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Terror gegen Jesiden ist jetzt Völkermord

Kürzlich hat der Bundestag den Holodomor, den Hungertod von Millionen Menschen in der Ukraine in den frühen 1930er Jahren, als Völkermord anerkannt. Sowjet-Führer Josef Stalin habe demnach eine in großen Teilen der Sowjetunion grassierende Hungersnot gezielt gegen die Menschen in der Ukraine gerichtet. Kritiker sehen in der Resolution eine rein politische Entscheidung, von der westlichen Solidarität für die angegriffene Ukraine diktiert. Auf viel Zustimmung stößt dagegen der heutige Bundestagsbeschluss, der nun auch die Morde, Massaker und Gräueltaten an Angehörigen der Glaubensgemeinschaft der Jesiden im Nahen Osten als Genozid anerkennt.

Irakische Jesiden in traditionellen Gewändern. (Foto: Hamdi Hamad/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

„Die Anerkennung des Völkermordes durch den Bundestag ist ein wichtiger Schritt in der Aufarbeitung der Gräueltaten“, erklärt Tabea Giesecke, Referentin für ethnische, religiöse und sprachliche Minderheiten und Nationalitäten bei der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). „Die jesidische Community hat diesen Schritt durch ihre unermüdliche Arbeit ermöglicht. Ihren Kampf um Gerechtigkeit werden wir weiterhin unterstützen.“

Verantwortliche zur Rechenschaft ziehen

Nun sei es wichtig, auf die Details des Beschlusses zu schauen: „Mit der Anerkennung des Genozids ist die Arbeit nicht getan. Jetzt müssen konkrete Maßnahmen folgen, die die Überlebenden unterstützen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen“, fordert Giesecke. „Die jesidische Gemeinschaft muss unmittelbar an allen Entscheidungen über ihre Zukunft und die ihrer Heimatregion Sindschar beteiligt werden. Nur dann wird sich die Lage der Überlebenden wirklich verbessern.“

Jesidische Flüchtlinge in einem Lager im Nordosten Syriens 2014. Der Vormarsch der Terrormiliz „Islamischer Staat“ im Irak hatte sie zuvor zur Flucht gezwungen. (Foto: DFID – UK Department for International Development/Rachel Unkovic/International Rescue Committee/CC BY 2.0 via Wikimedia Commons)

Verantwortlich für den Genozid an der jesidischen Bevölkerung des Irak 2014 ist die dschihadistische Terrormiliz „Islamischer Staat“. Sie gilt im Nahen Osten seit einer Reihe von Gegenoffensiven im Irak und in Syrien zwar als weitgehend besiegt, macht aber dennoch immer wieder von sich reden. Nach Angaben der GfbV dauert der Genozid bis heute an. Viele jesidische Frauen seien immer noch verschwunden oder in Gefangenschaft. Zahlreiche Vertriebene sitzen demnach ohne Perspektive in Flüchtlingslagern fest, weil ihre Wohnhäuser zerstört wurden und die irakische Region Sindschar weiterhin unsicher ist. Kollektive und individuelle Traumata seien kaum aufgearbeitet worden.

Parteiübergreifende Zustimmung

Den Antrag, mit dem der Bundestag den Genozid anerkennt, haben SPD, Grüne, FDP und CDU/CSU gemeinsam eingereicht. Zugestimmt haben ihm alle Fraktionen. Der Antrag geht auf eine Petition aus der jesidischen Diasporagemeinschaft zurück. Im Februar vergangenen Jahres wurde er laut GfbV vor dem Petitionsausschuss des Bundestags und im Juni 2022 im Menschenrechtsausschuss diskutiert. Die 50.000 Unterschriften für die Petition sammelten demnach Ehrenamtliche, darunter viele jesidische Jugendliche. Der Menschenrechtsausschuss hatte dem Parlament die Anerkennung als Genozid empfohlen.

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Dschihadisten in Afrika auf dem Vormarsch

Das weltweite päpstliche Hilfswerk „Kirche in Not“ zeigt sich alarmiert über die Lage in Burkina Faso. Nachdem Anfang Juli mehr als 20 Menschen in der Ortschaft Bourasso im Nordwesten des Landes von Milizen erschossen worden waren, erreichen das Hilfswerk auch aus der Diözese Fada N’Gourma im Osten von Burkina Faso besorgniserregende Nachrichten: Aufgrund der anhaltenden Terrorgefahr können zahlreiche Dörfer im Bistum kaum noch von außen erreicht werden. 

Auf Anfrage von „Kirche in Not“ teilten die Projektpartner in Fada N’Gourma mit, dass von den über 500 Städten und Dörfern auf dem Gebiet des Bistums aktuell mehr als 90 Prozent von der Außenwelt abgeschnitten seien. Raubüberfälle, Entführungen und Morde hätten so massiv zugenommen, dass die Diözese seit Anfang 2022 ihre Seelsorger aus fünf weiteren Pfarreien abberufen musste. 

Ein zerstörtes Kreuz nach einem Überfall von Islamisten auf das Studienseminar der Diözese Fada N’Gourma in Burkina Faso. (Foto: Kirche in Not)

In sieben weiteren Gemeinden seien die oft abgelegenen Außenstellen nicht mehr zu erreichen; die Straßen seien in der Kontrolle von Milizen und deshalb unpassierbar. Da auch die Telefon- und Internetverbindungen gekappt wurden, habe man keine Informationen über die dortigen Gemeindemitglieder. 

Terror richtetet sich vermehrt gegen Christen

Auslöser dieser dramatischen Situation ist der islamistische Terror, der sich seit dem Jahr 2015 in Burkina Faso immer weiter vorwärts frisst. Dem Bericht „Religionsfreiheit weltweit 2021“ von „Kirche in Not“ zufolge ist das Land zu einem der Hauptoperationsgebiete des militanten Dschihadismus in Afrika geworden. Während sich die Gewalt zu Beginn unterschiedslos gegen die gesamte Bevölkerung richtete, kommt es nach Angaben von lokalen Beobachtern seit 2019 vermehrt zu gezielten Attacken auf Christen, die etwa ein Viertel der Bevölkerung Burkina Fasos ausmachen.

Gläubige in Burkina Faso bei einem Gottesdienst. (Foto: Kirche in Not)

Der Bericht der Diözese Fada N’Gourma an „Kirche in Not“ enthält auch die Aussage eines Priesters, der das übliche Vorgehen der Terroristen schildert. Demnach eroberten Milizen Ende Februar die Stadt Tombaga im Osten der Diözese. Die Bewohner seien in der Moschee zugsammengeführt worden. Die Terroristen hätten die anwesenden Christen aufgefordert, zum Islam zu konvertieren. „Sie sagten, Isa (Name für Jesus im Islam; Anm. d. Red.) sei gekommen, aber seine Mission sei beendet. Mohammed sei sein Nachfolger“, zitiert der Bericht den Augenzeugen. Anschließend hätten die Milizen eine katholische Schule und weitere staatliche Bildungseinrichtungen in Brand gesetzt.

Freie Religionsausübung vielfach eingeschränkt

In vielen Orten der Diözese Fada N’Gourma sei es verboten, eine andere Religion als den Islam auszuüben, heißt es in dem Bericht. Mancherorts dürften zwar noch christliche Gottesdienste abgehalten werden. Diese werden aber offenbar von den lslamisten überwacht. Trotz der prekären Lage gebe es jedoch nach wie vor ein lebendiges Gemeindeleben. Vielen christlichen Bewohnern aus den abgeschnittenen Dörfern sei die Flucht gelungen. Sie haben sich demnach rund um die Ortschaft Matiakoali niedergelassen, wo Militär stationiert und es deshalb vergleichsweise sicher ist.

Weitere Informationen zur Lage in Burkina Faso finden Sie im Bericht „Religionsfreiheit weltweit 2021“ von „Kirche in Not“.