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Im Blickpunkt

Wer steckt hinter dem Dugina-Anschlag?

Tochter des Eurasien-Vordenkers stirbt bei Bombenattentat – Partisanengruppe bekennt sich zu Terrorakt

Moskau steht unter Schock. Zwei Tage, nachdem die regierungsnahe russische Journalistin Darja Dugina bei einem Autobombenanschlag ums Leben kam, rätseln Ermittler und Beobachter, wer die Drahtzieher hinter dem Attentat sein könnten und was mit der Bluttat bezweckt wurde. Kreml-nahe Kreise machen Kiew für den abendlichen Anschlag verantwortlich, während andere Stimmen sogar westliche Geheimdienste hinter dem Terrorakt nicht ausschließen. Als ausführende Täterin präsentierten russische Behörden heute eine ukrainische Staatsbürgerin.

Ein Vorwand, um Staat und Gesellschaft zu säubern?

Westliche Medien berichten indes recht hilflos über den Bombenmord an der 29-jährigen Journalistin – dem gängigen Narrativ zufolge gehen Gewalt und Terror gegen Andersdenkende vom Kreml aus und treffen gerade nicht die Sympathisanten des „Systems Putin“. Um die junge Frau, die im Ukraine-Krieg klar zu den Unterstützern des Kreml-Kurses gehört, doch zu einem möglichen Putin-Opfer zu stilisieren, bemühen Kreml-Kritiker die Behauptung, der Bombenanschlag sei das Werk russischer Sicherheitskräfte, die damit einen Vorwand schaffen wollten, um Staat und Gesellschaft von vermeintlichen Verrätern zu säubern.

Darja Dugina, die Tochter des umstrittenen Philosophen und Politologen Alexander Dugin, wurde nur 29 Jahre alt. (Foto: 1RNK/CC BY 3.0 via Wikimedia Commons)

Dugina ist die Tochter des Vordenkers der geopolitischen Ideologie des Neo-Eurasismus, Alexander Dugin. Im Westen gilt der 60-jährige Politologe, Philosoph und Publizist, der manchen mit seinem wallenden Bart an den Wanderprediger und Zaren-Berater Rasputin erinnert, wahlweise als Faschist oder Ultranationalist und fast immer als Putin-Einflüsterer. Sein Einfluss auf den politischen Kurs des russischen Präsidenten soll nach neueren Medienberichten geringer sein, als bislang meist dargestellt. Der Anschlag auf Tochter Darja, mutmaßen Anhänger, könnte auch Dugin selbst gegolten haben.

Ist der Ex-Abgeordnete verantwortlich für den Anschlag?

Einer, der sich quasi selbst als Verantwortlicher für den Anschlag ins Spiel gebracht hat, ist Ilja Ponomarjow. Der 47-Jährige, den das Internetlexikon Wikipedia als IT-Unternehmer und Blogger vorstellt, war bis 2016 Abgeordneter des russischen Parlaments, der Staatsduma. Zunächst Kommunist, gehörte er später der sozialdemokratischen Partei „Gerechtes Russland“ an, die ihn ausschloss, als er 2014 als einziger Parlamentsabgeordneter gegen den Beitritt der Krim zur Russischen Föderation stimmte.

Nachdem die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen Unterschlagung gegen Ponomarjow aufgenommen hatte, entzog die Duma ihm seine Abgeordnetenimmunität. Ponomarjow sprach stets von politisch motivierten Vorwürfen. Nach den Anschuldigungen kehrte er von einer Auslandsreise nicht zurück und ließ sich in Kiew nieder. Er nahm die ukrainische Staatsbürgerschaft an und trat nach der russischen Invasion als Freiwilliger der Territorialverteidigung der Ukraine bei.

„Neue Seite des Widerstands gegen den Putinismus“

Jetzt hat er sich mit einer Videobotschaft zum Bombenattentat auf Darja Dugina zu Wort gemeldet. „Dieser Anschlag schlägt eine neue Seite des russischen Widerstands gegen den Putinismus auf“, sagt Ponomarjow und ruft die Russen zum Kampf gegen den Präsidenten und seiner Regierung auf. Eine „Nationale Republikanische Armee“, deren Manifest der einstige Abgeordnete der Duma verbreitet, hat Ponomarjows Video zufolge den Sprengstoffanschlag verübt.

Eine Gruppierung dieses Namens ist zwar bislang nicht in Erscheinung getreten – ein Beweis dafür, dass Ponomarjow lügt, ist das aber nicht. Vielleicht war die Sprengung der ferngezündeten Bombe am Abend des 20. August 2022 der erste Anschlag der Partisanenbewegung – und Darja Dugina ihr erstes Opfer. Sie könnte nicht das letzte bleiben. Das jedenfalls kündigt Ponomarjow an.

Thomas Wolf

Ilja Ponomarjow bei einer Protestaktion 2013. Steckt der Putin-Gegner, der heute in der Ukraine lebt, hinter dem Bombenanschlag auf Darja Dugina? (Foto: putnik/CC BY 3.0 via Wikimedia Commons)

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