Kategorien
Im Blickpunkt

Thüringen sagt Nein zur Gendersprache

Landtag in Erfurt setzt mit Stimmen von CDU und AfD in der Debatte um Geschlechter-„Diversität“ einen deutschlandweit einmaligen Kontrapunkt – Biologie kennt keine Transsexualität, nur Männer und Frauen

Zuletzt lief es gut für die Freunde der umstrittenen Gendersprache. Immer mehr Zeitungen, Zeitschriften, Verbände, Unternehmen und selbst staatliche Einrichtungen gingen dazu über, das Gender-Sternchen, den Gender-Doppelpunkt oder den Gender-Unterstrich in ihrer Kommunikation zu nutzen – keineswegs nur in der schriftlichen. Angefeuert von einer lautstarken Minderheit glauben sie, der vermeintlichen „Diversität“ der Gesellschaft anders nicht gerecht zu werden. Jetzt hat Thüringen überraschend einen Kontrapunkt gesetzt. Mit den Stimmen von CDU, AfD und Bürgern für Thüringen forderte der Landtag in Erfurt: Landtagsverwaltung, Landesregierung und Landesbehörden sollen keine sogenannte „gendergerechte Sprache“ verwenden.

Nicht erzwingen

Der Antrag der CDU-Fraktion, der auf den 2. November datiert ist, betont zwar die Notwendigkeit, alle Menschen „sensibel entsprechend ihrem Geschlecht“ anzusprechen. Dies könne aber nicht durch in der Bevölkerung nicht akzeptierte Abweichungen von orthographischen Regeln erzwungen werden. „Die Verwendung der sogenannten Gendersprache ist Ausdruck einer ideologischen Auffassung, die das biologische Geschlechtersystem von Männern und Frauen infrage stellt.“ Sprache sei eines der wichtigsten Ausdrucksmittel, sie verbinde und präge die Kultur. Daher muss sie nach Auffassung der Fraktion „in allen Bereichen der öffentlichen Kommunikation einheitlich, rechtssicher, grammatikalisch und orthographisch eindeutig und unbeeinflusst von gesellschaftlichen Strömungen sein“.

In der Nacht auf Freitag hat der Thüringer Landtag mit knapper Mehrheit gegen Gendersprache in Landtagsverwaltung, Landesregierung und Landesbehörden gestimmt. (Foto: Olaf Kosinsky/CC BY-SA 3.0 DE via Wikimedia Commons)

„Sprache wird von Menschen gelebt. Sie entwickelt sich aus dem Leben und verändert sich fortwährend“, heißt es in dem Antrag zur Begründung. „Veränderungen setzen sich aber nur durch, wenn sie von der überwiegenden Mehrheit der Sprechenden auch allgemein verstanden und akzeptiert werden. Für Veränderungen der deutschen Sprache im Sinne der sogenannten Gendersprache existiert diese Mehrheit nicht, wie verschiedene Umfragen belegen. Fast zwei Drittel der deutschen Bevölkerung, also ein deutlich großer Teil der Menschen, lehnen einen Gender-Zwang ab. Politik muss dieses eindeutige Votum in ihrem Handeln berücksichtigen.“

Befürworter der Gendersprache schreiben das Gender-Sternchen, den Unterstrich oder den Gender-Doppelpunkt nicht nur mit und verstoßen damit gegen grundsätzliche Regeln der deutschen Rechtschreibung. Sie sprechen sie auch: und zwar als kurze Tonpause. Mit diesem Glottisschlag geht die Gendersprache längst weit über das sogenannte Binnen-I hinaus. Es entstand in den 1980er Jahren und sollte Männer und Frauen gleichermaßen sichtbar machen. Statt „Politikerinnen und Politiker“ schrieb man damals etwa von „PolitikerInnen“. Auch wenn der Glottisschlag auch damals schon vereinzelt genutzt wurde – meist löste man das Binnen-I in gesprochener Sprache wieder auf.

Biologie kennt nur zwei Geschlechter

Anders als in den 1980er Jahren geht es heutigen Nutzern der Gendersprache meist nicht mehr um die Gleichbehandlung von Männern und Frauen. Der Gendersprache der Gegenwart liegt vielmehr die Überzeugung zugrunde, es gebe mehr als zwei Geschlechter. Biologisch ist das Unsinn. Zwar kennt auch die Biologie Menschen, die sich aufgrund äußerlicher Merkmale nicht eindeutig einem Geschlecht zuordnen lassen. In ihren Keimzellen sind die Betroffenen jedoch stets eindeutig männlich oder weiblich. Man spricht hier von Intersexualität. Sie ist deutlich zu trennen von Transsexualität. Diese liegt vor, wenn ein Mann sich als Frau identifiziert oder eine Frau als Mann. Oder mit einem Geschlecht, das gar nicht existiert. Realistischen Schätzungen zufolge ist weit weniger als ein Prozent der Bevölkerung transsexuell veranlagt.

Der Thüringer Landtagsbeschluss wird die Debatte um Gender, Transsexualität und Geschlechter-Identität nicht revolutionieren. Auch wenn er deutschlandweit einmalig ist und daher so etwas wie Signalwirkung beanspruchen kann. Dafür sind die Fronten zu sehr verhärtet. Wer die Gendersprache ablehnt, sieht sich schnell dem Vorwurf ausgesetzt, einen Kulturkampf zu führen. Oder ganz weit rechts zu stehen. Wer auf grundlegende biologische Fakten verweist, gilt schnell als Hetzer oder Verbreiter von „Fake News“. Bei „sozialen Medien“ wie Twitter oder Facebook droht da schon mal die Sperre.

„Sprachpapst“ Wolf Schneider auf einer älteren Aufnahme. Der Kritiker von Anglizismen und Gendersprache starb heute mit 97 Jahren in Starnberg. (Foto: Sven Teschke Büdingen/CC BY-SA 3.0 DE via Wikimedia Commons)

Just am heutigen Tag übrigens, an dem der Beschluss des Thüringer Landtags die Runde macht, starb einer, der über die Nachricht aus Erfurt bestimmt hoch erfreut gewesen wäre. Wenn sie ihn denn noch erreicht hätte. Wolf Schneider galt über viele Jahrzehnte als renommiertester deutscher Sprachkritiker. Stolze 97 Jahre wurde Schneider, der mit Büchern wie „Deutsch für Profis“ Generationen von Autoren und Journalisten ihr Rüstzeug vermittelte. Anglizismen stand er ebenso kritisch gegenüber wie der Rechtschreibreform. Zur Gendersprache hatte Schneider nach eigener Aussage ein „kriegerisches Verhältnis“. Es sei töricht, das natürliche mit dem grammatikalischen Geschlecht in Verbindung zu bringen. Dass Schneider selbst in Erfurt zur Welt kam, ist nur ein Zufall.

Thomas Wolf

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.