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Im Blickpunkt

Klima-Geschichte(n) und ein vergessener Vulkan

„So heiß wie seit mindestens 125.000 Jahren nicht“, titelt die Tagesschau. Gemeint ist damit eine Schätzung (!) des europäischen Klimawandeldiensts „Copernicus Climate Change Service“, wonach der vergangene Oktober weltweit im Schnitt 1,7 Grad wärmer war als vor Beginn der Industrialisierung. „Der Rekord wurde um 0,4 Grad Celsius gebrochen, was eine enorme Marge ist“, sagt Samantha Burgess, die stellvertretende Copernicus-Direktorin. An der Meeresoberfläche seien so hohe Temperaturen gemessen worden wie noch nie in einem Oktober.

Die Erde brennt: So in etwa stellen sich manche Menschen die „Klimahölle“ vor, in die sich der Planet nach Ansicht mancher Panikmacher durch die globale Erwärmung verwandelt. (Foto: Pixabay)

Schon im Juni hat die Erde erstmals im Sommer die Schwelle eines 1,5-Grad-Temperaturanstiegs gegenüber dem 19. Jahrhundert überschritten. Diese Schwelle, erläuterte damals der „Focus“, „ist deshalb bedeutsam, weil sich die Weltgemeinschaft bei der Pariser Klimakonferenz im Jahr 2015 darauf geeinigt habe, die Erderwärmung bis zum Jahr 2100 auf maximal 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen“.

Umstrittene Interpretation

Bei Copernicus geht man noch weit über solche Aussagen hinaus. Und das, obwohl der EU-Einrichtung lediglich Wetterdaten seit den 1940er Jahren vorliegen. „Wenn wir unsere Daten mit denen des IPCC kombinieren, können wir sagen, dass dies das wärmste Jahr der vergangenen 125.000 Jahre ist“, meint Vize-Direktorin Burgess. Der sogenannte „Weltklimarat“ IPCC greift laut der Erläuterung im Tagesschau-Beitrag auf Messwerte zurück, die auf der Auswertung von Eisbohrkernen, Baumringen und Korallen-Ablagerungen basieren. Genau deren Interpretation ist aber umstritten.

Seit Beginn der Industrialisierung steigen die globalen Temperaturen. Dem gängigen politisch-medialen Narrativ zufolge ist dies im Wesentlichen menschengemacht und liegt am steigenden Anteil des Kohlendioxids in der Atmosphäre. (Foto: gemeinfrei)

Andere Forscher gehen davon aus, dass der Nullpunkt der Klima-Diskussion, also der Beginn der Industrialisierung, der kälteste Zeitpunkt der zurückliegenden 10.000 Jahre ist. Seit Ende der letzten großen Eiszeit. Soweit muss man freilich nicht gehen. In jedem Fall aber liegt jener Bezugspunkt am Ende der sogenannten „Kleinen Eiszeit“. Sie dauerte mit wechselnder Intensität vom ausgehenden Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert hinein an. Die Temperaturen lagen damals merklich unter denen des 20. Jahrhunderts, aber auch unter denen früherer Epochen wie Hochmittelalter oder klassische Antike.

Der Mensch ist schuld

Schuld an den vermeintlichen oder tatsächlichen Temperatur-Rekorden des Jahres 2023 sind laut dem Tagesschau-Beitrag – wie könnte es anders sein – die Kohlendioxid-Emissionen des Menschen. Dazu passend liefert ein zweiter Beitrag sogleich eine weitere Anklage an die Adresse der Befürworter fossiler Brennstoffe. Das Ziel der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad sei „mit den geplanten Fördermengen an Kohle, Öl und Gas kaum zu erreichen“, heißt es mit Verweis auf einen Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP). Die globale Öl- und Gasförderung verschärfe die Klimakrise.

Bilder des Wettersatelliten GOES-17 zeigen den Ausbruch des Hunga Tonga am Abend des 15. Januar 2022. Die Einzelbilder wurden in einem Abstand von rund 30 Sekunden aufgenommen. (Foto: U.S. National Oceanic and Atmospheric Administration)

Kein Wort liest man dagegen vom untermeerischen Vulkan Hunga Tonga-Hunga Ha’apai im Pazifik. Dessen Mega-Eruption im Januar 2022 löste nicht nur einen Tsunami aus, verwüstete den Insel-Staat Tonga und störte die Satelliten-Kommunikation. Sie schleuderte auch enorme Mengen an Wasserdampf in die Atmosphäre. Der Ausbruch war nach Analysen von Vulkanologen eine der stärksten jemals gemessenen Eruptionen. Die Explosionsstärke war weit stärker als alle jemals durchgeführten Kernwaffentests und in etwa vergleichbar mit dem Ausbruch des Krakatau 1883. Jene Groß-Eruption führte auf der Nordhalbkugel zu einer um etwa 0,5 bis 0,8 Grad kühleren Temperatur.

Untypisch für einen Vulkan

Anders der Hunga Tonga. Experten zufolge erhöht die enorme Menge des in die Atmosphäre geschleuderten Wasserdampfs die globalen Temperaturen auf Jahre hinaus. Zwei Wochen nach der Eruption überwog der das Klima erwärmende Effekt der mehr als 100 Megatonnen Wasserdampf in der Stratosphäre den kühlenden Effekt der Schwefelaerosole. Eine Studie kam 2023 zu dem Schluss, dass der Wasserdampf „vermutlich und für einen großen Vulkanausbruch untypisch“ zu einem vorübergehenden globalen Temperaturanstieg führen werde. Auf mehr als 1,5 Grad gegenüber dem Beginn der Industrialisierung. 

Die Aschewolke vom Ausbruch des Hunga Tonga verdunkelt am 16. Januar 2022 Teile der Erdatmosphäre. Ausgenommen wurde das Bild von der Raumstation ISS. (Foto: NASA/Kayla Barron)

Andere Wissenschaftler meinen zwar, das der abkühlende Effekt der Aerosole überwogen und im Sommer 2022 sogar eine leichte Abkühlung verursacht habe. Die Gesamtmenge an Schwefeldioxid aber, die durch die Eruption in die Atmosphäre gelangte, wird auf nur 0,4 Megatonnen geschätzt. Ein fühlbarer Einfluss auf das Klima wäre laut Atmosphären-Forschern aber erst ab fünf Megatonnen zu erwarten. „Was die wahrscheinlichen Auswirkungen auf das Klima betrifft“, sei der Ausbruch des Hunga Tonga „einem Dutzend anderer Eruptionen in den letzten 20 Jahren nicht unähnlich“, erklärt Brian Toon von der University of Colorado.

Mehr Extrem-Wetter?

Davon liest man bei der Tagesschau nichts. Stattdessen dies: „Der Klimawandel führt zu Extremereignissen.“ Dazu gehörten laut dem Flaggschiff der öffentlich-rechtlichen Nachrichten-Vermittlung in diesem Jahr Überschwemmungen in Libyen, die Tausende Menschen töteten, heftige Hitzewellen in Südamerika und die schlimmste Waldbrandsaison, die Kanada je erlebt hat. Die tödlichen Fluten wurden indes nicht durch den Klimawandel oder steigende Temperaturen ausgelöst. Sondern durch den Bruch zweier veralteter Staudämme, deren mangelnde Widerstandskraft gegen Hochwasser Experten bekannt war und die zudem nur unzureichend gewartet wurden.

Die Fluten in Libyen hinterließen zahlreiche zerstörte Gebäude. (Foto: Mchs.gov.ru / CC BY 4.0 via Wikimedia Commons)

Auch verursacht eine mögliche Erderwärmung keine Waldbrände. Auch wenn dies gut ins medial transportierte Bild von der Klima-Hölle passen würde. Bestenfalls können Dürre und Trockenheit dazu beitragen, dass ein entstandener Brand mehr Nahrung erhält. Grund für die teils verheerenden Feuer aber ist nicht das steigende Thermometer. Sondern meist Brandstiftung oder Fahrlässigkeit. Belege dafür gibt es zuhauf. Insbesondere aus den europäischen Waldbrand-Gebieten. Das aber erfährt der durchschnittliche Tagesschau-Leser bestenfalls im Kleingedruckten.

Thomas Wolf

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Medienkritik

Wenn die Leinwand Wahlkampf macht

Findet in Europa ein Rechtsruck statt? Nachdem in Osteuropa schon länger EU- und zuwanderungskritische Parteien bedeutend sind oder sogar die Regierung stellen, zeichnen sich 2022 auch stärkere Entwicklungen in Westeuropa ab: Sowohl die Wahlen in Schweden als auch in Italien haben rechten Parteien Aufwand gegeben und könnten zu einem Wechsel in der bisherigen Politik führen. Im Film wurden solche Szenarien schon mehrfach durchgespielt. Ein Beispiel dafür ist der 2019 erschienene Politthriller „Danmarks sønner“, im Deutschen unter dem Titel „Sons of Denmark – Bruderschaft des Terrors“ vertrieben.

Mitglieder der „Nordischen Widerstandsbewegung“ in Stockholm. Das Symbol der in ganz Skandinavien aktiven Neonazi-Organisation ist auch in „Danmarks sønner“ zu sehen. (Foto: Frankie Fouganthin/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

In diesem wird ein Bild von Dänemark gezeichnet, das einem starken Rechtsruck ausgesetzt ist. Ist diese Darstellung aber gelungen? Die Handlung führt sechs Jahre in der Zukunft. Nach einem Terroranschlag wird in Dänemark Zuwanderern, vor allem arabischen Muslimen, die Schuld gegeben. Es häufen sich brutale Übergriffe auf sie und nun steht auch noch eine rechte Partei namens „National Bevægelsen“ (Nationale Bewegung) kurz davor, die Macht im Land zu übernehmen. Vielen Zuwanderern soll dann die Staatsbürgerschaft wieder entzogen werden.

In Dänemark „aufräumen“

Malik ist ein Undercover-Polizist, der dazu beigetragen hat, ein von Muslimen geplantes Attentat auf den Parteichef und angehenden Staatsminister Martin Nordahl zu verhindern. Nun dient er als Kontaktperson für einen anderen V-Mann, der in die „Söhne Dänemarks“, eine rechtsextreme Gruppierung, eingeschleust wird. Deren Mitglieder träumen davon, alle Fremden aus Dänemark zu vertreiben. Malik findet Hinweise darauf, dass sie auf den Wahlsieg Nordahls warten und danach endlich in Dänemark „aufräumen“ wollen.

Der Dannebrog, eine der ältesten Flaggen der Welt, ist dänisches Nationalsymbol. Die Aufmachung der für den deutschen Markt bestimmten DVD-Ausgabe von „Danmarks sønner“ zeigt einen mit Blut bespritzten Dannebrog. (Foto: Pixabay)

Seine Warnungen finden bei der Polizei aber kein Gehör, vielmehr fürchtet man islamistische Anschläge vor der Wahl. Maliks Familie wird schließlich selbst Opfer der Rechtsextremen: Man dringt in ihr Haus ein, übergießt das Gesicht der Frau mit Säure und tötet den kleinen Sohn des Paares. Malik erschießt daraufhin Nordahl während dessen Siegesrede und wird verhaftet. Sieht man davon ab, dass es sich um einen hochgradig politischen Film handelt, fällt auf, dass er alles andere als mitreißend ist. Es geschieht wenig Überraschendes.

Vom Weg abgekommen

Der Film weiß keine wirklichen Höhepunkte zu setzen. Das Ende ist dabei alles andere als überraschend. Man ahnte schon lange vorher, dass Malik vom Weg abkommen wird. Handwerklich ebenfalls nicht gelungen ist, dass in der ersten Hälfte des Films der Fokus noch auf einer anderen Person liegt: dem 19-jährigen Iraker Zakarias, der das Attentat auf Nordahl durchführen soll und von Malik Schießtraining erhält. Nach der Verhaftung verschwindet die Figur in der Versenkung und spielt für den weiteren Film keine Rolle mehr.

Auch wurde bei der Charakterzeichnung viel vertan. Es erschließt sich etwa nicht, was Zakarias letztlich dazu treibt, das Attentat durchführen zu wollen, man weiß kaum etwas aus seinem Leben. Es gibt auch keine Szene, wo er persönlich die gekippte Stimmung hautnah erleben würde – es bleibt beim Betrachten von ausländerfeindlicher Wandschmierereien. Auch Maliks Hintergrund bleibt sehr vage. Somit wurde bei beiden Figuren viel Potenzial verschenkt.

Schwarz-weißes Dänemark

Auffallend ist, wie unterschiedlich die beiden extremistischen Gruppen gezeichnet werden. Der Hintergrund des anfangs gezeigten Anschlags bleibt ziemlich unklar, man weiß nur, dass muslimischen Zuwanderer die Schuld gegeben wird. Sie werden alle als arme Flüchtlinge, teilweise im Elend lebend, gezeigt. Der Islam spielt für diese im Film keinerlei Rolle. Hassan, der Anführer der Verschwörer, spricht zudem noch davon, dass die Dänen Araber „wie Tiere“ behandeln würden. Man könne daher nicht mehr schweigen, heißt es, denn man sei nicht wertlos. Zakarias meint später noch, dass sie für die Dänen „Nichts“ sind und dieses „Nichts“ beseitigt werden soll.

Über einem rot gestrichenen Haus weht die dänischer Flagge – nahezu idyllisch. Tatsächlich gibt es aber auch in Dänemark zunehmend ethnische Spannungen. (Foto: Pixabay)

Ganz anders geht es auf der Gegenseite zu. Die rechtsextreme Gruppierung „Söhne Dänemarks“ hasst alle Fremden und will diese alle aus dem Land jagen. Die Gespräche, die Malik hierbei abhört, sind hetzerisch und hasserfüllt. Es gibt keinerlei Hemmung, was Gewalt angeht: Die Rechtsextremen schneiden dem V-Mann, der
schließlich auffliegt, als Rache für seinen Verrat an Volk und Land die Zunge heraus und töten ihn anschließend wohl auch.

Probleme mit Migranten

Der Film vermeidet es, bestehende Missstände im Dänemark des Jahres 2019 anzusprechen und zeichnet lieber ein einfaches Bild: Irgendeine kleine Gruppe Verrückter verübt einen Anschlag, den die Dänen als Vorwand nehmen, um ihren Hass auf friedliche Zuwanderer auszuleben. Die vielen Probleme, die man nicht nur in Dänemark, sondern auch den meisten anderen westeuropäischen Ländern mit muslimischen Migranten kennt, werden gar nicht behandelt: kein islamischer Fanatismus unter Jugendlichen, keine kriminellen Großfamilien, keine Bandenkriege am helllichten Tag in den Straßen, keine Jugendgangs, kein Gossen-Rap mit Gewaltfantasien, keine Vergewaltigungen, kein Zuwachs von Moscheen, keine Stadtviertel mit Arabisch als vorherrschender Sprache, keine „Ehrenmorde“, kein „Beziehungsdrama“.

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Kommentar

Liberty City ist überall – auch in Deutschland

Waffenverbotszone – alleine schon das Wort lässt einen schaudern. Vor allem, wenn einem bewusst wird, dass es nicht um Bagdad, Kabul oder Aleppo geht, sondern um Deutschland. In Frankfurt am Main nämlich hat die CDU kürzlich vorgeschlagen, in der Innenstadt eine solche Zone einzurichten. Die Christdemokraten meinen, damit für mehr Sicherheit sorgen zu können. Soziale Probleme, die sich nicht selten in Gewalt entladen, gibt es in der alten Kaiserstadt und Wirkungsstätte Johann Wolfgang von Goethes durchaus. Nicht zuletzt eine fragwürdige Zuwanderungspolitik, die Parallelgesellschaften duldet, hat dazu beigetragen.

Gelbes Hinweisschild

In einer Waffenverbotszone, wie sie der Frankfurter CDU vorschwebt, dürfen keine „Waffen und gefährlichen Gegenstände“ getragen werden. Ein gelbes Hinweisschild soll auf das Verbot aufmerksam machen. Das kennt man bereits aus anderen Städten. Abgebildet sind in der Regel eine Pistole, ein Klappmesser, ein Baseballschläger sowie eine Glasflasche. Manchmal sind auch feste Uhrzeiten angegeben. Zum Beispiel von Montag bis Sonntag von 21 bis 5 Uhr in der Wiesbadener Innenstadt.

Mit dem Hinweis, dass Waffen verboten sind, und passenden Illustrationen glauben Politiker in Deutschland, dass der öffentliche Raum wieder sicherer gemacht werden kann. (Foto: Pixabay)

Ganz zu schweigen davon, dass man dann wohl außerhalb der Verbotszeiten bedenkenlos mit Baseballschläger in der Hand, Pistole in der Hosentasche oder Eisenrohr über der Schulter seine Runde drehen darf: Würden Sie sich abends sicher fühlen, wenn Sie beim Spaziergang auf solch ein Schild stoßen? Viel wahrscheinlicher ist doch, dass man den Platz dann erst recht meidet. Denn wenn Waffen hier verboten sind, muss es entsprechend ungute Erfahrungen geben. Offenbar laufen dort gerne Menschen mit Waffen herum. Ob betreffendes Klientel dann wirklich Messer, Schlagring, Baseballschläger oder Handfeuerwaffen brav zu Hause lässt, weil die Stadt es nun verboten hat, darf man mit Recht bezweifeln.

Wenn es so einfach wäre, gäbe es viele Straftaten schon längst nicht mehr. So ist ja in Deutschland vieles verboten – etwa einen Menschen umzubringen oder eine Frau zu vergewaltigen. Hat das aber dazu geführt, dass diese Verbrechen aufhören? Nein! Wer den Drang zu töten oder zu vergewaltigen hat, den hält keine amtliche Vorschrift davon ab. Beim Waffenverbot kommt noch die Frage dazu, was überhaupt als Waffe gesehen wird. Wenn nur Pistole und Co. durchgestrichen ist, heißt das natürlich nicht, dass andere, nicht genannte Waffen – Schwert, Armbrust, Schrotflinte, Sturmgewehr – dann erlaubt wären.

Probleme drastisch überzeichnet

Die netten Symbole auf dem Schild wecken Assoziationen an den Videospiel-Bereich. In der berühmt-berüchtigen Reihe „Grand Theft Auto“ sieht das Waffen-Menü ganz ähnlich aus. „Grand Theft Auto“ ist das, was man gemeinhin „Ballerspiel“ nennt. Soziale Probleme der amerikanischen Gesellschaft sind in der Reihe drastisch überzeichnet dargestellt. „Grand Theft Auto III“, ein Spiele-Klassiker und großer kommerzieller Erfolg, spielt in einer fiktiven US-Großstadt: in Liberty City, dem „worst place in America“. Die Stadt ist ein Zerrbild von New York City.

New York City, die wohl bekannteste Stadt der Vereinigten Staaten. In „Grand Theft Auto III“ werden die negativen Seiten der Metropole überzeichnet. Dort ist die Luft sehr bleihaltig – nicht nur wegen der Autoabgase. Viele Innenstädte Deutschlands nähen sich den Zuständen des Spiele-Klassikers von 2001 inzwischen an. (Foto: Pixabay)

Die verschiedenen Stadtteile werden von brutalen Gangs beherrscht, die auf der Straße mit Waffen in der Hand Präsenz zeigen. Es sind auffälligerweise alles Angehörige ethnischer Minderheiten: Italiener, Chinesen, Japaner, Kolumbianer, Latinos, Jamaikaner, Afroamerikaner – das Spiel kam 2001 heraus, stammt also noch aus der Ära vor Erfindung der „Hate Crimes“. In den Straßen herrscht das Recht des Stärkeren. Die ersten Waffen, die man als Spieler erhält, sind der Baseballschläger und die Pistole.

Messerstechereien und Schießereien

Auch in Deutschland bilden sich mittlerweile mehrere Liberty Citys heraus: Berlin, Köln, Frankfurt am Main, Hamburg, Bremen, Stuttgart, München. Welche größere deutsche Stadt kennt keine Schlägereien, Messerstechereien oder Schießereien? Erst jüngst gingen wieder Meldungen über eine Schießerei vor einem türkischen Restaurant herum – nicht in einer Metropole, sondern im beschaulichen niedersächsischen Städtchen Stade. Da wurde dann von der Polizei in einem Treppenhaus sogar ein Schalldämpfer gefunden. In Berliner Freibädern dominieren noch Wasserpistolen, dafür fliegen dort aber zunehmend die Fäuste. Liberty City ist offenbar überall.

Was vor wenigen Jahren nur im Roman, Film oder eben im Videospiel möglich war, wird langsam zum festen Bestandteil des Alltags in Deutschland. Inzwischen schockt es einen sogar gar nicht mehr, wenn man von derartigen Fällen liest oder hört. Nur die Resignation bleibt. Im Unterschied zu „Grand Theft Auto“ kann man sich in der Realität nämlich nicht wehren. In Deutschland ist das Waffenrecht besonders scharf. Während sich in den USA jeder Bürger eine Waffe kaufen kann, sind in der Bundesrepublik nicht einmal mehr Schreckschusswaffen wirklich frei verkäuflich. Die Möglichkeit, ohne Probleme an Schusswaffen zu kommen, haben somit nur Kriminelle.

Schilder, die öffentliche Orte als Waffenverbotszonen ausweisen, sind ein sichtlicher Hinweis darauf, dass der Staat dabei ist, vielerorts zunehmend die Kontrolle zu verlieren. (Foto: GeorgHH/CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Ganz ehrlich: Bei wie vielen Schießereien in deutschen Städten waren tatsächlich legal erworbene und ordnungsgemäß angemeldete Waffen im Einsatz? Der Anteil dürfte verschwindend gering sein. Nicht ohne Grund ist seit 2015 ein deutlicher Anstieg des Waffenbesitzes in Deutschland erfolgt. Zumindest haben sich mehr Menschen als sonst den kleinen Waffenschein besorgt, der dazu berechtigt, Waffen in der Öffentlichkeit mit sich zu führen. Das sagt ja deutlich aus, dass sich viele Menschen nicht mehr sicher fühlen. Zu glauben, dass man ihnen mit Waffenverbotszonen ihre Angst nehmen oder die zunehmende Gewalt damit gar vermindern kann, ist eine Illusion.

Kapitulation vor Kriminellen

Dass Städte überhaupt ein Waffenverbot aussprechen müssen, ist vielmehr ein Zeichen dafür, dass die Staatsgewalt die Probleme nicht mehr im Griff hat. Straftaten, von denen man fast täglich hört oder liest, lassen sich so jedenfalls nicht verhindern. Damit lässt sich maximal verhindern, dass ein Betrunkener jemandem eine Bierflasche an den Schädel wirft. Reine Symbolpolitik also, wie man sie von der CDU häufiger erlebt. Und letztlich eine Kapitulation vor den Kriminellen. Denn sie wissen nun genau, dass ein gelbes Schild mit Hinweisen alles ist, was der Staat gegen sie aufzubieten hat.

Amelie Reinecke

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Medienkritik

Weniger Splatter, dafür mehr Zeitgeist

Ob weiblicher Donnergott Thor, dunkelhäutige oder ostasiatisch aussehende britische Adlige im 16. Jahrhundert oder lesbische Titelheldinnen – kaum ein größeres Filmprojekt, das beim Publikum erfolgreich sein will, kommt noch ohne Diversität und Quoten-Erfüllung aus. Selbst wenn es inhaltlich noch so wenig Sinn ergibt. Keine noch so kleine Minderheit bleibt außen vor, hat man den Eindruck. Die siebenteilige Horrorreihe „Wrong Turn“ zeigt, wie sehr der Zeitgeist auch kleinere Produktionen beeinflusst.

Eine positive Überraschung

„Wrong Turn“, also das Original von 2003, war als Schauerfilm eine sehr positive Überraschung. Inhaltlich wurde zwar das Rad nicht neu erfunden, dennoch war der Film unterhaltsam und spannend. Gezeigt wurde, wie eine Gruppe Menschen in einem abgelegenen Waldgebiet in West Virginia eine falsche Abzweigung, also den namengebenden „wrong turn“, nimmt und nach einer Autopanne brutal von degenerierten und kannibalisch veranlagten Hinterwäldlern gejagt wird.

Eine einsame Hütte im Wald, weitab von der Zivilisation – das ist ein beliebtes Setting im Horrorfilm: auch in „Wrong Turn“ von 2003. (Foto: Pixabay)

Nach zwei Fortsetzungen 2007 und 2009 folgte mit dem vierten und fünften Teil ein Reboot der Reihe – das heißt, es wurde eine Hintergrundgeschichte erzählt, die dem bisher Bekannten widersprach. 2014 kam es mit „Wrong Turn 6: Last Resort“ zu einem zweiten Reboot. Nachdem es einige Jahre ruhig um die Reihe gewesen war, folgte 2021 eine weitere Fortsetzung, die nun schlicht „Wrong Turn“ (wie auch der Originalfilm) betitelt wurde. Es liegt somit erneut ein Reboot vor, der bereits dritte. Anders als der Titel vermuten lässt, handelt es sich nicht um eine Neuverfilmung des Originals. Es wird vielmehr eine gänzlich neue Geschichte erzählt.

Neuer Ort und neue Handlung

Diese bricht deutlich mit den Vorgängern. „Wrong Turn“ gehörte dem berüchtigten Splatter- Genre an, das heißt, man bekam neben nervenaufreibende Hetzjagden viel Blut zu sehen. Manche Ermordungen waren dabei sehr drastisch in Szene gesetzt und nichts für schwache Nerven. Da sah man etwa schon mal, wie eine Axt einen Schädel spaltete oder Gedärme aus dem Leib gerissen wurden.

Das ist nun Vergangenheit. Die Kannibalen wurden gestrichen, stattdessen stoßen die in den Appalachen bei einer Wanderung vom Weg abgekommenen Protagonisten auf einen nur „The Foundation“ genannten Kult, der abgewandt von der Gesellschaft in einer Waldsiedlung auf einem Hügel lebt. Auch die Gewalt wurde deutlich verringert, sodass der jüngste Teil der „Wrong Turn“-Reihe nun mehr eine Mischung aus Thriller und Schauerfilm darstellt. Damit wurden aber die bisherigen Merkmale der Reihe aufgegeben.

Ob man dies als „Verrat“ an der Reihe oder kreativen Neuanfang sieht, darf dabei jeder für sich selbst beantworten. Zumindest hatten die Macher den Mut, etwas Neues zu machen, und nicht den x-ten Aufguss desselben Themas vorzulegen. Weitaus schwerer als die veränderte Ausgangslage wirkt sich nun aber aus, dass der Film deutlich den derzeitigen Zeitgeist abbildet und politische Botschaften enthält.

„Diversität“ vom Reißbrett

So haben wir es bei den Hauptdarstellern mit einem sogenannten „interracial couple“ zu tun: Jen ist eine junge weiße Frau und blond, ihr Freund Darius ist Schwarzer – eine vor allem in der Werbung häufig anzutreffende Verbindung. An einer Stelle, wo man die beiden im Bett liegen sieht, träumt Darius davon, dass er in einer Welt leben möchte, wo nur die Leistung des Einzelnen zählt und nicht die Hautfarbe. Der Bezug zu gegenwärtigen, wiederholt durch die Medien gegangene Themen ist ersichtlich.

Begleitet werden Jen und Darius von zwei weiteren Pärchen: Das eine ist weiß und heterosexuell, das andere hingegen schwul und stellt eine weitere Mischbeziehung dar – der eine Partner sieht nahöstlich aus, der andere ostasiatisch. Eine im heutigen Amerika sicher eher selten anzutreffende Verbindung, die auch im Film nicht weiter erläutert wird. Hier sieht man deutlich, dass die Macher offenbar unbedingt möglichst viel sogenannte „Diversität“ im Film unterbringen wollten.

Der Reboot von „Wrong Turn“ enthält viel Regenbogen und „Diversität“. (Foto: Pixabay)

Allerdings ist das, was man in „Wrong Turn“ sieht, nicht das reale Amerika der Gegenwart, sondern ein Wunschbild. Die gezeigte Gruppe wirkt dabei einfach nicht authentisch. Man merkt sichtlich, dass sie auf dem Reißbrett der politischen Korrektheit gestaltet worden ist. Die Wahrscheinlichkeit, einer solch bunten Truppe tatsächlich irgendwo über den Weg zu laufen, dürfte wohl eher gering sein. Dabei waren bereits die früheren „Wrong Turn“-Teile ethnisch vielfältig ausgefallen, aber dort wirkte es eben noch glaubhaft, man dachte nicht groß darüber nach.

Gefahr aus den Wäldern – und der Vergangenheit

Die Handlung des jüngsten Teils wurde nun von West Virginia ins benachbarte Virginia verlagert. Das wirkt zunächst nebensächlich, hat aber durchaus seine Bedeutung. Unsere diversen Helden bewegen sich nämlich außerhalb der Wälder auch in einem gefährlichen, wenn nicht sogar für sie noch viel gefährlicheren Gebiet: So gelangt man anfangs in eine Kleinstadt, in der noch deutlich die Vergangenheit zu spüren ist – der Geist der Südstaaten.

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Im Blickpunkt

PR-Gag oder Demokratie? – Telegram lässt abstimmen

Telegram galt lange als so etwas wie das „Enfant terrible“ der Sozialen Medien im Internet: Während Facebook oder Twitter frühzeitig dazu übergingen, tatsächliche oder vermeintliche „Fake News“ zu Themen wie Corona, der Impfkampagne oder der Flüchtlingspolitik mit Warnhinweisen zu versehen, zu zensieren oder ihre Urheber zu sperren, wollte die von dem Russen Pawel Durin gegründete Plattform nicht zum Zensurstift greifen. Das ist Vergangenheit. Längst zensiert auch Telegram auf Druck der Behörden ganze Kanäle, insbesondere, wenn es sich dabei um staatsnahe russische Medien handelt.

Nun lässt Telegram in Deutschland seine Nutzer abstimmen. „Wir, das Telegram Team, bitten dich uns deine Meinung mitzuteilen, wie die Daten der deutschen Telegram-Nutzer mit den deutschen Behörden, einschließlich der deutschen Polizei (BKA), geteilt werden können (oder nicht)“, heißt es in einer Nachricht, die alle Telegram-Nutzer erhalten haben, die bei dem Messenger-Dienst mit deutscher Telefonnummer registriert sind.

Missbrauch der Plattform

Um den Missbrauch der Plattform „durch terroristische Gruppen zu verhindern, erlaubt uns unsere aktuelle Datenschutzerklärung seit 2018, IP-Adressen und Telefonnummern von Terrorverdächtigen auf Anfrage der Regierung, die durch einen Gerichtsbeschluss gestützt wird, offenzulegen. Wir führen diese Abstimmung durch, um herauszufinden, ob unsere deutschen Nutzer unsere aktuelle Datenschutzerklärung unterstützen oder ob sie die Zahl der Fälle, in denen Telegram potenziell Daten an Behörden weitergeben kann, verringern oder erhöhen möchten.“

Zur Auswahl stehen drei Optionen. Möglichkeit Nr. 1 entspricht der aktuellen Regelung: Datenweitergabe nur auf Grundlage einer Gerichtsentscheidung. Möglichkeit Nr. 2 würde die Weitergabe auch ohne Gerichtsentscheidung erlauben – rein auf Anforderung der Behörden. „Diese Option wäre, sofern sie Zustimmung findet, komplett neu für Telegram und erfordert deswegen eine Änderung unserer Datenschutzerklärung für Nutzer aus Deutschland“, erläutert der Dienst. Möglichkeit Nr. 3 würde jegliche Datenweitergabe ausschließen.

Widerspruch zum Fernmeldegeheimnis

Nur Option 1 ist nach Ansicht des Stuttgarter Medienrechtlers Tobias Keber mit der gegenwärtigen Rechtslage vereinbar. Eine Ausweitung der Zugriffsmöglichkeiten für Sicherheitsbehörden würde dem Datenschutzrecht und dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses widersprechen, sagte Keber der Nachrichtenagentur KNA. In der Abstimmung vermutet er einen bloßen „PR-Gag“, wodurch Telegram sich einen basisdemokratischen Anstrich geben wolle.

Aktuell liegt Option 1 knapp vorn. 39 Prozent der Teilnehmer sprechen sich für eine Beibehaltung der aktuellen Datenschutz-Regeln aus. Für ein völliges Ende der Kooperation mit den deutschen Behörden stimmen 37 Prozent. Nur 20 Prozent unterstützen eine Datenweitergabe ohne Gerichtsbeschluss. Noch bis Montag um 12 Uhr haben die Nutzer die Möglichkeit, sich an der Abstimmung zu beteiligen. Mehr als zwei Millionen haben dies bereits getan. Weltweit hat Telegram rund 700 Millionen aktive Nutzer.

Thomas Wolf