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Die Ampel-Koalition: ein Irrenhaus?

Leben wir heute in einem deutschen Irrenhaus? In einem Ampel-Irrenhaus? Da gibt es Politiker (noch nicht einmal wenige und noch nicht einmal nur das Fußvolk), die unentwegt nach Krieg rufen. Nach immer mehr Waffenlieferungen für die Ukraine. Das, obwohl sie seit einem Jahr Elend und Not, den Tod ungezählter Menschen durch Waffeneinwirkung, die Zerstörung der Infrastruktur, die Flucht von Millionen von Menschen ins Ungewisse mitbekommen haben müssen.

Das Schlachten verlängert

Alle Waffenlieferungen, alle sonstige Unterstützung der Ukraine haben nichts gebracht, nur das Schlachten verlängert. Es ist auch nicht absehbar, dass sie in der Zukunft etwas bringen werden. Wer das nicht erkennt, beweist eine erschreckende Distanz zur Realität. Die Zeit für Verhandlungen – so die Behauptung – sei noch nicht gekommen. Wann, so ist zu fragen, wird das der Fall sein? Nach einer russischen Niederlage?

Ein deutscher Leopard 2A6 bei einer NATO-Gefechtsübung in Grafenwöhr. (Foto: 7th Army Training Command Grafenwöhr/U.S. Army Photo by Kevin S. Abel/CC BY 2.0 via Wikimedia Commons)

Wer das Wort „Frieden“ oder „Verhandlungen“ in den Mund nimmt, wird – ohne Prüfung der Argumente – als „Putinversteher“ oder „Putin-Unterstützer“ ausgegrenzt. Demonstranten aus dem linken und aus dem rechten politischen Spektrum, die – wie viele Regierungschefs aus aller Welt – den Frieden wollen, werden verächtlich gemacht. Die von Frau Wagenknecht in Berlin organisierte Groß-Demonstration für den Frieden wurde mit „umstritten“ verunglimpft. Sie habe sich nicht eindeutig gegen rechts abgegrenzt. Die Frage muss erlaubt sein, ob Rechte kein Bedürfnis nach Frieden haben dürfen.

Anfeuerndes Kriegsgeschrei

Solche Politiker werden – in Verkennung der Realitäten – Deutschland mit nicht enden wollenden Waffenlieferungen und anfeuerndem Kriegsgeschrei in einen blutigen Krieg gegen eine hochgerüstete, atomar bewaffnete Supermacht treiben. Rein juristisch sind wir das schon. 

Die Bundeswehr hat eine Personalstärke von 183.277 Soldatinnen und Soldaten. Die Zahl der an der Front einsetzbaren Soldaten dürfte sich auf sehr wenige 10.000 belaufen. Russland dagegen verfügt derzeit über 850.000 aktive Soldaten, 200.000 davon in der Ukraine an der Front und – so der Inspekteur des deutschen Heeres – „Ressourcen, die nahezu unerschöpflich sind“. Die Bundeswehr ist nicht atomar bewaffnet. Russland verfügt über die meisten nuklearen Sprengköpfe aller Staaten der Welt (6255).

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius und US-Botschafterin Amy Gutmann warten auf US-Verteidigungsminister Lloyd Austin. (Foto: DoD photo by U.S. Air Force Tech. Sgt. Jack Sanders/U.S. Secretary of Defense/CC BY 2.0 via Wikimedia Commons)

Zum Potenzial, das die Bundeswehr in der Ukraine einsetzen könnte, hat der Inspekteur des Heeres, Alfons Mais, in schlichter, auch für Politiker verständlicher Sprache gesagt: „Die Bundeswehr, das Heer, das ich führen darf, steht mehr oder weniger blank da.“ Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius’ vernichtendes Urteil über die Truppe lautet (sinngemäß): Die Streitkräfte sind nicht verteidigungsfähig. Der Eindruck kommt auf, dass die Damen und Herren aus der Politik das besser wissen.

Während Russland aktuell auf dem ukrainischen Gefechtsfeld mehr als 12.000 Panzer einsetzt, sind es weniger als 2000 auf ukrainischer Seite. Der Westen hat es nicht geschafft, die von der Ukraine geforderten 300 zusammen zu bekommen. Halbherzige Zusagen der Staaten sind – als die Übergabe konkretisiert werden sollte – weitgehend in sich zusammengebrochen.

Abrams nur geschwächt?

Während etwa US-Präsident Joe Biden der Lieferung von „Abrams“-Kampfpanzern in die Ukraine zunächst zugestimmt hatte, wurde diese Zusage nach der deutschen Entscheidung, Leopard-Kampfpanzer zu liefern, wieder zurückgezogen. Nun sollen sie doch – langfristig – zur Verfügung gestellt werden. Es wurde behauptet, dass eine begrenzte Anzahl davon bis Ende 2023 umgebaut und – in der Panzerung geschwächt – an die Ukraine ausgeliefert werden sollen. Als stärkster und modernster Panzer der Welt gilt der russische T-14 Armata, der 2015 erstmals vorgestellt wurde.

Russische Kampfpanzer vom Typ T-14 Armata bei einer Präsentation nahe Moskau. (Foto: Vitaly V. Kuzmin/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Was die ungemein wichtige Artilleriemunition angeht, ist festzustellen, dass die Ukraine an einem Tag so viel Granaten verschießt, wie sie in Deutschland in einem halben Jahr produziert werden können.

Bei Übungen einer deutschen Panzergrenadierbrigade waren innerhalb weniger Tage alle 18 eingesetzten Puma-Panzer ausgefallen. Alle heißt: 100 Prozent. Nicht etwa durch Beschuss! Durch Mängel an der Technik! Das waren die Panzer, die der NATO für 2023 als Kern ihrer schnellen Eingreiftruppe zugesagt worden waren. Abschrecken soll nun der 50 Jahre alte Panzer „Marder“. Würde man fragen, für wie viele Gefechtstage dessen Munitionsbevorratung vorhanden ist: Man sollte es lieber nicht tun. Bedenken sind angebracht.

China hält sich bereit

Unter den Staaten mit den meisten verfügbaren Jagdflugzeugen/ Abfangjägern im Jahr 2023 ist Deutschland mit 134 an Position 19 aufgeführt. Russland hat 773. Wenn mir nun entgegengehalten würde, dass ja die Bundeswehr in diesem Kampf nicht alleine dasteht, wäre meine Antwort: Das tun die Russen auch nicht. China hält sich im Hintergrund bereit. Und China hat 1199 Flugzeuge dieser Art. Zu glauben, dass Deutschland zum Krieg hetzt, die anderen europäischen Staaten diesen dann aber bestreiten, ist in gleicher Weise realitätsfremd.

Soldaten der chinesischen Volksbefreiungsarmee nehmen an der Militärparade zur Feier des Sieges über Nazi-Deutschland in Moskau teil. (Foto: kremlin.ru/CC BY 4.0 via Wikimedia Commons)

So bleibt nur zu hoffen, dass die deutschen Scharfmacherinnen und Scharfmacher, die sich in der oben genannten Weise äußern, von anderen Staaten, insbesondere vom angepeilten Gegner, nicht allzu ernst genommen werden. Allen muss klar sein, dass die weit überwiegende Anzahl aller Deutschen – von links bis rechts – weiß, was Krieg bedeutet. Deswegen ist ihr „Nein“ zu Waffenlieferungen, Ihr „Nein“ zum Krieg und „Ja“ zum Frieden nur zu verständlich!

Die vor Jahresfrist vom Kanzler verkündete „Zeitenwende“ hat sich als fundamentale Fehlentscheidung und selbst zu verantwortendes Desaster nicht nur für Deutschland erwiesen.

Hannes Zimmermann

Dieser Text entspricht einem leicht redigierten „Offenen Brief“ des Autors an Politik und Medien. Der Autor diente ab 1959 in der Luftwaffe und war u.a. Gruppen- und Zugführer in der Grundausbildung von Rekruten, Kommandeur bei der Tornado-Instandsetzung und Organisationsstabsoffizier bei der Abwicklung der Luftstreitkräfte der NVA. 1993 trat er als Oberstleutnant in den Ruhestand ein. Er wurde mit dem Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold ausgezeichnet. Nach seinem Ruhestand war er dann Geschäftsführer eines Ingenieurbüros und mit der Übersetzung flugzeugtechnischer Vorschriften der MIG-29 vom Russischen ins Deutsche befasst.

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Im Blickpunkt

Schwarz-Rot-Gold: eine Erfindung von 1815?

Für das Online-Lexikon Wikipedia ist die Sache klar. Es gibt die gängige Sichtweise wieder. Die deutschen Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold sind demnach eine Erfindung des frühen 19. Jahrhunderts. Sie gehen, liest man bei Wikipedia, auf die Befreiungskriege gegen Napoleon 1813 bis 1815 zurück. „Verweise auf das Mittelalter sind nachträglich konstruiert, trugen aber im 19. Jahrhundert erheblich zu ihrer Popularisierung bei.“ Und weiter heißt es: „Die Urburschenschaft von 1815 führte diese Farben erstmals und machte sie zu einem Symbol für die deutsche Einheit.“ Wirklich? Ein genauerer Blick zeigt: Ganz so einfach ist die Sache nicht.

Beim Hambacher Fest 1832 trugen viele Teilnehmer schwarz-rot-goldene Fahnen. Die ungewohnte Reihenfolge der Farben auf dieser Darstellung könnte auf eine falsche Kolorierung zurückzuführen sein. (Foto: gemeinfrei)

Unstrittig ist, dass die schwarz-rot-goldene Trikolore, wie sie bis heute verwendet wird, in dieser Form erstmals beim Hambacher Fest 1832 zum Einsatz kam. Damals versammelten sich hunderte Demokraten und Liberale auf dem Schloss in der Pfalz, um für das zersplitterte und unter einem rigiden Regime leidende Deutschland Freiheit und nationale Einigung zu fordern. Eine zeitgenössische Darstellung dokumentiert die Fahnen zahlreicher Teilnehmer. Allerdings zeigt sie sie in ungewohnter Reihenfolge: Gold-Rot-Schwarz. Wie heute mitunter bei sogenannten Reichsbürgern. Womöglich ist das aber auf eine falsche nachträgliche Kolorierung zurückzuführen. Eine von Johann Philipp Abresch für das Fest angefertigte Fahne mit der pathetischen Aufschrift „Deutschlands Wiedergeburt“, die erhalten blieb, beweist, dass die korrekte Reihenfolge schon damals Schwarz-Rot-Gold war.

Zeichen der Demokratie

Nach dem Hambacher Fest nahmen die deutschen Farben einen festen Platz in der nationalen und demokratischen Bewegung ein. Wer angesichts der Unterdrückung von Meinungsfreiheit und unabhängiger Presse durch den Deutschen Bund und seine fast 40 Mitgliedsstaaten für Volkssouveränität und Grundrechte eintrat, tat dies nahezu selbstverständlich im Zeichen von Schwarz-Rot-Gold. Die deutschen Farben wurden so zu einem leuchtenden Zeichen für die Demokratie. Hoffmann von Fallersleben, liberaler Patriot und Dichter des „Liedes der Deutschen“, schrieb 1843 seine „Deutsche Farbenlehre“. Darin erklärt er Schwarz, Rot und Gold zu Farben der Hoffnung:

Über unserem Vaterland ruhet eine schwarze Nacht,
und die eigene Schmach und Schande hat uns diese Nacht gebracht.
Ach wann erglänzt aus dem Dunkel der Nacht
unsere Hoffnung in funkelnder Pracht?

Und es kommt einmal ein Morgen, freudig blicken wir empor:
Hinter Wolken lang verborgen, bricht ein roter Strahl hervor.
Ach wann erglänzt aus dem Dunkel der Nacht
unsere Hoffnung in funkelnder Pracht?

Und es zieht durch die Lande überall ein goldnes Licht,
das die Nacht der Schmach und Schande und der Knechtschaft endlich bricht.
Ach wann erglänzt aus dem Dunkel der Nacht
unsere Hoffnung in funkelnder Pracht?

Lange hegten wir Vertrauen auf ein baldig Morgenrot;
kaum erst fing es an zu grauen, und der Tag ist wieder tot.
Ach wann erglänzt aus dem Dunkel der Nacht
unsere Hoffnung in funkelnder Pracht?

Immer unerfüllt noch stehen Schwarz, Rot, Gold im Reichspanier:
Alles läßt sich schwarz nur sehen, Rot und Gold, wo bleibet ihr?
Ach wann erglänzt aus dem Dunkel der Nacht
unsere Hoffnung in funkelnder Pracht?

Aus: Deutsche Salonlieder (1843)
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, dargestellt von Ernst Henseler (1898). Das „Lied der Deutschen“ dichtete Hoffmann von Fallersleben 1841 auf Helgoland. (Foto: gemeinfrei)

Fünf Jahre nach Hoffmanns Dichtung stand Deutschland am Vorabend der Revolution. Nach dem Sturz des französischen „Bürgerkönig“ Louis-Philippe gingen auch in den deutschen Staaten immer mehr Menschen auf die Straße. Der Bundestag in Frankfurt musste den Massen entgegenkommen. Am 9. März 1848 erklärte er Schwarz-Rot-Gold zu Bundesfarben und einen rotbewehrten, schwarzen Doppelkopf-Adler auf goldenem Grund zum Bundeswappen. Der Deutsche Bund, der Staatenbund der deutschen Fürstentümer und freien Städte, legte damit erstmals nationale Symbole fest. Am 20. März ordneten die Delegierten an, dass die Festungen des Bundes und die Bundestruppen Schwarz-Rot-Gold flaggen sollten.

Gesprengte Ketten

Am 18. Mai 1848 trat in der Frankfurter Paulskirche das erste gesamtdeutsche demokratisch gewählte Parlament zusammen. Die Nationalversammlung tagte in einem Meer aus schwarz-rot-goldenen Fahnen und Bannern. Und über dem Präsidium hing das Ölgemälde einer friedfertigen, zugleich aber wehrhaften Germania. Natürlich auch in Schwarz-Rot-Gold. Hinter der als junge Frau dargestellten Personifikation Deutschlands geht die Sonne auf. Zu ihren Füßen liegen gesprengte Ketten. Statt einer Krone trägt sie einen Kranz aus Eichenlaub. Die Bedeutung der Symbole ist offenkundig. Freiheit statt Fürstenherrschaft.

Ganz im Zeichen von Schwarz-Rot-Gold: die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche. Über dem Präsidium hängt die Germania in den Nationalfarben. (Foto: gemeinfrei)

So hoffnungsvoll der schwarz-rot-goldene Neuanfang gestartet war, so schnell endete er. Statt Freiheit, Rechtsstaat und Demokratie setzten sich die Fürsten durch. Die verbliebenen Abgeordneten der Nationalversammlung flohen nach Stuttgart und wurden dort von Militär auseinandergetrieben. Die demokratische Revolution war gescheitert. Dennoch wehten Schwarz, Rot und Gold noch bis 2. September 1850 vom Turm der Paulskirche in Frankfurt. Und erst im August 1852 wurden sie am Frankfurter Bundespalais, dem Sitz des wiederhergestellten Deutschen Bundes, eingeholt. Noch 1866 zogen süddeutsche Truppen an Österreichs Seite mit schwarz-rot-goldener Armbinde in den Krieg gegen Preußen.

Eine neue Nationalflagge

Mit dem preußischen Sieg endete der Deutsche Bund. Und die Teilhabe Österreichs an Gesamt-Deutschland. Aus dem preußischen Weiß-Schwarz und dem Weiß-Rot der Hansestädte gestalteten die Sieger von 1866 eine neue Nationalflagge. Schwarz-Weiß-Rot wurde zum Symbol des Kaiserreichs. Und nach dessen Untergang zum Erkennungszeichen von Monarchisten und rechten Gruppierungen. Die weitere Geschichte ist bekannt. Die Weimarer Republik griff wieder auf Schwarz-Rot-Gold zurück. Und nach dem Hakenkreuz-Zwischenspiel der NS-Diktatur legten 1949 sowohl die westdeutsche Bundesrepublik als auch die DDR Schwarz-Rot-Gold als Nationalflagge fest.

Die Flagge der Bundesrepublik und der DDR wehen 1973 vor dem UN-Gebäude in New York. Das Rot der beiden Hoheitszeichen fällt ungewöhnlich dunkel aus. (Foto: Bundesarchiv/Bild 183-M0925-406/Joachim Spremberg/CC BY-SA 3.0 DE via Wikimedia Commons)
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Im Blickpunkt

Die Demokratie: kein Import aus den USA

Fragt man Leitmedien und Politiker nach Sternstunden der deutschen Geschichte, erntet man womöglich nicht selten ein Schulterzucken. Die historischen Leistungen des eigenen Volkes sind weithin vergessen. Ein offizieller Blick zurück lässt meist nicht viel Positives übrig. Die Verbrechen des Nationalsozialismus überdecken alles, was Deutsche in der Vergangenheit erreichten. Hinzu kommen weitere dunkle Flecken, die die Medien vor allem in jüngerer Zeit stark betonen: Kolonialismus, vermeintlich struktureller Rassismus, Diktatur. Dazu das alte Narrativ vom Untertanengeist der Deutschen. Das Land der Dichter und Denker – es ist medial zu einem Land der Mörder und Henker verkommen.

Revolution vor 175 Jahren

Die Demokratie, heißt es oft, habe den Deutschen nach 1945 von den Siegermächten beigebracht werden müssen. Gemeint sind die Westalliierten, allen voran die Vereinigten Staaten von Amerika. Politisch mag die Behauptung der US-Herkunft der Demokratie in Deutschland opportun erscheinen. Historisch aber ist sie Unsinn. Schon 100 Jahre vor der US-amerikanischen Besatzung zementierten die Deutschen ein bleibendes demokratisches Fundament. Und zwar auf einem Weg, der ganz und gar nicht zum vermeintlichen Untertanengeist passen will: durch eine Revolution nämlich. Dieser Tage liegt sie genau 175 Jahre zurück.

Ein früher Höhepunkt der Revolution: die Barrikadenkämpfe in Berlin am 18. März 1848. (Foto: gemeinfrei)

„Auch das deutsche Volk hat seine revolutionäre Tradition. Es gab eine Zeit, wo Deutschland Charaktere hervorbrachte, die sich den besten Leuten der Revolutionen anderer Länder an die Seite stellen können.“ Das schrieb der kommunistische Vordenker und Karl-Marx-Vertraute Friedrich Engels 1850 in seinem Buch „Der deutsche Bauernkrieg“. Er bezog sich damit zwar auf die andere große revolutionäre Erhebung der deutschen Geschichte: eben jene Serie von Bauern-Aufständen der Jahre um 1525. Doch wird seine Analyse durch die Revolution von 1848, an der er teilnahm, vollauf bestätigt.

Erste nationale Verfassung

Was 1525 unter den Schwertern und Kanonen der fürstlichen Heere blutig erstickte, setzte sich 1848/49 durch. Formell kam die Demokratie zwar nur kurz zur Entfaltung. Und noch dazu nur in Gestalt einer konstitutionellen Monarchie. Aber immerhin: Sie brachte dem deutschen Volk die erste nationale Verfassung, einen umfangreichen Grundrechte-Katalog, einen Rechtsstaat und die erste direkt gewählte nationale Volksvertretung. Und auch wenn das damals geschaffene demokratische Deutsche Reich von den Fürsten bald wieder zerschlagen wurde – die Fundamente der Verfassung von 1849 gerieten nie wieder in Vergessenheit. Sie befruchteten die Weimarer Reichsverfassung von 1919 ebenso wie das Grundgesetz.

Eine der letzten Briefmarken der DDR erinnerte an Thomas Müntzer, den Revolutionär des 16. Jahrhunderts. Der Block zeigt seine hauptsächlichen Wirkungsstätten. (Foto: Nightflyer/gemeinfrei via Wikimedia Commons)

Die deutsche Revolution von 1848 war eingebettet in eine Reihe von nationalen Volkserhebungen in mehreren europäischen Staaten. Bereits 1830 hatten die Franzosen im Rahmen ihrer Julirevolution erneut die Königsdynastie der Bourbonen gestürzt. Zum zweiten Mal nach 1789. Hinzu kamen Unabhängigkeitsbewegungen im damals russischen Polen, in Griechenland, Belgien und Italien. In Deutschland wiederum hoffte das unterdrückte Bürgertum auf einen Neuanfang. Der Freiheitswille des Volkes, der sich in den Befreiungskriegen gegen Napoleon 1806 bis 1815 gezeigt hatte, wurde durch die Macht der Fürsten unterdrückt. Presse- und Meinungsfreiheit waren nicht vorhanden.

Versuche, den Deutschen Bund, einen Staatenbund der deutschen Fürstentümer und freien Städte, liberal zu reformieren, scheiterten. Als die Franzosen erneut revoltierten und im Februar 1848 ihren „Bürgerkönig“ Louis-Philippe aus dem Amt jagten, sprang der revolutionäre Funke auf Deutschland über. Schon am 27. Februar forderten in Mannheim mehr als 2000 Menschen die allgemeine Volksbewaffnung, Grundrechte, Presse- und Versammlungsfreiheit, Schwurgerichte und ein nationales deutsches Parlament. Bauern drängten auf die Beseitigung der Vorrechte des Adels. Handwerker, Tagelöhner und Fabrikarbeiter forderten soziale Gerechtigkeit.

Notwendigkeit einer Reform

Bald kam es in den Städten zu ersten Unruhen. Am 1. März 1848 besetzten aufgebrachte Bürger in Karlsruhe das Ständehaus des badischen Landtags. Auch in München und Berlin gingen die Menschen auf die Straße. In Wien musste der reaktionäre Staatskanzler Klemens von Metternich fliehen. Zahlreiche Fürsten lenkten ein und beriefen liberale Regierungen, die den Forderungen des Volkes entgegenkommen sollten. In Preußen reagierte König Friedrich Wilhelm IV. hinhaltend. Einerseits versprach er, auf die Wünsche des Volkes Rücksicht zu nehmen. Andererseits ließ er Truppen zusammenziehen. Der Deutsche Bund erkannte am 8. März die Notwendigkeit einer großen Bundesreform.

Eine verlassene Barrikade in der Breiten Straße in Berlin, wie sie Eduard Gaertner gezeichnet hat. Nur die schwarz-rot-goldene Fahne zeugt noch von der Revolution. (Foto: gemeinfrei)

Am 18. März eskalierte die Situation in Berlin. Bürger errichteten Barrikaden und lieferten sich Straßenkämpfe mit dem Militär. Dutzende starben. Als die Truppen die Kontrolle über die Stadt zurückerlangt hatten, ließ der König sie sogleich wieder abziehen. Am Tag darauf ver­neigte sich Friedrich Wilhelm sogar auf dem Schloss­platz vor den 100 aufgebahrten „Märzgefallenen“. Schließ­lich legte er sich eine schwarz-rot-goldene Schärpe um und versprach, sich an die Spitze der deutschen Nationalbewegung zu stellen. „Preußen geht fortan in Deutschland auf“, erklärte der König. Es war ein Etappensieg der Revolution.

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Im Blickpunkt

„Viele haben zum ersten Mal demonstriert“

Die Maskenpflicht im öffentlichen Nah- und Fernverkehr erlischt. Fast auf den Tag genau drei Jahre nach den ersten Corona-Fällen in Deutschland. Damit bestehen in der Bundesrepublik nahezu keine Corona-Einschränkungen mehr. Selbst der Fall der Maskenpflicht in Krankenhäusern und Pflegeheimen gilt als ausgemachte Sache. Die Corona-Pandemie ist nun auch von Staats wegen beendet. Es bleibt die Erinnerung an ein Notstands-Regime, das es in dieser Form noch nie in Deutschland gab. Das private Treffen verbot, dessen Regeln und der Umgang mit ihnen die Gesellschaft spalteten. Ein Regime, das die Impfung für alle zur Pflicht machen wollte. Das drei Jahre lang nahezu keinen Widerspruch duldete. Und dessen Positionen von vielen Medien kritiklos übernommen wurden.

Protest gegen die Notstandsregeln artikulierte sich im Internet, etwa bei Messengern wie Telegram, und auf der Straße. Zeitweise nahmen Hunderttausende an Demonstrationen gegen Kontakt-Verbote, Maskenpflicht und Impfkampagne teil. Vor allem der Osten Deutschlands war ein Zentrum des Protests. Aber auch Bayern, dessen Regierung gerade während der ersten Corona-Welle einen besonders harten Kurs fuhr. Einer jener Demonstranten, die ihre Ablehnung der Maßnahmen regelmäßig an die Öffentlichkeit trugen, ist ein junger Mann. Wir nennen ihn an dieser Stelle „Markus“.

Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) trägt das Ende der Maskenpflicht mit. Er rät jedoch dazu, weiter freiwillig einen Mund-Nase-Schutz zu tragen. (Foto: Sandro Halank/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Das folgende Interview ist eine Art Vermächtnis: Dass die Auswüchse des Corona-Regimes, die auch von Virologen immer wieder kritisiert wurden, nicht vergessen werden mögen. Das Interview wurde zwar bereits vor einigen Monaten geführt. Veröffentlicht wird es aber erst jetzt. Mit freundlicher Genehmigung der Beteiligten exklusiv beim „anderen Blickwinkel“. Zugleich sind die Antworten von „Markus“ auch ein möglicher Ausblick auf die Zukunft. Denn der Protest auf den Straßen geht weiter. Nicht mehr die Corona-Maßnahmen sind das Thema, sondern die Energiekrise. Waffenlieferungen an die Ukraine. Die westliche Haltung gegenüber Russland. Oder die zunehmende „Wokeness“ nicht nur in Politik und Medien, sondern auch im Sport und selbst in der Kirche.

Markus, warum gehen Sie gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße?

Ich bin kein Demonstrant der ersten Stunde. Anfangs fand ich die Maßnahmen gegen Corona noch nachvollziehbar. Und bis Ende 2020 war ich fest überzeugt, dass der Staat unsinnige Maßnahmen irgendwann von alleine einstellen würde. Dann wurde mir klar, wie stark der Impfdruck werden würde. Wie radikal die Gesprächsführung, wie unmenschlich die Ausgrenzung und die Repressionen für Andersdenkende. Dann habe ich nach Möglichkeiten des Protests gesucht.

Besonders mutig bin ich nicht. Mir fällt es schwer, in Diskussionen meinen Standpunkt zu erklären und zu verteidigen. Ich lasse mich verunsichern, sodass ich nicht mehr schlagfertig bin. Aber ich kann einer unter vielen sein, um einen Umzug zu vergrößern, dachte ich mir. Man macht verhältnismäßig wenig, ist aber nicht vollkommen unaktiv. Anfangs kannte ich die Kanäle nicht, unter denen sich Menschen zu Umzügen verabreden. Ich war verwundert, dass in der Zeitung gar keine Ankündigung stand, wie es doch sonst bei jedem Hinterhof-Flohmarkt ist. Seit Mitte 2021 bin ich dabei. 

Wie fühlte es sich an zu demonstrieren?

Es hat mir Hoffnung gegeben. Und Sinn. Viele von uns, auch ich, haben zum ersten Mal demonstriert. Rufen, Singen und Schilder tragen war sehr ungewohnt. Anfangs hatten viele noch mit Kuli geschriebene Schilder, die man eigentlich nur lesen kann, wenn man direkt danebensteht. Ich habe mich einsam gefühlt, denn meine Altersklasse stand größtenteils auf der anderen Seite, zeigte mit dem Finger auf uns und schüttelte den Kopf. Zum Teil habe ich Bekannte dort gesehen.

Einmal wurden wir von der Polizei eingekesselt, obwohl wir vollkommen friedlich durch die Straßen liefen. Es herrschte ein Abstandsgebot. Die Polizei hat uns aber so zusammengetrieben, dass wir es nicht einhalten konnten. Man hat den Beamten zum Teil angesehen, dass sie sich bei solchen Handlungen unwohl fühlen. Wenn man selbst dabei war und hinterher die Zeitungsberichte gelesen hat, in denen etwas vollkommen anderes stand, als man mit eigenen Augen gesehen hat, erschüttert es das Vertrauen in Medien und Gesellschaft noch mehr. Es wurde von Gewalt und Ausschreitungen berichtet, das hat einfach nicht gestimmt. Das macht hilflos! Zugleich gibt die Teilnahme Auftrieb. Die Gleichgesinnten trösten.

Zeitweilig gingen Hunderttausende gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße. (Foto: Ivan Radic/CC BY 2.0 via Wikimedia Commons)

Haben Sie das Gefühl, dass der Protest auf der Straße etwas bringt?

Genau sagen kann man es natürlich nicht. Peter Hahne hat in einem Interview von Insider-Informationen gesprochen, dass politische Entscheidungen sehr wohl von den Protesten beeinflusst wurden. Ich kann speziell das nicht beurteilen. Aber schon allein die Menge an Menschen, die gemeinsam aktiv wird, ist ein Signal, das Verantwortliche weder übersehen noch überhören können. Auch in der Bevölkerung erhält der Protest Aufmerksamkeit, weil Straßen gesperrt werden und Autos, Busse und Straßenbahnen eine Weile nicht fahren können. Die Aufmerksamkeit ist zwar nicht unbedingt positiv, weil Unbeteiligte durch die fehlenden Ankündigungen in der Presse vollkommen überraschend behindert werden und sich dann selbstverständlich ärgern. Hier wird von den Presseorganen die Wut auf die Demonstranten statt auf die Zustände gelenkt.

Man kommt außerdem an die Menschen ran, die keine alternativen Medien lesen und von der anderen Seite wenig mitbekommen. Von vielen Menschen, die genauso denken, hört man aber leider schon: „Das bringt doch nichts.“ Oft klingt es resigniert. Aber die pauschale, abwinkende Aussage finde ich nicht in Ordnung. Da würde ich gerne die Frage umkehren und fragen: „Was bringt denn etwas?“ Und als Antwort mehr als ein Schulterzucken erwarten. Auf jeden Fall sollte sich jeder Unzufriedene diese Demos mal ansehen oder sich zumindest überlegen, wie man anders aktiv werden kann.

Wie muss es weitergehen?

Umzüge können nur einen Teil beitragen. Man muss sich meiner Meinung nach zusammenschließen und gemeinsam verweigern oder Maßnahmen ergreifen. Manche Menschen verabreden sich, Politiker und Verantwortliche oder Behörden anzurufen und zur Rede zu stellen. Sie sind wirklich hartnäckig. Einige zeigen Politiker für Aussagen an und animieren weitere, das auch zu tun. Andere haben sich zusammengeschlossen, um ohne Maske Bus zu fahren oder einzukaufen. So etwas macht es schwerer, einzugreifen.

Gemeinsames Auftreten macht mehr Eindruck und gibt Mut, zu seiner Meinung zu stehen und ein Nein auch in die Tat umzusetzen. Ganz lange habe ich geglaubt, dass 3G sich im Freizeitbereich gar nicht etabliert, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass jemand nur wegen eines Kino- oder Restaurantbesuchs, ohne den es schon monatelang gehen musste, zum Test oder zur Spritze rennt. Wir haben uns zu lange auf den Gedanken „Es ist ja nur“ verlassen. 2G hat dann zum Einbruch bei Verkaufszahlen geführt und etwa die Händler dazu gebracht, die Stimme zu erheben.

Die Polizei geht mit Wasserwerfern gegen eine Corona-Demo vor. (Foto: Leonhard Lenz/CC0 via Wikimedia Commons)
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Ein Tag, den man niemals vergisst

Es gibt Tage, die vergisst man nicht. Tage, von denen man noch Jahre und Jahrzehnte später genau weiß, was man damals getan hat. Was man dachte oder fühlte. Der 11. September 2001 ist so ein Tag. Der islamistische Großangriff auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington markierte den Beginn des westlichen „Kriegs gegen der Terror“. Hunderttausende starben in den Folgejahren bei US-Militäroperationen. In Afghanistan, im Irak, Libyen, Syrien und anderswo. Für eine frühere Generation hatte der 1. September 1939 eine ähnliche Bedeutung: der Beginn des Zweiten Weltkriegs. Oder der 8. Mai 1945: der Tag der Kapitulation der Wehrmacht.

14 „Leoparden“ für die Ukraine

Heute steht zu befürchten, dass der 25. Januar 2023 von seiner Bedeutung her an die Seite dieser welthistorischen Ereignisse treten wird. Die Bundesregierung teilt offiziell mit, sie werde der Ukraine 14 Kampfpanzer vom Typ „Leopard 2“ aus deutschen Beständen zur Verfügung stellen. Zugleich erteile sie anderen Ländern, allen voran Polen, die Erlaubnis, ihrerseits „Leoparden“ in das Kriegsgebiet zu entsenden. Die Ankündigung, die Regierungssprecher Steffen Hebestreit der Presse am späten Vormittag mitteilte, ist keine Kriegserklärung. Der Knall, der „Wumms“, mit dem sie einhergeht, ist deutlich verhaltener als bei früheren Großkonflikten.

„Seit 5 Uhr 45 wird jetzt zurückgeschossen“, verkündete Adolf Hitler am 1. September 1939 im Reichstag. Die Rede des Nazi-„Führers“ ist ungleich pathetischer als die Ankündigung der Bundesregierung, Kampfpanzer in die Ukraine zu schicken. Die Folgen sind kaum abzusehen. (Foto: Bundesarchiv/Bild 183-E10402/CC BY-SA 3.0 DE via Wikimedia Commons)

Der blasse SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz, der die Panzer-Lieferung zuvor im Bundeskabinett verkündet hatte und danach im Bundestag Stellung nahm, ist kein Hitler, der verkündet, „seit 5 Uhr 45“ werde „jetzt zurückgeschossen“. Auch Sondersendungen im Fernsehen wie 1999, als Kanzler Gerhard Schröder – gleichfalls Sozialdemokrat – von der Mattscheibe die Teilnahme deutscher Truppen am NATO-Krieg gegen Jugoslawien verkündete, fehlen diesmal. Immerhin war dies die erste direkte Kriegsbeteiligung deutscher Soldaten seit 1945. Und nach Schröders späterem Eingeständnis wohl völkerrechtswidrig.

Neue Forderungen aus Kiew

Jetzt also Panzer für die Front in der Ukraine. Die Bedeutung der Entscheidung ist nicht zu unterschätzen. Trotz der unspektakulären Verkündung . Zum ersten Mal seit acht Jahrzehnten sollen sich deutsche Kampfpanzer gegen Russland richten. Genau davor hat der Kreml seit Monaten gewarnt. Nun ist die „Rote Linie“ endgültig überschritten. Dass dies nicht etwa die Ukraine stärkt, sondern vielmehr Deutschland schwächt, wie der Bundeswehr-Verband moniert, ist der Regierung offensichtlich egal. Doch damit nicht genug: Schon kommen aus Kiew neue Forderungen. Etwa vom Ex-Botschafter der Ukraine in Berlin, Andrij Melnyk. Westliche Kampfjets sollen die Wende im Abwehrkampf gegen die russische Invasion bringen.

Andrij Melnyk im September 2022 bei der ARD-Sendung „Hart aber fair“. (Foto: Sandro Halank/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Man kann dieser Tage förmlich zusehen, wie der jahrzehntelange Frieden in Mitteleuropa zerrinnt. Nur ein paar wenige Tage schien es so, als würde Olaf Scholz den immer drängenderen Forderungen aus Kiew, Warschau und Washington nicht nachgeben. Forderungen, die auch von Grünen wie Anton Hofreiter und Liberalen wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann immer dreister vorgetragen wurden. Es schien so, als würde Scholz vor dem letzten Schritt der Eskalation zurückschrecken. Die Hoffnung war vergebens. Am Ende siegte die transatlantische Solidarität über den Friedenswillen. Anders als 2003, als Gerhard Schröder einer deutschen Beteiligung am US-Angriff auf den Irak widerstand.

Unabsehbare Konsequenzen

Die unabsehbaren Konsequenzen müssen nun alle Deutschen tragen. Auch wenn sie Panzer-Lieferungen ablehnen. Ja, der 25. Januar 2023 wird wohl im Gedächtnis bleiben. Wie der 1. September 1939 oder der 11. September 2001. Ein Tag, von dem man noch Jahre später genau weiß, was man damals dachte oder fühlte: Entsetzen. Und Hoffnungslosigkeit.

Frank Brettemer

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Habecks Traum von verlorener Souveränität

Im Internet macht ein Video die Runde und sorgt für einigen Wirbel. Es zeigt einen Ausschnitt aus einem in englischer Sprache gehaltenen Redebeitrag des grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Habeck äußert sich darin zu seinen Vorstellung einer Europäischen Union der Zukunft. Er wünsche sich, sagt der grüne Spitzenpolitiker, eine „federal European republic“. Also eine „europäische Bundesrepublik“, einen europäischen Superstaat anstelle der aktuellen EU, die nach deutschem Rechtsverständnis als bloßer „Staatenverbund“ gilt.

Noch mehr Macht für Brüssel

In den sozialen Medien stößt Habecks Äußerung auf viel Kritik. Schließlich ginge eine Bundesrepublik EU mit einem deutlichen Souveränitätsverlust für ihre Gliedstaaten einher. Soll heißen: noch mehr Macht für Brüssel. Statt für Berlin, Paris oder Rom. Wirklich neu ist das nicht. Seit Jahren fordern gerade deutsche Politiker die immer weitergehende Vertiefung der europäischen Integration. Dies würde notwendigerweise dazu führen, dass Deutschland und die europäischen Nationalstaaten in einem Superstaat unter Brüsseler Führung aufgehen würden. Von Charles de Gaulles Vision eines „Europas der Vaterländer“ hat sich die Bundesrepublik lange schon verabschiedet.

Neu sind Habecks Überlegungen nicht. Schon im Januar 2020 sagte er in einem Vortrag an der Georgetown-Universität in Washington, er sehe die Zukunft Deutschlands in einer weitergehenden europäischen Einigung. „Dazu gehören die Übertragung weiterer Hoheitsrechte, die Steuerhoheit, eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und letztlich die Entstehung einer europäischen Bundesrepublik.“ Zugleich dankte Habeck den USA für den Sieg über den „deutschen Faschismus“. Dies habe den Deutschen die Chance gegeben, sich „in Europa als friedliche Mitbürger zu beweisen“. Indem sie ihre Souveränität aufgeben?

Einheitliches europäisches Wahlrecht

Auch die rot-grün-gelbe Ampelkoalition spricht sich in ihrem Koalitionsvertrag für die Weiterentwicklung der EU „zu einem föderalen europäischen Bundesstaat“ aus. Dieser solle dezentral „nach den Grundsätzen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit organisiert“ sein. „Wir werden der Gemeinschaftsmethode wieder Vorrang geben, aber wo nötig mit einzelnen Mitgliedstaaten vorangehen. Wir unterstützen ein einheitliches europäisches Wahlrecht mit teils transnationalen Listen und einem verbindlichen Spitzenkandidatensystem.“

Die Ampel-Politiker Volker Wissing (FDP), Michael Kellner (Grüne) und Lars Klingbeil (SPD) präsentieren den unterzeichneten Koalitionsvertrag. (Foto: Sandro Halank/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Der Koalitionsvertrag der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD hatte 2018 noch deutlich zurückhaltendere Formulierungen gebraucht. „Wir wollen den Zusammenhalt Europas auf Basis seiner demokratischen und rechtsstaatlichen Werte auf allen Ebenen vertiefen und das Prinzip der wechselseitigen Solidarität stärken“, hieß es darin etwa. Und: „Wir wollen ein Europa der Demokratie mit einem gestärkten Europäischen Parlament und einem lebendigen Parlamentarismus auf nationaler, regionaler und kommunaler Ebene.“ Die EU solle „in ihrer Handlungsfähigkeit“ gestärkt werden, insbesondere finanziell.

Europäische Staatlichkeit

Traditionell firmieren die Forderungen nach einer europäischen Staatlichkeit unter dem Schlagwort der „Vereinigten Staaten von Europa“. Der Begriff selbst tauchte erstmals 1776 in einem Brief des späteren ersten US-Präsidenten George Washington auf. „Eines Tages werden, nach dem Muster der Vereinigten Staaten, die Vereinigten Staaten von Europa gegründet werden. Sie werden Gesetzgeber aller Nationalitäten sein“, schrieb der US-Revolutionär. Sein Landsmann, der Publizist und Naturwissenschaftler Benjamin Franklin, plädierte zwei Jahre später mit Blick auf Europa für die „Schaffung eines Bundesstaates und einer großen Republik aus all den verschiedenen Staaten und Königreichen“.

Benjamin Franklin skizzierte bereits 1778 die Grundzüge eines europäischen Bundesstaats. (Foto: gemeinfrei)

In den 1920er Jahren griff die SPD die „Bildung der Vereinigten Staaten von Europa“ als politische Vision auf. Einen europäischer Superstaat wie in Habecks Träumen schwebte den Sozialdemokraten aber offenbar nicht vor. Stattdessen war im Heidelberger Programm von 1925 die Rede von einer „europäischen Wirtschaftseinheit“, die „aus wirtschaftlichen Ursachen zwingend“ geworden sei und der „Interessensolidarität der Völker aller Kontinente“ dienen solle. Das Paneuropa-Konzept des österreichisch-japanischen Autors und Politikers Richard Coudenhove-Kalergi sah dagegen eine auch politische Union vor.

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General: Noch nie solche Gleichschaltung erlebt

Polen will deutsche Leopard-2-Panzer an die Ukraine liefern und bringt die Bundesrepublik damit in Zugzwang. Denn Berlin müsste die Ausfuhr genehmigen. Bislang lehnt die Bundesregierung dies ab. Allerdings wurden zuletzt auch hierzulande die Forderungen lauter. FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann rief Kanzler Olaf Scholz auf, die Exportgenehmigung zu erteilen. „Der Kanzler sollte angesichts des Dramas in der Ukraine über seinen Schatten springen“, meint die FDP-Politikerin, die seit Monaten schwere Waffen für die Ukraine fordert. Auch die Lieferung von 40 Marder-Schützenpanzern deutet an, dass die Bundesregierung von ihrem Nein abrückt. Scharfe Kritik an derlei Waffenlieferungen kommt nun erneut von Ex-Brigadegeneral Erich Vad.

Prominenter Kritiker

„Das ist eine militärische Eskalation, auch in der Wahrnehmung der Russen“, sagt Vad in einem gestern veröffentlichten Interview mit der Zeitschrift Emma. Der Marder sei zwar keine Wunderwaffe. Mit der kürzlich genehmigten Lieferung der mehr als 40 Jahre alten Schützenpanzer begebe sich Deutschland aber auf eine Rutschbahn. „Das könnte eine Eigendynamik entwickeln, die wir nicht mehr steuern können.“ Vad war bis 2013 militärpolitischer Berater von Angela Merkel. Seit Monaten gehört er zu den prominentesten Kritikern der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. Auch den Offenen Brief, den eine Reihe von Prominenten um die Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer im April an Bundeskanzler Scholz geschrieben hat, hat Vad unterzeichnet. Mittlerweile unterstützen den Brief fast 500.000 Menschen. Für seine Haltung sieht sich der Ex-Militär teils heftiger Angriffe ausgesetzt.

Die deutschen Schützenpanzer vom Typ Marder sind mehr als vier Jahrzehnte alt. 40 von ihnen sollen an die Ukraine geliefert werden. (Foto: Sonaz/CC BY-SA 2.0 DE via Wikimedia Commons)

Vad sieht die Solidarität mit der Ukraine grundsätzlich als richtig an. „Natürlich ist Putins Überfall nicht völkerrechtskonform“, meint er. Es fehle der westlichen Politik aber eine klare Strategie. Was wollen NATO, USA, EU und Bundesrepublik also in der Ukraine erreichen? Lange hieß es insbesondere in Deutschland: Die Ukraine darf nicht verlieren. Immer häufiger hört man nun von Regierungsvertretern: Russland muss besiegt werden. „Wir haben eine militärisch operative Patt-Situation, die wir aber militärisch nicht lösen können“, sagt dazu der Ex-General. Das sei auch die Meinung des amerikanischen Generalstabschefs Mark Milley. „Er hat gesagt, dass ein militärischer Sieg der Ukraine nicht zu erwarten sei und dass Verhandlungen der einzig mögliche Weg seien. Alles andere bedeutet den sinnlosen Verschleiß von Menschenleben.“

Eine unbequeme Wahrheit

Mit ihrer Ablehnung der bedingungslosen Unterstützung der Ukraine kommen Vad und andere Kritiker in den großen deutschen Medien nahezu nicht vor. Auch die Äußerungen von US-Stabschef Milley fanden nicht statt, hat Vad festgestellt. „Das Interview mit Milley von CNN tauchte nirgendwo größer auf, dabei ist er der Generalstabschef unserer westlichen Führungsmacht.“ Die unbequeme Wahrheit, die Milley ausgesprochen habe, passe nicht zur medialen Meinungsbildung. „Wir erleben weitgehend eine Gleichschaltung der Medien, wie ich sie so in der Bundesrepublik noch nie erlebt habe“, kritisiert Vad. „Das ist pure Meinungsmache. Und zwar nicht im staatlichen Auftrag, wie es aus totalitären Regimen bekannt ist, sondern aus reiner Selbstermächtigung.“

Anton Hofreiter ist einer der grünen Wortführer, wenn es um die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine geht. (Foto: Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen/CC BY 2.0 via Wikimedia Commons)

In der Bevölkerung habe die Lieferung schwerer Waffen längst keine Mehrheit mehr, sagt Vad. „Das alles wird jedoch nicht berichtet. Es gibt weitestgehend keinen fairen offenen Diskurs mehr zum Ukraine-Krieg, und das finde ich sehr verstörend.“ Vor allem die Grünen kritisiert Vad scharf. „Die Mutation der Grünen von einer pazifistischen zu einer Kriegspartei verstehe ich nicht. Ich selbst kenne keinen Grünen, der überhaupt auch nur den Militärdienst geleistet hätte. Anton Hofreiter ist für mich das beste Beispiel dieser Doppelmoral.“ Dass Deutschland mit Annalena Baerbock „endlich mal eine Außenministerin“ hat, freue ihn. „Aber es reicht nicht, nur Kriegsrhetorik zu betreiben und mit Helm und Splitterschutzweste in Kiew oder im Donbass herumzulaufen. Das ist zu wenig.“

Eine Strategie, die nicht funktioniert

In der Ukraine werde ein Abnutzungskrieg geführt, analysiert Vad. „Und zwar einer mit mittlerweile annähernd 200.000 gefallenen und verwundeten Soldaten auf beiden Seiten, mit 50.000 Ziviltoten und mit Millionen von Flüchtlingen.“ Dem US-Stabschef drängte sich da der Vergleich zum Ersten Weltkrieg auf. Allein die „Blutmühle von Verdun“ habe „zum Tod von fast einer Million junger Franzosen und Deutscher geführt“, erinnert Vad. „Sie sind damals für nichts gefallen. Das Verweigern der Kriegsparteien von Verhandlungen hat also zu Millionen zusätzlicher Toter geführt. Diese Strategie hat damals militärisch nicht funktioniert – und wird das auch heute nicht tun.“

Um zu einer Lösung der Krise zu kommen, meint Vad, sollte man die Menschen in der Region, also im Donbass und auf der Krim, einfach fragen, zu wem sie gehören wollen. „Man müsste die territoriale Integrität der Ukraine wiederherstellen, mit bestimmten westlichen Garantien. Und die Russen brauchen so eine Sicherheitsgarantie eben auch. Also keine Nato-Mitgliedschaft für die Ukraine. Seit dem Gipfel von Bukarest von 2008 ist klar, dass das die rote Linie der Russen ist.“

Thomas Wolf

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Der Staatsstreich, der keiner ist

Der vermeintliche rechte Umsturz-Versuch ist die Meldung des Tages bei fast allen großen Medien. „Reichsbürger planten Staatsstreich“, titelt tagesschau.de. „Sie wollten sich bewaffnen und den Bundestag stürmen, planten einen Staatsstreich“, heißt es beim ZDF. Bei der Süddeutschen Zeitung liest man von „52 Männern und Frauen, die einen Staatsstreich geplant haben sollen“. Auch die renommierte Frankfurter Allgemeine schreibt vom „Staatsstreich“. In Internetdiskussionen und Telegram-Kanälen sieht man diese Meldungen kritisch. Man glaubt an eine Inszenierung, nicht an einen drohenden Umsturz.

Mehr als Sandkasten-Spiele?

Was die Gruppe von ehemaligen Soldaten der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee der DDR, von Ärzten, Unternehmern und Politikern rund um den Frankfurter Adligen Heinrich Reuß tatsächlich geplant hat, lässt sich im Moment nicht beantworten. Waren die sinistren Pläne mehr als Sandkasten-Spiele und aus dem Ruder gelaufene Polit-Diskussionen bei Telegram? Drohte der verfassungsmäßigen Staatsordnung der Bundesrepublik von jenen „Reichsbürgern“ wirklich eine Gefahr? Sollte der Bundestag tatsächlich gestürmt und Reuß zum Regenten eines erneuerten Deutschen Reichs erhoben werden?

Die deutsche Flagge auf dem Kopf. So soll sie in Reichsbürger-Kreisen Verwendung finden. Andere benutzen Schwarz-Weiß-Rot, die alten Farben des Kaiserreichs.

Eines ist bei aller Ungewissheit klar: Ein Staatsstreich war der vermeintliche Umsturz-Versuch nicht. Das ist keine strafrechtliche Frage, sondern eine der Begrifflichkeiten. Traditionell unterscheidet die deutsche Sprache den Staatsstreich vom Putsch. Während letzterer von nachrangigen Aufrührern (etwa Offizieren der Armee) durchgeführt wird, geht der Staatsstreich von den Herrschenden aus. Das muss nicht notwendigerweise das Staatsoberhaupt sein. Denkbar wäre auch die federführende Beteiligung etwa eines Ministers. Kommt der Umsturz als Teil einer Massenbewegung aus dem Volk, spricht man von Revolution.

Gegenteil eines Staatsstreichs

Der Duden gibt in seiner Online-Ausgabe als Bedeutung von Putsch an: „von einer kleineren Gruppe (von Militärs) durchgeführter Umsturz(versuch) zur Übernahme der Staatsgewalt“. Ein Staatsstreich dagegen ist demnach ein „gewaltsamer Umsturz durch etablierte Träger hoher staatlicher Funktionen“. Dem „Politiklexikon“ von Klaus Schubert und Martina Klein gilt der Putsch sogar regelrecht als Gegenteil eines Staatsstreichs. Diese klare begriffliche Trennung verschwimmt jedoch zusehends. Gerade Journalisten der großen Medienhäuser nutzen beide Ausdrücke mittlerweile offenbar synonym.

Das mag mit daran liegen, dass sich der Putsch nicht immer klar vom Staatsstreich trennen lässt. So könnte die gemeinhin als Putsch bezeichnete Umsturz in Chile am 11. September 1973 auch ein Staatsstreich gewesen sein. Putschisten-Chef Augusto Pinochet war schließlich kurz zuvor zum Oberbefehlshaber des Heeres ernannt worden. Er hatte also ein hohes Amt in der Regierung. Eindeutig ein Putsch war dagegen der gescheiterte Umsturzversuch der noch jungen Nazi-Bewegung 1923 in München, der Hitlerputsch.

Chiles Putschisten-Führer Augusto Pinochet (mit Schärpe). Zum Zeitpunkt seines Putschs 1973 war er Oberbefehlshaber des Heeres. (Foto: Biblioteca del Congreso Nacional de Chile/CC BY-SA 3.0 CL via Wikimedia Commons)

Möglicherweise liegt dem zunehmenden Gebrauch des Begriffs Staatsstreich für Putsch auch ein verdeckter Anglizismus zugrunde. Im Englischen kann das aus dem Französischen stammende „Coup d’état“ nämlich sowohl für den Putsch (von unten) als auch den Staatsstreich (von oben) stehen. Die aktuelle Reichsbürger-Revolte aber ist weit entfernt von einem Staatsstreich. Es sei denn, sie hätte hochrangige Regierungsvertreter in ihren Unterstützer-Reihen. Das aber wollen Tagesschau, Süddeutsche und Co. durch den Begriff Staatsstreich sicherlich nicht andeuten.

Das Reich ist nicht untergegangen

Die sogenannten Reichsbürger sind eine heterogene Gruppe von nur teilweise rechtsgerichteten Menschen. Der Mehrheit von ihnen gemein dürfte sein, dass sie in der Bundesrepublik kein souveränes Land sehen und von der fortdauernden Existenz des Deutschen Reichs ausgehen. Manche Reichsbürger-Gruppierungen geben eigene (Pseudo-)Pässe heraus. Immerhin in einem Punkt liegen sie nicht falsch: Das Deutsche Reich ist nicht untergegangen. Nach herrschender Lehre ist es nämlich mit der Bundesrepublik identisch.

Thomas Wolf

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„Diversity“ schießt keine Tore

Fußball-Deutschland liegt am Boden. Auch zwei Tage nach dem mühevollen 4:2-Sieg über Costa Rica, der dennoch das frühe Aus bei der WM in Katar besiegelte, lecken DFB und Sportfreunde die Wunden. Zum zweiten Mal in Folge schied die deutsche Nationalmannschaft bei einer Weltmeisterschaft bereits in der Gruppenphase schmachvoll aus. 2018 in Russland war nach drei Vorrunden-Spielen Schluss und jetzt ebenso im umstrittenen Golf-Emirat. Bei der Europa-Meisterschaft 2021 hatte es auch nur fürs Achtelfinale gereicht. Nie zuvor hielt eine Phase der Erfolglosigkeit beim deutschen Team so lange an. Zuzuschreiben ist das niemand anderem als den Verantwortlichen im DFB selbst.

Keine Schützenhilfe

Gescheitert ist Deutschland nicht, weil es im letzten Gruppenspiel gegen Costa Rica schlecht gespielt hätte. Der letztlich deutliche 4:2-Sieg ging durchaus in Ordnung. Auch wenn sich die Mannschaft gegen den Außenseiter arg abmühen musste. Zeitweise sah es sogar nach einem Sieg der Mittelamerikaner aus. Deutschland scheiterte auch nicht, weil die erhoffte Schützenhilfe aus Spanien ausblieb. Die „Furia Roja“ verlor überraschend gegen Japan. Ob absichtlich oder aus Unvermögen, sei dahingestellt. Jedenfalls zieht das Land der aufgehenden Sonne nun als Gruppenerster ins Achtelfinale ein. Nein, die DFB-Elf hat sich das erneute frühe Ausscheiden selbst zuzuschreiben.

Mit dieser Armbinde sollte Torwart Manuel Neuer bei der WM in Katar antreten. Die FIFA verbot es ihm. (Foto: © DFB)

Entscheidend für das blamable Aus war letztlich nicht die Leistung auf dem Platz. Auch wenn allein daran genug zu kritisieren ist. Entscheidend war die in den vergangenen Jahren immer mehr voranschreitende Politisierung des Sports. Für die DFB-Funktionäre scheint nur noch Diversität zu zählen. Eine möglichst bunte Truppe statt eines echten Teams. „Diversity wins“ (Vielfalt gewinnt) stand auf der kunterbunten Lufthansa-Maschine, die das Team nach Katar brachte. Zeitweise sollte die Nationalelf sogar bloß noch „Die Mannschaft“ heißen. „Deutsche Nationalmannschaft“ klang den Verantwortlichen wohl zu sehr nach rechter Gesinnung.

Von der FIFA verboten

Mittlerweile heißt die Devise des DFB „One Love“ (eine Liebe). Mit entsprechender bunter Herz-Armbinde sollte Kapitän Manuel Neuer im homophoben Katar antreten. Die Armbinde wendet sich nach DFB-Deutung „gegen die Ausgrenzung von LGBTQ+ Menschen, aber auch gegen Rassismus und Antisemitismus“. Letztlich „gegen jede Form von Diskriminierung“. Warum dann die FIFA-Armbinde mit dem Schriftzug „No discrimination“ (keine Diskriminierung) dem DFB nicht ausreichend war, beantworteten weder Team noch Funktionäre. In der Öffentlichkeit hängen blieb jedenfalls die Unterstützung für Homo- und Transsexuelle. Der FIFA war das zuviel der Politik. Sie verbot die Armbinde.

Dass die Spieler sich Gedanken über Diskriminierung machen, ist aller Ehren wert. Spätestens auf dem Platz jedoch muss jeder Gedanke dem Sport gelten, dem Spiel nach vorn, dem Sieg. Dass dies nicht der Fall war, bestätigte nach dem Vorrunden-Aus Offensivmann Kai Havertz: Die unglückliche Armbinden-Geschichte spukte beim Japan-Spiel noch durch die Köpfe der Spieler, gab er zu. Das musste schiefgehen. „Diversity“ und politische Korrektheit schießen keine Tore. Auch Innenministerin Nancy Faeser (SPD) nicht. Sie war sich nicht zu schade, bei der 2:1-Niederlage gegen Japan mit „One Love“-Binde im Stadion zu sitzen.

Instrumentalisierung der Spieler

Hansi Flick ist bestimmt kein schlechter Trainer. Das hat er als Assistent von Jogi Löw und als Verantwortlicher beim FC Bayern München bewiesen. Auch trägt keiner der Spieler das weiße DFB-Trikot völlig zu Unrecht. Ein echtes National-Team aber bilden sie nicht. Dafür fehlt der Zusammenhalt. Und offenbar auch der Wille, für Deutschland zu siegen. Zwischenzeitlich gab die DFB-Elf das Bild eines von Politik und Medien gehetzten Rehs ab. Die politischen Botschaften, die sie vertreten sollte, überfordern die jungen Spieler. Die Instrumentalisierung hält sie davon ab, ihre eigentliche Aufgabe zu erfüllen. Das muss der DFB kapieren. Sonst wird dieses frühe WM-Aus nicht das letzte gewesen sein.

Frank Brettemer

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Nationalelf im Zeichen des Regenbogens

Eigentlich wollte die deutsche Fußball-Nationalmannschaft heute ein Zeichen setzen. Für Vielfalt und gegen Homophobie. Kapitän Manuel Neuer sollte beim WM-Auftakt des DFB-Teams gegen Japan mit „One Love“-Armbinde antreten. Die Botschaft, für die das Herz in Regenbogen-Anmutung stehen soll: Jede Liebe ist richtig. In der Bundesrepublik kommt das gut an. Auch wenn die Mehrheit „One Love“ eher als Bekenntnis zu Homosexualität lesen dürfte. In Katar und beim Fußball-Weltverband FIFA jedenfalls kommt die Armbinde weniger gut an. Hier steht sie für eine unzulässige Vermischung von Sport und Politik.

„Keine Diskriminierung“

Aus Angst vor drohenden Gelben Karten verzichtete der Deutsche Fußball-Bund letztlich auf die „One Love“-Binde. Stattdessen trug Neuer als Spielführer der deutschen Elf die offizielle FIFA-Botschaft „No discrimination“ am Arm. Also: keine Diskriminierung. Warum dieser klar verständliche Ausdruck weniger aussagekräftig sein soll, erschließt sich nicht. Die Supermarkt-Kette Rewe beendete dennoch ihre Zusammenarbeit mit dem DFB. Der Kölner Lebensmitteleinhändler gibt sich seit Jahren als Unterstützer von Schwulen, Lesben und Transsexuellen. An nahezu allen Rewe-Märkten prangt die Regenbogenfahne der LGBT-Bewegung.

Die Regenbogen-Fahne steht für die Homo- und Transsexuellen-Bewegung. (Foto: Pixabay)

Beim Mannschaftsfoto vor dem Spiel gegen Japan hielten sich die DFB-Spieler symbolisch den Mund zu. Ein Zeichen des Protests gegen (vermeintliche) Zensur durch die FIFA. Beim anschließenden Spiel entwickelte das Team kaum sportlichen Ehrgeiz. Das 1:0 durch Ilkay Gündogan fiel nach einem Elfmeter. Der auf dem Papier weitgehend chancenlose Außenseiter Japan verwandelte den 1:0-Rückstand innerhalb von acht Minuten in einen fulminanten 2:1-Sieg. Am Ende wären für die Japaner sogar noch mehr Tore möglich gewesen. Bundesinnenminister Nancy Faeser verfolgte von der Tribüne aus eine Partie, die dem DFB-Team gewiss nicht zum Ruhm gereicht. Dass es ihr weniger um den sportlichen Erfolg ging, beweist ihr Auftritt. Faeser saß mit der „One Love“-Armbinde neben FIFA-Chef Gianni Infantino, die Neuer nicht tragen durfte.

Aus nach der WM-Gruppenphase

Was Kritiker schon vor Beginn der WM befürchtet haben, beginnt sich nun zu bewahrheiten. Die Nationalelf legt zwar sehr viel Wert auf Diversität und Vielfalt. Aber nicht so sehr auf die Leistung auf dem Platz. Also darauf, worauf es beim Fußball ankommt. Eigentlich. Wenn man den Sport nicht als Bühne für politische Botschaften missbraucht. Die Leistung im Spiel gegen Japan passt also ins Bild einer Mannschaft, die am eigenen sportlichen Erfolg offenbar wenig Interesse hat. Nun droht der deutschen Elf bereits zum zweiten Mal in Folge bei einer WM das Aus nach der Gruppenphase. Sie hätte es verdient.

Thomas Wolf