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CSD: Kein Beispiel für Offenheit und Toleranz

Sogenannte Christopher Street Days gibt es mittlerweile an vielen Orten und in allen Teilen des Landes. Die bunte Party-Kundgebung von Schwulen, Lesben und Sympathisanten erinnert an den 28. Juni 1969. Der damalige Aufstand in der New Yorker Christopher Street, der sich gegen die Stürmung der Schwulenbar „Stonewall Inn“ durch die Polizei richtete, gilt als Geburtsstunde der modernen Homosexuellen-Bewegung. Sie richtete sich gegen Polizeigewalt und gegen jede Form der Diskriminierung. Seither hat die Bewegung sich weiterentwickelt. Sie wirbt für Offenheit, Toleranz und eine Vielfalt der Meinungen. Keine Ausgrenzung, kein Schubladendenken. Aber wird die Bewegung dem eigenen Anspruch überhaupt gerecht? Der CSD in Rostock lässt Zweifel aufkommen.

Freizügig und politisch

Schwule, Lesben und zunehmend auch Transsexuelle und Transgender feiern beim Christopher Street Day äußerst freizügig. Und zunehmend politisch. Ob Prideweek oder Pridemonth – der CSD ist mittlerweile derart politisch, dass man als Beobachter manchmal nicht mehr so genau weiß, worum es den Veranstaltern wirklich geht. Fast jede größere Partei, Behörden und eine Vielzahl an Bundes-, Landes- und Kommunalpolitikern nehmen das Thema Diversität und bunte Vielfalt für sich ein und nutzen es. Oft medienwirksam für die eigene Selbstdarstellung. Man will schließlich besonders tolerant und demokratisch erscheinen.

Das Logo des Christopher Street Day in Rostock zeigt das Wappentier der Hansestadt, einen Greifen, in den Regenbogen-Farben der „queeren“ Homo- und Transsexuellen-Bewegung. (Foto: CSD Rostock e.V.)

Wie auch an anderen Orten steht der Christopher Street Day in Rostock gleichfalls unter wechselnden Mottos. 2018 etwa war er mit „Akzeptanz beginnt im Kopf. Kein Schritt zurück!“ überschrieben. 2016 mit „Echte Liebe – Echte Vielfalt – Echte Akzeptanz – Echt für Alle“. 2010 hieß es „Kopf frei für Artikel 3“. Gemeint war Artikel 3 des Grundgesetzes. „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“, heißt es darin.

Grundrechte respektieren

Eben dieser Artikel reicht dem Verein CSD Rostock e.V., der den Christopher Street Day in der Hansestadt veranstaltet, als Basis des gesellschaftlichen Zusammenlebens nicht aus. Er soll um eine Kernforderung der Homosexuellen-Bewegung in Deutschland ergänzt werden: um das Merkmal der „sexuellen Orientierung“. Diese Forderung kann man nun unterstützen oder ablehnen. In jedem Fall wirkt sie nur dann ehrlich und aufrichtig, wenn die in Artikel 3 bereits enthaltenen Grundrechte respektiert werden und Anwendung finden. Auch im Rahmen des CSD. Und genau da hapert es gewaltig. Zumindest in Rostock.

Der Christopher Street Day in Rostock wird seit 2002 von einem Trägerverein verantwortet. (Foto: Burghard Mannhöfer/www.queer-kopf.de)

Nimmt man ernst, was der CSD-Verein öffentlich vertritt, ist es jedem erlaubt, den Christopher Street Day zu feiern und daran teilzunehmen. Natürlich vorausgesetzt, die Person ist friedlich und fügt niemandem einen Schaden zu. So wie Ralph Z. (vollständiger Name ist der Redaktion bekannt). Der Rostocker Bürger ist ein friedlicher Zeitgenosse, musikalisch, kulturell interessiert – und selbst schwul. Kein Wunder also, dass er am diesjährigen CSD in der Hansestadt teilnehmen wollte. Mitte Juli fand der statt. Doch Z. sollte nicht teilnehmen dürfen. Weil er sich ehrenamtlich politisch engagiert. Für die „falsche“ Sache.

Demo für den Weltfrieden

Der studierte Musikwissenschaftler und Pianist begleitet und kommentiert jeden Montag die Friedensdemonstration in seiner Heimatstadt. Während der Corona-Pandemie nahm er an Kundgebungen gegen die umstrittenen politischen Maßnahmen teil. In Zeiten des Ukraine-Kriegs demonstriert er nicht für die Lieferung westlicher Waffen für Kiew. Er demonstriert für den Weltfrieden. Dabei äußert er sich kritisch zu politischen Entscheidungen und Entscheidern. Das ist vollkommen legal und vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Auch Grundgesetz-Artikel 3, der dem CSD Rostock ja so wichtig ist, sagt eindeutig: Wegen seiner politischen Anschauungen darf niemand benachteiligt werden.

Die Realität beim Christopher Street Day in Rostock sieht anders aus. Herr Z. wurde der Zugang zum Festgelände verwehrt. Er wurde am Eingang von einem Ordner aufgehalten. Dieser sagte, er müsse erst prüfen, ob Z. auf das Gelände darf. Die Nachfrage bei den Rostocker CSD-Verantwortlichen ergab: kein Zutritt für Z.! „Sie können sich ja denken, wie die Entscheidung ausgefallen ist“, beschied der Ordner. Wie kann das sein? Warum wurde Ralph Z. als schwuler Mann vom CSD ausgeschlossen?

Rostocks Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger (Die Linke) sitzt im Vorstand des Vereins CSD Rostock. Zum Ausschluss des Friedensaktivisten Ralph Z. äußert sie sich nicht. (Foto: Screenshot www.eva-kroeger.de/zur-person)

Das wollte auch Z. selbst wissen. Und stellte per E-Mail eine entsprechende Anfrage an den CSD-Verein Rostock, die Rostocker Bürgerschaft und an die Oberbürgermeisterin der Hansestadt, Eva-Maria Kröger (Die Linke). Kröger ist als Vorstandsmitglied des CSD-Vereins tätig und kann somit als für dessen Entscheidungen mitverantwortlich betrachtet werden. Bis heute hat Z. keine Antwort erhalten. Niemand derjenigen, die öffentlich Demokratie, Meinungsfreiheit und Toleranz propagieren, hat sich zu diesem diskriminierenden Vorfall geäußert. Auch den lokalen Zeitungen ist das skandalöse Verhalten keine Schlagzeile wert. Unter ihnen ist übrigens die Ostsee-Zeitung, die zur Madsack Verlagsgesellschaft gehört. Deren größter Gesellschafter ist – die SPD.

„Das hatten wir schon mal“

Wie ehrlich ist also der CSD? Und wie ernst ist es der Politik in diesem Land mit Toleranz, Meinungsfreiheit und Demokratie? Sie propagieren das eine und leben das andere! Gerade im Osten dieses Landes sagt man sich: „Das hatten wir schon mal.“ Hier reagiert man sensibel auf die Einschränkung demokratischer Rechte. Ein Unterschied zu damals ist bei genauer Betrachtung heute kaum mehr vorhanden. Nur einer vielleicht: In der DDR war bekannt, was man sich erlauben durfte und was nicht. Es wurde nicht versucht, unterdrückte Rechte unter dem Deckmantel des Gutmenschentums als Demokratie zu verkaufen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier – hier auf dem offiziellen Presseporträt – warnt vor Demokratie-Feinden in Deutschland. Kritiker werfen ihm vor, es seien vielmehr er und die Bundesregierung, die die Demokratie einschränken. (Foto: Bundesregierung/Steffen Kugler)

Was in Rostock passiert ist, passt ins Bild, das die deutsche Politik-Elite derzeit abgibt. Der Bundespräsident nutzt den 75. Jahrestag des Beginns der Grundgesetz-Beratungen, um vor angeblichen Feinden der Demokratie in der Gesellschaft zu warnen. Man solle sich gegen sie wehren, fordert er. „Eine Verfassung, gerade unser Grundgesetz, verträgt harte und härteste Auseinandersetzung“, sagte Frank-Walter Steinmeier beim Festakt auf der Chiemsee-Insel Herrenchiemsee. „Verfassungsfeinde jedoch kann die Verfassung nicht integrieren – und wir dürfen die Gefahr, die von ihnen ausgeht, nicht ignorieren.“ Eine Demokratie müsse wehrhaft sein gegenüber ihren Feinden. „Niemals wieder sollen demokratische Freiheitsrechte missbraucht werden, um Freiheit und Demokratie abzuschaffen.“

Verächter der Demokratie

Ja, die Verächter der Demokratie müssen in die Schranken gewiesen werden – begründet, konsequent, nachhaltig. Aber wir alle sollten uns fragen: Wer sind diese Verächter der Demokratie, die in ihrem Handeln das Grundgesetz missachten? Wer unterdrückt Meinungen und diskriminiert Andersdenkende? Wer schränkt Freiheiten willkürlich ein? Wie sang einst Reinhard Mey so trefflich? „Sei wachsam und fall nicht auf sie rein …“

Jens Scheyko

Reinhard Mey warnte in seinem Lied „Sei wachsam“ (1996) vor Politikern, die die Menschen belügen, das Grundgesetz aufweichen und das Land in militärische Auseinandersetzungen ziehen. (Foto: Sven-Sebastian Sajak/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Der Autor ist ist Immobilienfachwirt und hat als Geschäftsführer ein kommunales Wohnungsunternehmen geführt. Weil er sich gegen Fehlentscheidungen des politischen Establishments seiner Region stellte, verlor er seine Position, seine berufliche Erfüllung und am Ende auch seine Gesundheit. Die Information über offensichtliches Unrecht in Politik und Gesellschaft ist ihm ein außerordentliches Bedürfnis.

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Diskriminieren? Gerne – aber nur Deutsche

Gleichbehandlung ist eine zentrale Maxime des aktuellen gesellschaftlichen und politischen Diskurses. Dahinter steht die Annahme, dass jeder Mensch gleich viel wert ist. Dass niemand aufgrund seiner Religion oder Herkunft, seines Geschlechts oder seiner sexuellen Orientierung, seines Alters, seiner Behinderung oder seiner familiären Situation schlechter behandelt werden soll. Das ist vollkommen richtig. Darüber muss man nicht diskutieren. Wohl aber darüber, wie die Politik neuerdings gedenkt, die Gleichbehandlung umzusetzen.

Nicht mehr zeitgemäß?

Aktuell machen Pläne der Unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung Schlagzeilen. Ferda Ataman will das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verschärfen. Unter anderem will sie die sogenannte Kirchenklausel streichen. Das unter Schwarz-Rot 2006 eingeführte Gesetz räumt nämlich kirchlichen Arbeitgebern verschiedene Ausnahmeregelungen ein. Sie dürfen beispielsweise ihren Mitarbeitern Vorgaben zur privaten Lebensführung machen. Dies stört Ataman. Solche Vorgaben seien nicht mehr zeitgemäß und stünden EU-Recht entgegen, meint sie.

Ferda Ataman fordert, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu verschärfen. (Foto: Stephan Röhl/Heinrich-Böll-Stiftung/CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons)

Anforderungen an die Religionszugehörigkeit oder an die Lebensweise von Mitarbeitern der Kirchen soll es künftig nur noch im engsten Verkündigungsbereich geben. Dabei ist Ataman offenbar entgangen, dass die Kirchen ihr Arbeitsrecht längst liberalisiert haben. In der katholischen Kirche etwa ist die private Lebensführung von Mitarbeitern seit dem vergangenen Jahr kein Hindernis bei Bewerbungen und kein Grund zur Kündigung mehr. Selbst Menschen, die in einer homosexuellen Beziehung leben, sind seither für die Kirche nicht mehr tabu.

Doch damit nicht genug. Ferda Ataman hat generell ein Problem mit der Mehrheitsgesellschaft. Ethnische Deutsche wertet sie als „Kartoffeln“ ab. Islam-Forscher Ahmad Mansour wirft ihr vor, Denkverbote zu befördern. Seyran Ateş, Gründerin der liberalen Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin, kritisiert, Ataman messe mit zweierlei Maß. Von Debatten über den politischen Islam, zu Clan-Kriminalität, Ehrenmord oder Zwangsheirat unter Muslimen wolle sie nichts wissen. Und vor allem: Ataman diskriminiere die Mehrheit. Für die Ampel-Koalition bringt sie damit aber offenbar ideale Voraussetzungen mit, die Antidiskriminierungsstelle des Bundes zu leiten.

Politik gegen Deutsche

Die Folgen einer solchen Politik gegen die deutsche Bevölkerungs-Mehrheit kommen jetzt immer deutlicher zum Vorschein. Atamans Pläne machen nämlich längst nicht beim kirchlichen Arbeitsrecht Halt. Sie will es auch deutlich vereinfachen, eine vermeintliche Diskriminierung etwa bei der Wohnungssuche nachzuweisen. Der Nachweis soll einfach wegfallen! Stattdessen würde künftig eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ schon reichen. Es genügte also, bei einer Klage das Gericht glauben zu machen, dass man aufgrund seiner Hautfarbe, seiner Geschlechts-Identität oder seiner Homosexualität die Wohnung nicht bekam.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat ihren Sitz beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. (Foto: Jörg Zägel/CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Das öffnet Tür und Tor für Missbrauch. Volker Boehme-Neßler, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Oldenburg, hält Ferda Atamans Pläne sogar für verfassungswidrig. Und das auch gutem Grund. „Normalerweise müssen Sie etwas beweisen, wenn Sie etwas einklagen wollen“, erläutert er im Cicero-Interview. „Wenn Sie mich auf Schadenersatz verklagen wollen, weil ich Ihr Auto kaputt gemacht habe, dann müssen Sie beweisen, dass ich das war. Wenn Sie das aber nur glaubhaft machen müssen, dann reicht es, wenn Sie behaupten, Herr Boehme-Neßler hat mein Auto wahrscheinlich kaputt gemacht. Erstens kann er mich nicht leiden, und zweitens war er ungefähr um die Zeit in der Gegend unterwegs.“

In einem Rechtsstaat könne man nicht einfach Behauptungen aufstellen, sondern man müsse Beweise vorlegen. „Wenn die Forderung von Ferda Ataman umgesetzt würde, wäre das eine starke Gefährdung der Freiheit. Man könnte ganz einfach eine Behauptung aufstellen, um jemanden vor Gericht zu bringen. Wir erleben das ja im Augenblick, wie mit einer unheimlich großen Wirkung in der Öffentlichkeit oder auf Social Media schnell Behauptungen aufgestellt werden. Am Ende stellt sich oft heraus, dass eigentlich kaum was dran war. Diese Beweislastumkehr würde auch den Missbrauch von Diskriminierungsklagen sehr erleichtern.“

Ankläger und Richter

Und dann ist da noch etwas. Ataman fordert auch ein „altruistisches Klagerecht“ für ihre Antidiskriminierungsstelle. Laut Boehme-Neßler bedeutet das, Ataman könnte selbst Klage erheben. „Und das unabhängig davon, ob die Menschen, die – vielleicht – diskriminiert sind, eine Klage wollen oder nicht.“ Ataman und ihre Behörde erhielten damit faktisch die Kompetenz einer Staatsanwaltschaft. Und in Verbindung mit dem geplanten Instrument der verbindlichen Schlichtung würde die Antidiskriminierungsstelle sogar zu einer Art Gericht. Ankläger und Richter in einem also.

Hätte Ferda Ataman mit ihren Plänen Erfolg, würde ihre Antidiskriminierungsstelle Funktionen eines Gerichts übernehmen. So blinde (und damit unvoreingenommen) wie Justitia würde sie allerdings wohl nicht urteilen. (Foto: Pixabay)

Künftig gehen dann Wohnungen stets an Migranten. Arbeitsplätze an Menschen mit Behinderung. Führungspositionen an Frauen oder Homosexuelle. Und kirchliche Kitas dürften sich genötigt fühlen, aus Angst vor einer Klage statt einer christlichen eine muslimische Bewerberin einzustellen. Obwohl das den religiösen Bildungsauftrag einer solchen Einrichtung natürlich ad absurdum führen würde. Und das Ziel, gegen religiöse Diskriminierung vorzugehen, gleich mit. Es wäre nämlich nichts anderes als Diskriminierung derjenigen, die keiner privilegierten Minderheit angehören. Diskriminierung der deutschen Mehrheit. Also vermutlich genau das, was Ferda Ataman vorhat.

Anna Steinkamp