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Syrien: „Schlimmer als während des Krieges“

2011 eskalierten die Proteste gegen die Regierung von Syriens säkularem Präsidenten Baschar al-Assad zum blutigen Bürgerkrieg. Islamistische Gruppierungen, die nicht selten von der Türkei oder Katar oder sogar vom Westen unterstützt wurden, bemächtigten sich ganzer syrischer Regionen und töteten oder vertrieben Zigtausende, darunter viele Christen. Heute, mehr als zehn Jahre nach Beginn der Mordens, ist in weiten Teilen des Landes die heiße Phase der Kämpfe vorbei. Nach Ansicht der Ordensschwester Annie Demerjian ist die Lage aber „schlimmer als während des Krieges, was die wirtschaftliche Situation und den Alltag der Menschen angeht“. Das sagte Demerjian in einem Interview mit dem katholischen Hilfswerk „Kirche in Not“.

Kinder beten im syrischen Ost-Ghouta vor der Ikone „Unsere Liebe Frau von den Schmerzen, Trösterin der Syrer“. (Foto: Kirche in Not)

In einigen Landesteile seien auch nach elf Jahren des Bürgerkriegs noch immer islamistische Milizen wie der „Islamische Staat“ oder Nachfolge-Organisationen der al-Qaida-nahen Al-Nusra-Front aktiv, beklagt Demerjian. Dort werde nach wie vor gekämpft. In den anderen Landesteilen fielen zwar keine Bomben mehr, „aber das Leben ist nicht friedlich. Es gibt keinen geregelten Alltag, denn unser Volk kämpft jeden Tag ums Überleben“. Demerjian gehört der Gemeinschaft der „Schwestern Jesu und Mariens“. Zusammen mit ihren Mitschwestern betreut sie kirchliche Hilfseinrichtungen in Syrien und im benachbarten Libanon.

Die Lage der Infrakstruktur sei vielerorts desolat, sagt die Ordensfrau: Viele Menschen hätten nur ein bis zwei Stunden am Tag Strom, die Wasserversorgung sei unterbrochen. Die Löhne könnten mit den enorm gestiegenen Preisen nicht mithalten: „Ein Familienvater in Aleppo verdient durchschnittlich umgerechnet um die 30 Euro. Allein die Miete beträgt aber 40 bis 50 Euro, in der Hauptstadt Damaskus sogar noch mehr. Wie soll das funktionieren?“ Viele Menschen seien der Situation überdrüssig. Die Auswanderungswelle, mit der Syrien seit Jahren zu kämpfen hat, setze sich fort.

Kritik an Sanktionen

Scharf kritisiert die Ordensfrau die Sanktionen, die die Europäische Union und die US-Regierung nach Beginn der Unruhen gegen Syrien verhängten: „Sie treffen das einfache Volk und machen uns das Leben sehr schwer. Ich verstehe die Länder nicht, die von Menschenrechten reden und Sanktionen gegen das Leben der Menschen verhängen.“ Die Kirche versuche, die schlimmsten Nöte zu lindern und weitere Auswanderungen zu stoppen, erklärt Schwester Annie. Sie schätzt, dass im Vergleich zur Zeit vor dem Bürgerkrieg nur noch etwa ein Drittel der Christen in Syrien geblieben seien.

Die Kirche versucht, den Syrern mit Suppenküchen zu helfen. (Foto: Kirche in Not)

Das Engagement von Schwester Annies Gemeinschaft erstreckt sich deshalb auch auf den Libanon, wo sich nach wie vor viele syrische Flüchtlinge aufhalten. Im syrischen Aleppo konzentriert sich die Hilfe auf rund 300 mittellose Familien. Die Ordensfrauen leisten Beihilfen für die Miete und versorgen die Menschen mit Lebensmitteln und Medikamenten. Diese seien nach wie vor ein besonders rares Gut, erzählt Demerjian: „Ich weiß von vielen Menschen, dass sie ihre Medikamente nur alle paar Tage einnehmen. Sie strecken sie, damit sie möglichst lang den Bedarf decken können.“ 

Traumatisierte Kinder

Für traumatisierte Kinder bieten die Ordensfrauen Musik- und Kunsttherapien an. „Das Trauma, das unsere Kinder erlitten haben, ist sehr stark, besonders bei denen, die während des Krieges geboren wurden“, sagt Schwester Annie. Ein weiteres Augenmerk liege auf dem Bereich Arbeit und Bildung. In der christlich geprägten Kleinstadt Maalula im Südwesten Syriens nahe der libanesischen Grenze hat die Gemeinschaft eine Nähwerkstatt aufgebaut, in der über 20 Frauen Arbeit und Lohn finden. Während des Kriegs war Maalula zeitweise von dschihadistischen Kämpfern besetzt.

Schwester Annie Demerjian (links) mit Frauen in der Nähwerkstatt der christlichen Siedlung Maalula. (Foto: Kirche in Not)
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Im Blickpunkt

Waffenhilfe statt Lebensschutz?

Die Kirche hat ein Problem. Der Krieg in der Ukraine bringt die katholischen und evangelischen Christen in Deutschland ebenso in ein ethisch-moralisches Dilemma wie die Gesellschaft insgesamt. Soll die Bundesrepublik Waffen an Kiew liefern? Befürworter argumentieren, der militärische Beistand sei nötig, ja sogar Pflicht, um die Ukraine in ihrer Selbstverteidigung gegen einen ansonsten womöglich übermächtigen Feind zu unterstützen. Zugleich ziehen westliche Waffenlieferungen den Krieg in die Länge – und damit das Leiden und Sterben der Zivilbevölkerung. Ist es also zugespitzt formuliert gerechtfertigt, für die Sicherung oder Rückgewinnung ukrainischen Territoriums unzählige Menschenleben zu opfern?

Kein „Heiliger Krieg“

Für die Kirchen gehört der Schutz des Lebens zu den zentralen Aussagen der christlichen Botschaft. Von der Lehre eines „Heiligen Krieges“ hat sich die Theologie längst verabschiedet. Stattdessen steht die Forderung nach Frieden und Versöhnung im Zentrum der kirchlichen Lehre. Papst Franziskus hat das gerade erst wieder bei seinem Besuch im muslimischen Insel-Königreich Bahrain deutlich gemacht. Es gelte, sagte das Kirchenoberhaupt, „die Spirale der Rache zu durchbrechen, die Gewalt zu entwaffnen, das Herz zu entmilitarisieren“. Den russischen Einmarsch in der Ukraine hat der Papst stets klar verurteilt. Doch betont er seit Monaten die Notwendigkeit des friedlichen Dialogs der Kriegsparteien. Das hat ihm sogar den Vorwurf eingebracht, er sei „pro Putin“.

Papst Franziskus bei seinem Besuch in Kasachstan im September. Kritiker werfen dem katholischen Kirchenoberhaupt vor, er sei „pro Putin“. (Foto: Yakov Fedorov/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Die kirchliche Diskussion hierzulande sieht anders aus. Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und damit oberste Repräsentantin der Protestanten, Annette Kurschus, äußerte auf der jüngsten Sitzung des Kirchenparlaments, der Synode, Verständnis für westliche Waffenlieferungen. „Waffen helfen, sich zu wehren und zu verteidigen, sie können Leben retten. Das ist sehr viel.“ Zugleich schränkte Kurschus ein und machte damit das Dilemma deutlich: „Waffen allein schaffen aber keinen Frieden.“ Ergänzend müsse dringend der Weg für einen Waffenstillstand gesucht werden.

„Terrorartiges Morden“

Der Berliner evangelische Bischof Christian Stäblein sieht dieses Dilemma offenbar weniger. Er betonte im Oktober im RBB-Hörfunk, die Ukraine müsse unterstützt werden. Es sei „nicht richtig, zuzuschauen, wie Menschen einem terrorartigen Morden durch Raketen ausgesetzt werden“, sagte der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Er bezog sich damit auf die Zunahme russischer Luftschläge gegen ukrainische Städte nach dem Sprengstoff-Anschlag auf die Krim-Brücke über die Straße von Kertsch. Wo Unrecht geschehe, ob in der Ukraine, ob im Iran oder in den eigenen Reihen, begründete Stäblein, seien Haltung und Einmischung gefragt.

Der Landesbischof von Mitteldeutschland, Friedrich Kramer, predigt im Magdeburger Dom. Waffenlieferungen an die Ukraine lehnt der Friedensbeauftragte der EKD ab. (Foto: JWBE/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Während also Kurschus und Stäblein Waffenlieferungen begrüßen, zeigt Friedrich Kramer, wie uneins die Evangelische Kirche in der Frage ist. Der Friedensbeauftragte der EKD machte zum Auftakt der Synoden-Tagung seine ablehnende Haltung deutlich. „Müssen wir nicht um der Gerechtigkeit und Nächstenliebe willen helfen? Das ist klar“, sagte der Landesbischof von Mitteldeutschland beim Eröffnungsgottesdienst der Synode im Magdeburger Dom. „Aber auch mit Waffen? Ich sage Nein.“ Statt Milliarden für die Rüstung auszugeben, soll die Gesellschaft nach Kramers Ansicht ihr Augenmerk auf die Bedürfnisse der Armen und Schwachen richten. „Mit der Hälfte allein der deutschen Rüstungsausgaben ließe sich der stark gestiegene Hunger in der Welt eindämmen.“

Waffenlieferungen „grundsätzlich legitim“

Unser Portal fragte die Pressestellen der 27 katholischen Bistümer und Erzbistümer in Deutschland, wie die katholische Kirche zu Waffenlieferungen an die Ukraine steht. Nur eine Minderheit antwortete. Die meisten Rückmeldungen verweisen auf eine Erklärung, die die Deutsche Bischofskonferenz im März auf ihrer Frühjahrs-Vollversammlung in Vierzehnheiligen verabschiedet hat. „Rüstungslieferungen an die Ukraine, die dazu dienen, dass das angegriffene Land sein völkerrechtlich verbrieftes und auch von der kirchlichen Friedensethik bejahtes Recht auf Selbstverteidigung wahrnehmen kann, halten wir deshalb für grundsätzlich legitim“, heißt es darin. „Es ist denjenigen, die die Entscheidung zu treffen haben, aber aufgetragen, präzise zu bedenken, was sie damit aus- und möglicherweise auch anrichten.“

Die Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz fand im März im oberfränkischen Vierzehnheiligen statt. Hier verabschiedeten die katholischen Bischöfe die Ukraine-Erklärung „Der Aggression widerstehen, den Frieden gewinnen, die Opfer unterstützen“. (Foto: Schubbay/Derivative work MagentaGreen/CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)
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Im Blickpunkt

Wo die Wurzeln des Reformators liegen

Martin Luther ist so etwas wie der Superstar der Reformation. Hätte er nicht am 31. Oktober 1517 seine berühmten 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg genagelt – die deutsche Geschichte wäre womöglich anders verlaufen. Wie kein anderer prägte der abtrünnige Augustinermönch Luther den religiösen Neubeginn im deutschsprachigen Raum. Mit keinem anderen Ort ist sein Name so eng verbunden wie mit der „Lutherstadt“ Wittenberg an der Elbe. Bestenfalls die Wartburg im thüringischen Eisenach, wo der Reformator die Bibel ins Deutsche übersetzte, kann Wittenberg das Wasser reichen. Luthers Wurzeln aber liegen woanders: im Mansfelder Land am Rande des Harzes.

Das Lutherdenkmal auf dem Marktplatz von Eisleben. Im Hintergrund: das Rathaus der Lutherstadt (links) und der Turm der Andreaskirche. (Foto: FB)

In Eisleben ist es schier unmöglich, Luther aus dem Weg zu gehen. Auf jedem Gully-Deckel prangt sein Name. Museen sind ihm gewidmet, Kirchen erinnern an sein Wirken. Ein „Lutherweg“ führt von Wirkungsstätte zu Wirkungsstätte. Von Häuserfassaden und vom Straßenboden grüßen Luther-Zitate. Vermutlich würde es den Besucher kaum verwundern, wenn der Reformator quicklebendig um die Ecke käme. In dem kleinen Städtchen in Sachsen-Anhalt, das wenig mehr als 20.000 Einwohner zählt, ist Luther allgegenwärtig. Hier wurde er 1483 geboren. Und hier starb er auch 1546 mit 62 Jahren. Seit 1946, seit Luthers 400. Todestag, nennt Eisleben sich daher stolz wie Wittenberg: „Lutherstadt“.

Stolz und entschlossen

Auf dem Marktplatz steht Eislebens berühmtester Sohn, dem Rathaus den Rücken gekehrt, stolz, entschlossen und trotzig, die päpstliche Bannbulle in der rechten und die Bibel in den linken Hand. Seit 1883 steht der mächtige Bronze-Luther auf dem Markt. Das Denkmal schuf der preußische Bildhauer Rudolf Siemering. Den Sockel aus Granit zieren drei Reliefs, die Luthers Leben und Wirken illustrieren: der Reformator im Kreise seiner Familie, die Disputation mit dem papsttreuen Kontrahenten Johannes Eck, die Bibelübersetzung auf der Wartburg. Ein viertes Relief steht für den Sieg des Guten über das Böse.

Martin Luther auf einem Porträt aus der Werkstatt des Malers Lucas Cranach des Älteren. (Foto: gemeinfrei)

Nach Jahrzehnten der atheistisch geprägten DDR-Herrschaft und Jahren der Säkularisierung gehört heute nur noch rund jeder siebte Einwohner von Eisleben einer der beiden großen christlichen Kirchen an. Ihren Luther aber kann der Stadt keiner nehmen. Selbst die DDR-Oberen störten sich an seiner Frömmigkeit nicht und erkoren ihn spätestens zum Lutherjahr 1983 zu einer Art Vorläufer des Sozialismus. Das hatten sie zuvor bereits – etwas zutreffender – mit Thomas Müntzer gemacht. Der radikale Prediger war zeitweise Luthers Mitstreiter, dann aber sein erbitterter Kritiker. Als Führer aufständischer Bauern unterlag er 1525 bei Bad Frankenhausen in Thüringen einem verbündeten Fürsten-Heer, wurde festgenommen, brutal gefoltert und hingerichtet. Die DDR verehrte Müntzer als deutschen Nationalhelden.

Kein Schritt ohne Luther

Kaum ein Ort in der damaligen DDR, der etwas auf sich hielt, kam ohne Thomas-Müntzer-Straße aus. In Eisleben dagegen lässt sich kein Schritt gehen, ohne Luther zu begegnen. In den Schaufenstern der Geschäfte prangt sein Antlitz auf Büchern, Touristenführern und Spirituosen. Von Straßenschildern und Wegweisern grüßt sein Name. Ein Gymnasium, das auf Luther selbst zurückgeht, ist nach ihm benannt. Bei körperlichen Beschwerden hilft ein Gang zur Luther-Apotheke. Und für das leibliche Wohl sorgt der Wirt der Lutherschenke. Das Gasthaus wirbt mit einer jener deftigen Aussagen, für die Luther schon zu Lebzeichen berüchtigt war: „Ich fresse wie ein Böhme und saufe wie ein Deutscher.“

Hinter Eislebens Rathaus ragen die Türme der spätgotischen Andreaskirche in die Höhe. Von ihrer Kanzel, die natürlich auch nach dem Reformator benannt ist, hielt Luther seine vier letzten Predigten. Nur wenige Schritte von dem Gotteshaus entfernt starb er am 18. Februar 1546. Sein „Geburtshaus“ – natürlich in der Lutherstraße gelegen – ist eines der ersten Museen der Welt. 1693 wurde das Haus errichtet, um protestantische Pilger und Luther-Fans anzulocken. Luthers wahres Geburtshaus war 1689 abgebrannt. Der Museumsbau hat nach Ansicht von Historikern kaum eine Ähnlichkeit zu dem ursprünglichen Gebäude.

Schloss Mansfeld war einst das Zentrum einer Grafschaft, deren Herrscher zu den ältesten Adelshäusern des Heiligen Römischen Reichs zählten. (Foto: FB)

Das Mansfelder Land, die hügelreiche Region um und bei Eisleben, ist echtes Lutherland. Nur rund zehn Kilometer nordwestlich des Geburtsortes des Reformators liegt eine weitere „Lutherstadt“, die noch dazu ihrer ganzen Umgebung den Namen gegeben hat: Mansfeld. Im Mittelalter war das Städtchen Hauptort einer Grafschaft, deren Herrscher zu den ältesten Adelshäusern des Heiligen Römischen Reichs zählten. Das mächtige Schloss der Grafen von Mansfeld, eine der größten Burgen Mitteldeutschlands, kündet noch von der einstigen Bedeutung des Ortes. Auf einem steilen Felsen thront es hoch droben über dem Stadtkern.

Kindheit in Wohlstand

In der Lutherstraße Nr. 26 in Mansfeld verbrachte der kleine Martin ab 1484 seine Kindheit. Am Wohnhaus seiner Eltern erinnert eine Plakette, die auf der Giebelseite in die Fassade eingelassen ist, von der Sanierung des Hauses anlässlich des 500. Geburtstags des Reformators. 1983 war das. Luther wurde damals von der DDR vereinnahmt. Auf der anderen Straßenseite fällt der Blick auf einen Betonklotz, der überhaupt nicht in die Reihe der alten Bauten passen will. Das „Museum Luthers Elternhaus“ widmet sich der Kindheit des späteren Bibelübersetzers. Einer Kindheit übrigens, in der es dem kleinen Martin durchaus nicht schlecht ging. Vater Hans (1459–1530) gehörte als Besitzer von Erzgruben zu den reicheren Bürgern Mansfelds.

Luthers Elternhaus in Mansfeld. Hier wuchs der spätere Reformator auf. (Foto: FB)

„Ich bin ein Mansfeldisch Kind“, sagte Luther und blieb der Stadt bis zu seinem Tode verbunden. Wie in Eisleben, so ist er auch hier unübersehbar. Ein paar Schritte hinter dem Elternhaus erinnert ein altes Schaufenster an das Reformationsjubiläum 2017. In Mansfeld ging Martin zur Schule, lernte Lesen, Schreiben, Rechnen, Singen und Latein. Die Stadtinformation ist heute in jener „Lutherschule“ untergebracht. Gleich daneben liegt die Kirche St. Georg. Hier war Luther Ministrant. Ein Bild von ihm, das vermutlich der Schule des Malers und Luther-Freunds Lucas Cranach entstammte, war hier zu sehen. Bis es im 19. Jahrhundert übermalt wurde.

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Kommentar

Wasser predigen und Wein trinken?

Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann rät den Deutschen, sich mit dem Waschhandschuh zu waschen statt zu duschen. Auch Strom- und Energiespartipps von dem offenbar völlig überforderten Wirtschaftsminister Robert Habeck haben im Internet traurige Berühmtheit erlangt. Von vielen Bundesbürgern werden sie angesichts einer Krise, die zum Gutteil von der Regierung selbstverschuldet ist, zu Recht als Hohn begriffen. Nun ruft auch die Kirche in Gestalt des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz die Deutschen zum Verzicht auf.

Bischof Georg Bätzing (Mitte), der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, bei einem Gottesdienst. (Foto: Christian Pulfrich/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

„Gerade wir hier im reichen Norden und Westen müssen zu einem anderen Lebensstil finden“, sagte der Limburger Bischof Georg Bätzing bei der Eröffnung der Herbstvollversammlung der Bischofskonferenz in Fulda. „Der kommende Herbst und Winter wird da aufgrund der Energiekrise ein realistisches Übungsfeld werden. Werden wir es durch Konsumverzicht und gelebte soziale Verantwortung schaffen, als Gesellschaft zusammenzuhalten, füreinander zu sorgen und nicht denen das Feld zu überlassen, die mutwillig Spaltungen provozieren und es darauf anlegen, unsere Demokratie zu destabilisieren?“

Kein „Weiter so!“

Wer insgeheim denke, man werde schon irgendwie ohne große Einschnitte im eigenen Wohlstand über die Runden kommen, der irre sich. Ein einfaches „Weiter so!“ sei höchst gefährlich. Zu lange schon sei die Begrenztheit der Erde verbissen ignoriert worden. „Wenn wir so weitermachen wie bisher, werden wir keine Zukunft haben“, warnte Bätzing. Das mag im Kern nicht mal falsch sein, klingt aber nicht anders als die Horrorszenarien der „Fridays for Future“ und anderer Weltuntergangs-Propheten. Und angesichts der Energiekrise ist es gleich doppelt problematisch.

Gerade die Kirche sollte vorsichtig sein mit solchen Ratschlägen. Seit Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten werfen ihr Kritiker vor, sie horte Reichtum. Tatsächlich dürfte die Institution Kirche zu den größten Grundbesitzern in Deutschland gehören. Schnell ist da der Vorwurf zur Stelle, die Kirche predige Wasser und trinke selbst Wein. Und das nicht einmal zu Unrecht! Auch wenn die Immobilien der Bistümer natürlich häufig jahrhundertealte Gotteshäuser und soziale Einrichtungen sind.

Den Mantel geteilt

Ermahnungen, die letztlich nur die „Tipps“ der Regierenden nachbeten, sind fehl am Platze. Sie verschärfen die gesellschaftliche Spaltung und liefern keine Lösung für die Krise. Bätzing und seine Amtskollegen sollten sich vielmehr darauf besinnen, was die irdische Kernkompetenz von Kirche ist: tatkräftige Hilfe und Solidarität für Menschen in Not. Durchaus auch unter Einsatz eigener Mittel. Der heilige Martin hat dem Bettler vor den Toren der Stadt im tiefsten Winter schließlich auch nicht gesagt, er müsse halt den Gürtel enger schnallen. Sondern er teilte seinen Mantel mit ihm, sodass er nicht erfrieren musste.

Statt nutzloser Ermahnungen ein Zeichen gelebter Nächstenliebe: Der heilige Martin von Tours teilt den Mantel mit einem Bettler. (Foto: Gebhard Fugel/gemeinfrei)

Die Kirchenführer sollten auch nicht vergessen, wofür jener Mann steht, der die Kirche vor 2000 Jahren begründet hat: Jesus Christus. Der Mann aus Nazareth wuchs in der Familie eines erfolgreichen Zimmermanns auf und gehörte damit bestimmt nicht zu den Ärmsten. Als Prediger war er stets unangepasst, ließ sich nicht den Mund verbieten und ergriff mutig Partei für die Schwachen und Unterdrückten. Damit machte er sich die Mächtigen seiner Zeit zum Feind – statt ihnen nach dem Maul zu reden.

Den Regierenden Paroli bieten

Das sage nicht nur ich – das sagt auch einer, der sich damit auskennt: Benediktinerpater Notker Wolf. Für ihn ist Jesus Christus das beste Beispiel für einen Menschen, der sich gegen die politische Korrektheit auflehnt. Und den Regierenden Paroli bietet. Die Kirche des Jahres 2022 könnte sich mehr als nur ein Scheibchen davon abschneiden.

Thomas Wolf

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Im Blickpunkt

Armeniens Christen in tödlicher Gefahr

Die immer wieder aufflammende Gewalt zwischen Aserbaidschan und Armenien richtet sich zunehmend gegen Christen, warnt das Osteuropa-Hilfswerk der katholischen Kirche, Renovabis. Zwar geht es bei dem Konflikt im Kern um das umstrittene Gebiet Bergkarabach, das völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehört, aber mehrheitlich von Armeniern bewohnt wird. Zuletzt war allerdings gerade das armenische Kernland von aserbaidschanischen Angriffen betroffen.

„Kulturelles Erbe gefährdet“

„Die armenische Bevölkerung und ihr kulturelles Erbe sind gefährdet“, ist Renovabis-Hauptgeschäftsführer Thomas Schwartz überzeugt. „Wir müssen aufpassen, dass Armenien mit den dort lebenden Christin­nen und Christen in ihrer bis auf das dritte Jahrhundert zurückreichen­den Apostolischen Kirche und deren kostbaren Kulturzeugnissen nicht zwischen der Türkei und Aserbaidschan aufgerieben werden“, mahnt der Renovabis-Chef. Die Türkei ist ein traditioneller Verbündeter des ebenfalls muslimischen Aserbaidschan.

Die Kathedrale des Heiligen Gregor des Erleuchters in Armeniens Hauptstadt Eriwan ist das größte Gotteshaus der Armenischen Apostolischen Kirche. (Foto: Elena Buntik/CC BY 2.0 via Wikimedia Commons)

Die christlichen Armenier sieht Pfarrer Schwartz in einer besonders schwierigen Situation: „Sie werden aus Bergkarabach vertrieben, armenisches Kulturgut wird zerstört und nun müssen sie angesichts der militärischen Eskalation um Leib und Leben fürchten.“ Nach Schwartz verliert die Menschheit mit der systematischen Zerstörung von Erinnerungsstätten und von Kirchen der unwiederbringlich bedeutende und einmalige Kulturdenkmäler. „Es schmerzt mich, dass Waffengewalt über Diplomatie und Dialog zu siegen scheint“, sagt der Geistliche angesichts des ständigen Bruches der von Russland vermittelten Waffenruhe.

Die EU ist nicht neutral

Um den Konflikt einzudämmen, bedarf es laut Renovabis dringend des Engagements der Weltgemeinschaft: Vereinte Nationen, OSZE und Europäische Union. Gerade die EU ist in dem Konflikt nach Ansicht von Kritikern aber nicht neutral. Das weiß auch der Renovabis-Chef. Angesichts des Gas-Deals mit Baku warnt er vor westlicher Doppelmoral: „Eine zunehmende Energie­abhängigkeit der EU von Aserbaidschan darf nicht dazu führen, dass die aktuelle Aggression, die Menschenrechte und drohende Zerstörung von armenischen Kulturgütern ohne Kritik bleiben.“

Vielmehr müsse die EU ihren Einfluss aus Baku nutzen, um zu Deeskalation und Befriedung beizutragen. „OSZE-Friedenstruppen könnten ein gutes Instrument sein“, meint Schwartz. Dem dürfte sich auch die EU nicht verschließen. Renovabis selbst kündigte an, den mehreren Tausend armenischen Binnenflüchtlingen helfen zu wollen. Dies sei mit Blick auf den bevorstehenden Winter und die schwierige wirtschaftliche wie soziale Situation im Land dringlich. „In den umkämpften Gebieten ist die beißende Kälte eine weitere unbarmherzige Kriegspartei“, sagt Schwartz.

Armenische Soldaten bei einer Übung in Russland 2018. Seit Wochen müssen sie sich immer wieder aserbaidschanischer Angriffe erwehren. (Foto: BoNDeX/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)
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Medienkritik

Ein Mönch gegen „Cancel Culture“

Notker Wolf ist kein Revolutionär, aber auch keiner, der sich den Mund verbieten lässt. Der ehemalige Erzabt der bayerischen Benediktinerabtei St. Ottilien steht zu dem, was er denkt. Und er denkt nicht selten kritisch: über den Zustand der Kirche, aber auch über Politik und Gesellschaft. Auch zur „Cancel Culture“, die mittlerweile selbst die Kirche erreicht, hat er eine klare Meinung. Und er scheut sich nicht, diese zu äußern. In seinem neuen Buch „Warum lassen wir uns verrückt machen?“ nimmt er Stellung zu Indianer-Verboten, Corona-Ängsten und politisch korrekten Straßenumbenennungen.

Der Benediktiner Notker Wolf wendet sich klar gegen politisch korrekte Verbote und Zensur. (Foto: Simon Pi/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Ein zentraler Begriff seines Buchs ist Angst: Der Kirchenmann warnt davor, sich von Ängsten beherrschen zu lassen. „Wen die Angst befällt, den macht sie schwach, sie selbst aber ist mächtig“, schreibt Wolf. Denn wo die Ängstlichen den Ton angeben, werde Angst zur Tugend. „Dann werden die Furchtsamen zu Helden und die Furchtlosen zu Verrätern.“ Wohin das führen kann, hat die Corona-Pandemie gezeigt: Die Menschen igelten sich auf Anweisung der Regierung ein, kappten ihre sozialen Kontakte und sahen in jedem Gegenüber eine potenziell todbringende Virenschleuder. Manche handeln so bis heute.

Angst vor Berührungen

Insbesondere die Angst vor Berührungen machen dem Benediktiner Wolf Sorgen. Keineswegs nur in Bezug auf Corona, sondern auch hinsichtlich des Umgangs mit anderen Kulturen. „Mehr als jede Berührung stört mich der Verfolgungswahn von Leuten, die hinter jeder Straßenecke einen Ausländerfeind vermuten und in jedem Mitmenschen eine Gefahr für meine Gesundheit erblicken“, schreibt der ehemalige Erzabt, der zu den bekanntesten Vertretern der Kirche in Deutschland zählen dürfte.

Wolf befasst sich mit einer Vielzahl an Schauplätzen, auf denen die politische Korrektheit derzeit ihr Unwesen treibt. Ob es nun Straßen sind, deren Namen (scheinbar) nicht mehr in die Zeit passen, Denkmäler, Formulierungen und Ausdrücke in Kinderbüchern oder der (wie Wolf es nennt) „Tanz um das Goldene Kalb der Minderheiten und Identitäten“ – der Benediktiner steht der wachsenden Zahl an Feldzügen, die eine kleine, aber lautstarke Minderheit gegen Sprache und Kultur führt, äußerst kritisch gegenüber.

Abweichende Meinung bekämpfen

Streitfragen zu lösen, indem man etwas verbietet, verbannt oder anderweitig unsichtbar macht, lehnt Wolf ab. Und macht ein Grundübel der grassierenden „Cancel Culture“ deutlich: Sie will abweichende Meinungen gar nicht hören, sondern bekämpfen. Dahinter stecke, meint der Ordensmann, die Angst vor einem Konflikt mit anderen Menschen, also auch eine Berührungsangst. Letztlich wird hier aus Angst davor, im Umgang mit fremden Kulturen oder Minderheiten Fehler zu machen, die Meinungsfreiheit eingeschränkt.

Jesus treibt die Händler aus dem Tempel – auch ein Zeichen des Kampfes gegen den Zeitgeist vor 2000 Jahren. (Foto: Distant Shores Media/Sweet Publishing/CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Nun ist Notker Wolf kein Politiker, sondern Kirchenmann. Und als solcher darf in seiner Argumentation jener nicht fehlen, auf den die Kirche sich seit 2000 Jahren beruft: Jesus Christus. Ihn führt Wolf als Paradebeispiel eines furchtlosen und politisch unkorrekten Menschen an. Obwohl er sich dadurch mächtige Feinde machte, habe sich Jesus nicht vom „Dämon der Ängstlichkeit“ einschüchtern lassen und dem Zeitgeist stets mutig getrotzt. „Er könnte auch uns Heutigen einiges zu sagen haben“, schreibt der Benediktiner. 

Scheinheiliges Moraldiktat

Notker Wolf hat ein Buch vorgelegt, das für einen auf Ausgleich bedachten Kirchenmann überraschend deutlich ausfällt. Das mutig Stellung bezieht und klar aufzeigt: Probleme bewältigt man nicht mit Panik, Furcht und Berührungsangst – oder gar mit Zensur und Verboten. „Warum lassen wir uns verrückt machen?“ ist unbedingt lesenswert, weil es die politische Korrektheit aus ungewöhnlicher Perspektive attackiert. Und weil es das scheinheilige Moral- und Meinungsdiktat unserer Zeit schonungslos aufdeckt.

Anna Steinkamp

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Im Blickpunkt

Wenn Indoktrination im Kindergarten beginnt

Winnetou ist rassistisch, amerikanische Ureinwohner dürfen nicht mehr Indianer heißen, Rastalocken auf europäischen Köpfen sind „kulturelle Aneignung“ – politische Korrektheit, Diversität und „Cancel Culture“ greifen in Politik und Medien immer weiter um sich. Gerade die Kirche stand bislang nicht im Verdacht, solcherlei Indoktrination Vorschub zu leisten. Ein Beispiel aus einer katholischen Kita in Nordrhein-Westfalen zeigt, wie die „Cancel Culture“ auch im kirchlichen Bereich einzieht.

Rassistische Inhalte

„Demokratie wächst zwischen den Zeilen“ ist die Pressemitteilung überschrieben, mit der die Caritas im katholischen Bistum Münster von der Kindertagesstätte St. Martin in Marienfeld bei Gütersloh berichtet. Die kirchliche Einrichtung prüfe, heißt es, Kinderbücher kritisch auf rassistische Inhalte und fördere Diversität. Kita-Leiterin Susanne Richter Gomes möchte die Kindergeschichten in ihrer Kita vielfältiger machen. Diskriminierung solle keinen Raum haben. Manche Bücher hat sie deshalb bereits aussortiert. In anderen Fällen ändert sie Märchen spontan ab: „Heute liebt der Prinz einen Prinzen“, wird Richter Gomes zitiert.

Susanne Richter Gomes (links) und Freddy Jäschke (rechts) sortierten rund 40 Kinderbücher aus, die sie als diskriminierend empfinden. (Foto: Juliane Büker/Caritas Bistum Münster)

„Astrid Lindgren hätte das Buch heute bestimmt anders geschrieben“, sagt die Kita-Leiterin über die „Erzählungen“ der schwedischen Erfolgsautorin. Dazu verbreitet die Caritas Münster ein Foto, das Richter Gomes mit Lindgrens „Erzählungen“ zeigt. Auf dem Buchdeckel prangt ein Klebezettel in Grellrosa mit traurigem Smiley darauf. Auch „Als die Raben noch bunt waren“ von Edith Schreiber-Wicke und Carola Holland, das kleinen Kindern Toleranz vermitteln soll, fiel der Zensur der Kita-Leitung zum Opfer. Auf dem Foto hält es Richter Gomes’ Kollegin Freddy Jäschke in die Kamera.

40 Bücher aussortiert

Rund 40 Bücher hat das Team von St. Martin aussortiert, die nun nicht mehr im Bücherregal der Kita stehen. „Diskriminierende Bezeichnungen“ würden darin verwendet, glaubt die Leiterin der katholischen Einrichtung. Die vermeintliche Notwendigkeit, kritisch über die Inhalte von Kinderbüchern nachzudenken, hat Richter Gomes der Pressemitteilung zufolge ausgerechnet ein Kurs beim Caritasverband für das Bistum Münster vermittelt. Dort ließ die Kita-Leiterin sich bis Mai zur „Demokratieförderin“ ausbilden. Kritiker dürften fragen: Hat da womöglich jemand nicht verstanden, was Demokratie bedeutet?

Kindergartenkinder lieben es, Geschichten vorgelesen zu bekommen. Astrid Lindgrens „Erzählungen“ dürfen es in der Kita St. Martin in Marienfeld nicht mehr sein. (Foto: Juliane Büker/Caritas Bistum Münster)

„Hier habe ich das Rüstzeug bekommen, um mich selbstbewusst gegen Ungerechtigkeit einzusetzen“, sagt Richter Gomes über den Caritas-Kurs. Ungerechtigkeit, die sie auch in Kinderbüchern zu erkennen glaubt. Ihre politisch korrekte Säuberungsaktion setzte Richter Gomes offenbar gegen einigen Widerstand in der Kita durch. Zumindest deutet das die Pressemitteilung der Caritas zwischen den Zeilen an: Ihre „Kolleginnen brauchten zum Teil etwas Zeit, um mit der Projektidee warm zu werden, um Unsicherheiten beizulegen“, heißt es da nämlich.

Märchen mit schwulen Prinzen

Kriterien zum Aussortieren von Büchern seien neben angeblich diskriminierender Sprache auch Rollenbilder, die Richter Gomes und Co. für veraltet halten. „Wenn in Büchern nur der Vater arbeiten geht und die Mutter zu Hause bleibt, sind wir auf dem falschen Weg“, meint die Pädagogin. Neue Bücher schafft Richter Gomes mit den Kindern gemeinsam an, sagt sie. Für passend erachtet sie Geschichten, in denen der Vater die Erziehung mit übernimmt oder ein Kind im Rollstuhl selbstverständlich am Leben teilnehme. Und Märchen mit schwulen Prinzen, mag man hinzufügen, passen offenbar auch gut.

Das Zensurprojekt, mit dem Richter Gomes bei ihrer Kollegin Freddy Jäschke offene Türen eingerannt hat, richtete sich bislang vornehmlich gegen missliebige Kinderbücher. Und es ist längst nicht abgeschlossen, macht die Pressemitteilung der Caritas Münster deutlich: Wenn vermeintliche Diskriminierung und angeblicher Rassismus erst einmal aus den Bücherregalen entfernt sind und „Pluralität“ eingezogen ist, wird Richter Gomes sich dem nächsten Zensurziel widmen – Kinderliedern.

Thomas Wolf

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Im Blickpunkt

Gewalt meist gegen christliche Kirchen

Glaubt man der medialen Berichterstattung über Gewalt gegen religiöse Einrichtungen, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Christen davon praktisch nicht betroffen sind. Stattdessen scheint es, als ob solche Straftaten fast ausschließlich Juden und Muslime und ihre Gotteshäuser und Gebetsstätten treffen. Das Gegenteil ist der Fall, zeigt eine aktuelle Polizei-Statistik aus der Bundeshauptstadt.

Rund 1500 Straftaten sind demnach seit 2006 in Berlin auf religiöse Einrichtungen verübt worden. Das bedeutet: Allein in der Hauptstadt wird jeden vierten Tag eine Gebetsstätte angegriffen, nahezu zweimal pro Woche also. Mit großer Mehrheit handelt es sich bei den erfassten Delikten um Sachbeschädigung – etwa Schmierereien an Fassaden. Erfasst wurden aber auch Fälle von Brandstiftung, Volksverhetzung und Störung der Religionsausübung. Das geht aus einer Antwort des Berliner Senats auf eine parlamentarische Anfrage des AfD-Abgeordneten Tommy Tabor hervor.

Nur selten Angriffe auf Muslime oder Juden

Wer nun glaubt, christliche Ziele seien nur in den seltensten Fällen attackiert worden, den belehren die Zahlen aus Berlin eines Besseren: Von 1495 erfassten Angriffen galten 1392 Kirchen und anderen christlichen Einrichtungen – über 90 Prozent. Attacken auf muslimische und jüdische Gebetsorte fanden dagegen nur selten statt: nämlich 64 Mal auf islamische und 39 Mal auf jüdische Gemeinden.

Ein verbranntes Kreuz in einer Kirche in Nicaragua nach einem Brandanschlag. Auch in Deutschland kommt es zu Brandstiftung an religiösen Stätten. (Foto: Kirche in Not)

In Berlin gibt es nach Angaben des Evangelischen Pressedienstes 328 christliche Kirchen und elf Synagogen. Die Zahl der Gebetsräume muslimischer Gemeinschaften schätzt man auf rund 100. Selbst wenn man die Zahl der Angriffe in Relation zur Zahl der Gotteshäuser setzt, bleibt nicht zu bestreiten, dass Kirchen weitaus häufiger angegriffen werden als Moscheen oder Synagogen und christliche Gläubige häufiger an der Ausübung ihrer Religion gehindert werden als Muslime oder Juden – und das in der deutschen Hauptstadt.

Passen christliche Opfer nicht ins Narrativ?

Warum spielen Angriffe auf Christen und christliche Einrichtungen sowohl im Inland wie auch im Ausland in der Berichterstattung der großen Medien dann aber eine dermaßen untergeordnete Rolle? Passen Berichte über christliche Opfer nicht ins mediale Narrativ? Oder liegt es daran, dass laut der Berliner Polizei-Statistik nur 83 der 756 seit 2012 registrierten Straftaten gegen christliche Orte politisch motiviert gewesen seien (etwa die Hälfte von „rechts“)? Als politisch motiviert gelten auch 36 Angriffe auf jüdische und zehn auf muslimische Einrichtungen.

Nicht nur die große Mehrzahl aller Delikte, sondern auch die überwiegende Zahl der politisch motivierten Angriffe trifft also Christen. In Relation zur Zahl der Gebetsstätten stellen nun aber die Juden die weitaus größte Opfergruppe – allerdings auch nur deshalb, weil die Berliner Polizei Angriffe auf christliche Einrichtungen meist nicht als politisch motiviert einstuft. Wie fundiert diese Einschätzung ist, geht aus der Statistik nämlich nicht hervor.

Thomas Wolf