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Zwangskonversion in Erdoğans Auftrag?

Islamistische Milizen, die im Auftrag der Türkei die kurdische Region Afrin im Norden Syriens kontrollieren, zwingen Angehörige religiöser Minderheiten zum Übertritt zum Islam. Das meldet die Göttinger Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). Die Zwangsislamisierung unter anderem der jesidischen Minderheit sei seit der völkerrechtswidrigen Besetzung der Region vor fünf Jahren Gang und Gäbe. Ein neuerlicher großflächiger Einmarsch türkischer Truppen schien zuletzt immer wieder möglich.

„Nur noch sunnitische Muslime“

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan wolle, „dass im syrischen Grenzgebiet zur Türkei nur noch sunnitische Muslime leben dürfen. Gläubige anderer Religionen und Angehörige der kurdischen Minderheit hat er weitgehend vertreiben lassen“,sagt Kamal Sido, Nahostexperte der GfbV. „Wer nicht fliehen wollte, ist seitdem einer gewaltsamen Islamisierungskampagne ausgesetzt. Nicht-Muslime werden mit dem Tod bedroht, wenn sie nicht konvertieren wollen.“

Jesidische Männer mit traditionellem Schnurrbart. Die Existenz der Minderheit im Norden Syriens ist bedroht. (Foto: Bestoun94/CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

In einem Video, dessen Echtheit die GfbV verifiziert hat, ist ein syrischer Geistlicher zu sehen, der zwei Männer auffordert, einzeln das islamische Glaubensbekenntnis zu nachzusprechen. Der Geistliche ist Mitglied einer jener protürkischen Gruppen, die Afrin im Auftrag der Türkei kontrollieren. Die beiden Opfer sind nach Angaben der GfbV Jesiden aus dem Dorf Qibar, fünf Kilometer nordöstlich der Stadt Afrin.

Islam oder Tod

„Nach unseren Informationen wurden die beiden Jesiden in den vergangenen Jahren immer wieder erpresst und mit dem Tod bedroht. Nun wurden sie vor die Wahl gestellt: Islam oder Tod“, berichtet Sido. „Für die Islamisten ist das Jesidentum keine ‚Buchreligion‘. Nach einer radikalen Auslegung des Korans bleib ihnen daher nur die Wahl zwischen Konversion oder Tod.“ Nur Juden und Christen akzeptieren die Islamisten als „Buchreligionen“. Sie dürfen ihren Glauben unauffällig leben, müssen aber Schutzgelder zahlen. Jesiden hingegen genießt keinerlei Schutz.

Das Auswärtige Amt in Berlin unterstützt die „Nationale Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte“. Deren Milizen sind an Zwangskonversionen zum Islam beteiligt, kritisiert die Gesellschaft für bedrohte Völker. (Foto: Manfred Brückels/CC BY-SA 2.0 DE via Wikimedia Commons)

In diesem Zusammenhang wiederholt die Gesellschaft für bedrohte Völker ihre Forderung an die Bundesregierung, die politische, diplomatische und vor allem finanzielle Unterstützung der Islamisten in Afrin und ganz Syrien einzustellen. Die Milizen sind nach Angaben der GfbV der bewaffnete Arm der protürkischen syrischen Oppositionsgruppe „Nationale Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte“. Diese Gruppe wird vom Auswärtigen Amt unterstützt

Mörderischer Feldzug

„Spätestens seit der Anerkennung des Völkermords an den Jesiden durch den Deutschen Bundestag hätte das Auswärtige Amt in Berlin seine Unterstützung für die Islamisten einstellen müssen. Denn der von Erdoğan angestachelte mörderische Feldzug des sogenannten ‚Islamischen Staates‘ begann 2013 in Afrin, wo islamistische Milizen die ersten jesidischen Dörfer angriffen“, erinnert Sido.

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Ein Mann und sein missverstandenes Lied

Er war Germanist, Hochschullehrer und Dichter, liberaler Demokrat und aufrechter deutscher Patriot. Sein wohl bekanntestes Werk ist bis heute umstritten: August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, der Autor des Deutschlandlieds, kam am 2. April 1798 zur Welt. Als er 1841 auf Helgoland zur Melodie von Haydns Kaiserhymne sein „Lied der Deutschen“ schrieb, war das von ihm besungene „deutsche Vaterland“ von „Einigkeit und Recht und Freiheit“ noch weit entfernt. Helgoland selbst gehörte damals als Kronkolonie zu Großbritannien. Für Hoffmann von Fallersleben war die Zeit seines Aufenthalts auf der Insel eine Art Wendepunkt im Leben.

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben ist vor allem als Dichter des Liedes der Deutschen bekannt. (Foto: gemeinfrei)

Seinem „Lied der Deutschen“ gingen die „Unpolitischen Lieder“ voraus. Anders als der Name es auszusagen scheint, waren sie alles andere als unpolitisch. Genau das machte sie in den Augen der Herrschenden gefährlich. Hoffmann von Fallersleben spricht sich darin nämlich für bürgerliche Freiheiten und einen geeinten deutschen Nationalstaat aus. Und greift Kleinstaaterei, Zensur und Fürstenwillkür scharf an. Auf der politischen Führungsebene des Deutschen Bundes, des damaligen reaktionären Staatenbunds der deutschen Fürstentümer und freien Städte, machte er sich damit keine Freunde.

Eine Art inoffizielle Hymne

1842 enthob die preußische Regierung Hoffmann von Fallersleben wegen seiner oppositionellen Haltung seiner Professur, die er seit 1835 in Breslau innehatte. Im Jahr darauf verlor er auch die Staatsbürgerschaft Preußens und war gezwungen, rastlos durch Deutschland zu wandern. An der deutschen Revolution von 1848 beteiligte er sich nicht aktiv, konnte dadurch seine politischen Zielen aber als verwirklicht ansehen. Als die im Frühjahr 1848 gewählte Nationalversammlung in Frankfurt unter schwarz-rot-goldenen Fahnen zu ihrer ersten Sitzung zusammentrat, stimmten die Abgeordneten des ersten gesamtdeutschen demokratischen Parlaments das Deutschlandlied an. Hoffmanns Dichtung war damit zu so etwas wie einer inoffiziellen Hymne des demokratischen Deutschen Reichs geworden.

Die Revolution, die hoffnungsvoll begonnen hatte, aber scheiterte. Und mit ihr der deutsche Nationalstaat. Vorerst zumindest. Ganz zurück hinter 1848 aber konnten die Fürsten nicht. Statt den Weg einer revolutionären Erneuerung von unten ging Deutschland den einer Einigung von oben. Preußen übernahm die Führung im Deutschen Bund und versuchte, ihn zu einem Bundesstaat weiterzuentwickeln. Ohne Österreich, das nach der Niederlage im Deutschen Krieg von 1866 aus dem Bund ausscheiden musste. Als Hoffmann von Fallersleben am 19. Januar 1874 starb, hatte er den Anbruch der deutschen Nationalstaatlichkeit noch erlebt. Das Kaiserreich von 1871 ist im Kern identisch mit dem deutschen Staat der Gegenwart.

Die Lange Anna ist eine der Sehenswürdigkeiten auf Helgoland. Auf der Insel schrieb Hoffmann von Fallersleben den Text des Deutschlandlieds. (Foto: Pixabay)

Nur wenigen ist bewusst, dass von Hoffmann von Fallersleben auch zahlreiche Volks- und Kinderlieder überliefert sind, die noch heute gesungen werden. Freilich meist ohne dass Wissen um den Urheber. „Alle Vögel sind schon da“ zum Beispiel. Auch „Der Kuckuck und der Esel“, die einen Streit hatten, stammen von Hoffmann von Fallersleben. Beide Lieder hat der Dichter 1835 verfasst. Ebenso „Kuckuck, Kuckuck, ruft’s aus dem Wald“ und „Summ summ summ! Bienchen summ’ herum!“. Mit „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ dichtete Hoffmann von Fallersleben sogar ein Lied zum Christfest, das Kinder bis heute singen. Jünger als das Deutschlandlied ist „Ein Männlein steht im Walde“ (1843).

Staatsmotto auf Münzen

Bekannt aber ist der gebürtige Niedersachse heute fast ausschließlich als Verfasser der deutschen Nationalhymne. Offiziellen Status erhielt das Lied der Deutschen erst in der Weimarer Republik. Im Kaiserreich hatte zuvor „Heil dir im Siegerkranz“ einen ähnlichen Platz eingenommen. Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD) bestimmte 1922 Hoffmanns Lied zur Nationalhymne der ersten demokratischen deutschen Republik. „Einigkeit und Recht und Freiheit“ wurde zum Staatsmotto, das sich etwa als Aufschrift auf Münzen fand. In der NS-Zeit wurde vornehmlich die erste Strophe („Deutschland, Deutschland, über alles“) gesungen, gefolgt vom Horst-Wessel-Lied der Nazis. Vor allem jene Verwendung während der braunen Diktatur lastet bis heute auf dem Lied.

Reichspräsident Friedrich Ebert (mit Zylinder in der Hand) schreitet auf dem Platz der Republik in Berlin eine Ehrenkompanie der Reichswehr ab. 1922 verfügte Ebert, dass das Deutschlandlied Nationalhymne wird. (Foto: Bundesarchiv/Bild 102-10884/Georg Pahl/CC-BY-SA 3.0 DE via Wikimedia Commons)

Deutschland, Deutschland über alles,
Über alles in der Welt,
Wenn es stets zu Schutz und Trutze
Brüderlich zusammenhält,
Von der Maas bis an die Memel,
Von der Etsch bis an den Belt –
Deutschland, Deutschland über alles,
Über alles in der Welt!

Deutsche Frauen, deutsche Treue,
Deutscher Wein und deutscher Sang
Sollen in der Welt behalten
Ihren alten schönen Klang,
Uns zu edler Tat begeistern
Unser ganzes Leben lang –
Deutsche Frauen, deutsche Treue,
Deutscher Wein und deutscher Sang!

Einigkeit und Recht und Freiheit
Für das deutsche Vaterland!
Danach lasst uns alle streben
Brüderlich mit Herz und Hand!
Einigkeit und Recht und Freiheit
Sind des Glückes Unterpfand –
Blüh im Glanze dieses Glückes,
Blühe, deutsches Vaterland!

Insbesondere die erste Strophe ist bis heute vielfach Anfeindungen und Ablehnung ausgesetzt. Denn bei „Deutschland, Deutschland, über alles“ denken viele an die Kriege der Nazis. Doch wer Hoffmanns Vers als Aufruf zu Eroberung und übersteigertem Nationalismus liest, versteht den Dichter völlig falsch. Und damit sein Lied. Auf „Deutschland, Deutschland, über alles“ folgt nämlich „Wenn es stets zu Schutz und Trutze brüderlich zusammenhält“. Der Text gibt sich damit als defensiver Appell zu erkennen. Hintergrund dürften französische Gebietsansprüche auf das Rheinland 1840 gewesen sein. „Und wir können jeden Feind“, schrieb Hoffmann auch in seinen „Unpolitischen Liedern“, „treuverbunden überwinden“.

Brüderliche Einigung

Einigkeit nach außen, aber auch Einigkeit nach innen schwebte Hoffmann von Fallersleben vor. Die Einheit Deutschlands galt ihm mehr als die Macht der Einzelstaaten. Die brüderliche Einigung der Menschen zwischen Maas und Memel und zwischen Etsch und Belt sollte der monarchischen Zersplitterung ein Ende bereiten. Die Grenzen, die Fallersleben nennt, entsprechen ziemlich genau den damaligen Siedlungsgebieten des deutschen Volkes. Sie zeugen also gerade nicht von imperialistischen Machtgelüsten. Sondern beschreiben nüchtern und sachlich das Territorium, das zu einem Nationalstaat werden sollte.

Walther von der Vogelweide schrieb eine Art Vorläufer des Deutschlandlieds. (Foto: gemeinfrei)

Anders als die erste ist die zweite Strophe heute kaum bekannt. Für heutige Ohren klingt sie ein wenig kitschig. Und dürfte wohl in gleich mehrfacher Hinsicht als politisch unkorrekt gelten. Die Hervorhebung der „deutschen Frauen“ mag auf Kritiker sexistisch wirken, der „deutsche Wein“ für sie zu übermäßigem Alkoholkonsum aufrufen. Wie auch die erste Strophe gehen diese Verse auf ein mittelhochdeutsches Preislied Walthers von der Vogelweide zurück. „Deutsche Frauen sind besser als anderswo die edlen Damen“ hatte der mittelalterliche Dichter um das Jahr 1198 geschrieben. Und mit seinem Lied die Menschen „von der Elbe bis an den Rhein und hinunter bis nach Ungarn“ als die besten gelobt, „die ich in der Welt kennengelernt habe“.

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Nur eine „extrem kleine Minderheit“

Seit 2018 können Menschen in Deutschland den Geschlechtseintrag „divers“ wählen. Diese Möglichkeit steht seither neben „männlich“ und „weiblich“. Die Politik schuf sie vornehmlich für Intersexuelle. Personen also, deren Geschlechtsmerkmale nicht eindeutig sind. Auch Menschen, die sich unsicher sind, welchem Geschlecht sie angehören, können sich als „divers“ definieren. Gleiches gilt für Transsexuelle, die sich ihrem biologisch eindeutig bestimmbaren Geschlecht nicht zugehörig fühlen. Und für Personen, die sich als „nicht-binär“ begreifen oder glauben, ihr Geschlecht ändere sich hin und wieder. Alternativ zu „divers“ ist es bereits seit 2013 möglich, den Geschlechtseintrag offenzulassen.

80.000 Transsexuelle?

Allein bis zu 160.000 Intersexuelle gebe es in Deutschland, schätzte 2017 das Bundesverfassungsgericht. Sein Urteil zur sogenannten dritten Option beim Geschlechtseintrag hatte die Reform ins Rollen gebracht. Der Deutsche Ethikrat ging dagegen von rund 80.000 intergeschlechtlichen Menschen in Deutschland aus. Die Zahl der Transsexuellen bezifferte 2014 Patricia Metzer von der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität, einer Lobby-Organisation, auf 20.000 bis 80.000. Rund fünf Jahre nach der Einführung des Eintrags „divers“ zeigt sich immer deutlicher, dass selbst vergleichsweise zurückhaltende Schätzungen offenbar weit über den realen Zahlen liegen.

Wenn Aktivisten und Politiker von der „LGBTQI-Community“ reden, fassen sie sexuelle Präferenzen und Geschlechtsidentitäten zusammen. In Wirklichkeit sind Transsexualität und Intersexualität klar von Homosexualität abzugrenzen. (Foto: Pixabay)

Beispiel Sachsen. Die AfD-Landtagsfraktion wollte wissen, wie viele Menschen in dem mitteldeutschen Bundesland den Eintrag „divers“ gewählt haben. Die Antwort der Landesregierung dürfte überraschen: 2022 waren es demnach gerade einmal 17. Darunter befinden sich sogar drei Babys, die sich sicherlich nicht selbst dafür entschieden haben, „divers“ zu sein. 17 Menschen unter mehr als vier Millionen: Das sind nur 0,0004 Prozent der Sachsen, rechnet die gesellschaftspolitische Sprecherin der AfD-Fraktion, Martina Jost, vor. Sie vergisst dabei allerdings, dass sich die Zahlen der Regierung nicht auf alle „diversen“ Eintragungen beziehen, sondern nur auf ein Kalenderjahr.

„Ganze 19 Fälle seit 2018“

Wesentlich mehr werden es allerdings auch nicht, wenn man die zurückliegenden Jahre seit der Reform des Personenstandsrechts berücksichtigt. Auch wenn die Zahlen je nach Quelle zum Teil widersprechen. „Ganze 19 Fälle sind seit 2018 in Sachsen aktenkundig“, schreibt die BILD-Zeitung im Mai 2022. Im Vorjahr seien es nach Angaben des Innenministeriums gerade mal drei gewesen. „Auch der vom Gesetz seither mögliche Wechsel der Geschlechtsidentität bei Erwachsenen kommt in Sachsen sehr selten vor.“ Nur drei Männer und fünf Frauen seien betroffen. In Sachsens größter Stadt Leipzig waren vor rund einem Jahr nur zwölf Menschen mit dem Eintrag „divers“ gemeldet. Bei 21 wurde der Geschlechtseintrag in der Geburtsurkunde geändert.

Ein Blick über die Leipziger Innenstadt. In Sachsens einwohnerreichster Stadt waren 2022 nur zwölf Menschen mit dem Geschlechtseintrag „divers“ gemeldet. Unter den mehr als 600.000 Einwohnern der Messestadt ist das eine verschwindend geringe Minderheit von 0,002 Prozent. (Foto: LeipzigTravel/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Zweites Beispiel: Berlin. Aktuellen Zahlen zufolge sind in der Bundeshauptstadt 142 Personen mit dem Geschlechtseintrag „divers“ registriert. Das meldete kürzlich das Portal Pleiteticker.de des früheren BILD-Chefredakteurs Julian Reichelt. Im Dezember lag die Zahl noch bei 137. Zumindest nach Angaben des öffentlich-rechtlichen Senders RBB, der sich auf einen Sprecher der Innenverwaltung bezog. „Weitere 128 Personen machen von der Möglichkeit Gebrauch kein Geschlecht anzugeben“, liest man beim Pleiteticker.

„Überwiegend Klientelpolitik“

„In Berlin kommen damit auf rund 3,85 Millionen Einwohner 270 Personen, die weder männlich noch weiblich sind, beziehungsweise kein Geschlecht angeben. Dies entspricht rund 0,007 Prozent der Stadtbevölkerung. 0,0037 Prozent der Berliner empfinden sich als divers. Damit drängt sich der Eindruck auf, dass die Ampel-Regierung mit ihrem Fokus auf Diversität und Gender-Politik überwiegend Klientelpolitik betreibt, die an den Problemen des ganz überwiegenden Teils der Bevölkerung vorbeigeht“, kommentiert das Reichelt-Portal.

Auf Reisepässen ist der Geschlechtseintrag „divers“ mit einem „X“ kenntlich gemacht. (Foto: Fennnn1/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Bundesweit hatten bis Ende September 2020 nach Angaben des Bundesinnenministeriums 394 Personen den Eintrag „divers“ oder „ohne Angabe“ erhalten. Gut zwei Drittel davon gelten seitdem als „divers“. Auch 19 Neugeborene waren darunter. Elf Babys blieben „ohne Angabe“ des Geschlechts. Zwischen „männlich“ und „weiblich“ wechselten den Angaben zufolge 1191 Personen. Als nicht eindeutig männlich oder weiblich oder als transsexuell konnten damit im Herbst 2020 knapp 1600 Menschen gelten. Zumindest auf Grundlage des amtlichen Personenstands. Transsexuelle etwa, die ihren Geschlechtseintrag nicht ändern lassen, oder Intersexuelle, die als Mann oder Frau leben, fehlen freilich in dieser Statistik.

Riesiger Wirbel

In jedem Fall aber sind die offiziellen Zahlen um mindestens eine Größenordnung geringer als alle Schätzungen. „Ich halte es nicht für klug, so einen riesigen Wirbel um diese extrem kleine Minderheit zu veranstalten“, meint daher Martina Jost von der AfD-Fraktion im Dresdner Landtag. „Auch für viele Betroffene ist dieser Rummel wahrscheinlich eher abschreckend, als dass er ihnen hilft.“ Trotz der geringen Größe der Gruppe, kritisiert Jost, müssten die Bürger erhebliche Belastungen hinnehmen. Unisex-Toiletten etwa, die nach dem Willen mancher Aktivisten und Politiker die nach Geschlecht getrennten WCs ersetzen sollen. Oder die Gendersprache, die auch vermeintlich existierende „diverse“ Geschlechter sichtbar machen soll. Für Jost ist sie eine „Verunstaltung der deutschen Sprache“.

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Wenn der Heilige Geist auf den Zeitgeist trifft

Die Kernkompetenz der christlichen Kirchen liegt in der Glaubenslehre. Seit 2000 Jahren vermitteln Priester, Geistliche und Seelsorger den Glauben an Jesus Christus. In ihm sehen Milliarden Christen auf der ganzen Welt den Sohn Gottes. Und selbst wer ihn nur als außergewöhnlichen Menschen begreift, der erkennt doch in seiner Botschaft mitunter eine heilbringende Lehre zum Wohl der Menschheit. Eine Botschaft des Friedens und der Versöhnung. Seit geraumer Zeit steht diese Lehre nicht mehr allein. Statt sich auf den Glauben zu fokussieren, betätigt sich die Kirche zunehmend tagespolitisch. Kritiker sprechen von einer Anbiederung an den „woken“ Zeitgeist.

Welcher Geist herrscht in den christlichen Kirchen des Jahres 2023? Ist es noch der Heilige Geist der Glaubenslehre – oder doch eher der „woke“ Zeitgeist? (Foto: Pixabay)

Dass Bischöfe und Priester Umwelt- und Naturschutz propagieren, dürfte für die meisten noch nachvollziehbar sein. Der Auftrag zur „Bewahrung der Schöpfung“ geht direkt aus der Bibel hervor. Dazu gehört auch der Appell, schonend mit den natürlichen Ressourcen umzugehen. Wenn der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, die Deutschen angesichts der Energiekrise zum Verzicht aufruft und sich so den Appellen der Mächtigen anschließt, hat dieses Plädoyer für manchen Gläubigen aber einen schalen Beigeschmack. Die Kirche als Lautsprecher der Regierung: Das trifft auf Widerspruch im „Volk Gottes“.

Klima-Aktivismus und Waffen

Erst recht aber, wenn sich evangelische Kirchenführer mit den radikalen Klima-Aktivisten der „Letzten Generation“ gemein machen, ist für viele Christen eine Grenze des Zumutbaren erreicht. Die Aktionen seien „berechtigter gewaltloser ziviler Ungehorsam“, hört man. Doch damit nicht genug. Auch die Unterstützung von Waffen-Lieferungen an die Ukraine trifft unter zahlreichen Gläubigen auf Unverständnis. Der Aufruf zum Frieden, zur Gewaltlosigkeit ist schließlich als eine der Hauptforderungen Jesu überliefert. Und wenn der Synodale Weg, der Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland, nun faktisch Transsexualität als normal akzeptiert, wenn Bistümer eine „queer-sensible“ Seelsorge einführen, verstehen viele die Welt nicht mehr. In ihrer Betonung der Zweigeschlechtlichkeit des Menschen gehen Bibel und Biologie nämlich Hand in Hand.

Politisch korrekt gibt sich auch die Freisinger Bischofskonferenz, das gemeinsame Gremium der katholischen Bischöfe in Bayern. In ihrer jüngsten Vollversammlung betonte sie, „ein klares Zeichen gegen Rechtsextremismus, Populismus und menschenverachtende Einstellungen“ gesetzt zu haben. Durch ein „Kompetenzzentrum für Demokratie und Menschenwürde“ (KDM). „Die radikale und extreme Rechte“, liest man in der Pressemitteilung der Bischöfe, habe sich die Krisen des vergangenen Jahres zunutze gemacht. Vor allem die in Folge des „russischen Angriffskriegs“ auf die Ukraine „stark gestiegenen Energiepreise und Lebenshaltungskosten“.

„Seltsame moderne Strömungen“

Der Kirchenkampf gegen Rechts treibt mitunter merkwürdige Blüten. Dann nämlich, wenn selbst Kernthesen der christlichen Verkündigung der hohen Geistlichkeit als populistisch und extremistisch gelten. Einen Ordenspriester, der in seiner Predigt zum Weihnachtsfest die biblische Botschaft gegen den Zeitgeist verteidigte, stellte seine eigene Abtei an den Pranger. Der Benediktiner-Pater Joachim Wernersbach hatte es gewagt, von „seltsamen modernen Strömungen“ zu sprechen. „Von Gender und Transgender, von Transhumanismus und reproduktiver Gesundheit, von Wokeness und LGBTIQ, von Diversität und Identität, von multiplen Geschlechtern und Geschlechtsumwandlungen.“ Seinen Kritikern gilt der Pater damit als homophob.

Die Regenbogen-Fahne ist eines der Symbole für die Homo- und Transsexuellen-Bewegung. Historisch war der Regenbogen dagegen ein Zeichen des Bundes zwischen Gott und den Menschen. (Foto: Pixabay)

Ganz offensichtlich zieht der Benediktiner den Heiligen Geist dem Zeitgeist vor. „Schon die Begriffe, meine Lieben, sind absolut befremdlich“, predigte Wernersbach im sächsischen Wittichenau. „Sie haben alle eines gemeinsam: Es fehlt ihnen an Schönheit, es fehlt ihnen an Stimmigkeit und es fehlt ihnen an Natürlichkeit! Es fehlt einfach der Wohlklang. Sie sind sperrig und bringen unsere Seele, unser Innerstes einfach nicht zum Schwingen. Sie sind nicht im Einklang, nicht in Harmonie mit der unvorstellbar schönen göttlichen Ordnung.“ Demgegenüber betonte Wernersbach die biblisch begründete „Heiligkeit der Familie“.

Lebensschutz extrem rechts?

Bei der Freisinger Bischofskonferenz fällt dies wohl unter das in de Abschlusserklärung scharf kritisierte „Agieren der radikalen Rechten in kirchlichen Kreisen“. Als extrem rechts gilt Politikern und Medien auch der Schutz des Lebens. Nicht selten ausgerechnet jenen, die in Corona-Zeiten die rigiden Einschränkungen der Grund- und Freiheitsrechte mit dem Schutz des Lebens begründeten. Zunehmend sieht das offenbar auch die kirchliche Obrigkeit so. Der Schutz ungeborener Babys vor Abtreibung ist eine Sache für die AfD. Und die steht für viele Bischöfe zu weit rechts. So schlossen die Verantwortlichen des für Juni geplanten Evangelischen Kirchentags Organisationen wie die „Aktion Lebensrecht für Alle“ (ALfA) von dem Glaubenstreffen aus.

Jedes Leben ist lebenswert – davon sind christliche Abtreibungsgegner überzeugt. Wer sich für ungeborene Babys einsetzt, gilt mittlerweile als extrem rechts. (Foto: Pixabay)

„Der Schutz des menschlichen Lebens in allen Phasen seiner Existenz ist nicht nur Pflicht und Aufgabe aller Christen, sondern auch des Staats“, betont ALfA-Vorsitzende Cornelia Kaminski. „Nicht umsonst hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach erklärt, dass bereits dem ungeborenen Leben Würde und Schutz zukommt. Insofern ist es höchst verwunderlich, dass die Leitung des Evangelischen Kirchentags beschlossen hat, ausgerechnet die ehrenamtlichen Organisationen vom Evangelischen Kirchentag auszuschließen, die sich genau dieser Aufgabe verschrieben haben und ihr unter hohem persönlichem Einsatz nachgehen.“

„Nicht nachvollziehbar“

Der Ausschluss erfolgte ohne Begründung. Und obwohl die ALfA laut Kaminski stets mit einem Stand auf dem Kirchentag präsent war und es nie zu Problemen gekommen war. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum Funktionäre der evangelische Kirche, die ja stets betont, dass Dialogbereitschaft und Toleranz Fundamente ihres öffentlichen Handelns sind, nicht bereit sind, dies auch im Umgang mit ausgerechnet den Gruppen zu zeigen, die sich in besonderer Weise um die Schwächsten in unserer Gesellschaft bemühen.“ Mit Aktivisten der „Letzten Generation“ und der LGBT-Community hätten die Verantwortlichen auf dem Kirchentag vermutlich weniger Probleme.

Thomas Wolf

Die „Aktion Lebensrecht für Alle“ hat auf ihrer Webseite eine Petition gestartet, mit der sie gegen das Vorhaben protestieren will, den Lebensschutz vom Evangelischen Kirchentag zu verbannen. Und gegen einen ähnlichen Versuch, dies auch bei der Messe „didacta“ zu erreichen. Die Unterschriftenliste soll dem Kirchentag in Fulda sowie der Leitung der „didacta“ vorgelegt werden.

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Ausgegrenzt, weil sie vegan leben?

Familien, die sich vegan ernähren, sind „vielfältigen gesellschaftlichen Anfeindungen ausgesetzt“. Das habe eine Umfrage der Kennenlern-Plattform Gleichklang.de und des von ihr betriebenen Portals vegan.eu ergeben, heißt es in einer Mitteilung der Plattform, die sich nach eigenen Angaben an Menschen mit sozial-ökologischen Denkweisen richtet. „Alltagsdiskriminierungen reichten in der Umfrage von Ablehnung und Kritik durch Familienangehörige, Ärzte, Nachbarn oder Zufallsbekanntschaften bis hin zur Verweigerung der Aufnahme der Kinder in Kindertagesstätten.“ An der Umfrage haben sich den Angaben zufolge 913 vegan lebende Eltern mit Kindern unter 18 Jahren beteiligt.

Vorwurf des Missbrauchs

Die meisten befragten Eltern beschrieben demnach, dass ihnen bereits vorgeworfen worden sei, die Gesundheit ihrer Kinder zu schädigen oder ihre Kinder zur veganen Ernährung zu zwingen. Bei jedem vierten Elternteil ging dies sogar bis zum Vorwurf des Kindesmissbrauchs durch vegane Ernährung. Mehr als die Hälfte der Befragten mit veganen Kindern gab an, dass die Gesellschaft veganen Familien das Leben schwer mache. Gar keine Probleme hatten demgegenüber die Kinder selbst mit der veganen Ernährung: 98,2 % der befragten Eltern gaben an, dass sich ihre Kinder gerne vegan ernährten. „Für vegane Familien ist derzeit in Deutschland kein unbeschwertes Familienleben möglich“, schließt Psychologe Guido Gebauer, der die Befragung durchführte.

Für Veganer muss Nahrung aus Pflanzen bestehen. (Foto: Pixabay)

Ernsthaft? Mal ganz abgesehen davon, dass die vegane Lebensweise politisch und medial hofiert wird. Und abgesehen davon, dass die Umfrage natürlich rein subjektive Einschätzungen wiedergibt. Im Klartext: Wenn Ärzte Familien davon abraten, ihre Kinder rein pflanzlich zu ernähren, begreifen das die veganen Muttis und Vatis als Anfeindung! Klar, Ärzte haben ja auch keine Ahnung, wie man Kinder gesund ernährt … Und die bösen Kitas weigern sich glatt, ihren Essensplan für das vegane Kind über den Haufen zu werfen. Dabei haben die Kleinen doch so eine Freude an Sojamilch und Pflanzen-Mus! Sagen zumindest ihre Eltern …

Kontrovers diskutiert

Abseits der Kanäle der politischen Korrektheit wird vegane Ernährung kontrovers diskutiert. Erst recht die von Kindern, die sich noch im Wachstum befinden. Und das ist gut so! Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung etwa rät von einer rein pflanzlichen Kinder-Ernährung ab. Ganz anders die US-amerikanische Academy of Nutrition and Diatetics. Gleichklang.de stellt sie als „weltweit größte und führende ernährungswissenschaftliche Vereinigung“ vor. Dann kann ja nichts mehr schiefgehen! Zumal die USA schließlich bekannt sind für ihre gesunde Ernährung …

Die US-amerikanische Ernährung, die für viele vornehmlich aus Fastfood besteht, ist nicht gerade als gesund bekannt. (Foto: Pixabay)

Aber im Ernst! „Unstrittig ist derweil, dass vegane Familien einen Beitrag für Nachhaltigkeit und Klimaschutz leisten“, meinen die Verantwortlichen von Gleichklang.de. „So vertritt der Umwelt-Wissenschaftler Joseph Poore von der Universität Oxford die Ansicht, dass der Wechsel zur veganen Lebensweise der wohl größte Beitrag zum Umweltschutz sei, den ein einzelner Mensch durch seinen Lebensstil überhaupt leisten könne.“ Na dann ist ja alles gut. Und man könnte mit bitterböser Ironie ergänzen: Wenn die durch fehlende tierische Nährstoffe eingeschränkte körperliche Entwicklung der veganen Kinder am Ende auch noch zu einem klimafreundlichen Frühableben führt – umso besser.

Anna Steinkamp

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Die Ampel-Koalition: ein Irrenhaus?

Leben wir heute in einem deutschen Irrenhaus? In einem Ampel-Irrenhaus? Da gibt es Politiker (noch nicht einmal wenige und noch nicht einmal nur das Fußvolk), die unentwegt nach Krieg rufen. Nach immer mehr Waffenlieferungen für die Ukraine. Das, obwohl sie seit einem Jahr Elend und Not, den Tod ungezählter Menschen durch Waffeneinwirkung, die Zerstörung der Infrastruktur, die Flucht von Millionen von Menschen ins Ungewisse mitbekommen haben müssen.

Das Schlachten verlängert

Alle Waffenlieferungen, alle sonstige Unterstützung der Ukraine haben nichts gebracht, nur das Schlachten verlängert. Es ist auch nicht absehbar, dass sie in der Zukunft etwas bringen werden. Wer das nicht erkennt, beweist eine erschreckende Distanz zur Realität. Die Zeit für Verhandlungen – so die Behauptung – sei noch nicht gekommen. Wann, so ist zu fragen, wird das der Fall sein? Nach einer russischen Niederlage?

Ein deutscher Leopard 2A6 bei einer NATO-Gefechtsübung in Grafenwöhr. (Foto: 7th Army Training Command Grafenwöhr/U.S. Army Photo by Kevin S. Abel/CC BY 2.0 via Wikimedia Commons)

Wer das Wort „Frieden“ oder „Verhandlungen“ in den Mund nimmt, wird – ohne Prüfung der Argumente – als „Putinversteher“ oder „Putin-Unterstützer“ ausgegrenzt. Demonstranten aus dem linken und aus dem rechten politischen Spektrum, die – wie viele Regierungschefs aus aller Welt – den Frieden wollen, werden verächtlich gemacht. Die von Frau Wagenknecht in Berlin organisierte Groß-Demonstration für den Frieden wurde mit „umstritten“ verunglimpft. Sie habe sich nicht eindeutig gegen rechts abgegrenzt. Die Frage muss erlaubt sein, ob Rechte kein Bedürfnis nach Frieden haben dürfen.

Anfeuerndes Kriegsgeschrei

Solche Politiker werden – in Verkennung der Realitäten – Deutschland mit nicht enden wollenden Waffenlieferungen und anfeuerndem Kriegsgeschrei in einen blutigen Krieg gegen eine hochgerüstete, atomar bewaffnete Supermacht treiben. Rein juristisch sind wir das schon. 

Die Bundeswehr hat eine Personalstärke von 183.277 Soldatinnen und Soldaten. Die Zahl der an der Front einsetzbaren Soldaten dürfte sich auf sehr wenige 10.000 belaufen. Russland dagegen verfügt derzeit über 850.000 aktive Soldaten, 200.000 davon in der Ukraine an der Front und – so der Inspekteur des deutschen Heeres – „Ressourcen, die nahezu unerschöpflich sind“. Die Bundeswehr ist nicht atomar bewaffnet. Russland verfügt über die meisten nuklearen Sprengköpfe aller Staaten der Welt (6255).

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius und US-Botschafterin Amy Gutmann warten auf US-Verteidigungsminister Lloyd Austin. (Foto: DoD photo by U.S. Air Force Tech. Sgt. Jack Sanders/U.S. Secretary of Defense/CC BY 2.0 via Wikimedia Commons)

Zum Potenzial, das die Bundeswehr in der Ukraine einsetzen könnte, hat der Inspekteur des Heeres, Alfons Mais, in schlichter, auch für Politiker verständlicher Sprache gesagt: „Die Bundeswehr, das Heer, das ich führen darf, steht mehr oder weniger blank da.“ Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius’ vernichtendes Urteil über die Truppe lautet (sinngemäß): Die Streitkräfte sind nicht verteidigungsfähig. Der Eindruck kommt auf, dass die Damen und Herren aus der Politik das besser wissen.

Während Russland aktuell auf dem ukrainischen Gefechtsfeld mehr als 12.000 Panzer einsetzt, sind es weniger als 2000 auf ukrainischer Seite. Der Westen hat es nicht geschafft, die von der Ukraine geforderten 300 zusammen zu bekommen. Halbherzige Zusagen der Staaten sind – als die Übergabe konkretisiert werden sollte – weitgehend in sich zusammengebrochen.

Abrams nur geschwächt?

Während etwa US-Präsident Joe Biden der Lieferung von „Abrams“-Kampfpanzern in die Ukraine zunächst zugestimmt hatte, wurde diese Zusage nach der deutschen Entscheidung, Leopard-Kampfpanzer zu liefern, wieder zurückgezogen. Nun sollen sie doch – langfristig – zur Verfügung gestellt werden. Es wurde behauptet, dass eine begrenzte Anzahl davon bis Ende 2023 umgebaut und – in der Panzerung geschwächt – an die Ukraine ausgeliefert werden sollen. Als stärkster und modernster Panzer der Welt gilt der russische T-14 Armata, der 2015 erstmals vorgestellt wurde.

Russische Kampfpanzer vom Typ T-14 Armata bei einer Präsentation nahe Moskau. (Foto: Vitaly V. Kuzmin/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Was die ungemein wichtige Artilleriemunition angeht, ist festzustellen, dass die Ukraine an einem Tag so viel Granaten verschießt, wie sie in Deutschland in einem halben Jahr produziert werden können.

Bei Übungen einer deutschen Panzergrenadierbrigade waren innerhalb weniger Tage alle 18 eingesetzten Puma-Panzer ausgefallen. Alle heißt: 100 Prozent. Nicht etwa durch Beschuss! Durch Mängel an der Technik! Das waren die Panzer, die der NATO für 2023 als Kern ihrer schnellen Eingreiftruppe zugesagt worden waren. Abschrecken soll nun der 50 Jahre alte Panzer „Marder“. Würde man fragen, für wie viele Gefechtstage dessen Munitionsbevorratung vorhanden ist: Man sollte es lieber nicht tun. Bedenken sind angebracht.

China hält sich bereit

Unter den Staaten mit den meisten verfügbaren Jagdflugzeugen/ Abfangjägern im Jahr 2023 ist Deutschland mit 134 an Position 19 aufgeführt. Russland hat 773. Wenn mir nun entgegengehalten würde, dass ja die Bundeswehr in diesem Kampf nicht alleine dasteht, wäre meine Antwort: Das tun die Russen auch nicht. China hält sich im Hintergrund bereit. Und China hat 1199 Flugzeuge dieser Art. Zu glauben, dass Deutschland zum Krieg hetzt, die anderen europäischen Staaten diesen dann aber bestreiten, ist in gleicher Weise realitätsfremd.

Soldaten der chinesischen Volksbefreiungsarmee nehmen an der Militärparade zur Feier des Sieges über Nazi-Deutschland in Moskau teil. (Foto: kremlin.ru/CC BY 4.0 via Wikimedia Commons)

So bleibt nur zu hoffen, dass die deutschen Scharfmacherinnen und Scharfmacher, die sich in der oben genannten Weise äußern, von anderen Staaten, insbesondere vom angepeilten Gegner, nicht allzu ernst genommen werden. Allen muss klar sein, dass die weit überwiegende Anzahl aller Deutschen – von links bis rechts – weiß, was Krieg bedeutet. Deswegen ist ihr „Nein“ zu Waffenlieferungen, Ihr „Nein“ zum Krieg und „Ja“ zum Frieden nur zu verständlich!

Die vor Jahresfrist vom Kanzler verkündete „Zeitenwende“ hat sich als fundamentale Fehlentscheidung und selbst zu verantwortendes Desaster nicht nur für Deutschland erwiesen.

Hannes Zimmermann

Dieser Text entspricht einem leicht redigierten „Offenen Brief“ des Autors an Politik und Medien. Der Autor diente ab 1959 in der Luftwaffe und war u.a. Gruppen- und Zugführer in der Grundausbildung von Rekruten, Kommandeur bei der Tornado-Instandsetzung und Organisationsstabsoffizier bei der Abwicklung der Luftstreitkräfte der NVA. 1993 trat er als Oberstleutnant in den Ruhestand ein. Er wurde mit dem Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold ausgezeichnet. Nach seinem Ruhestand war er dann Geschäftsführer eines Ingenieurbüros und mit der Übersetzung flugzeugtechnischer Vorschriften der MIG-29 vom Russischen ins Deutsche befasst.

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Schwarz-Rot-Gold: eine Erfindung von 1815?

Für das Online-Lexikon Wikipedia ist die Sache klar. Es gibt die gängige Sichtweise wieder. Die deutschen Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold sind demnach eine Erfindung des frühen 19. Jahrhunderts. Sie gehen, liest man bei Wikipedia, auf die Befreiungskriege gegen Napoleon 1813 bis 1815 zurück. „Verweise auf das Mittelalter sind nachträglich konstruiert, trugen aber im 19. Jahrhundert erheblich zu ihrer Popularisierung bei.“ Und weiter heißt es: „Die Urburschenschaft von 1815 führte diese Farben erstmals und machte sie zu einem Symbol für die deutsche Einheit.“ Wirklich? Ein genauerer Blick zeigt: Ganz so einfach ist die Sache nicht.

Beim Hambacher Fest 1832 trugen viele Teilnehmer schwarz-rot-goldene Fahnen. Die ungewohnte Reihenfolge der Farben auf dieser Darstellung könnte auf eine falsche Kolorierung zurückzuführen sein. (Foto: gemeinfrei)

Unstrittig ist, dass die schwarz-rot-goldene Trikolore, wie sie bis heute verwendet wird, in dieser Form erstmals beim Hambacher Fest 1832 zum Einsatz kam. Damals versammelten sich hunderte Demokraten und Liberale auf dem Schloss in der Pfalz, um für das zersplitterte und unter einem rigiden Regime leidende Deutschland Freiheit und nationale Einigung zu fordern. Eine zeitgenössische Darstellung dokumentiert die Fahnen zahlreicher Teilnehmer. Allerdings zeigt sie sie in ungewohnter Reihenfolge: Gold-Rot-Schwarz. Wie heute mitunter bei sogenannten Reichsbürgern. Womöglich ist das aber auf eine falsche nachträgliche Kolorierung zurückzuführen. Eine von Johann Philipp Abresch für das Fest angefertigte Fahne mit der pathetischen Aufschrift „Deutschlands Wiedergeburt“, die erhalten blieb, beweist, dass die korrekte Reihenfolge schon damals Schwarz-Rot-Gold war.

Zeichen der Demokratie

Nach dem Hambacher Fest nahmen die deutschen Farben einen festen Platz in der nationalen und demokratischen Bewegung ein. Wer angesichts der Unterdrückung von Meinungsfreiheit und unabhängiger Presse durch den Deutschen Bund und seine fast 40 Mitgliedsstaaten für Volkssouveränität und Grundrechte eintrat, tat dies nahezu selbstverständlich im Zeichen von Schwarz-Rot-Gold. Die deutschen Farben wurden so zu einem leuchtenden Zeichen für die Demokratie. Hoffmann von Fallersleben, liberaler Patriot und Dichter des „Liedes der Deutschen“, schrieb 1843 seine „Deutsche Farbenlehre“. Darin erklärt er Schwarz, Rot und Gold zu Farben der Hoffnung:

Über unserem Vaterland ruhet eine schwarze Nacht,
und die eigene Schmach und Schande hat uns diese Nacht gebracht.
Ach wann erglänzt aus dem Dunkel der Nacht
unsere Hoffnung in funkelnder Pracht?

Und es kommt einmal ein Morgen, freudig blicken wir empor:
Hinter Wolken lang verborgen, bricht ein roter Strahl hervor.
Ach wann erglänzt aus dem Dunkel der Nacht
unsere Hoffnung in funkelnder Pracht?

Und es zieht durch die Lande überall ein goldnes Licht,
das die Nacht der Schmach und Schande und der Knechtschaft endlich bricht.
Ach wann erglänzt aus dem Dunkel der Nacht
unsere Hoffnung in funkelnder Pracht?

Lange hegten wir Vertrauen auf ein baldig Morgenrot;
kaum erst fing es an zu grauen, und der Tag ist wieder tot.
Ach wann erglänzt aus dem Dunkel der Nacht
unsere Hoffnung in funkelnder Pracht?

Immer unerfüllt noch stehen Schwarz, Rot, Gold im Reichspanier:
Alles läßt sich schwarz nur sehen, Rot und Gold, wo bleibet ihr?
Ach wann erglänzt aus dem Dunkel der Nacht
unsere Hoffnung in funkelnder Pracht?

Aus: Deutsche Salonlieder (1843)
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, dargestellt von Ernst Henseler (1898). Das „Lied der Deutschen“ dichtete Hoffmann von Fallersleben 1841 auf Helgoland. (Foto: gemeinfrei)

Fünf Jahre nach Hoffmanns Dichtung stand Deutschland am Vorabend der Revolution. Nach dem Sturz des französischen „Bürgerkönig“ Louis-Philippe gingen auch in den deutschen Staaten immer mehr Menschen auf die Straße. Der Bundestag in Frankfurt musste den Massen entgegenkommen. Am 9. März 1848 erklärte er Schwarz-Rot-Gold zu Bundesfarben und einen rotbewehrten, schwarzen Doppelkopf-Adler auf goldenem Grund zum Bundeswappen. Der Deutsche Bund, der Staatenbund der deutschen Fürstentümer und freien Städte, legte damit erstmals nationale Symbole fest. Am 20. März ordneten die Delegierten an, dass die Festungen des Bundes und die Bundestruppen Schwarz-Rot-Gold flaggen sollten.

Gesprengte Ketten

Am 18. Mai 1848 trat in der Frankfurter Paulskirche das erste gesamtdeutsche demokratisch gewählte Parlament zusammen. Die Nationalversammlung tagte in einem Meer aus schwarz-rot-goldenen Fahnen und Bannern. Und über dem Präsidium hing das Ölgemälde einer friedfertigen, zugleich aber wehrhaften Germania. Natürlich auch in Schwarz-Rot-Gold. Hinter der als junge Frau dargestellten Personifikation Deutschlands geht die Sonne auf. Zu ihren Füßen liegen gesprengte Ketten. Statt einer Krone trägt sie einen Kranz aus Eichenlaub. Die Bedeutung der Symbole ist offenkundig. Freiheit statt Fürstenherrschaft.

Ganz im Zeichen von Schwarz-Rot-Gold: die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche. Über dem Präsidium hängt die Germania in den Nationalfarben. (Foto: gemeinfrei)

So hoffnungsvoll der schwarz-rot-goldene Neuanfang gestartet war, so schnell endete er. Statt Freiheit, Rechtsstaat und Demokratie setzten sich die Fürsten durch. Die verbliebenen Abgeordneten der Nationalversammlung flohen nach Stuttgart und wurden dort von Militär auseinandergetrieben. Die demokratische Revolution war gescheitert. Dennoch wehten Schwarz, Rot und Gold noch bis 2. September 1850 vom Turm der Paulskirche in Frankfurt. Und erst im August 1852 wurden sie am Frankfurter Bundespalais, dem Sitz des wiederhergestellten Deutschen Bundes, eingeholt. Noch 1866 zogen süddeutsche Truppen an Österreichs Seite mit schwarz-rot-goldener Armbinde in den Krieg gegen Preußen.

Eine neue Nationalflagge

Mit dem preußischen Sieg endete der Deutsche Bund. Und die Teilhabe Österreichs an Gesamt-Deutschland. Aus dem preußischen Weiß-Schwarz und dem Weiß-Rot der Hansestädte gestalteten die Sieger von 1866 eine neue Nationalflagge. Schwarz-Weiß-Rot wurde zum Symbol des Kaiserreichs. Und nach dessen Untergang zum Erkennungszeichen von Monarchisten und rechten Gruppierungen. Die weitere Geschichte ist bekannt. Die Weimarer Republik griff wieder auf Schwarz-Rot-Gold zurück. Und nach dem Hakenkreuz-Zwischenspiel der NS-Diktatur legten 1949 sowohl die westdeutsche Bundesrepublik als auch die DDR Schwarz-Rot-Gold als Nationalflagge fest.

Die Flagge der Bundesrepublik und der DDR wehen 1973 vor dem UN-Gebäude in New York. Das Rot der beiden Hoheitszeichen fällt ungewöhnlich dunkel aus. (Foto: Bundesarchiv/Bild 183-M0925-406/Joachim Spremberg/CC BY-SA 3.0 DE via Wikimedia Commons)
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Die Demokratie: kein Import aus den USA

Fragt man Leitmedien und Politiker nach Sternstunden der deutschen Geschichte, erntet man womöglich nicht selten ein Schulterzucken. Die historischen Leistungen des eigenen Volkes sind weithin vergessen. Ein offizieller Blick zurück lässt meist nicht viel Positives übrig. Die Verbrechen des Nationalsozialismus überdecken alles, was Deutsche in der Vergangenheit erreichten. Hinzu kommen weitere dunkle Flecken, die die Medien vor allem in jüngerer Zeit stark betonen: Kolonialismus, vermeintlich struktureller Rassismus, Diktatur. Dazu das alte Narrativ vom Untertanengeist der Deutschen. Das Land der Dichter und Denker – es ist medial zu einem Land der Mörder und Henker verkommen.

Revolution vor 175 Jahren

Die Demokratie, heißt es oft, habe den Deutschen nach 1945 von den Siegermächten beigebracht werden müssen. Gemeint sind die Westalliierten, allen voran die Vereinigten Staaten von Amerika. Politisch mag die Behauptung der US-Herkunft der Demokratie in Deutschland opportun erscheinen. Historisch aber ist sie Unsinn. Schon 100 Jahre vor der US-amerikanischen Besatzung zementierten die Deutschen ein bleibendes demokratisches Fundament. Und zwar auf einem Weg, der ganz und gar nicht zum vermeintlichen Untertanengeist passen will: durch eine Revolution nämlich. Dieser Tage liegt sie genau 175 Jahre zurück.

Ein früher Höhepunkt der Revolution: die Barrikadenkämpfe in Berlin am 18. März 1848. (Foto: gemeinfrei)

„Auch das deutsche Volk hat seine revolutionäre Tradition. Es gab eine Zeit, wo Deutschland Charaktere hervorbrachte, die sich den besten Leuten der Revolutionen anderer Länder an die Seite stellen können.“ Das schrieb der kommunistische Vordenker und Karl-Marx-Vertraute Friedrich Engels 1850 in seinem Buch „Der deutsche Bauernkrieg“. Er bezog sich damit zwar auf die andere große revolutionäre Erhebung der deutschen Geschichte: eben jene Serie von Bauern-Aufständen der Jahre um 1525. Doch wird seine Analyse durch die Revolution von 1848, an der er teilnahm, vollauf bestätigt.

Erste nationale Verfassung

Was 1525 unter den Schwertern und Kanonen der fürstlichen Heere blutig erstickte, setzte sich 1848/49 durch. Formell kam die Demokratie zwar nur kurz zur Entfaltung. Und noch dazu nur in Gestalt einer konstitutionellen Monarchie. Aber immerhin: Sie brachte dem deutschen Volk die erste nationale Verfassung, einen umfangreichen Grundrechte-Katalog, einen Rechtsstaat und die erste direkt gewählte nationale Volksvertretung. Und auch wenn das damals geschaffene demokratische Deutsche Reich von den Fürsten bald wieder zerschlagen wurde – die Fundamente der Verfassung von 1849 gerieten nie wieder in Vergessenheit. Sie befruchteten die Weimarer Reichsverfassung von 1919 ebenso wie das Grundgesetz.

Eine der letzten Briefmarken der DDR erinnerte an Thomas Müntzer, den Revolutionär des 16. Jahrhunderts. Der Block zeigt seine hauptsächlichen Wirkungsstätten. (Foto: Nightflyer/gemeinfrei via Wikimedia Commons)

Die deutsche Revolution von 1848 war eingebettet in eine Reihe von nationalen Volkserhebungen in mehreren europäischen Staaten. Bereits 1830 hatten die Franzosen im Rahmen ihrer Julirevolution erneut die Königsdynastie der Bourbonen gestürzt. Zum zweiten Mal nach 1789. Hinzu kamen Unabhängigkeitsbewegungen im damals russischen Polen, in Griechenland, Belgien und Italien. In Deutschland wiederum hoffte das unterdrückte Bürgertum auf einen Neuanfang. Der Freiheitswille des Volkes, der sich in den Befreiungskriegen gegen Napoleon 1806 bis 1815 gezeigt hatte, wurde durch die Macht der Fürsten unterdrückt. Presse- und Meinungsfreiheit waren nicht vorhanden.

Versuche, den Deutschen Bund, einen Staatenbund der deutschen Fürstentümer und freien Städte, liberal zu reformieren, scheiterten. Als die Franzosen erneut revoltierten und im Februar 1848 ihren „Bürgerkönig“ Louis-Philippe aus dem Amt jagten, sprang der revolutionäre Funke auf Deutschland über. Schon am 27. Februar forderten in Mannheim mehr als 2000 Menschen die allgemeine Volksbewaffnung, Grundrechte, Presse- und Versammlungsfreiheit, Schwurgerichte und ein nationales deutsches Parlament. Bauern drängten auf die Beseitigung der Vorrechte des Adels. Handwerker, Tagelöhner und Fabrikarbeiter forderten soziale Gerechtigkeit.

Notwendigkeit einer Reform

Bald kam es in den Städten zu ersten Unruhen. Am 1. März 1848 besetzten aufgebrachte Bürger in Karlsruhe das Ständehaus des badischen Landtags. Auch in München und Berlin gingen die Menschen auf die Straße. In Wien musste der reaktionäre Staatskanzler Klemens von Metternich fliehen. Zahlreiche Fürsten lenkten ein und beriefen liberale Regierungen, die den Forderungen des Volkes entgegenkommen sollten. In Preußen reagierte König Friedrich Wilhelm IV. hinhaltend. Einerseits versprach er, auf die Wünsche des Volkes Rücksicht zu nehmen. Andererseits ließ er Truppen zusammenziehen. Der Deutsche Bund erkannte am 8. März die Notwendigkeit einer großen Bundesreform.

Eine verlassene Barrikade in der Breiten Straße in Berlin, wie sie Eduard Gaertner gezeichnet hat. Nur die schwarz-rot-goldene Fahne zeugt noch von der Revolution. (Foto: gemeinfrei)

Am 18. März eskalierte die Situation in Berlin. Bürger errichteten Barrikaden und lieferten sich Straßenkämpfe mit dem Militär. Dutzende starben. Als die Truppen die Kontrolle über die Stadt zurückerlangt hatten, ließ der König sie sogleich wieder abziehen. Am Tag darauf ver­neigte sich Friedrich Wilhelm sogar auf dem Schloss­platz vor den 100 aufgebahrten „Märzgefallenen“. Schließ­lich legte er sich eine schwarz-rot-goldene Schärpe um und versprach, sich an die Spitze der deutschen Nationalbewegung zu stellen. „Preußen geht fortan in Deutschland auf“, erklärte der König. Es war ein Etappensieg der Revolution.

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Unabhängige Journalistin oder Kreml-Troll?

Alina Lipp ist umstritten. Ihren Kanal „Neues aus Russland“ verfolgen auf der Nachrichtenplattform Telegram mehr als 180.000 Menschen. Damit hat Lipp eine Reichweite, die über der manch einer Tageszeitung liegt. Alina Lipp versteht sich selbst als Journalistin. Deutschen Leitmedien gilt sie dagegen als „Putins Infokriegerin“, „Russland-Troll“ oder „Propagandistin des Kreml“. Weil sie aus Russland und dem umkämpften Donbass berichtet und ihren Telegram-Abonnenten dabei die russische Perspektive auf den Konflikt schildert, ja sich durchaus auch mit ihr gemein macht, zweifeln deutsche Medien an ihrer Unabhängigkeit.

Alina Lipp mit Helm: kein Beleg für ihre Nähe zu den russischen Streitkräften, sondern nur eine Sicherheitsvorkehrung. (Foto: Lipp)

Seit Beginn der russischen Invasion hat sich die heute 29-Jährige zu einem der bekanntesten Gesichter der „prorussischen“ Berichterstattung entwickelt. Die russische Perspektive liegt Alina Lipp sozusagen in den Genen. 1993 wurde sie in Hamburg als Tochter eines Russen und einer Deutschen geboren. 2018 wanderte Vater Wladimir auf die russisch gewordene Halbinsel Krim aus. In ihrem Kanal verlinkt Alina immer wieder Videos, in denen er vom ländlichen Leben auf der Halbinsel berichtet. Lipp studierte Umweltsicherung und Nachhaltigkeitswissenschaften und war eine Zeitlang bei den Grünen politisch aktiv.

Heute sieht sie ihre einstige Partei äußerst kritisch: „Die Grünen haben sich leider zum Negativen verändert. Sie zeigen momentan, dass sie eine Partei sind, die ausschließlich die Interessen der USA umsetzt und nicht jene der deutschen Bevölkerung.“ Die ablehnende Haltung der Partei hinsichtlich der mittlerweile gesprengten Erdgas-Leitung „Nord Stream 2“ zeuge von der „fachlichen Inkompetenz der Parteivorsitzenden“, meint Alina Lipp. Statt auf günstiges Erdgas aus Russland müsse Deutschland nun auf teures und umweltschädliches Frackinggas aus den USA zurückgreifen. „Die deutsche Wirtschaft und die Bevölkerung sollen leiden, damit es Putin weh tut.“

„Die Wahrheit vermitteln“

Als 2014 die Proteste gegen den ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch eskalierten und in der Folge im Donbass ein Bürgerkrieg ausbrach, begann Lipp, das westliche Narrativ zusehends zu hinterfragen. Sie befasste sich mit Heimat, Sprache und Kultur ihres Vaters und bereiste Russland. Im August 2021 kam sie zum ersten Mal ins umkämpfte Donezk. Zusammen mit einem Bekannten, der ursprünglich aus der Stadt stammt. „Ich war ziemlich geschockt über das, was ich da gesehen habe. Dass da Zivilisten umgebracht werden und in Deutschland nicht darüber berichtet wird“, sagt Lipp. Im Oktober fuhr sie wieder nach Donezk. Diesmal, um zu bleiben. Der Wunsch, „die Wahrheit nach Deutschland zu vermitteln“, war stärker als die Angst, in einem Kriegsgebiet zu leben, das regelmäßig von ukrainischen Truppen beschossen wird. 

Durch Beschuss im Bürgerkrieg wurde das Haus dieser Menschen im Donbass zerstört. (Foto: Lipp)

„Ich hatte zwei Monate überlegt, weil ich genau wusste: Das könnte Konsequenzen für mein Leben haben.“ Sie sollte Recht behalten. Ob sie jemals in die Bundesrepublik zurückkehren kann, ist fraglich. Für ihre Berichterstattung droht ihr hierzulande eine Freiheitsstrafe. Bis zu drei Jahre Haft. Denn nach Paragraf 140 des deutschen Strafgesetzbuchs ist es verboten, bestimmte Straftaten „in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts“ zu billigen. Zu jenen Straftaten gehören Kriegsverbrechen und völkerrechtswidrige Angriffskriege. Nach westlicher Sichtweise liegt beides im Fall der russischen Invasion in der Ukraine vor.

„Jemand, der filmt, was er sieht“

Just wenige Monate vor dem Beginn von Russlands „spezieller Militäroperation“ in der Ukraine zog Lipp nach Donezk. Dass sie sich dort zum Kreml-Troll entwickelte, steht für viele deutsche Medien außer Frage. Sie selbst weist das entschieden zurück: „Ich finde das eine Frechheit, mich als Putin-Troll oder Infokrieger zu bezeichnen. Ich bin einfach jemand, der vor Ort ist, filmt, was er dort sieht, und Gespräche vor Ort ins Deutsche übersetzt. Ohne irgendwelche Aufträge zu haben.“ Nie, betont Lipp, habe sie sich als Propagandistin präsentiert. Nie habe sie sich vor die Kamera gestellt und gesagt, sie unterstütze die Spezialoperation. „Wenn man mein Material anguckt, sieht man, dass ich meistens einfach die Kamera rumschwenke und die Leute reden lasse.“ 

Die „Volksrepublik Donezk“, aus der Lipp seit Herbst 2021 berichtet, spaltete sich 2014 nach einem international kritisierten Referendum von der Ukraine ab. Seit einem nicht minder umstrittenen erneuten Volksentscheid im vergangenen Jahr gehört Donezk zur Russischen Föderation. Zumindest nach russischer Lesart. Für den Westen bildet die „Volksrepublik“ nach wie vor einen Oblast (Bezirk) der Ukraine. Meist teilt Alina Lipp in ihrem Kanal Meldungen anderer – und verbreitet so auch Inhalte, die sich dann als „Fake News“ erweisen. Das macht sie angreifbar für ihre Kritiker im Westen, die in der Deutsch-Russin nur ein junges, attraktives Gesicht der Kreml-Propaganda sehen. Sie selbst betont: „Ich habe noch nie absichtlich Fakes verbreitet. Wenn ich auf einen Fake reingefallen bin, stelle ich das immer richtig.“

Wiederaufbau geht voran

Ihre Videos, die sie selbst bei Fahrten in die Nähe der Front, ins russisch besetzte Mariupol oder in andere „befreite“ Orte der „Volksrepublik Donezk“ aufnimmt, sind wichtige Primärquellen. Das, was die Menschen ihr – so wirkt es – bereitwillig in die Kamera erzählen, weicht teils beträchtlich von dem ab, was westliche Medien und Politiker spätestens seit dem 24. Februar 2022 verbreiten. Dass für den Donbass der Krieg bereits 2014 begann. Dass das ukrainische Militär Zivilisten beschießt und als menschliche Schutzschilde missbraucht. Auch wenn der Wahrheitsgehalt der Aussagen von Deutschland aus oft nicht überprüft werden kann, so bleibt doch der Eindruck, dass die Menschen im Donbass den russischen Einmarsch großteils begrüßen. Auch der Wiederaufbau der zerstörten Orte geht zügig voran. Lipps Botschaft stimmt häufig mit dem überein, was andere westliche Journalisten aus dem Donbass berichten.

Bereits im September 2021, also Monate vor der Invasion, als Lipp noch primär von der Krim schrieb, traf die junge Deutsche in Moskau Maria Sacharowa, die Sprecherin des russischen Außenministeriums. Westlichen Medien ist das ein weiteres Mosaiksteinchen in der Argumentation, Alina Lipp sei nichts weiter als eine Marionette des Kremls. Dagegen betont die 29-Jährige, Sacharowa habe lediglich „das Buch eines norwegischen Kollegen der Krim-Freunde signiert, bei denen ich Mitglied bin. Er hatte mich dazu mitgenommen.“ Bei einer Konferenz jener Krim-Freunde im März 2022 sah Lipp Sacharowa dann noch einmal. „Maria Sacharowa ist mit einer kleinen Rede aufgetreten und dann abgehauen.“

Teil eines Medienkriegs

Finanzieren lässt sich Alina Lipp von privaten Unterstützern, sagt sie. Das ist nicht ganz unproblematisch. Der Bezahldienstleister Paypal kündigte ihr das Konto. Ebenso ihre Direktbank. Lipp sieht die Kündigung als Teil eines Medienkriegs gegen sie. Wie viel Spenden sie erhält, behält die 29-Jährige für sich. „Aussagen über das Geld, das ich bekomme, mache ich nicht.“ Deutlich wird sie allerdings auf die Frage, ob sie jemals Geld von russischen Staatsmedien oder gar vom Kreml angenommen habe.

Mit Helm und Seit’ an Seit’ mit Wladimir Putin: So zeigte das Nachrichtenportal T-Online Alina Lipp. (Foto: Screenshot T-Online.de)

„Das war dieser blöde Artikel von T-Online, der das Gerücht gestreut hat, ich würde für Staatsmedien arbeiten. Das stimmt überhaupt nicht. Als unabhängiger Journalist verkauft man sein Material. Man bekommt keine Aufträge. Wenn jemandem etwas gefällt, kauft er das. Das ist völlig normale Praxis für freie Journalisten.“ Ein einziges Mal habe sie Sputnik Deutschland beliefert. „Das war vor der Spezialoperation. Da habe ich Sputnik drei kurze Videos geschickt, die alle nur etwa eine Minute oder so dauerten. Erst nach Monaten bekam ich dafür einen Mini-Betrag.“ Absehen davon habe sie nie Geld von russischen Medien erhalten.

Wer also ist Alina Lipp? Verbreitet sie für den Kreml russische Propaganda? Ist sie die „Friedensjournalistin“, als die sie sich selbst sieht? Oder liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen? „Ich bin einfach eine Journalistin, die Ungerechtigkeit gesehen hat und versucht, diese Ungerechtigkeit bekannt zu machen und aufzudecken“, sagt Lipp. Ihre Gegner an der medialen Front wird sie damit nicht überzeugen. Alle anderen vielleicht schon.

Thomas Wolf

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Im Blickpunkt

„Gibt kaum jemanden, der objektiver sein könnte“

Vor genau einem Jahr marschierten die russischen Streitkräfte in der Ukraine ein. Dem zu diesem Zeitpunkt seit acht Jahren andauernden Bürgerkrieg im Donbass brachte dies eine neue Eskalation. Die junge Deutsche Alina Lipp erlebte den Beginn der Invasion vor Ort mit. Sie war im Herbst 2021 nach Donezk in der gleichnamigen separatistischen „Volksrepublik“ gezogen, um von dort zu berichten. Ihre Videos und Nachrichten, die sie großteils über Telegram verbreitet, widersprechen spätestens seit Beginn der „speziellen Militäroperation“ dem gängigen westlichen Narrativ.

Das folgende Interview gab Alina Lipp kurz nach Kriegsbeginn. Es sollte in einer überregionalen deutschen Wochenzeitung erscheinen. Da der Chefredakteur den Vorwurf vermeintlicher „Russlandnähe“ fürchtete, flog der Beitrag kurzfristig aus dem Blatt. Erstmals veröffentlicht wurde er erst in der Januar-Ausgabe des monatlich erscheinenden Stichpunkt-Magazins.

Alina Lipp bereist den Donbass und dokumentiert Zerstörungen. (Foto: Lipp)

Frau Lipp, die deutsche Öffentlichkeit nimmt den russischen Einmarsch in der Ukraine als verbrecherischen Angriffskrieg wahr. Sie betonen dagegen, man dürfe die Vorgeschichte der Invasion nicht außer Acht lassen. Wie stellt sich diese für Sie dar?

2014 fand in Kiew ein Umsturz statt, infolgedessen eine neue west­orientierte Regierung an die Macht kam – gestützt von ultranationalisti­schen, anti­russischen Kräften. Der russischsprachige Osten des Landes, der Donbass, und die Krim-Bevölkerung haben diesen Putsch nicht unterstützt und sich von der Uk­raine losgesagt. Daraufhin schickte die illegal an die Macht gekomme­ne Regierung Armee, Polizei sowie Geheimdienste, um die abtrünnigen Gebiete mit Gewalt zurückzuholen.

Die Armee wollte nicht so rich­tig gegen ihr eigenes Volk kämpfen. Deshalb mobilisierten die Putschis­ten Rechtsradikale, bewaffnete diese und schickten sie in die abtrünnigen Republiken. Später haben Vertreter dieser paramilitärischen Einheiten wie „Asow“, „Donbass“, „Ajdar“ in der Armee, in den Geheimdiensten und in der Polizei Schlüsselpositionen übernommen.

Viele Verbrechen wurden gefilmt

Der Terror im Osten begann. Menschen verschwanden, wurden gefoltert und ermordet. Viele Ver­brechen wurden gefilmt. Ich habe selber einige grauenhafte Szenen ge­sehen. Die Menschen im Osten wurden pauschal zu Terroristen erklärt. Die Regierung startete eine „antiterroristische Operation“, die schnell in einen echten Krieg ausartete. Seit 2014 sind nach UN-Angaben rund 14.000 Menschen ums Leben gekommen. Laut OSZE gingen 75 Prozent davon auf das Konto der Ukraine.

Veteranen des umstrittenen Asow-Regiments marschieren 2019 durch Kiew. Ihr Erkennungszeichen, von dem sich die Einheit mittlerweile offiziell distanziert, ist eine Wolfsangel, die auch von NS-Verbänden genutzt wurde. (Foto: Goo3/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Das Minsker Abkommen brachte die Hoffnung, dass durch gegenseitige Zugeständnisse Frieden einkehrt. Doch die Ukraine hat es in acht Jahren nicht geschafft, die Schlüsselpunkte des Abkommens umzusetzen. Die Rechtsradikalen haben immer wieder gedroht, die Regierung in Kiew zu stürzen, wenn diese irgendwelche Zugeständnisse machen würde. Sie forderten die gewaltsame Lösung des Konflikts.

Russland will die Ukraine „entnazifizieren“. Im Westen heißt es dagegen, die Ultranationalisten spielten in Parlament und Regierung keine Rolle. Und ist es nicht absurd, wenn ausgerechnet der jüdische Präsident Wolodymyr Selenskyi in die Nähe der Nazis gerückt wird?

Das finde ich nicht absurd. Ein „Nazi“ ist nicht automatisch ein Antisemit, sondern jemand, der ra­dikale Ansichten über andere Men­ schengruppen oder Ethnien vertritt. In der Ukraine wurden Gesetze verabschiedet, die den russischsprachigen Teil der Bevölkerung zu Bürgern zweiter Klasse machen: Behörden und Dienstleister dürfen Russisch als Sprache im Wesentlichen nicht mehr verwenden. Russischsprachige Schulen wurden geschlossen.

Durch das „Gesetz über die ein­ heimischen Völker“ werden die Bürger der Ukraine nach völkischen Kriterien in drei Kategorien eingeteilt, die unterschiedliche Rechte haben. Russen gehören zur dritten Kategorie und haben damit weniger Rechte und Ansprüche auf finanzielle Unterstützung als Ukrainer. Stellen Sie sich vor, ein europäisches Land würde solche Gesetze verabschieden – das wäre ein Skandal!

„Russische Untermenschen“

Möglich ist eine solche Gesetz­ gebung in der Ukraine, weil Ultranationalisten eben doch eine Rolle in Parlament und Regierung spielen. Es gibt staatlich subventionierte Ferienlager, in denen Kinder lernen, man müsse „russische Untermenschen“ erschießen. Das Asow-Regiment untersteht dem Verteidigungsministerium. Die Verwendung von Nazi-Symbolik ist gut belegt. Auch das ZDF hat darüber berichtet.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi mit Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission. (Foto: European Commission/Dati Bendo via Wikimedia Commons)

Selenskyi trat sein Amt als Präsident 2019 mit dem Versprechen an, den Konflikt im Donbass zu beenden. Warum ist er gescheitert?

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass Selenskyi mit guten und ehrlichen Absichten antrat, den Frie­den wiederherzustellen. Gescheitert scheint er am Widerstand der nationalistischen Kräfte zu sein. Sobald er auch nur andeutete, Zugeständnisse gegenüber der abgespaltenen Republiken in Erwägung zu ziehen, versammelten sich radikale Nationalisten mit Molotow-Cocktails vor dem Regierungsgebäude.

Wenn es Russland um die „Befreiung“ des Donbass geht – warum marschiert es dann auf breiter Front ein und greift auch Kiew, Lemberg oder Charkiw an, die hunderte Kilometer von Donezk und Lugansk entfernt liegen?

Einfach nur die Donbass-Republiken mit Soldaten zu unterstützen hätte nichts gebracht, da die ukrainische Armee mit Raketen auf die Republiken schießt. Deshalb muss Russland die ukrainischen Einheiten so weit wie möglich zurückdrängen – und sicherstellen, dass danach nicht wieder vorgerückt wird.

Russland hat sich die Demilitari­sierung und „Entnazifizierung“ der Ukraine als Ziel gesetzt, da die nationalistischen Kräfte ansonsten im­mer wieder versuchen würden, den Donbass anzugreifen. Russland zerstört daher militärstrategische Ziele überall im Land, um die ukrainische Armee zu schwächen: Waffen­ und Öllager, Übungsplätze, militärische Flughäfen.

Warum hat Russland jetzt angegriffen – und nicht bereits 2014?

Wenn Wladimir Putin der blutrünstige Aggressor wäre, als der er in westlichen Medien meist dargestellt wird, hätte er wohl 2014 angegriffen. Das tat er aber nicht. Russland hat sich aus dem Konflikt weitgehend herausgehalten. Die im Donbass abgehaltenen Referenden, nach denen sich Donezk und Lugansk zu „Volksrepubliken“ erklärten, wurden durch Russland acht Jahre lang nicht anerkannt. Putin legte den Republiken sogar nahe, dass er ihren Antrag auf Aufnahme in die Russische Föderation nicht annehmen würde, sollten sie einen solchen stellen. Viele Menschen im Donbass haben gefragt, warum Russland ihnen nicht helfe. Einige waren sogar richtig sauer.

Die heftigen Kampfhandlungen in Mariupol ließen auch zahlreiche Wohngebiete zerstört und verwüstet zurück. (Foto: Lipp)

Ukraine in die NATO

Aktuell wurde Russland durch mehrere Umstände gezwungen, militärisch gegen die Ukraine vorzugehen. Erstens nahm der Beschuss der Donbass-Bevölkerung, von der ein Großteil die russische Staatsbürgerschaft besitzt, extrem zu. Zweitens lehnten NATO und USA Russlands Vorschläge für gegenseitige Sicherheitsgarantien ab. Damit signalisierten sie, die Ukraine in die NATO aufnehmen zu wollen, womit die Errichtung von NATO-Stützpunkten unmittelbar an der russischen Grenze ermöglicht würde. Putin hat immer wieder da­ vor gewarnt, dass dies eine rote Linie überschreiten und Konsequenzen nach sich ziehen würde.

Und drittens verkündete Selenskyi auf der Münchner Sicherheitskonferenz, dass er in Erwägung zieht, den im Budapester Abkommen geregelten Verzicht der Ukrai­ne auf den Besitz von Atomwaffen zurückzunehmen.