Kategorien
Im Blickpunkt

Russland-Freunde an den Pranger

Bundesregierung will offenbar kritische Meinungsäußerungen mit Warnhinweis versehen

Die Bundesregierung will härter gegen vermeintliche russische „Fake News“ vorgehen. Das meldet der Internetauftritt der Tagesschau. Die Bevölkerung müsse für russische „Angriffe auf Fakten und Realitäten“ sensibilisiert werden, heißt es da. Unter der Überschrift „Gemeinsam gegen Desinformation“ geht der Verfassungsschutz demnach gegen die angebliche und tatsächliche Manipulation der öffentlichen Meinung in Deutschland vor. Um die „Lügengebilde zu dekonstruieren“, soll es künftig sogar quasi amtliche Warnhinweise geben, insbesondere bei „identifizierten Propagandisten“ – sicherlich gleichermaßen amtlich bestätigt.

 „In den Sicherheitsbehörden geht man davon aus, dass die Kreml-Propaganda in den kommenden Monaten noch weiter zunehmen wird und sich der Fokus dabei verlagert: vom Krieg in der Ukraine zur drohenden Energiekrise und deren Folgen für die Bevölkerung“, schreibt WDR-Mitarbeiter Florian Flade in dem als „exklusiv“ überschriebenen Beitrag. „Kreml-Propaganda“ – darunter versteht der Autor offenbar alles, was in dem aktuellen Medienkrieg zwischen Ost und West dem westlichen Narrativ widerspricht. 

Der Kreml in Moskau bei Nacht. (Foto: RuED/CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Wer begründete Zweifel an der russischen Alleinschuld an der Eskalation des Ukraine-Konflikts hegt, wer die Geschichte des Bürgerkriegs im Donbass seit 2014 vorurteilsfrei betrachtet und dabei sehr wohl auch Fehler und Verantwortung bei der ukrainischen Regierung sieht, wer den westlichen Sanktionen gegen Russland kritisch gegenübersteht, weil sie sehr wohl auch die Deutschen empfindlich treffen, der betreibt nach Tagesschau-Lesart offenbar bereits „Kreml-Propaganda“. Der verbreitet „Fake News“. Der manipuliert die deutsche Öffentlichkeit.

Wo enden Gerüchte? Wo beginnen „Fake News“?

Ist es wirklich so einfach? Wo beginnen eigentlich „Fake News“, also das, was man früher schlicht Lügen genannt hätte? Ist eine womöglich haltlose Spekulation bereits eine Lüge? Oder ein Gerücht, das sich im Internet in rasender Geschwindigkeit verbreitet? Und vor allem: Wer bestimmt darüber, ob etwas nun gelogen ist oder nicht? Nicht immer lässt sich eine Frage mit mathematischer Präzision beantworten. 

Wer also zieht die Grenze zwischen Gerüchten, Spekulationen und zugespitzten Kommentaren einerseits – und „Fake News“ andererseits? Der Verfassungsschutz oder die Regierung? Dann sollte es keinen verwundern, wenn Menschen, die ein grundsätzlich positives Russland-Bild haben oder die sich dem neuen Ost-West-Konflikt widersetzen, künftig amtlich mit Warnhinweisen versehen werden. Ein behördlicher Pranger für Russland-Freunde und Menschen, die sich für Frieden und Versöhnung einsetzen? Bald ist er womöglich Realität.

Thomas Wolf

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.