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Amnesty: Ukraine gefährdet Zivilisten

Amnesty International wirft der Ukraine vor, im Krieg gegen Russland gegen das Völkerrecht zu verstoßen. Die Armee verschanze sich in Schulen und Krankenhäusern und operiere aus Wohngebieten heraus. Vorwürfe wie diese, wonach die Ukraine ihre eigene Zivilbevölkerung gefährde und als „menschliche Schutzschilde“ missbrauche, galten bislang im Westen als russische Propaganda. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi kritisierte den Amnesty-Bericht scharf.

Ein ukrainischer Panzer in den Straßen von Kiew. Amnesty International wirft den Streitkräften der Ukraine vor, aus Wohngebieten heraus zu operieren und dadurch die Zivilbevölkerung zu gefährden. (Foto: VoidWanderer/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Die Menschenrechtsorganisation hat eigenen Angaben zufolge zwischen April und Juni im Kriegsgebiet Untersuchungen angestellt und mit Bewohnern sowie Überlebenden russischen Beschusses gesprochen. Den Erkenntnissen zufolge haben ukrainische Streitkräfte „Zivilisten in Gefahr gebracht, indem sie in Wohngebieten, einschließlich Schulen und Krankenhäusern, Stützpunkte errichteten und Waffensysteme einsetzten“.

Vergeltungsfeuer russischer Streitkräfte

Im umkämpften Donbass sowie in den Regionen Charkiw und Mykolajiw berichteten Augenzeugen „dass das ukrainische Militär zur Zeit der Angriffe in der Nähe ihrer Häuser operierte und das Gebiet dem Vergeltungsfeuer russischer Streitkräfte aussetzte“. Ein derartiges Verhalten hat Amnesty International an zahlreichen Orten beobachtet.

Der Bericht zitiert eine Frau, deren 50-jähriger Sohn bei einem Raketenangriff südlich von Mykolajiw ums Leben kam: „Das Militär wohnte in einem Haus neben unserem Haus und mein Sohn brachte den Soldaten oft Essen. Ich bat ihn mehrmals, sich von dort fernzuhalten, weil ich um seine Sicherheit fürchtete.“ Zum Zeitpunkt des russischen Beschusses habe sich ihr Sohn vor dem Haus aufgehalten. „Er wurde auf der Stelle getötet. Sein Körper wurde in Fetzen gerissen.“

„Ein klarer Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht“

An fünf Orten konnte Amnesty aufgrund von Zeugenaussagen nachweisen, dass ukrainische Soldaten Krankenhäuser als Militärstützpunkte nutzten. In einer Stadt feuerten die Streitkräfte sogar von Stellungen in der Nähe eines Krankenhauses. In mindestens einem Fall kamen beim russischem Beschuss einer medizinischen Labors Zivilisten zu Schaden. Ukrainische Soldaten hatten dort zuvor ihre Basis eingerichtet. „Die Nutzung von Krankenhäusern für militärische Zwecke ist ein klarer Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht“, betont Amnesty.

Russischen Beschuss macht die Ukraine für die Zerstörung einer Geburtsklinik in Mariupol am 9. März verantwortlich. In anderen Fällen konnte Amnesty nachweisen, dass ukrainische Truppen das Krankenhausareal als Stützpunkt genutzt haben. (Foto: armyinform.com.ua/CC BY 4.0 via Wikimedia Commons)

Die Wohngebiete, in denen sich ukrainische Truppen aufhielten, waren nach Erkenntnissen von Amnesty meist „kilometerweit von den Frontlinien entfernt“. Zivilisten hätten also nicht gefährdet werden müssen, stellte die Menschenrechtsorganisation fest. Auch habe das ukrainische Militär es versäumt, die entsprechende Gegend zu evakuieren.

Auch die Ukraine muss das Völkerrecht respektieren

Zwar fand Amnesty nicht an jedem Ort, an dem russische Angriffe zum Tod von Zivilisten führten, Belege dafür, dass die ukrainischen Streitkräfte das Gebiet missbraucht haben könnten. Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International, sieht dennoch geradezu ein „Muster“ darin, dass die ukrainischen Streitkräfte die Zivilbevölkerung gefährden und gegen das Kriegsrecht verstoßen. Die Tatsache, dass sich die Ukraine gegen einen Angreifer verteidigt, befreie das ukrainische Militär nicht von der Verpflichtung, „das humanitäre Völkerrecht zu respektieren“, betont Callamard.

Thomas Wolf

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Terrorangriffe auf Nigerias Hauptstadt

In der nigerianischen Hauptstadt Abuja haben in den vergangenen Tagen islamistische Milizen öffentliche und militärische Einrichtungen angegriffen. Das berichtet das katholische Hilfswerk „Kirche in Not“ unter Berufung auf den katholischen Erzbischof von Abuja, Ignatius Kaigama. 

Kaigama nannte drei Übergriffe innerhalb einer Woche: Kämpfer seien in ein Gefängnis in der Nähe des Hauptstadt-Flughafens eingedrungen und hätten dabei mehrere Führer der Terrorsekte Boko Haram befreit. Bei einer Attacke auf einen Militärstützpunkt am Rande Abujas seien mehrere Soldaten getötet worden. Auch die Garde, die für die Sicherheit des Regierungsviertels und des Präsidentenpalasts verantwortlich ist, sei während einer Patrouille überfallen worden, berichtet der Erzbischof. 

Ignatius Kaigama ist katholischer Erzbischof der nigerianischen Hauptstadt-Diözese Abuja. (Foto: Kirche in Not)

Die Situation wertet er als „sehr ernst“. Die Bevölkerung befinde sich in großer Aufregung: „Abuja ist die Hauptstadt, und die sollte der sicherste Ort eines Landes sein.“ In der Vergangenheit habe es zwar Bombenanschläge gegeben, aber diese Art der Angriffe seien neu, sagt der Erzbischof: „Wir wissen nicht, woher die Angreifer kommen oder was als nächstes passiert.“ 

Zusammenhang mit den Wahlen 2023?

Die Milizen gingen sehr koordiniert vor, die Angriffe seien geplant und kein Zufall gewesen. Kaigama vermutet einen Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen 2023, bei denen der bisherige Amtsinhaber Muhammdu Buhari nicht mehr antreten darf: „Die Menschen wollen Macht, und sie tun alles, was sie können.“

Die amtierenden Volksvertreter kritisiert der Erzbischof scharf: Sie hätten die Hauptstadt verlassen und sechs Wochen Parlamentsferien ausgerufen. „Man hätte erwarten können, dass die Politiker fieberhaft nach Lösungen für die aktuellen Probleme suchen würden. Aber sie sind unmittelbar nach den Attacken gegangen!“

Es bestehe jetzt die Gefahr, dass die Regierungspartei die Gewalt und die Instabilität in der Hauptstadt und anderen Regionen des Landes als Vorwand benutze, um die Wahlen auf unbestimmte Zeit zu verschieben, befürchtet Kaigama. Die Kirche rufe die Menschen auf, sich jetzt für die Wählerlisten registrieren zu lassen und das Land „über die Wahlurne zu verändern“.

„Es gibt keine Gleichbehandlung für Christen“

Angesprochen auf die Situation der Christen in Nigeria und Berichte über eine zunehmende Verfolgung antwortet der Erzbischof vorsichtig: „Wir können das nicht generalisieren, indem wir sagen, dass Christen verfolgt werden. Auch in der Regierungspartei sind Christen vertreten. Aber Verfolgung besteht nicht nur darin, Menschen zu töten, sondern auch die Dinge zugunsten einer bestimmten Gruppe zu manipulieren.“ 

Nigerias Präsident Muhammadu Buhari (rechts) begrüßt US-Außenminister Antony Blinken in Abuja. Bei der Präsidentenwahl im kommenden Jahr darf der Muslim Buhari nicht erneut antreten. (Foto: US Department of State/Ron Przysucha)

Es handle sich vielmehr um eine „subtile Verfolgung“: „Es gibt keine Gleichbehandlung. Das Verhältnis von Christen und Muslimen in Nigeria ist 50/50, also sollte es eine gleichmäßige Verteilung der Ressourcen und Chancen geben. Die Menschen sollten sich in sensiblen politischen, wirtschaftlichen oder sicherheitsrelevanten Fragen einbezogen fühlen.“

Auch die Entscheidung der Regierungspartei, für die Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr zwei muslimische Spitzenkandidaten aufzustellen, werfe Fragen auf, sagt Kaigama: „Sie konnten im ganzen Norden Nigerias keinen einzigen Christen finden, der für das Amt des Vizepräsidenten geeignet ist?“

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Kommentar

Normalität sieht anders aus

Die Bundesregierung hat ihren „Corona-Fahrplan“ für den kommenden Herbst und Winter vorgelegt. Den Entwurf des neuen Infektionsschutzgesetzes handelten zwar das Gesundheits- und das Justizministerium gemeinsam aus – er trägt aber ganz die Handschrift von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Der liberale Justizminister Marco Buschmann, der einst ein Ende aller Maßnahmen für den 20. März dieses Jahres versprochen hatte, konnte oder wollte sich offenbar nicht durchsetzen.

Die Bundesregierung will wieder verschärfen

Während Nachbarländer wie Frankreich oder Österreich ihre Pandemie-Maßnahmen weitestgehend zurückfahren oder gar ganz aufheben und der „Freedom Day“ der Briten längst schon in die Geschichtsbücher eingegangen ist, will die Bundesregierung wieder verschärfen. Und das, obwohl mittlerweile zahllose Experten die Pandemie für beendet erklärt oder zumindest klargestellt haben, dass Corona mit den aktuell kursierenden Omikron-Varianten endgültig auf dem Niveau einer etwas heftigeren Erkältung angekommen ist.

Die FFP2-Maske, die meist der OP-Maske gewichen ist, spielt im neuen Corona-Konzept der Bundesregierung eine wichtige Rolle. Auch ein Testregime an Schulen und Kitas könnte es wieder geben. (Foto: Pixabay)

Immerhin soll es mit dem neuen Infektionsschutzgesetz keine Lockdowns mehr geben – weder für Geimpfte noch für Ungeimpfte. Auch coronabedingte Schulschließungen sollen der Vergangenheit angehören. Einen Mund-Nasen-Schutz müssen Schüler erst ab der fünften Klasse tragen – und auch dann nur, wenn andernfalls der Präsenzunterricht eingestellt werden müsste. 2G gehört der Vergangenheit an.

FFP2-Pflicht im öffentlichen Nahverkehr?

Auf der anderen Seite bleibt vieles erhalten, was die Deutschen seit 2020 verfolgt: die Maskenpflicht in Fernbus, Zug und Flugzeug zum Beispiel. Hier muss ab 1. Oktober eine FFP2-Maske getragen werden. Die Länder können dies auch auf den öffentlichen Nahverkehr ausweiten. Ebenfalls in die Zuständigkeit der Länder fällt es, eine FFP2-Pflicht in öffentlich zugänglichen Innenräumen sowie eine Testpflicht an Schulen und Kitas zu verhängen.

Von der (nachvollziehbaren) Testpflicht in Krankenhäusern sowie Alten- und Pflegeheimen ist ausgenommen, wer innerhalb der vergangenen drei Monate von einer Corona-Infektion genesen ist oder sich innerhalb dieser Frist hat impfen lassen. Dabei ist längst bekannt, dass die Impfung keinen ausreichenden Schutz vor einer auch zeitnahen Infektion bietet. Gerade jene „frisch“ Geimpften können Corona also unkontrolliert unter der schutzbedürftigsten Gruppe der Alten und Schwerkranken verbreiten.

Einen ebenso großen Hammer hat Lauterbach für Gastronomie und Kultur vorbereitet – wenn auch unter dem Vorbehalt, dass hierfür formell die Länder zuständig sind: In Restaurants, Bars, Kulturbetrieben und im Freizeitbereich soll der Zutritt nur noch mit FFP2-Maske oder aktuellem Negativ-Test möglich sein. Ausgenommen sind auch hier „frisch“ Geimpfte und Genesene.

Lauterbach und Co. vertrauen der Impfung nicht

Die Maske wird so zu einem Erkennungsmal für Ungeimpfte – wobei darunter ab dem Herbst auch alle Menschen fallen werden, deren „Grundimmunisierung“ oder Impf-„Booster“ ins vergangene Jahr oder dieses Frühjahr fallen. Normalität sieht anders aus. Die Frist von drei Monaten seit der letzten Auffrischungsimpfung zeigt, wie schnell die umstrittenen mRNA-Stoffe selbst nach Ansicht der Regierung ihre Schutzwirkung gegen das Coronavirus verlieren – und wie wenig Lauterbach und Co. ihnen noch vertrauen.

Die Frist zeigt aber auch, woher der Wind (vermutlich) weht: Lauterbach plant eine neue Impfkampagne mit angepassten Omikron-Impfstoffen, die just im Herbst verfügbar sein sollen. Damit nicht wieder unzählige ungenutzte Dosen vernichtet werden müssen, will der Gesundheitsminister offenbar erneut Anreize schaffen, die die Bürger in die Nadel treiben. Am Ende droht womöglich sogar eine Neuauflage der allgemeinen Impfpflicht.

Thomas Wolf

Haben die neuen Corona-Regeln auch den Zweck, die Bürger zur Impfung mit den neuen, angepassten Omikron-Impfstoffen zu bewegen? (Foto: Pixabay)
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Kommentar

Töten wie im Videospiel

Es dürfte schwer sein, im Westen jemanden zu finden, der aufrichtig um Aiman al-Sawahiri trauern würde. Der langjährige Stellvertreter von Osama bin Laden und seit dessen Tod 2011 Führer des islamistischen Terrornetzwerks al-Qaida kam am Sonntag bei einem US-Drohnenangriff im afghanischen Kabul ums Leben.

Aiman al-Sawahiri (rechts) neben Osama bin Laden kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001. (Foto: Hamid Mir/CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Für die Vereinigten Staaten war Sawahiri der meistgesuchte Terrorist der Welt. Auf der Fahndungsliste des FBI stand er an oberster Stelle. Er ist mitverantwortlich für die Anschläge auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania 1998, stand Osama bin Laden bei der Planung der Angriffe auf das World Trade Center und das Pentagon am 11. September 2001 zur Seite und lenkte den Terrorkrieg der al-Qaida im Irak, in Syrien oder in Somalia.

Keine Trauer um den Terror-Führer

Aiman al-Sawahiri hat buchstäblich Blut an den Händen. Zigtausende starben bei Attacken, die er entweder geplant, geleitet oder ideologisch vorbereitet hat. Nein, echte Trauer um den Führer der al-Qaida verbietet sich. Mittel und Wege aber, die zu seinem Tod geführt haben, kann man durchaus kritisch sehen.

Als 2011 Osama bin Laden in Abbottabad von US-Elitesoldaten erschossen wurde, verfolgten Präsident Barack Obama und der damalige Vizepräsident Joe Biden gebannt das Geschehen, das auf Bildschirmen live ins Weiße Haus übertragen wurde. Vor Ort im Osten Pakistans waren immerhin noch amerikanische Einheiten im Einsatz, die ihre Befehle ausführten.

US-Präsident Barack Obama und Vizepräsident Joe Biden (ganz links) verfolgen gebannt die Militäraktion, die 2011 zum Tod Osama bin Ladens führte. (Foto: Pete Souza/White House/gemeinfrei)

Anders bei Aiman al-Sawahiri: Er fiel einem Luftschlag der CIA zum Opfer, liest man. Eine Drohne des US-Auslandsnachrichtendienstes tötete Sawahiri demnach durch „präzisen“ Raketenbeschuss. Mit anderen Worten: Krieg und Menschenjagd wie im Videospiel – nicht mehr nur für die politischen Entscheider in Washington, sondern auch für die ausführenden Hände am Steuerknüppel der Drohne.

Der Drohnenkrieg spricht jedem Rechtsstaat Hohn

Der Drohnenkrieg der USA, der insbesondere während der Präsidentschaft von Barack Obama enorm ausgeweitet wurde und im Fall Sawahiri gewiss nicht den Falschen trifft, rührt an den Grundfesten des Rechts: Er verletzt die nationale Souveränität des betroffenen Landes (hier: Afghanistan) und spricht jedem Rechtsstaat Hohn. Auch wenn nahezu jedes Gericht der Welt Sawahiri schuldig sprechen würde – ein faires Verfahren hätte selbst ein Terrorist und Massenmörder wie er verdient.

Auch Israel tritt mit außergesetzlichen Tötungen von vermeintlichen palästinensischen Terroristen, Hisbollah-Kämpfern oder iranischen Offiziellen immer wieder den Rechtsstaat mit Füßen. Wer aber wollte die Grenze ziehen, bis zu der ein Raketenbeschuss oder Bombenangriff gerade noch erlaubt ist? Nein, das Töten am Bildschirm mag im Videospiel erlaubt sein. In der Politik hat es nichts verloren. Und schon gar nicht sollte es mit dem Friedensnobelpreis gewürdigt werden – wie 2009 geschehen bei Barack Obama.

Thomas Wolf

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Im Blickpunkt

Radikaler Schiit und Christenfreund

Der 48-jährige Muqtada al-Sadr ist einer der einflussreichsten religiösen Führer des Irak. Immer wieder haben Anhänger des schiitischen Predigers für Unruhe in dem Land gesorgt – auch jetzt wieder: Seit Samstag halten sie das irakische Parlament, den Repräsentantenrat, besetzt.

Muqtada al-Sadr (rechts) im Gespräch mit Irans Revolutionsführer Ali Chamenei in Teheran. (Foto: khamanei.ir/CC BY 4.0 via Wikimedia Commons)

„Sitzstreik“ – so nennen die Parlamentsbesetzer ihre Aktion, die bereits die zweite dieser Art innerhalb weniger Tage ist. Die Tagesschau berichtet, al-Sadrs Anhänger seien am Wochenende in die sogenannte Grüne Zone eingedrungen, eine rund zehn Quadratkilometer großes Gebiet im Zentrum von Bagdad. Sie beherbergt wichtigste politische Institutionen des Landes. Auch die US-Botschaft hat hier ihren Sitz.

Sie singen und tanzen

Die Grüne Zone ist durch Betonbarrieren, Mauern und Stacheldraht abgeriegelt. Die Anhänger Muqtada al-Sadrs, schreibt Anna Osius auf tagesschau.de, hätten Absperrungen niedergerissen und seien in das Parlamentsgebäude eingedrungen. Hier kampieren sie nun, singen und tanzen – und wollen nicht gehen, bis ihre Forderungen erfüllt sind.

Anlass des Sturms ist ein seit längerer Zeit schwelender Konflikt: Im vergangenen Herbst gewann al-Sadrs Bewegung die Parlamentswahl und stellt seitdem die mit Abstand größte Fraktion. Von einer parlamentarischen Mehrheit sind al-Sadr und seine Verbündeten aber deutlich entfernt – und so scheiterte die Regierungsbildung. Stattdessen deutete sich zuletzt an, dass al-Sadrs Rivalen künftig den Ministerpräsidenten stellen könnten.

Die Anhänger des Geistlichen wollen das nicht akzeptieren und fordern einen Regierungschef aus den eigenen Reihen. Einen ersten Sturm auf das Parlament beendete al-Sadr noch selbst. Nun hält er sich zurück. Seine Anhänger sind offenbar gewillt, gegen alle Widerstände auszuharren. Schon warnen Beobachter vor einer blutigen Eskalation, sollten die Sicherheitskräfte versuchen, das besetzte Parlament zu stürmen.

Widerstand gegen die USA

Nach dem Sturz des sunnitisch geprägten Regimes von Saddam Husseins durch US-Truppen 2003 setzten die Besatzer auf Unterstützer in der schiitischen Mehrheit, der rund zwei Drittel der Bevölkerung angehören. Muqtada al-Sadr, ebenfalls Schiit, rief zum gewaltsamen Widerstand gegen die USA auf, der rund fünf Jahre andauerte. As-Sadr ist Sohn des schiitischen Großajatollahs Muhammad Sadiq al-Sadr, der 1999 bei einem Anschlag mutmaßlicher Anhänger Saddam Husseins ums Leben kam.

In westlichen Medien gilt al-Sadr meist als „radikaler schiitischer Geistlicher“. Gedanklich ist da der Weg nicht weit zum militanten Islamismus und Dschihadismus. Doch weit gefehlt: Trotz mitunter radikaler Äußerungen und seiner Aufrufe zur Gewalt gegen US-Truppen und politische Gegner hat al-Sadr sich stets dem Dschihadismus in den Weg gestellt – und sich als Freund der irakischen Christen erwiesen. Selbst den Einfluss des schiitischen Iran auf die irakische Politik kritisierte er heftig.

Als der „Islamische Staat“ (IS), der aus einer sunnitischen Terrorzelle im Irak hervorgegangen war, 2014 Teile Syriens und des Nordirak eroberte, rief al-Sadr die „Friedenskompanien“ als schiitische Freiwilligenverbände ins Leben. Sie schützten schiitische und christliche Gebetsstätten gegen die IS-Terrormiliz und halfen mit, den IS im Irak zu besiegen.

Thomas Wolf

Ein Kämpfer der sogenannten Volksmobilmachung des Irak, 2014 aufgestellt zum Kampf gegen die sunnitische Terrormiliz „Islamischer Staat“. Den meist schiitischen Freiwilligenverbänden gehörten auch Muqtada al-Sadrs „Friedenskompanien“ an. (Foto: Tasnim News Agency/CC BY 4.0 via Wikimedia Commons)
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Im Blickpunkt

Dschihadisten in Afrika auf dem Vormarsch

Das weltweite päpstliche Hilfswerk „Kirche in Not“ zeigt sich alarmiert über die Lage in Burkina Faso. Nachdem Anfang Juli mehr als 20 Menschen in der Ortschaft Bourasso im Nordwesten des Landes von Milizen erschossen worden waren, erreichen das Hilfswerk auch aus der Diözese Fada N’Gourma im Osten von Burkina Faso besorgniserregende Nachrichten: Aufgrund der anhaltenden Terrorgefahr können zahlreiche Dörfer im Bistum kaum noch von außen erreicht werden. 

Auf Anfrage von „Kirche in Not“ teilten die Projektpartner in Fada N’Gourma mit, dass von den über 500 Städten und Dörfern auf dem Gebiet des Bistums aktuell mehr als 90 Prozent von der Außenwelt abgeschnitten seien. Raubüberfälle, Entführungen und Morde hätten so massiv zugenommen, dass die Diözese seit Anfang 2022 ihre Seelsorger aus fünf weiteren Pfarreien abberufen musste. 

Ein zerstörtes Kreuz nach einem Überfall von Islamisten auf das Studienseminar der Diözese Fada N’Gourma in Burkina Faso. (Foto: Kirche in Not)

In sieben weiteren Gemeinden seien die oft abgelegenen Außenstellen nicht mehr zu erreichen; die Straßen seien in der Kontrolle von Milizen und deshalb unpassierbar. Da auch die Telefon- und Internetverbindungen gekappt wurden, habe man keine Informationen über die dortigen Gemeindemitglieder. 

Terror richtetet sich vermehrt gegen Christen

Auslöser dieser dramatischen Situation ist der islamistische Terror, der sich seit dem Jahr 2015 in Burkina Faso immer weiter vorwärts frisst. Dem Bericht „Religionsfreiheit weltweit 2021“ von „Kirche in Not“ zufolge ist das Land zu einem der Hauptoperationsgebiete des militanten Dschihadismus in Afrika geworden. Während sich die Gewalt zu Beginn unterschiedslos gegen die gesamte Bevölkerung richtete, kommt es nach Angaben von lokalen Beobachtern seit 2019 vermehrt zu gezielten Attacken auf Christen, die etwa ein Viertel der Bevölkerung Burkina Fasos ausmachen.

Gläubige in Burkina Faso bei einem Gottesdienst. (Foto: Kirche in Not)

Der Bericht der Diözese Fada N’Gourma an „Kirche in Not“ enthält auch die Aussage eines Priesters, der das übliche Vorgehen der Terroristen schildert. Demnach eroberten Milizen Ende Februar die Stadt Tombaga im Osten der Diözese. Die Bewohner seien in der Moschee zugsammengeführt worden. Die Terroristen hätten die anwesenden Christen aufgefordert, zum Islam zu konvertieren. „Sie sagten, Isa (Name für Jesus im Islam; Anm. d. Red.) sei gekommen, aber seine Mission sei beendet. Mohammed sei sein Nachfolger“, zitiert der Bericht den Augenzeugen. Anschließend hätten die Milizen eine katholische Schule und weitere staatliche Bildungseinrichtungen in Brand gesetzt.

Freie Religionsausübung vielfach eingeschränkt

In vielen Orten der Diözese Fada N’Gourma sei es verboten, eine andere Religion als den Islam auszuüben, heißt es in dem Bericht. Mancherorts dürften zwar noch christliche Gottesdienste abgehalten werden. Diese werden aber offenbar von den lslamisten überwacht. Trotz der prekären Lage gebe es jedoch nach wie vor ein lebendiges Gemeindeleben. Vielen christlichen Bewohnern aus den abgeschnittenen Dörfern sei die Flucht gelungen. Sie haben sich demnach rund um die Ortschaft Matiakoali niedergelassen, wo Militär stationiert und es deshalb vergleichsweise sicher ist.

Weitere Informationen zur Lage in Burkina Faso finden Sie im Bericht „Religionsfreiheit weltweit 2021“ von „Kirche in Not“.

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Im Blickpunkt

Putin oder Biden: Wer ist hier krank?

Seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine schießen die Spekulationen wie wild ins Kraut: Wladimir Putin sei schwerkrank, habe nicht mehr lange zu leben oder sei gar schon durch einen Doppelgänger ersetzt, liest man. Im Gegensatz dazu wird der Kreml nicht müde zu betonen, Putin erfreue sich bester Gesundheit. Alles Quatsch, hieß es zuletzt sogar von der CIA. Den Gerüchten liegen offenbar eher westliches Wunschdenken und propagandistische Nadelstiche zugrunde als echte Fakten. Statt Putin rückt nun zunehmend die Gesundheit eines anderen, eines westlichen Staatschefs in den Fokus: US-Präsident Joe Biden.

Auf manchen Aufnahmen wirkt Wladimir Putin etwas aufgedunsen. Aber ist er wirklich schwer erkrankt? (Foto: Kremlin.ru via Wikimedia Commons/CC BY 4.0)

Beileibe nicht nur umstrittene Portale im Internet, die es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen, haben sich seit dem 24. Februar, dem Tag des Angriffs auf die Ukraine, auf Putins Gesundheit eingeschossen. Auch Tageszeitungen wie die Augsburger Allgemeine spekulieren über Putins vermeintliche Krankenakte. Mal leidet der Hausherr im Kreml demnach unter Parkinson, mal an Krebs im Endstadium. Einen Schlaganfall habe Putin gehabt, liest man, und erst kürzlich hieß es, ein Notarzt sei nachts in den Kreml gerufen worden. Ein angeblicher russischer Agent wird zitiert, Putin habe „nur noch zwei bis drei Jahre zu leben“. Wieder andere Quellen sprechen von einer Medikamentensucht. Immerhin noch originell ist die Behauptung, der 69-Jährige leide an den Nachwirkungen einer Corona-Infektion und sei deshalb wahnsinnig geworden.

Ein virtueller Putin?

Womöglich sind die Gerüchte sogar noch untertrieben: Putin, heißt es mitunter, lebe schon gar nicht mehr. Der Mann, der da regelmäßig im russischen Fernsehen zu sehen ist und der zu Auslandsbesuchen wie etwa kürzlich in den Iran reist, könnte ein Doppelgänger sein. Oder sind die Videos, die den Kreml-Chef zeigen, gar gefälscht? Deep-Fake-Technik könnte auf der Basis älterer Aufnahmen einen virtuellen Putin generiert haben, der seitdem seine Landsleute und die ganze Welt narrt. Sehr wahrscheinlich ist das nicht. Auch der US-amerikanische Auslandsnachrichtendienst hat die Spekulationen um Putins schwindende Gesundheit zurückgewiesen: Putin sei sogar „viel zu gesund“, sagte CIA-Direktor Wiliam Burns. Burns war von 2005 bis 2008 US-Botschafter in Moskau und hat Putin zuletzt im November persönlich getroffen.

Vielleicht treffen die Gerüchte stattdessen aber auf einen anderen Präsidenten zu, der gewissermaßen auf der gegenüberliegenden Seite der Geschichte steht: Joe Biden, seit rund anderthalb Jahren Hausherr im Weißen Haus in Washington und mittlerweile fast 80 Jahre alt. Biden ist damit der älteste amtierende US-Präsident überhaupt. Bereits im Wahlkampf hörte man von republikanischer Seite die Behauptung, Bidens geistige Fähigkeiten, die durch das Alter eingeschränkt seien, reichten nicht aus, das Amt des Präsidenten zu erfüllen. Bidens Ärzte dementierten freilich entschieden.

US-Präsident Joe Biden am Telefon. Kürzlich infizierte er sich mit Corona. Die Symptome seien „sehr milde“ gewesen, hieß es. (Foto: The White House/gemeinfrei)

Nun haben die Gerüchte neue Nahrung erhalten – zuletzt durch Bidens Corona-Infektion. Zwar hatte der vierfach geimpfte US-Präsident nach Aussage des Weißen Hauses nur „sehr milde Symptome“ – doch musste er immerhin mit Paxlovid behandelt werden. Das antivirale Mittel soll einen schweren Krankheitsverlauf verhindern. 

Joe Biden noch fit genug für eine zweite Amtszeit?

Vor allem in alternativen Medien werden hierzulande eine Reihe von Aussetzern Bidens diskutiert. Im Internet kursieren Videos, die Biden zeigen, wie er ohne äußeren Einfluss vom Rad stürzt, einem imaginären Gegenüber die Hand schüttelt oder wie er Anweisungen aus dem Teleprompter als Teil seiner Ansprache vorträgt. „Fit genug für eine weitere Amtszeit?“, fragte nun auch die Tagesschau. „Dass US-Präsident Joe Biden nicht mehr der Jüngste ist, hat man zuletzt immer wieder gemerkt“, schreibt Steffen Wurzel vom ARD-Studio Washington. „Er bewegt sich langsamer als früher, bei öffentlichen Veranstaltungen wirkt er regelmäßig unkonzentriert.“ Aufmerksamen Beobachtern mag das untertrieben erscheinen.

Eine wachsende Anzahl von US-Amerikanern fragt sich, ob ihr Präsident eine zweite Amtszeit anstreben sollte. Tagesschau.de zitiert eine Umfrage des Senders CNN, wonach sich 75 Prozent der befragten US-Amerikaner, die beim Urnengang im November 2024 demokratisch wählen wollen, einen anderen Kandidaten wünschen. Unter jüngeren Anhängern der Demokraten wollen sogar 95 Prozent jemand anderen als Biden. Auch ansonsten sind die Umfragewerte des Präsidenten im Keller. Noch stellt kein führender Politiker der Demokraten ihn in Frage. Sollte die Partei bei den Zwischenwahlen im November, bei denen die 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses sowie 35 der 100 Mitglieder des Senats bestimmt werden, verlieren, sieht die Sache womöglich schon ganz anders aus.

Thomas Wolf

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Medienkritik

Den Bock zum Gärtner gemacht

Linke Extremisten als Stars eines Kinofilms? Nicht nur Opfer linker Gewalt sollten da Bauchschmerzen bekommen. Regisseurin Julia von Heinz, die früher selbst der linken Szene angehörte, hat mit ihren Stars offensichtlich weniger Probleme: Ihr Film „Und morgen die ganze Welt“ porträtiert eine Gruppe militanter Anhänger der „Antifa“. Aus ihrem lautstarken, zunächst aber friedlichen Protest gegen (vermeintliche) Rechtsextremisten erwächst ein neuer linker Terrorismus. Der Film ist bei Alamode auf DVD und Blu-ray erschienen.

„Und morgen die ganze Welt“ ist durchaus mitreißend inszeniert. Das intensive, glaubwürdige Spiel der Darsteller vermag zu überzeugen. Der Zuschauer verfolgt knapp zwei Stunden lang den sich langsam, aber unaufhaltsam zuspitzenden Kampf von Hauptfigur Luisa (Mala Emde) und ihren Mitstreitern. Die Tochter aus gutem Haus geriet über Freundin Batte (Luisa-Céline Gaffron) an ein linkes Wohnprojekt und driftet immer stärker in die gewaltbereite „Antifa“-Szene ab.

Ihr Protest gegen eine rechte Partei führt Luisa (Mala Emde) immer weiter in die Abgründe eines neuen linken Terrorismus. (Foto: Oliver Wolff/Alamode Film)

Ob die Schlacht, die Luisa glaubt, kämpfen zu müssen, wirklich sinnvoll ist und ob sie mit den richtigen Mitteln ausgefochten wird – das steht für Luisa außer Frage. Auch die linksalternative Parallelwelt, in die die großbürgerliche Luisa eintaucht, steht nicht zur Diskussion. So hinterlässt der Film einen äußerst faden Geschmack. Für Julia von Heinz sind die Links­extremisten keine wirklichen Täter, sondern lediglich Getriebene ihres vermeintlich legitimen Widerstands gegen „Rechts“.

Freundin Batte will zwar von einer militanten Lösung nichts wissen. Und auch Ex-Terrorist (Andreas Lust), bei dem Luisa, Alfa (Noah Saavedra) und Lenor (Tonio Schneider) zwischenzeitig Unterschlupf finden, warnt vor „einfachen Antworten“ – das war es dann aber auch schon mit der Dis­tanzierung. Aus einem legitimen Protest gegen die politische Rechte erwächst in „Und morgen die ganze Welt“ Selbstjustiz. Sogar Spreng­stoffanschläge heißt der Film letztlich gut – solange sie die „richtigen“ Gegner treffen.

Das stellt eine gefährliche Reinwaschung politisch motivierter Gewalttaten dar, für die es in einer rechtsstaatlichen Demokratie keine Rechtfertigung geben kann. Vor dem Hintergrund der aktuellen Kriminalstatistik kann die Kritik kaum deutlicher sein: Gewalt geht demnach nämlich häufiger von Links- als von Rechts­extremisten aus.

Nein, wer gewaltbereite Links­extremisten als Verbündete der Demokratie hofiert und ihr illegales Handeln verherrlicht, der macht den Bock zum Gärtner. Genau das tut „Und morgen die ganze Welt“ – und wird dafür von zahlreichen Medien auch noch gefeiert. Hätte Regisseurin von Heinz sich keiner linken Zelle, sondern einer Terrorgruppe von Neonazis oder Skinheads angenommen – der mediale Aufschrei wäre zu Recht vernichtend gewesen.

Frank Brettemer

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Im Blickpunkt

Wie teuer wird das Heizen?

Voraussichtlich ab dem 1. Oktober können Gas-Importeure ihre gestiegenen Einkaufspreise an alle Verbraucher in Deutschland weitergeben. Grundlage dafür ist Paragraf 26 des Energiesicherungsgesetzes, der per Verordnung in Kraft tritt und bis September 2024 gelten könnte. Wird Heizung bald zum Luxusgut?

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), in dessen Ressort die Gas-Importe fallen, rechnet damit, dass eine vierköpfige Familie im Jahr „sicherlich einige hundert Euro“ mehr an Heizkosten bezahlen muss. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte zuvor von rund 200 bis 300 Euro gesprochen.

Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), sagte dagegen im Gespräch mit der Rheinischen Post, die Bürger müssten sich „wohl mindestens auf eine Verdreifachung der Heizkosten bei Gas vorbereiten“. Menschen mit mittleren und geringen Einkommen müssten „dringend“ weiter entlastet werden.

Die Politik nennt als Grund für die stark gestiegenen Preise Russlands Krieg in der Ukraine und die im Zusammenhang mit den westlichen Sanktionen stehenden reduzierten Gaslieferungen aus Russland. Ein Blick auf die Preisentwicklung zeigt allerdings: Die Strom- und Heizkosten sind bereits seit Herbst 2021 deutlich erhöht. Der aktuelle Anstieg begann also schon Monate vor Russlands Angriff vom 24. Februar.

Nach Angaben des Vergleichsportals Verivox stieg der Strompreis in Deutschland bei einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 4000 Kilowattstunden allein von Januar 2021 bis Januar 2022 um rund 35 Prozent. Im April dieses Jahres lag er zwar noch höher, doch seither sind die Preise wieder etwas zurückgegangen – vielleicht auch, weil zwischenzeitlich die EEG-Umlage abgeschafft wurde.

Thomas Wolf

Wird Heizung zum Luxusgut? (Foto: Pixabay)
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Kommentar

Mit Vollgas gegen die Wand

Ein Elektroauto an der Ladesäule. Ab 2035 sollen in der EU nur noch solche „Stromer“ neu zugelassen werden. (Foto: Pixabay)

Ab 2035 sollen in der Europäischen Union keine Neuwagen mehr verkauft werden, die mit Verbrennungsmotor ausgestattet sind. Lediglich für Motoren, die mittels synthetischer Kraftstoffe funktionieren, könnte es noch Ausnahmen geben. Der Beschluss der EU ist eine Katastrophe – nicht nur für die Menschen in Europa, sondern auch für die Infrastruktur und die Umwelt.

Emissionen – auch die von Kraftfahrzeugen – führen zu einer zunehmenden Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre. Dies steht wiederum im Verdacht, die globalen Temperaturen ansteigen zu lassen. Um jenen vermeintlich menschengemachten Klimawandel abzubremsen, sollen Neuwagen nach dem Willen der EU eben keine Emissionen mehr an die Umwelt abgeben.

Emissionen bei der Herstellung fallen unter den Tisch

Auf dem Papier ist die Sachte klar: Die politisch und medial hochgejubelten „Stromer“ stoßen anders als Benziner oder Diesel-Fahrzeuge tatsächlich keine klimaschädlichen Gase aus. Die Emissionen aber, die bei der Herstellung der nötigen Großbatterien entstehen, lässt die EU unter den Tisch fallen. Und nicht zuletzt ist die Elektromobilität stets nur so „sauber“ wie der Strom, den sie nutzt.

Wenn nun in absehbarer Zeit praktisch nur noch Elektromobile auf den Straßen unterwegs sein werden, steigt auch der Stromverbrauch enorm an. Eine Studie beispielsweise errechnete selbst bei nur rund 16 Millionen Elektro-Fahrzeugen einen um acht Prozent erhöhten Strombedarf – und der will gedeckt sein. Die Anfälligkeit der Stromnetze, die der zunehmende Bedarf mit sich bringt, interessiert Europas Politik offenbar nicht.

Gerade die vielgeschmähten Diesel-Fahrzeuge weisen inzwischen eine geradezu erstaunlich gute Schadstoffbilanz auf. Wer nun die Verbrenner aus dem Straßenverkehr verdrängen will, der verdrängt auch das Elend, das mit dem Abbau der Rohstoffe für die Batterien der Elektroflitzer einhergeht. Menschenrechtsorganisationen weisen seit Jahren auf Kinderarbeit hin, während Umweltschützer die Zerstörung kritisieren, die die Kobaltminen in Afrika hinterlassen. Ganz zu schweigen von den höheren Kosten, die Elektroautos beim Verbraucher verursachen.

Frank Brettemer