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Im Blickpunkt

„Viele haben zum ersten Mal demonstriert“

Nach dem Ende der Corona-Pandemie bleibt die Erinnerung an ein Notstands-Regime, das es in dieser Form nie zuvor gegeben hat – Im Interview spricht ein Demo-Teilnehmer über den Straßen-Protest gegen die teils rigiden Maßnahmen

Die Maskenpflicht im öffentlichen Nah- und Fernverkehr erlischt. Fast auf den Tag genau drei Jahre nach den ersten Corona-Fällen in Deutschland. Damit bestehen in der Bundesrepublik nahezu keine Corona-Einschränkungen mehr. Selbst der Fall der Maskenpflicht in Krankenhäusern und Pflegeheimen gilt als ausgemachte Sache. Die Corona-Pandemie ist nun auch von Staats wegen beendet. Es bleibt die Erinnerung an ein Notstands-Regime, das es in dieser Form noch nie in Deutschland gab. Das private Treffen verbot, dessen Regeln und der Umgang mit ihnen die Gesellschaft spalteten. Ein Regime, das die Impfung für alle zur Pflicht machen wollte. Das drei Jahre lang nahezu keinen Widerspruch duldete. Und dessen Positionen von vielen Medien kritiklos übernommen wurden.

Protest gegen die Notstandsregeln artikulierte sich im Internet, etwa bei Messengern wie Telegram, und auf der Straße. Zeitweise nahmen Hunderttausende an Demonstrationen gegen Kontakt-Verbote, Maskenpflicht und Impfkampagne teil. Vor allem der Osten Deutschlands war ein Zentrum des Protests. Aber auch Bayern, dessen Regierung gerade während der ersten Corona-Welle einen besonders harten Kurs fuhr. Einer jener Demonstranten, die ihre Ablehnung der Maßnahmen regelmäßig an die Öffentlichkeit trugen, ist ein junger Mann. Wir nennen ihn an dieser Stelle „Markus“.

Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) trägt das Ende der Maskenpflicht mit. Er rät jedoch dazu, weiter freiwillig einen Mund-Nase-Schutz zu tragen. (Foto: Sandro Halank/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Das folgende Interview ist eine Art Vermächtnis: Dass die Auswüchse des Corona-Regimes, die auch von Virologen immer wieder kritisiert wurden, nicht vergessen werden mögen. Das Interview wurde zwar bereits vor einigen Monaten geführt. Veröffentlicht wird es aber erst jetzt. Mit freundlicher Genehmigung der Beteiligten exklusiv beim „anderen Blickwinkel“. Zugleich sind die Antworten von „Markus“ auch ein möglicher Ausblick auf die Zukunft. Denn der Protest auf den Straßen geht weiter. Nicht mehr die Corona-Maßnahmen sind das Thema, sondern die Energiekrise. Waffenlieferungen an die Ukraine. Die westliche Haltung gegenüber Russland. Oder die zunehmende „Wokeness“ nicht nur in Politik und Medien, sondern auch im Sport und selbst in der Kirche.

Markus, warum gehen Sie gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße?

Ich bin kein Demonstrant der ersten Stunde. Anfangs fand ich die Maßnahmen gegen Corona noch nachvollziehbar. Und bis Ende 2020 war ich fest überzeugt, dass der Staat unsinnige Maßnahmen irgendwann von alleine einstellen würde. Dann wurde mir klar, wie stark der Impfdruck werden würde. Wie radikal die Gesprächsführung, wie unmenschlich die Ausgrenzung und die Repressionen für Andersdenkende. Dann habe ich nach Möglichkeiten des Protests gesucht.

Besonders mutig bin ich nicht. Mir fällt es schwer, in Diskussionen meinen Standpunkt zu erklären und zu verteidigen. Ich lasse mich verunsichern, sodass ich nicht mehr schlagfertig bin. Aber ich kann einer unter vielen sein, um einen Umzug zu vergrößern, dachte ich mir. Man macht verhältnismäßig wenig, ist aber nicht vollkommen unaktiv. Anfangs kannte ich die Kanäle nicht, unter denen sich Menschen zu Umzügen verabreden. Ich war verwundert, dass in der Zeitung gar keine Ankündigung stand, wie es doch sonst bei jedem Hinterhof-Flohmarkt ist. Seit Mitte 2021 bin ich dabei. 

Wie fühlte es sich an zu demonstrieren?

Es hat mir Hoffnung gegeben. Und Sinn. Viele von uns, auch ich, haben zum ersten Mal demonstriert. Rufen, Singen und Schilder tragen war sehr ungewohnt. Anfangs hatten viele noch mit Kuli geschriebene Schilder, die man eigentlich nur lesen kann, wenn man direkt danebensteht. Ich habe mich einsam gefühlt, denn meine Altersklasse stand größtenteils auf der anderen Seite, zeigte mit dem Finger auf uns und schüttelte den Kopf. Zum Teil habe ich Bekannte dort gesehen.

Einmal wurden wir von der Polizei eingekesselt, obwohl wir vollkommen friedlich durch die Straßen liefen. Es herrschte ein Abstandsgebot. Die Polizei hat uns aber so zusammengetrieben, dass wir es nicht einhalten konnten. Man hat den Beamten zum Teil angesehen, dass sie sich bei solchen Handlungen unwohl fühlen. Wenn man selbst dabei war und hinterher die Zeitungsberichte gelesen hat, in denen etwas vollkommen anderes stand, als man mit eigenen Augen gesehen hat, erschüttert es das Vertrauen in Medien und Gesellschaft noch mehr. Es wurde von Gewalt und Ausschreitungen berichtet, das hat einfach nicht gestimmt. Das macht hilflos! Zugleich gibt die Teilnahme Auftrieb. Die Gleichgesinnten trösten.

Zeitweilig gingen Hunderttausende gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße. (Foto: Ivan Radic/CC BY 2.0 via Wikimedia Commons)

Haben Sie das Gefühl, dass der Protest auf der Straße etwas bringt?

Genau sagen kann man es natürlich nicht. Peter Hahne hat in einem Interview von Insider-Informationen gesprochen, dass politische Entscheidungen sehr wohl von den Protesten beeinflusst wurden. Ich kann speziell das nicht beurteilen. Aber schon allein die Menge an Menschen, die gemeinsam aktiv wird, ist ein Signal, das Verantwortliche weder übersehen noch überhören können. Auch in der Bevölkerung erhält der Protest Aufmerksamkeit, weil Straßen gesperrt werden und Autos, Busse und Straßenbahnen eine Weile nicht fahren können. Die Aufmerksamkeit ist zwar nicht unbedingt positiv, weil Unbeteiligte durch die fehlenden Ankündigungen in der Presse vollkommen überraschend behindert werden und sich dann selbstverständlich ärgern. Hier wird von den Presseorganen die Wut auf die Demonstranten statt auf die Zustände gelenkt.

Man kommt außerdem an die Menschen ran, die keine alternativen Medien lesen und von der anderen Seite wenig mitbekommen. Von vielen Menschen, die genauso denken, hört man aber leider schon: „Das bringt doch nichts.“ Oft klingt es resigniert. Aber die pauschale, abwinkende Aussage finde ich nicht in Ordnung. Da würde ich gerne die Frage umkehren und fragen: „Was bringt denn etwas?“ Und als Antwort mehr als ein Schulterzucken erwarten. Auf jeden Fall sollte sich jeder Unzufriedene diese Demos mal ansehen oder sich zumindest überlegen, wie man anders aktiv werden kann.

Wie muss es weitergehen?

Umzüge können nur einen Teil beitragen. Man muss sich meiner Meinung nach zusammenschließen und gemeinsam verweigern oder Maßnahmen ergreifen. Manche Menschen verabreden sich, Politiker und Verantwortliche oder Behörden anzurufen und zur Rede zu stellen. Sie sind wirklich hartnäckig. Einige zeigen Politiker für Aussagen an und animieren weitere, das auch zu tun. Andere haben sich zusammengeschlossen, um ohne Maske Bus zu fahren oder einzukaufen. So etwas macht es schwerer, einzugreifen.

Gemeinsames Auftreten macht mehr Eindruck und gibt Mut, zu seiner Meinung zu stehen und ein Nein auch in die Tat umzusetzen. Ganz lange habe ich geglaubt, dass 3G sich im Freizeitbereich gar nicht etabliert, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass jemand nur wegen eines Kino- oder Restaurantbesuchs, ohne den es schon monatelang gehen musste, zum Test oder zur Spritze rennt. Wir haben uns zu lange auf den Gedanken „Es ist ja nur“ verlassen. 2G hat dann zum Einbruch bei Verkaufszahlen geführt und etwa die Händler dazu gebracht, die Stimme zu erheben.

Die Polizei geht mit Wasserwerfern gegen eine Corona-Demo vor. (Foto: Leonhard Lenz/CC0 via Wikimedia Commons)

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