen-Lieferungen an die Ukraine trifft unter zahlreichen Gläubigen auf Unverständnis. Der Aufruf zum Frieden, zur Gewaltlosigkeit ist schließlich als eine der Hauptforderungen Jesu überliefert. Und wenn der Synodale Weg, der Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland, nun faktisch Transsexualität als normal akzeptiert, wenn Bistümer eine „queer-sensible“ Seelsorge einführen, verstehen viele die Welt nicht mehr. In ihrer Betonung der Zweigeschlechtlichkeit des Menschen gehen Bibel und Biologie nämlich Hand in Hand.

Politisch korrekt gibt sich auch die Freisinger Bischofskonferenz, das gemeinsame Gremium der katholischen Bischöfe in Bayern. In ihrer jüngsten Vollversammlung betonte sie, „ein klares Zeichen gegen Rechtsextremismus, Populismus und menschenverachtende Einstellungen“ gesetzt zu haben. Durch ein „Kompetenzzentrum für Demokratie und Menschenwürde“ (KDM). „Die radikale und extreme Rechte“, liest man in der Pressemitteilung der Bischöfe, habe sich die Krisen des vergangenen Jahres zunutze gemacht. Vor allem die in Folge des „russischen Angriffskriegs“ auf die Ukraine „stark gestiegenen Energiepreise und Lebenshaltungskosten“.

„Seltsame moderne Strömungen“

Der Kirchenkampf gegen Rechts treibt mitunter merkwürdige Blüten. Dann nämlich, wenn selbst Kernthesen der christlichen Verkündigung der hohen Geistlichkeit als populistisch und extremistisch gelten. Einen Ordenspriester, der in seiner Predigt zum Weihnachtsfest die biblische Botschaft gegen den Zeitgeist verteidigte, stellte seine eigene Abtei an den Pranger. Der Benediktiner-Pater Joachim Wernersbach hatte es gewagt, von „seltsamen modernen Strömungen“ zu sprechen. „Von Gender und Transgender, von Transhumanismus und reproduktiver Gesundheit, von Wokeness und LGBTIQ, von Diversität und Identität, von multiplen Geschlechtern und Geschlechtsumwandlungen.“ Seinen Kritikern gilt der Pater damit als homophob.

Die Regenbogen-Fahne ist eines der Symbole für die Homo- und Transsexuellen-Bewegung. Historisch war der Regenbogen dagegen ein Zeichen des Bundes zwischen Gott und den Menschen. (Foto: Pixabay)

Ganz offensichtlich zieht der Benediktiner den Heiligen Geist dem Zeitgeist vor. „Schon die Begriffe, meine Lieben, sind absolut befremdlich“, predigte Wernersbach im sächsischen Wittichenau. „Sie haben alle eines gemeinsam: Es fehlt ihnen an Schönheit, es fehlt ihnen an Stimmigkeit und es fehlt ihnen an Natürlichkeit! Es fehlt einfach der Wohlklang. Sie sind sperrig und bringen unsere Seele, unser Innerstes einfach nicht zum Schwingen. Sie sind nicht im Einklang, nicht in Harmonie mit der unvorstellbar schönen göttlichen Ordnung.“ Demgegenüber betonte Wernersbach die biblisch begründete „Heiligkeit der Familie“.

Lebensschutz extrem rechts?

Bei der Freisinger Bischofskonferenz fällt dies wohl unter das in de Abschlusserklärung scharf kritisierte „Agieren der radikalen Rechten in kirchlichen Kreisen“. Als extrem rechts gilt Politikern und Medien auch der Schutz des Lebens. Nicht selten ausgerechnet jenen, die in Corona-Zeiten die rigiden Einschränkungen der Grund- und Freiheitsrechte mit dem Schutz des Lebens begründeten. Zunehmend sieht das offenbar auch die kirchliche Obrigkeit so. Der Schutz ungeborener Babys vor Abtreibung ist eine Sache für die AfD. Und die steht für viele Bischöfe zu weit rechts. So schlossen die Verantwortlichen des für Juni geplanten Evangelischen Kirchentags Organisationen wie die „Aktion Lebensrecht für Alle“ (ALfA) von dem Glaubenstreffen aus.

Jedes Leben ist lebenswert – davon sind christliche Abtreibungsgegner überzeugt. Wer sich für ungeborene Babys einsetzt, gilt mittlerweile als extrem rechts. (Foto: Pixabay)

„Der Schutz des menschlichen Lebens in allen Phasen seiner Existenz ist nicht nur Pflicht und Aufgabe aller Christen, sondern auch des Staats“, betont ALfA-Vorsitzende Cornelia Kaminski. „Nicht umsonst hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach erklärt, dass bereits dem ungeborenen Leben Würde und Schutz zukommt. Insofern ist es höchst verwunderlich, dass die Leitung des Evangelischen Kirchentags beschlossen hat, ausgerechnet die ehrenamtlichen Organisationen vom Evangelischen Kirchentag auszuschließen, die sich genau dieser Aufgabe verschrieben haben und ihr unter hohem persönlichem Einsatz nachgehen.“

„Nicht nachvollziehbar“

Der Ausschluss erfolgte ohne Begründung. Und obwohl die ALfA laut Kaminski stets mit einem Stand auf dem Kirchentag präsent war und es nie zu Problemen gekommen war. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum Funktionäre der evangelische Kirche, die ja stets betont, dass Dialogbereitschaft und Toleranz Fundamente ihres öffentlichen Handelns sind, nicht bereit sind, dies auch im Umgang mit ausgerechnet den Gruppen zu zeigen, die sich in besonderer Weise um die Schwächsten in unserer Gesellschaft bemühen.“ Mit Aktivisten der „Letzten Generation“ und der LGBT-Community hätten die Verantwortlichen auf dem Kirchentag vermutlich weniger Probleme.

Thomas Wolf

Die „Aktion Lebensrecht für Alle“ hat auf ihrer Webseite eine Petition gestartet, mit der sie gegen das Vorhaben protestieren will, den Lebensschutz vom Evangelischen Kirchentag zu verbannen. Und gegen einen ähnlichen Versuch, dies auch bei der Messe „didacta“ zu erreichen. Die Unterschriftenliste soll dem Kirchentag in Fulda sowie der Leitung der „didacta“ vorgelegt werden.

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Im Blickpunkt

Weihnachten: Mehr als nur ein kirchliches Fest

Auch wenn das immer mehr Menschen nicht präsent oder zumindest egal ist: Weihnachten ist das Fest der Geburt Jesu Christi. Eines Mannes, den Milliarden Christen weltweit als Sohn Gottes verehren. Jeder Versuch, die christliche Feier zu einem Winter- oder Lichtfest umzudeuten, ist daher zum Scheitern verurteilt. Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Weihnachten längst mehr ist als die Erinnerung an die Geburt des Mannes aus Nazareth vor gut 2000 Jahren, dessen Leben und Wirken die Weltgeschichte wie die keines Zweiten verändert hat. Weihnachten ist das wohl wichtigste Fest, das in Deutschland begangen wird. Ein wesentlicher Bestandteil der deutscher Kultur. Ein Fest des Friedens und der Familie für jede Religion. Und auch für Menschen ohne religiöse Prägung.

Weihnachten auf ein reines Winterfest zu reduzieren, greift zu kurz. Ohne seine christlichen Wurzeln ist das wichtigste Fest der Deutschen, das an die Geburt Jesu Christi erinnert, nicht denkbar. (Foto: Pixabay)

Dass Christi Geburt ausgerechnet am 24./25. Dezember gefeiert wird, dürfte auf ein altrömisches Fest der winterlichen Wiedergeburt des Sonnengottes Sol zurückzuführen sein. Zumindest ist das eine gängige Theorie. Die frühen Christen identifizierten ihren Heiland offenbar mit dem römischen Gott oder wenigstens mit dessen Symbol, der Sonne. Auch eine Verbindung zu dem aus persischem Raum stammenden Mithras-Kult der Spätantike ist möglich. Ein Zusammenhang mit Winterfesten der alten Germanen wird zwar in populärwissenschaftlichen Büchern immer wieder diskutiert, gilt aber als unwahrscheinlich. Gut möglich ist jedoch, dass bestimmtes Brauchtum wie die weihnachtliche Nutzung von Tannengrün im Kern auf germanische Ideen zurückgeht.

Fest der bürgerlichen Familie

Sicher ist, dass spätestens im 19. Jahrhundert das rein christliche Weihnachtsfest eine neue Gestalt annahm. Es wurde zu einem Fest der bürgerlichen Familie. An Heiligabend und am 25. Dezember versammelte man sich um den Christbaum, aß und feierte mit den Verwandten und machte sich gegenseitig mit Geschenken eine Freude. Dazu wurden adventliche Lieder wie das 1818 erstmals aufgeführte „Stille Nacht, heilige Nacht“ gesungen. Noch im Mittelalter waren Geschenke eher mit dem Gedenktag des heiligen Nikolaus verbunden. Der spätantike Bischof aus Kleinasien galt als Gabenbringer, dessen Werk fortgesetzt wurde.

Der amerikanische Santa Claus geht auf den heiligen Nikolaus zurück. Vom deutschen Weihnachtsmann unterscheidet er sich vor allem dadurch, dass er seine Geschenke mit einem Rentier-Schlitten ausliefert. (Foto: Douglas Rahden)

Martin Luther, der mitteldeutsche Reformator und Begründer des evangelischen Christentums, steht am Anfang des weihnachtlichen Schenkens. Er lehnte den katholischen Heiligenkult ab – und damit auch den Nikolaus. Statt seiner sollte der „Herre Christ“ die Menschen bescheren. Eben an Weihnachten. Aus ihm wurde schließlich das Christkind. Heute gilt es vor allem im überwiegend katholischen Süden des deutschen Sprachraums als weihnachtlicher Gabenbringer. Im protestantischen Norden dagegen bringt meist der Weihnachtsmann die Geschenke. Ironischerweise also gerade die säkulare Version des Nikolaus. In den USA wurde der übrigens zum Santa Claus. Mit knallrotem Mantel und Rentier-Schlitten.

Den Tannenbaum mitgebracht

Der Kern des heute weltweit verbreiteten Weihnachts-Brauchtums stammt also aus Deutschland. Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, fränkisch-thüringischer Prinzgemahl der britischen Königin Victoria, soll das wohl typischste Utensil der deutschen Weihnacht mit nach England gebracht haben: den Tannenbaum. Heute ist er nirgendwo mehr wegzudenken. In den USA nicht, aber auch nicht im mehrheitlich muslimischen Syrien, wo Christen nur eine kleine Minderheit stellen. Auch Weihnachtsmärkte sind längst weltweit verbreitet. Und nicht mehr nur in Wien, München oder Bautzen, wo ihre Tradition historisch am weitesten zurückreicht.

Weihnachtsbäume in Chile. Hier findet das Fest der Geburt Christi im Sommer statt. (Foto: W. Bulach/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)
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Katholische Speerspitze der Vielfalt

Geht es nach der Ampel-Koalition, können bald schon Jugendliche von 14 Jahren an alle zwölf Monate ihr (rechtliches) Geschlecht wechseln. Von Männlein zu Weiblein und wieder zurück? Von Frau zu Mann? Oder gleich besser zu „divers“? – All das soll künftig durch eine einfache Erklärung gegenüber dem Standesamt möglich sein. Und für Jugendliche nach Ansicht von Kritikern sogar, wenn es hart auf hart kommt, gegen den Willen ihrer Eltern. So jedenfalls haben es Sozialdemokraten, Grüne und FDP vereinbart. Gegen den Protest von Medizinern, Biologen und Kirchenvertretern. Dass das rot-grün-gelbe „Selbstbestimmungsgesetz“ ausgerechnet dem katholischen Jugendverband BDKJ nicht weit genug geht, spricht Bände.

„Zeitgemäßes Selbstbestimmungsgesetz“

In einer aktuellen Pressemitteilung begrüßt der Bund der Deutschen Katholischen Jugend das geplante Gesetz, das die Handschrift der Grünen trägt, als „Meilenstein für die Rechte von queeren Personen und die Gleichstellung der Geschlechter in ihrer Vielfalt“. Als Dachverband der katholischen Kinder- und Jugendverbände setze sich der BDKJ „schon lange in Kirche und Gesellschaft für eine Gleichstellung aller Geschlechter“ ein. „Daher unterstützt der BDKJ-Hauptausschuss die Pläne der Bundesregierung, das diskriminierende Transsexuellengesetz durch ein zeitgemäßes Selbstbestimmungsgesetz zu ersetzen.“

Ein geläufiges Symbol für Transsexuelle kombiniert das Zeichen für Frauen und Männer mit dem Symbol für „nicht-binäre“ Menschen. (Foto: Kwamikagami/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Dass es mehr als zwei Geschlechter gebe oder das Geschlecht generell nur ein soziales Konstrukt sei, ist in der aufgeheizten Debatte über Vielfalt, Gender und vermeintliche Diskriminierung sexueller Minderheiten ein häufig gehörtes Argument. Befürworter begründen so ihre Forderungen nach beliebigem Wechsel des Geschlechts oder Anerkennung „nicht-binärer“ Identitäten. Allein: Es ist Unsinn. Jeder Mensch ist in seinen Keimzellen stets eindeutig männlich oder weiblich. Sogar dann, wenn er im Fall von Intersexualität aufgrund seiner äußerlichen Merkmale nicht eindeutig als Mann oder Frau identifiziert werden kann.

Geschlechter, die nicht existieren

Jene Intersexualität wird politisch und medial nicht selten mit Transsexualität vermengt. Tatsächlich ist sie klar von ihr zu trennen. Transsexualität liegt vor, wenn ein Mann sich als Frau identifiziert oder umgekehrt. Oder mit angeblich weiteren Geschlechtern, die gar nicht existieren. Weit weniger als ein Prozent der Bevölkerung ist Schätzungen zufolge transsexuell veranlagt. Den BDKJ, der nach eigenen Angaben die Interessen von rund 660.000 Jugendlichen in 17 katholischen Verbänden vertritt, ficht das nicht an. Er hält an seiner Unterstützung des Selbstbestimmungsgesetzes fest. Zumindest grundsätzlich. Denn tatsächlich geht ihm das Gesetz nicht weit genug.

Man sehe noch Handlungsbedarf, heißt es in der Pressemitteilung. Dem BDKJ geht gegen den Strich, dass Kinder unter 14 nach dem Entwurf der Ampel-Koalition ihr Geschlecht nicht eigenständig ändern können. Dies sollen nur die Eltern oder Sorgeberechtigten tun können. „Wir sind überzeugt, dass Kinder und Jugendliche unabhängig ihres Alters für sich selbst einstehen und ihre Identität erkennen und vertreten können“, meint BDKJ-Chef Gregor Podschun. Altersgrenzen seien willkürlich gesetzt. „Das Recht auf Selbstbestimmung gilt nicht erst mit 14 oder 18 Jahren, sondern für alle Menschen gleichermaßen und somit auch für alle Kinder und Jugendlichen.“

Der BDKJ-Bundesvorsitzende Gregor Podschun meint, dass Kinder unabhängig von ihrem Alter ihr Geschlecht ändern können müssten. (Foto: BDKJ-Bundesstelle/Mike Nonnenbroich)

Wer das geplante Gesetz kritisch sieht, dem wirft Podschun nicht nur „Stimmungsmache“ vor. Vielmehr handle es sich um „menschenfeindliche Äußerungen“ von rechts und aus „einigen katholischen Kreisen“. „Leider beobachten wir, dass die gesellschaftliche Stimmung in Bezug auf das geplante Gesetz gezielt von trans*feindlichen Positionen und rechten Stimmen beeinflusst wird, die Unbehagen und Ängste schüren sowie Fehlinformationen verbreiten“, sagt der Brandenburger. „Dieser Stimmungsmache und Queerfeindlichkeit stellen wir uns konsequent entgegen.“

Biologische Fakten

Von welchen angeblichen Fehlinformationen er spricht, sagt der BDKJ-Vorsitzende nicht. Der Beschluss des Hauptausschusses erwähnt lediglich als Beispiel, dass das Selbstbestimmungsgesetz nichts mit medizinischen Eingriffen zu tun habe, sondern „lediglich den Personenstand regeln“ solle. Das ist auf dem Papier richtig. Da dies aber nur als Beispiel genannt wird, bleibt zu vermuten, dass der BDKJ womöglich selbst die Nennung grundlegender biologischer Fakten als „Fehlinformation“ zu inkriminieren versucht. Dass es die propagierte Geschlechtervielfalt nämlich nicht gibt. Sondern nur Mann und Frau. Nichts anderes. Und nichts dazwischen.

Thomas Wolf

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Christen in Nahost: Durch Islamisten unterdrückt

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat an das Schicksal christlicher Konvertiten in islamisch geprägten Ländern erinnert. „Das Emirat Katar, Gastgeber der Fußball-WM in der Adventszeit, finanziert und unterstützt radikal-islamistische, sunnitischen Gruppen. Diese unterdrücken, vertreiben oder ermorden überall im Nahen Osten christliche Gläubige und Angehörige anderer religiöser Minderheiten“, erklärt Kamal Sido. Er ist Nahostexperte der GfbV. „Während des Kalten Kriegs war Saudi-Arabien der wichtigste Geldgeber bewaffneter islamistischer Gruppen, Organisationen und Parteien. Diese Rolle hat nun Katar übernommen.“ Das kleine Emirat sorge für das Geld. Der türkische Staat unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan übernehme die Organisation und logistische Unterstützung der sunnitischen Islamisten weltweit.

Menschenrechte auf der Strecke

Die Erfahrungen in Afghanistan haben nach Sidos Ansicht gezeigt, wie verfehlt die Unterstützung radikaler Islamisten durch westliche Regierungen war. „Opfer dieser verantwortungslosen Politik waren vor allem christliche und andere religiöse Minderheiten, sowie unter der Mehrheitsgesellschaft insbesondere Frauen“, erinnert Sido. „Durch die aktuellen geopolitischen Konflikte mit Russland und China erfahren islamistische Staaten wie die Türkei und Katar eine Aufwertung. Westliche Regierungen sind offenbar bereit, die Unterstützung der Taliban in Afghanistan oder der Muslimbrüder in Syrien zu akzeptieren.“ Demokratie, Menschen- und Minderheitenrechte blieben dabei auf der Strecke. Ebenso die Glaubensfreiheit und das Recht der Muslime, ihren Glauben zu wechseln.

Im vorigen Jahr fiel die afghanische Hauptstadt Kabul wieder an die radikalislamischen Taliban. Kamal Sido von der Gesellschaft für bedrohte Völker meint: „Westliche Regierungen sind offenbar bereit, die Unterstützung der Taliban in Afghanistan zu akzeptieren.“(Foto: Voice of America News/gemeinfrei)

Der Iran verfolge Konvertierte massiv, kritisiert die GfbV. Viele junge Menschen suchen auch wegen der Politik des Mullah-Regimes eine religiöse Heimat im Christentum oder im altiranischen Zoroastrismus. „Während das Regime den Zoroastrismus duldet, werden konvertierte Christen brutal verfolgt“, berichtet Sido. „Ihre Gottesdienste, die meist in Privaträumen stattfinden, werden gestürmt und die Teilnehmer verhaftet.“ Im Iran gibt es viele sogenannte Hauskirchen, die nicht selten von Frauen geleitet werden. Die genaue Zahl der Hauskirchen ist unbekannt. Schätzungen zufolge gibt es mindestens 700.000 konvertierte Christen im Iran, die ihren Glauben meist im Untergrund praktizieren.

Pastoren ausgewiesen

In der Türkei wurden seit 2018 insgesamt rund 200 ausländische protestantische Pastoren und deren Familien ausgewiesen, besonders amerikanische Geistliche. Damit will die türkische Regierung nach Darstellung der GfbV die Entstehung regulärer Kirchen verhindern. Die türkischen Behörden sehen in jedem Konvertierten einen Agenten des Westens, heißt es bei der Organisation. Dies sei eine absurde Einstellung. Die Türkei gehört als NATO-Mitglied schließlich selbst zum Westen. Auch in Katar sind christliche Konvertierte besonders gefährdet. Die Behörden erkennen ihren Glaubenswechsel nicht an. Und auch die Familien setzen sie unter großen Druck, zum Islam zurückzukehren.

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Der Papst und der Krieg in der Ukraine

Der russische Botschafter beim Vatikan, Alexander Awdejew, hat Aussagen von Papst Franziskus zum Krieg in der Ukraine empört zurückgewiesen. Das Kirchenoberhaupt hatte zuvor in einem Interview mit dem Magazin „America“ des US-Zweigs der Jesuiten scharfe Kritik an der russischen Kriegführung geäußert und die Invasion vom 24. Februar als „Aggression“ verurteilt. Vor allem tschetschenische und burjatische Soldaten hätten sich als besonders „grausam“ hervorgetan, meint der Papst. Zuletzt war Franziskus in seiner Bewertung des Konflikts immer deutlicher geworden – und kritischer gegenüber Russland. Seine anfangs noch abwägende Haltung hatte ihm den Vorwurf eingebracht, „pro Putin“ zu sein.

Zum Angriff provoziert?

Durch den russischen Einmarsch am 24. Februar eskalierte der jahrelange Bürgerkrieg im Donbass endgültig. Der Papst äußerte mehrfach die Vermutung, das „Bellen der NATO vor Russlands Toren“ könnte Wladimir Putin zum Angriff provoziert haben. Dies löste in der Ukraine und in ihren westlichen Partnerländern heftigen Widerspruch aus. „Der Papst geht dabei ganz offensichtlich von dem seit 2008 auf höchsten diplomatischen Ebenen diskutierten Beitritt der Ukraine zur NATO aus“, analysiert der Münchner Politologe Günther Auth die damalige Aussage des Kirchenoberhaupts. Auth ist Experte für internationale Beziehungen und lehrt an der Ludwig-Maximilians-Universität.

Papst Franziskus bei seinem Besuch in Kasachstan im September. Seine (Foto: Yakov Fedorov/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

„Die forcierte Ausweitung des Bündnisgebiets bis unmittelbar an die Grenze Russlands ignoriert die regelmäßig artikulierten Sicherheitsinteressen Russlands, da in jedem NATO-Mitgliedstaat militärische Anlagen zur Informationsgewinnung und offensiven Kriegführung aufgebaut werden können“, betont Auth. Ein NATO-Beitritt der Ukraine hätte zudem vor 2014 Fragen über die Zukunft des von Russland genutzten Militärhafens in Sewastopol auf der damals noch ukrainischen Krim aufgeworfen. Dieser habe nämlich „eine enorme strategische Bedeutung als Warmwasserhafen“. Auf der anderen Seite kann Auth bei der US-Regierung seit der „einseitigen Kündigung des ABM-Vertrages“ 2002 keine Bereitschaft mehr erkennen, mit Russland über verbindliche Maßnahmen zur Rüstungsbegrenzung, Abrüstung oder Vertrauensbildung zu verhandeln.

Wer auf diese Fakten hinweist, steht nicht automatisch auf russischer Seite. Auch nicht, wer die teils rücksichtslose Kriegführung der Ukraine im Donbass seit 2014 nicht verschweigt. Auch Günther Auth nicht, der den Einmarsch vom 24. Februar durchaus als völkerrechtswidrig einstuft. Und Papst Franziskus schon mal gar nicht. „Pro Putin“ war er nie. Allerdings warnte er davor, den Ukraine-Krieg auf einen Konflikt zwischen Gut und Böse zu reduzieren. Dies berge die Gefahr, dass man das „ganze Drama“ übersehe, sagte der Papst Mitte Mai in einem Interview mit mehreren Jesuiten-Zeitschriften. Ein Drama, „das sich hinter diesem Krieg abspielt, der vielleicht in gewisser Weise entweder provoziert oder nicht verhindert wurde“.

Das „Rotkäppchen“-Schema

Die Weltgemeinschaft möge sich vom „Rotkäppchen“-Schema lösen, forderte Franziskus bei dem Gespräch. Darunter versteht er eine klassische Schwarz-Weiß-Sicht: „Rotkäppchen war gut, und der Wolf war der Bösewicht.“ Eine solche Schwarz-Weiß-Malerei passt laut Papst also nicht auf den Ukraine-Krieg. Zumindest sah er das vor rund einem halben Jahr so. Westliche Politiker hielt diese Mahnung des Oberhaupts von rund 1,3 Milliarden Katholiken nie davon ab, die russische Invasion als etwas abgrundtief Böses zu verurteilen. Und in letzter Konsequenz auch Russland und die russische Kultur zu verdammen. Was liegt da näher, als Putin zum personifizierten Bösen zu erklären, zum Teufel?

Russlands Präsident Wladimir Putin besucht Papst Franziskus im Juli 2019 im Vatikan. (Foto: Kremlin.ru/CC BY 4.0 via Wikimedia Commons)

Zuletzt hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sich keinerlei Zurückhaltung auferlegt. Mit der Bombardierung der Infrastruktur in der Ukraine habe Russland erneut Kriegsverbrechen begangen, sagte Baerbock gestern. „Wir erleben auf brutale Art und Weise, dass der russische Präsident jetzt Kälte als Kriegswaffe einsetzt, ein brutaler Bruch nicht nur mit dem Völkerrecht, sondern mit unserer Zivilisation“, meint Baerbock. „Zivilisationsbruch“ – dabei denkt man hierzulande meist an Auschwitz und den Holocaust. Eine bewusste Provokation? Die gezielten Angriffe der NATO auf die zivile Infrastruktur in Jugoslawien 1999 jedenfalls haben nicht ansatzweise eine solche Kritik hervorgerufen.

Der Vatikan als Vermittler

So weit wie die deutsche Außenministerin geht Papst Franziskus nicht. Trotzdem wird seine Kritik am russischen Vorgehen lauter. Immer mehr nähert er sich darin Positionen der westlichen Politik an. Zunächst vermied er es noch, die einmarschierenden russischen Truppen beim Namen zu nennen. Jetzt geht die „Aggression“ für Franziskus klar von Russland aus. Vom „Bellen der NATO“ ist längst keine Rede mehr. Trotzdem bringt der Papst den Vatikan nach wie vor als Vermittler in Stellung. Das Angebot, eine entsprechende Plattform für Gespräche zwischen Russland und der Ukraine zur Verfügung zu stellen, begrüßte der Kreml Anfang der Woche zwar. Aber: „In der aktuellen De-facto- und De-jure-Situation kann die Ukraine solche Plattformen nicht akzeptieren“ betonte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.

Thomas Wolf

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Kommentar

Das Unrecht der vergangenen Weihnacht

Es ist alles wieder normal, so scheint es. In vielen Städten sind die Buden und Christbäume der Christkindl- oder Weihnachtsmärkte bereits aufgebaut. An manchen wird sogar schon vor dem offiziellen Adventsbeginn Glühwein ausgeschenkt. „Es ist wieder Normalität eingekehrt nach zwei Jahren Corona-Zwangspause“ freuen sich Menschen in den Berichten der Medien und gehen über das Verbrechen des vergangenen Jahres mit einem großen gleichgültigen Satz hinweg.

Viele Menschen freuen sich, dass die Weihnachtszeit in diesem Jahr weitgehend ohne Corona-Einschränkungen ablaufen dürfte. Wer im Advent 2021 als Ungeimpfter Opfer von Ausgrenzung und Diskriminierung wurde, denkt womöglich anders über die besinnliche Zeit. (Foto: Pixabay)

Nach einem langen Hin und Her waren die Christkindlmärkte im Spätherbst 2021 in vielen Städten und Gemeinden schließlich doch untersagt worden. Begründet wurde dies mit hohen Inzidenzen, die trotz vorangeschrittener Zahlen an Geimpften viel höher waren als 2020, und der als zu niedrig eingestuften Zahl an Impfwilligen. Wie Mahnmale zeigten die halb aufgebauten Stände auf den Rathaus- und Kirchplätzen der Republik auf die Gruppe der Ungeimpften, die von Politik und Medien als Schuldige hingestellt wurden und von zu vielen Menschen auch so gesehen wurden. „Wegen dir können wir nicht wie jedes Jahr Glühwein trinken“, hörten zahlreiche Menschen auf der Arbeit Beruf, im Freundeskreis und selbst in der Familie.

Weithin praktizierte Ausgrenzung

Statt zusammenzurücken, familiärer Besinnlichkeit und Hilfe für gesellschaftlich Benachteiligte, wurde mit jubelnder Billigung der Gesellschaft ausgegrenzt oder zur weithin praktizierten Ausgrenzung zumindest geschwiegen. Es wurde zugesehen, wie um die Märkte, die ausnahmsweise an manchen Orten doch stattfinden durften, Gatter gezogen wurden, die Ungeimpfte oder „Getestete“ aussperren sollten. Es wurde geschwiegen, als Security-Personal vor Ein- und Ausgängen platziert wurde, das akribisch Impf- und Genesenen-Nachweise und QR-Codes überprüfte. Wer diese nicht hatte, wurde fortgeschickt.

In diesem Advent dürften die Christkindl- und Weihnachtsmärkte wieder voll werden. 2021 fanden sie entweder gar nicht statt, wurden abgebrochen – oder es galten Zugangsverbote für Ungeimpfte. (Foto: Pixabay)

Es wurde geschwiegen, als farbige Bänder zur Kennzeichnung der beiden Gruppen vergeben wurden. Doch nicht nur das: Es wurde sogar ehrfürchtig als fortschrittliche Innovation begrüßt – wie eine Urkunde beim Sportwettkampf. Und wer doch Kritik aussprach, tat das leise – mit einem Blick nach links und zwei nach rechts. Denn dieser politischen Richtung wollte man nicht zugeordnet werden. Es wurde weggesehen und gehorcht, als auch noch das Verbot kam, als Geimpfter Ungeimpften Speisen zu kaufen und zu überreichen. Barmherzigkeit und Schenken erhielten so eine ganz neue, fatale Bedeutung. 

Ungeimpfte ausgeladen

Ebenso lief es in den Kirchen. Auch hier war man fast stolz, die neuen Aussätzigen mit dem „falschen“ Impfstatus zu identifizieren und des Gotteshauses zu verweisen. Desinfektionsmittel ersetzte das Weihwasser – zum ganzen Stolz mancher Geistlicher. Statt dem Friedensgruß ein böser Blick und ein Verweis auf 3G, nachdem 2G vielerorts dann doch abgelehnt worden war. Auch in privaten Haushalten gab es Begrenzungen. Nicht selten wollte die liebe Verwandtschaft selbst Nachweise sehen. Oder lud auf Anraten mancher Medien die Ungeimpften gleich ganz aus.

Manch ein Ungeimpfter, der im vergangenen Jahr von der familiären Weihnachtsfeier ausgeschlossen war, dürfte diesmal beim Blick auf die Geschenke unterm Christbaum unangenehme Erinnerungen verspüren. (Foto: Pixabay)

„Nach zwei Jahren Corona-Zwangspause endlich wieder Normalität.“ Nein, was im vergangenen Jahr geschah, war ganz und gar nicht normal. Ausgerechnet in der besinnlichen Weihnachtszeit, in der Familie und Nächstenliebe im Vordergrund stehen sollten, wurde gespalten. Die Opfer können das weder vergessen noch einfach so darüber hinweggehen. Viele werden in diesem Jahr Stiche spüren. Beim Blick auf weihnachtlich dekorierte Christkindlmärkte, auf Geschenke, wenn der Finger in den Weihwasserkessel eintaucht, bei der Weihnachtspredigt und am Familientisch.

Das Unrecht aufarbeiten

Das muss aufgearbeitet werden. Auch und gerade in den Familien. Mit Verständnis und mancher Entschuldigung. Und indem man hinterfragt, warum man selbst so gehandelt hat. Warum man ausgegrenzt und verurteilt hat. Und man muss überlegen, wie man einem derartigen Unrecht an seinen Mitmenschen künftig begegnen kann. Dann kann Weihnachten kommen.

Felicitas Nowak

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Syrien: „Schlimmer als während des Krieges“

2011 eskalierten die Proteste gegen die Regierung von Syriens säkularem Präsidenten Baschar al-Assad zum blutigen Bürgerkrieg. Islamistische Gruppierungen, die nicht selten von der Türkei oder Katar oder sogar vom Westen unterstützt wurden, bemächtigten sich ganzer syrischer Regionen und töteten oder vertrieben Zigtausende, darunter viele Christen. Heute, mehr als zehn Jahre nach Beginn der Mordens, ist in weiten Teilen des Landes die heiße Phase der Kämpfe vorbei. Nach Ansicht der Ordensschwester Annie Demerjian ist die Lage aber „schlimmer als während des Krieges, was die wirtschaftliche Situation und den Alltag der Menschen angeht“. Das sagte Demerjian in einem Interview mit dem katholischen Hilfswerk „Kirche in Not“.

Kinder beten im syrischen Ost-Ghouta vor der Ikone „Unsere Liebe Frau von den Schmerzen, Trösterin der Syrer“. (Foto: Kirche in Not)

In einigen Landesteile seien auch nach elf Jahren des Bürgerkriegs noch immer islamistische Milizen wie der „Islamische Staat“ oder Nachfolge-Organisationen der al-Qaida-nahen Al-Nusra-Front aktiv, beklagt Demerjian. Dort werde nach wie vor gekämpft. In den anderen Landesteilen fielen zwar keine Bomben mehr, „aber das Leben ist nicht friedlich. Es gibt keinen geregelten Alltag, denn unser Volk kämpft jeden Tag ums Überleben“. Demerjian gehört der Gemeinschaft der „Schwestern Jesu und Mariens“. Zusammen mit ihren Mitschwestern betreut sie kirchliche Hilfseinrichtungen in Syrien und im benachbarten Libanon.

Die Lage der Infrakstruktur sei vielerorts desolat, sagt die Ordensfrau: Viele Menschen hätten nur ein bis zwei Stunden am Tag Strom, die Wasserversorgung sei unterbrochen. Die Löhne könnten mit den enorm gestiegenen Preisen nicht mithalten: „Ein Familienvater in Aleppo verdient durchschnittlich umgerechnet um die 30 Euro. Allein die Miete beträgt aber 40 bis 50 Euro, in der Hauptstadt Damaskus sogar noch mehr. Wie soll das funktionieren?“ Viele Menschen seien der Situation überdrüssig. Die Auswanderungswelle, mit der Syrien seit Jahren zu kämpfen hat, setze sich fort.

Kritik an Sanktionen

Scharf kritisiert die Ordensfrau die Sanktionen, die die Europäische Union und die US-Regierung nach Beginn der Unruhen gegen Syrien verhängten: „Sie treffen das einfache Volk und machen uns das Leben sehr schwer. Ich verstehe die Länder nicht, die von Menschenrechten reden und Sanktionen gegen das Leben der Menschen verhängen.“ Die Kirche versuche, die schlimmsten Nöte zu lindern und weitere Auswanderungen zu stoppen, erklärt Schwester Annie. Sie schätzt, dass im Vergleich zur Zeit vor dem Bürgerkrieg nur noch etwa ein Drittel der Christen in Syrien geblieben seien.

Die Kirche versucht, den Syrern mit Suppenküchen zu helfen. (Foto: Kirche in Not)

Das Engagement von Schwester Annies Gemeinschaft erstreckt sich deshalb auch auf den Libanon, wo sich nach wie vor viele syrische Flüchtlinge aufhalten. Im syrischen Aleppo konzentriert sich die Hilfe auf rund 300 mittellose Familien. Die Ordensfrauen leisten Beihilfen für die Miete und versorgen die Menschen mit Lebensmitteln und Medikamenten. Diese seien nach wie vor ein besonders rares Gut, erzählt Demerjian: „Ich weiß von vielen Menschen, dass sie ihre Medikamente nur alle paar Tage einnehmen. Sie strecken sie, damit sie möglichst lang den Bedarf decken können.“ 

Traumatisierte Kinder

Für traumatisierte Kinder bieten die Ordensfrauen Musik- und Kunsttherapien an. „Das Trauma, das unsere Kinder erlitten haben, ist sehr stark, besonders bei denen, die während des Krieges geboren wurden“, sagt Schwester Annie. Ein weiteres Augenmerk liege auf dem Bereich Arbeit und Bildung. In der christlich geprägten Kleinstadt Maalula im Südwesten Syriens nahe der libanesischen Grenze hat die Gemeinschaft eine Nähwerkstatt aufgebaut, in der über 20 Frauen Arbeit und Lohn finden. Während des Kriegs war Maalula zeitweise von dschihadistischen Kämpfern besetzt.

Schwester Annie Demerjian (links) mit Frauen in der Nähwerkstatt der christlichen Siedlung Maalula. (Foto: Kirche in Not)
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Im Blickpunkt

Waffenhilfe statt Lebensschutz?

Die Kirche hat ein Problem. Der Krieg in der Ukraine bringt die katholischen und evangelischen Christen in Deutschland ebenso in ein ethisch-moralisches Dilemma wie die Gesellschaft insgesamt. Soll die Bundesrepublik Waffen an Kiew liefern? Befürworter argumentieren, der militärische Beistand sei nötig, ja sogar Pflicht, um die Ukraine in ihrer Selbstverteidigung gegen einen ansonsten womöglich übermächtigen Feind zu unterstützen. Zugleich ziehen westliche Waffenlieferungen den Krieg in die Länge – und damit das Leiden und Sterben der Zivilbevölkerung. Ist es also zugespitzt formuliert gerechtfertigt, für die Sicherung oder Rückgewinnung ukrainischen Territoriums unzählige Menschenleben zu opfern?

Kein „Heiliger Krieg“

Für die Kirchen gehört der Schutz des Lebens zu den zentralen Aussagen der christlichen Botschaft. Von der Lehre eines „Heiligen Krieges“ hat sich die Theologie längst verabschiedet. Stattdessen steht die Forderung nach Frieden und Versöhnung im Zentrum der kirchlichen Lehre. Papst Franziskus hat das gerade erst wieder bei seinem Besuch im muslimischen Insel-Königreich Bahrain deutlich gemacht. Es gelte, sagte das Kirchenoberhaupt, „die Spirale der Rache zu durchbrechen, die Gewalt zu entwaffnen, das Herz zu entmilitarisieren“. Den russischen Einmarsch in der Ukraine hat der Papst stets klar verurteilt. Doch betont er seit Monaten die Notwendigkeit des friedlichen Dialogs der Kriegsparteien. Das hat ihm sogar den Vorwurf eingebracht, er sei „pro Putin“.

Papst Franziskus bei seinem Besuch in Kasachstan im September. Kritiker werfen dem katholischen Kirchenoberhaupt vor, er sei „pro Putin“. (Foto: Yakov Fedorov/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Die kirchliche Diskussion hierzulande sieht anders aus. Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und damit oberste Repräsentantin der Protestanten, Annette Kurschus, äußerte auf der jüngsten Sitzung des Kirchenparlaments, der Synode, Verständnis für westliche Waffenlieferungen. „Waffen helfen, sich zu wehren und zu verteidigen, sie können Leben retten. Das ist sehr viel.“ Zugleich schränkte Kurschus ein und machte damit das Dilemma deutlich: „Waffen allein schaffen aber keinen Frieden.“ Ergänzend müsse dringend der Weg für einen Waffenstillstand gesucht werden.

„Terrorartiges Morden“

Der Berliner evangelische Bischof Christian Stäblein sieht dieses Dilemma offenbar weniger. Er betonte im Oktober im RBB-Hörfunk, die Ukraine müsse unterstützt werden. Es sei „nicht richtig, zuzuschauen, wie Menschen einem terrorartigen Morden durch Raketen ausgesetzt werden“, sagte der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Er bezog sich damit auf die Zunahme russischer Luftschläge gegen ukrainische Städte nach dem Sprengstoff-Anschlag auf die Krim-Brücke über die Straße von Kertsch. Wo Unrecht geschehe, ob in der Ukraine, ob im Iran oder in den eigenen Reihen, begründete Stäblein, seien Haltung und Einmischung gefragt.

Der Landesbischof von Mitteldeutschland, Friedrich Kramer, predigt im Magdeburger Dom. Waffenlieferungen an die Ukraine lehnt der Friedensbeauftragte der EKD ab. (Foto: JWBE/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Während also Kurschus und Stäblein Waffenlieferungen begrüßen, zeigt Friedrich Kramer, wie uneins die Evangelische Kirche in der Frage ist. Der Friedensbeauftragte der EKD machte zum Auftakt der Synoden-Tagung seine ablehnende Haltung deutlich. „Müssen wir nicht um der Gerechtigkeit und Nächstenliebe willen helfen? Das ist klar“, sagte der Landesbischof von Mitteldeutschland beim Eröffnungsgottesdienst der Synode im Magdeburger Dom. „Aber auch mit Waffen? Ich sage Nein.“ Statt Milliarden für die Rüstung auszugeben, soll die Gesellschaft nach Kramers Ansicht ihr Augenmerk auf die Bedürfnisse der Armen und Schwachen richten. „Mit der Hälfte allein der deutschen Rüstungsausgaben ließe sich der stark gestiegene Hunger in der Welt eindämmen.“

Waffenlieferungen „grundsätzlich legitim“

Unser Portal fragte die Pressestellen der 27 katholischen Bistümer und Erzbistümer in Deutschland, wie die katholische Kirche zu Waffenlieferungen an die Ukraine steht. Nur eine Minderheit antwortete. Die meisten Rückmeldungen verweisen auf eine Erklärung, die die Deutsche Bischofskonferenz im März auf ihrer Frühjahrs-Vollversammlung in Vierzehnheiligen verabschiedet hat. „Rüstungslieferungen an die Ukraine, die dazu dienen, dass das angegriffene Land sein völkerrechtlich verbrieftes und auch von der kirchlichen Friedensethik bejahtes Recht auf Selbstverteidigung wahrnehmen kann, halten wir deshalb für grundsätzlich legitim“, heißt es darin. „Es ist denjenigen, die die Entscheidung zu treffen haben, aber aufgetragen, präzise zu bedenken, was sie damit aus- und möglicherweise auch anrichten.“

Die Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz fand im März im oberfränkischen Vierzehnheiligen statt. Hier verabschiedeten die katholischen Bischöfe die Ukraine-Erklärung „Der Aggression widerstehen, den Frieden gewinnen, die Opfer unterstützen“. (Foto: Schubbay/Derivative work MagentaGreen/CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)
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Im Blickpunkt

Wo die Wurzeln des Reformators liegen

Martin Luther ist so etwas wie der Superstar der Reformation. Hätte er nicht am 31. Oktober 1517 seine berühmten 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg genagelt – die deutsche Geschichte wäre womöglich anders verlaufen. Wie kein anderer prägte der abtrünnige Augustinermönch Luther den religiösen Neubeginn im deutschsprachigen Raum. Mit keinem anderen Ort ist sein Name so eng verbunden wie mit der „Lutherstadt“ Wittenberg an der Elbe. Bestenfalls die Wartburg im thüringischen Eisenach, wo der Reformator die Bibel ins Deutsche übersetzte, kann Wittenberg das Wasser reichen. Luthers Wurzeln aber liegen woanders: im Mansfelder Land am Rande des Harzes.

Das Lutherdenkmal auf dem Marktplatz von Eisleben. Im Hintergrund: das Rathaus der Lutherstadt (links) und der Turm der Andreaskirche. (Foto: FB)

In Eisleben ist es schier unmöglich, Luther aus dem Weg zu gehen. Auf jedem Gully-Deckel prangt sein Name. Museen sind ihm gewidmet, Kirchen erinnern an sein Wirken. Ein „Lutherweg“ führt von Wirkungsstätte zu Wirkungsstätte. Von Häuserfassaden und vom Straßenboden grüßen Luther-Zitate. Vermutlich würde es den Besucher kaum verwundern, wenn der Reformator quicklebendig um die Ecke käme. In dem kleinen Städtchen in Sachsen-Anhalt, das wenig mehr als 20.000 Einwohner zählt, ist Luther allgegenwärtig. Hier wurde er 1483 geboren. Und hier starb er auch 1546 mit 62 Jahren. Seit 1946, seit Luthers 400. Todestag, nennt Eisleben sich daher stolz wie Wittenberg: „Lutherstadt“.

Stolz und entschlossen

Auf dem Marktplatz steht Eislebens berühmtester Sohn, dem Rathaus den Rücken gekehrt, stolz, entschlossen und trotzig, die päpstliche Bannbulle in der rechten und die Bibel in den linken Hand. Seit 1883 steht der mächtige Bronze-Luther auf dem Markt. Das Denkmal schuf der preußische Bildhauer Rudolf Siemering. Den Sockel aus Granit zieren drei Reliefs, die Luthers Leben und Wirken illustrieren: der Reformator im Kreise seiner Familie, die Disputation mit dem papsttreuen Kontrahenten Johannes Eck, die Bibelübersetzung auf der Wartburg. Ein viertes Relief steht für den Sieg des Guten über das Böse.

Martin Luther auf einem Porträt aus der Werkstatt des Malers Lucas Cranach des Älteren. (Foto: gemeinfrei)

Nach Jahrzehnten der atheistisch geprägten DDR-Herrschaft und Jahren der Säkularisierung gehört heute nur noch rund jeder siebte Einwohner von Eisleben einer der beiden großen christlichen Kirchen an. Ihren Luther aber kann der Stadt keiner nehmen. Selbst die DDR-Oberen störten sich an seiner Frömmigkeit nicht und erkoren ihn spätestens zum Lutherjahr 1983 zu einer Art Vorläufer des Sozialismus. Das hatten sie zuvor bereits – etwas zutreffender – mit Thomas Müntzer gemacht. Der radikale Prediger war zeitweise Luthers Mitstreiter, dann aber sein erbitterter Kritiker. Als Führer aufständischer Bauern unterlag er 1525 bei Bad Frankenhausen in Thüringen einem verbündeten Fürsten-Heer, wurde festgenommen, brutal gefoltert und hingerichtet. Die DDR verehrte Müntzer als deutschen Nationalhelden.

Kein Schritt ohne Luther

Kaum ein Ort in der damaligen DDR, der etwas auf sich hielt, kam ohne Thomas-Müntzer-Straße aus. In Eisleben dagegen lässt sich kein Schritt gehen, ohne Luther zu begegnen. In den Schaufenstern der Geschäfte prangt sein Antlitz auf Büchern, Touristenführern und Spirituosen. Von Straßenschildern und Wegweisern grüßt sein Name. Ein Gymnasium, das auf Luther selbst zurückgeht, ist nach ihm benannt. Bei körperlichen Beschwerden hilft ein Gang zur Luther-Apotheke. Und für das leibliche Wohl sorgt der Wirt der Lutherschenke. Das Gasthaus wirbt mit einer jener deftigen Aussagen, für die Luther schon zu Lebzeichen berüchtigt war: „Ich fresse wie ein Böhme und saufe wie ein Deutscher.“

Hinter Eislebens Rathaus ragen die Türme der spätgotischen Andreaskirche in die Höhe. Von ihrer Kanzel, die natürlich auch nach dem Reformator benannt ist, hielt Luther seine vier letzten Predigten. Nur wenige Schritte von dem Gotteshaus entfernt starb er am 18. Februar 1546. Sein „Geburtshaus“ – natürlich in der Lutherstraße gelegen – ist eines der ersten Museen der Welt. 1693 wurde das Haus errichtet, um protestantische Pilger und Luther-Fans anzulocken. Luthers wahres Geburtshaus war 1689 abgebrannt. Der Museumsbau hat nach Ansicht von Historikern kaum eine Ähnlichkeit zu dem ursprünglichen Gebäude.

Schloss Mansfeld war einst das Zentrum einer Grafschaft, deren Herrscher zu den ältesten Adelshäusern des Heiligen Römischen Reichs zählten. (Foto: FB)

Das Mansfelder Land, die hügelreiche Region um und bei Eisleben, ist echtes Lutherland. Nur rund zehn Kilometer nordwestlich des Geburtsortes des Reformators liegt eine weitere „Lutherstadt“, die noch dazu ihrer ganzen Umgebung den Namen gegeben hat: Mansfeld. Im Mittelalter war das Städtchen Hauptort einer Grafschaft, deren Herrscher zu den ältesten Adelshäusern des Heiligen Römischen Reichs zählten. Das mächtige Schloss der Grafen von Mansfeld, eine der größten Burgen Mitteldeutschlands, kündet noch von der einstigen Bedeutung des Ortes. Auf einem steilen Felsen thront es hoch droben über dem Stadtkern.

Kindheit in Wohlstand

In der Lutherstraße Nr. 26 in Mansfeld verbrachte der kleine Martin ab 1484 seine Kindheit. Am Wohnhaus seiner Eltern erinnert eine Plakette, die auf der Giebelseite in die Fassade eingelassen ist, von der Sanierung des Hauses anlässlich des 500. Geburtstags des Reformators. 1983 war das. Luther wurde damals von der DDR vereinnahmt. Auf der anderen Straßenseite fällt der Blick auf einen Betonklotz, der überhaupt nicht in die Reihe der alten Bauten passen will. Das „Museum Luthers Elternhaus“ widmet sich der Kindheit des späteren Bibelübersetzers. Einer Kindheit übrigens, in der es dem kleinen Martin durchaus nicht schlecht ging. Vater Hans (1459–1530) gehörte als Besitzer von Erzgruben zu den reicheren Bürgern Mansfelds.

Luthers Elternhaus in Mansfeld. Hier wuchs der spätere Reformator auf. (Foto: FB)

„Ich bin ein Mansfeldisch Kind“, sagte Luther und blieb der Stadt bis zu seinem Tode verbunden. Wie in Eisleben, so ist er auch hier unübersehbar. Ein paar Schritte hinter dem Elternhaus erinnert ein altes Schaufenster an das Reformationsjubiläum 2017. In Mansfeld ging Martin zur Schule, lernte Lesen, Schreiben, Rechnen, Singen und Latein. Die Stadtinformation ist heute in jener „Lutherschule“ untergebracht. Gleich daneben liegt die Kirche St. Georg. Hier war Luther Ministrant. Ein Bild von ihm, das vermutlich der Schule des Malers und Luther-Freunds Lucas Cranach entstammte, war hier zu sehen. Bis es im 19. Jahrhundert übermalt wurde.

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Kommentar

Wasser predigen und Wein trinken?

Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann rät den Deutschen, sich mit dem Waschhandschuh zu waschen statt zu duschen. Auch Strom- und Energiespartipps von dem offenbar völlig überforderten Wirtschaftsminister Robert Habeck haben im Internet traurige Berühmtheit erlangt. Von vielen Bundesbürgern werden sie angesichts einer Krise, die zum Gutteil von der Regierung selbstverschuldet ist, zu Recht als Hohn begriffen. Nun ruft auch die Kirche in Gestalt des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz die Deutschen zum Verzicht auf.

Bischof Georg Bätzing (Mitte), der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, bei einem Gottesdienst. (Foto: Christian Pulfrich/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

„Gerade wir hier im reichen Norden und Westen müssen zu einem anderen Lebensstil finden“, sagte der Limburger Bischof Georg Bätzing bei der Eröffnung der Herbstvollversammlung der Bischofskonferenz in Fulda. „Der kommende Herbst und Winter wird da aufgrund der Energiekrise ein realistisches Übungsfeld werden. Werden wir es durch Konsumverzicht und gelebte soziale Verantwortung schaffen, als Gesellschaft zusammenzuhalten, füreinander zu sorgen und nicht denen das Feld zu überlassen, die mutwillig Spaltungen provozieren und es darauf anlegen, unsere Demokratie zu destabilisieren?“

Kein „Weiter so!“

Wer insgeheim denke, man werde schon irgendwie ohne große Einschnitte im eigenen Wohlstand über die Runden kommen, der irre sich. Ein einfaches „Weiter so!“ sei höchst gefährlich. Zu lange schon sei die Begrenztheit der Erde verbissen ignoriert worden. „Wenn wir so weitermachen wie bisher, werden wir keine Zukunft haben“, warnte Bätzing. Das mag im Kern nicht mal falsch sein, klingt aber nicht anders als die Horrorszenarien der „Fridays for Future“ und anderer Weltuntergangs-Propheten. Und angesichts der Energiekrise ist es gleich doppelt problematisch.

Gerade die Kirche sollte vorsichtig sein mit solchen Ratschlägen. Seit Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten werfen ihr Kritiker vor, sie horte Reichtum. Tatsächlich dürfte die Institution Kirche zu den größten Grundbesitzern in Deutschland gehören. Schnell ist da der Vorwurf zur Stelle, die Kirche predige Wasser und trinke selbst Wein. Und das nicht einmal zu Unrecht! Auch wenn die Immobilien der Bistümer natürlich häufig jahrhundertealte Gotteshäuser und soziale Einrichtungen sind.

Den Mantel geteilt

Ermahnungen, die letztlich nur die „Tipps“ der Regierenden nachbeten, sind fehl am Platze. Sie verschärfen die gesellschaftliche Spaltung und liefern keine Lösung für die Krise. Bätzing und seine Amtskollegen sollten sich vielmehr darauf besinnen, was die irdische Kernkompetenz von Kirche ist: tatkräftige Hilfe und Solidarität für Menschen in Not. Durchaus auch unter Einsatz eigener Mittel. Der heilige Martin hat dem Bettler vor den Toren der Stadt im tiefsten Winter schließlich auch nicht gesagt, er müsse halt den Gürtel enger schnallen. Sondern er teilte seinen Mantel mit ihm, sodass er nicht erfrieren musste.

Statt nutzloser Ermahnungen ein Zeichen gelebter Nächstenliebe: Der heilige Martin von Tours teilt den Mantel mit einem Bettler. (Foto: Gebhard Fugel/gemeinfrei)

Die Kirchenführer sollten auch nicht vergessen, wofür jener Mann steht, der die Kirche vor 2000 Jahren begründet hat: Jesus Christus. Der Mann aus Nazareth wuchs in der Familie eines erfolgreichen Zimmermanns auf und gehörte damit bestimmt nicht zu den Ärmsten. Als Prediger war er stets unangepasst, ließ sich nicht den Mund verbieten und ergriff mutig Partei für die Schwachen und Unterdrückten. Damit machte er sich die Mächtigen seiner Zeit zum Feind – statt ihnen nach dem Maul zu reden.

Den Regierenden Paroli bieten

Das sage nicht nur ich – das sagt auch einer, der sich damit auskennt: Benediktinerpater Notker Wolf. Für ihn ist Jesus Christus das beste Beispiel für einen Menschen, der sich gegen die politische Korrektheit auflehnt. Und den Regierenden Paroli bietet. Die Kirche des Jahres 2022 könnte sich mehr als nur ein Scheibchen davon abschneiden.

Thomas Wolf