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Türkei diskriminiert bei Erdbeben-Hilfe

Will die Regierung gezielt Minderheiten auslöschen? – Aleviten beklagen mangelnde Unterstützung für ihre Glaubensgenossen im Katastrophen-Gebiet

Alevitische Gemeinden in Pazarcik und Elbistan im Süden der Türkei beklagen systematische Diskriminierung bei Hilfsgütern, Nothilfen und der Bergung von Erdbebenopfern. Das berichtet die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Göttingen unter Berufung auf alevitisch-kurdische Quellen und Ali Toprak, den Bundesvorsitzenden der Kurdischen Gemeinde in Deutschland.

Ein zerstörtes Haus in der türkischen Stadt Hatay. (Foto: Hilmi Hacaloğlu/gemeinfrei via Wikimedia Commons)

„Augenzeugen berichten uns, dass der staatliche Katastrophenschutz insbesondere die alevitischen Dörfer um Pazarcik erst Tage nach dem Erbeben aufgesucht hat“, erklärt Tabea Giesecke, GfbV-Referentin für ethnische, religiöse und sprachliche Minderheiten und Nationalitäten. Die Behörden hätten zivile Hilfen behindert, die Hilfskräfte Dörfer, in denen Menschen noch in den Trümmern lagen. „Das zeigt beispielhaft, wie die türkische Regierung die Katastrophe nutzt, um Minderheiten im Land auszulöschen.“

Erschüttertes Vertrauen

Seit dem Erdbeben gibt es immer mehr alevitisch-kurdische Initiativen, die Hilfsgüter und Nothilfen leisten und auch aus dem Ausland Spenden in betroffene Gebiete bringen. „Das Vertrauen der Menschen in die türkische Regierung und den Katastrophenschutz ist zutiefst erschüttert. Die Zivilbevölkerung leistet jetzt die Hilfe, die der Staat systematisch zurückhält. Und selbst das ist diesem Staat ein Dorn im Auge“, meint Giesecke.

In der alevitischen Gemeinde in Pazarcik hat der Gouverneur von Maraş (Kahramanmaraş) zivile Helfer dazu aufgefordert, ihre Arbeit zu beenden und Hilfsgüter beschlagnahmt. Ein staatlicher Verwalter soll nun die Verteilung organisieren. „Das ist ein Schlag ins Gesicht für die alevitische Gemeinde. Betroffene werden dadurch von für sie gedachten Hilfen abgeschnitten. Es zeigt, wie tief die Diskriminierung sitzt“, kritisiert Giesecke.

Kurden-Gebiet bombardiert

Bereits zuvor hat die GfbV darauf hingewiesen, dass die türkischen Streitkräfte trotz des Erdbebens kurdische Siedlungsgebiete im Norden Syriens attackieren. „Es ist skandalös, dass ein NATO-Staat eine humanitäre Katastrophe mutwillig verschlimmert“, kritisiert Kamal Sido, Nahost-Referent der GfbV. Auch Hilfslieferungen nach Syrien habe die Türkei blockiert. Nicht nur Syriens umstrittener Präsident Assad verhindere die Versorgung der kurdischen Gebiete.

Dem historischen Beben fielen mindestens 42.000 Menschen zum Opfer. Davon allein 36.000 in der Türkei. Zehntausende könnten noch unter den zerstörten Gebäuden verschüttet sein. In manchen Gebieten verschoben die Erdstöße das Land um mehrere Meter. Das Beben erreichte eine Magnitude von etwa 7,8 und übertraf damit die Katastrophe von Gölcük und Izmit 1999. Damals starben 18.000 Menschen.

Helfer im Nordwesten Syriens bergen einen Verschütteten. (Foto: Foreign, Commonwealth & Development Office/CC BY 2.0 via Wikimedia Commons)

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