Christen gehören weltweit zu den am häufigsten in ihren Grund- und Menschenrechten eingeschränkten Menschen. Sie werden attackiert, diffamiert und diskriminiert. In zahlreichen Staaten ist die Religionsfreiheit nicht mehr als ein Lippenbekenntnis. Wenn überhaupt. Das geht aus dem Bericht „Religionsfreiheit weltweit“ des katholischen Hilfswerks „Kirche in Not“ hervor. Eine Untersuchung der katholischen Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche bestätigt die Ergebnisse. Selbst in westlichen Ländern, wo die Glaubens- und Gewissensfreiheit Verfassungsrang haben, fällt es Christen zunehmend schwer, ihre religiösen Überzeugungen öffentlich und ungehemmt zu vertreten.
Verachtet und angegriffen
Beispiel: Flüchtlingsheime. Hier zeigte sich insbesondere auf dem Höhepunkt der sogenannten Flüchtlingskrise ab 2015, dass Christen oft Asylsuchende zweiter Klasse waren. Von ihren muslimischen Heim-Genossen wurden sie teils verachtet und ausgegrenzt und mitunter sogar angegriffen. Für die nahöstliche Religions-Gemeinschaft der Jesiden gilt dasselbe. Der Terror, den diese Menschen in ihrer Heimat erlebten – er verfolgte sie bis nach Deutschland. Hinzu kommt, dass deutsche Behörden vor allem bei erst kürzlich zum Christentum konvertierten Flüchtlingen oft pauschal davon ausgehen, dass der Übertritt nur erfolgte, um die Chancen zu verbessern, bleiben zu dürfen.
Zweites Beispiel: Fußball-Nationalspieler Felix Nmecha. Der Sohn einer deutschen Mutter und eines nigerianischen Vaters kann ohne Übertreibung zu Deutschlands besten Fußballern gezählt werden. Auch wenn das angesichts der anhaltenden Erfolgs-Flaute beim DFB-Team nicht übertrieben viel aussagen mag. Im März spielte der 22-Jährige erstmals im Trikot der A-Nationalmannschaft. Seither berücksichtigte ihn Bundestrainer Hansi Flick nicht mehr. Warum? Offenbar passt er nicht so recht ins bunte Bild der DFB-Auswahl. Nmecha ist überzeugter Christ. Im Internet macht er daraus keinen Hehl. Mitunter teilt er auch Beiträge, die die Gender-Ideologie kritisieren. Damit gilt man heutzutage schnell als trans-feindlich.
Das kostete Nmecha beinahe den Wechsel vom VfL Wolfsburg zu Fast-Meister Borussia Dortmund. Als die ersten Transfer-Gerüchte aufkamen, protestierte eine Fan-Initiative heftig. Nmecha passe nicht zu einem toleranten und offenen Club wie dem BVB, hieß es. Am Ende war den Verantwortlichen im Verein die Spielstärke des Mittelfeld-Mannes offenbar wichtiger als politische Bedenken. Am Montag unterschrieb der Jungstar bei den Dortmundern einen bis 2028 gültigen Vertrag. Nmecha, beeilten sich Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und BVB-Präsident Reinhold Lunow zu versichern, habe sie überzeugt, dass er „kein transphobes oder homophobes Gedankengut“ in sich trage. Er respektiere und liebe alle Menschen „unabhängig von ihrer Hautfarbe, Religion oder sexuellen Orientierung“.
Mit dem Tod bedroht
Wenn nun schon im christlich geprägten Westen Christen nicht sicher sind. Ihre Meinung nicht frei äußern können, ohne sich rechtfertigen oder erklären zu müssen. Wenn sie mitunter sogar um Leib und Leben fürchten müssen – um wie viel schwieriger muss dann erst das Leben als Christ in Ländern sein, für die Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht einmal ein Lippenbekenntnis ist? Totalitäre Staaten wie Nordkorea, das bei der weltweiten Rangfolge fehlender Religionsfreiheit von „Kirche in Not“ stets Spitzenplätze belegt. Oder muslimische Länder wie Pakistan. Dort kommt es immer wieder zu Übergriffen auf Christen. Ein Blasphemiegesetz bedroht Nicht-Muslime, denen vorgeworfen wird, den Islam, seinen Stifter Mohammed oder den Koran herabzuwürdigen, mit Haft und sogar mit Tod.
Zu den Sorgenkindern in Sachen Religionsfreiheit zählt zunehmend auch Indien. Seit Anfang Mai halten nach Angaben von „Kirche in Not“ im ostindischen Bundesstaat Manipur Ausschreitungen gegen religiöse Minderheiten an. Das Hilfswerk vermutet dahinter einen Plan, den hinduistischen Teil der Bevölkerung im Vorfeld der kommenden Parlamentswahlen auf Kurs der Regierungspartei BJP zu bringen und die Bevölkerung zu spalten. Dies vermutet ein katholischer Bischof, der aus Sicherheitsgründen namentlich nicht genannt werden möchte. „Im April 2024 wird in Indien gewählt, und so wollen die Hindu-Nationalisten die Menschen vorher terrorisieren. Sie werden Christen und Muslime unter Druck setzen und wollen dadurch die Hindus für sich gewinnen“, sagt er.
Weit über 100 Tote
Der Bundesstaat Manipur grenzt an Myanmar. Immer wieder kommt es dort zu Spannungen zwischen der mehrheitlich hinduistischen Volksgruppe der Meitei und den christlichen Kuki und Naga. Letztere werden laut „Kirche in Not“ von der Regierung als „geschützter Stamm“ anerkannt. Das bringe bestimmte Privilegien mit sich. Landbesitz zum Beispiel. Die Meitei fordern diese Privilegien nun ebenfalls für sich ein. Nach Demonstrationen Anfang Mai brachen schwere Unruhen aus. Die Zahl der Toten soll unbestätigten Angaben zufolge mittlerweile bei weit über 100 liegen. Nach Angaben der indischen Erzdiözese Imphal sind bereits mehr als eine halbe Million Menschen geflohen.
Behörden und Medien sprechen von einem rein ethnischen Konflikt. Der Gesprächspartner von „Kirche in Not“ betont jedoch, die Ausschreitungen seien mittlerweile zu einem interreligiösen Problem geworden. „Der eigentliche Grund für den Konflikt ist die Größe der christlichen Bevölkerung. Die Hindus sind der Meinung, dass es ihnen erlaubt sein sollte, Land zu besitzen, das den Christen gehört.“ Rund 250 Kirchen wurden nach Angaben des Bistums Imphal zerstört. Auch Gotteshäuser der christlichen Minderheit unter den Meitei. „Das ist ein starkes Indiz dafür, dass es hier nicht nur um Land geht“, sagt der Bischof.
Thomas Wolf